Kosmos
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Zitat von MaKaZen:@Kosmos Wer weiss schon, was für das Individuum die beste Therapie ist? Es gibt einfach zu viele Erkrankungen bzw. Störungen. Insgesamt sind in den letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte gemacht worden und doch ist nicht wirklich ein Ende in Sicht. Die Einbindung von transzendenten Inhalten gibt es seit C. G. Jung. ...
Ich habe Deinen Eintrag gelesen und zuerst war ich erst mal ein bisschen unsicher, weil es etwas fremde Materie für mich ist. Ich bin den psychodynamischen Lehren - mit einer Ausnahme - konsequent ferngeblieben, nachdem ich gesehen habe, mit welcher schlimmen Bilanz die Patienten dort nach einer jahrlangen Therapie rausgegangen sind.
Aber das muss man nicht diskutieren. Das darf jeder selbst entscheiden.
Und dann bin ich an dem Stichwort Selbstoptimierung hängen geblieben.
Wenn man an sich selbst feilen tut, weil andere es einem abverlangen und weil es noch gekoppelt ist an die Zuschreibung, man wäre nicht ok, dann kann ich mir das auch nur als einen sehr unmenschlichen Druck vorstellen.
So habe ich es aber eigentlich nie gesehen oder verstanden.
Das ist wie es in der Schule ist:
Die einen Kinder empfinden es so, als ob sie für die Schule, für den Lehrer, für die Eltern lernen müssten, als Zwang.
Und die andere Kinder lernen gerne, aus Freude am Fortschritt, aus Interesse an der Sache, sie lernen für sich selbst und empfinden die Schule oder allgemein Anleitung als Einladung.
Die einen sehen es als Angriff auf sich und die anderen sehen es als Angebot für sich.
Selbstoptimierung ist etwas, was ich für mich anstrebe, weil ich mich mag und weil ich für mich was tun möchte. Wenn man Selbstoptimierung macht, weil man sich selbst ablehnt und es macht, weil andere einen deswegen nerven, dann würde es mir auch keinen Spaß mehr machen. Das wäre auch nicht sehr erfolgreich.
Ich glaube, man muss schon sehr trennen, welcher Mensch etwas sagt. Die sind nicht alle gleich. Obwohl ich ganz viel miese Sachen erlebt habe, hatte ich doch auch viele Menschen, die mir - vielleicht auch zu spät in meinem Leben - klar gesagt haben, dass ich ok bin bzw. habe ich es mir selbst auch gesagt. Ich war schon als Kind so schlau, dass ich das, was um mich herum passiert ist, richtig einschätzen konnte. Es wird ja immer behauptet, dass Kinder das nicht könnten. Das stimmt nicht. Es wird auch behauptet, dass alle Kinder ihre Eltern lieben würden. Das stimmt definitiv nicht. Ich habe meinen Vater verabscheut und gehasst und bis zum heutigen Tag habe ich ihn keine Sekunde vermisst oder einen Vater vermisst oder den Wunsch gehabt, dass er mich lieb hätte oder irgendwas. Er hatte sein Leben lang ein Kinderbild von mir in der Brieftasche. Da darf man nicht deswegen gefühlsdusselig werden. Er war ein .... und hat kein einziges Kind verdient. und Bildchen in der Brieftasche rumtragen macht nichts ungeschehen.
Ich frage mich jeden Tag, warum die einen Kinder das schaffen und innerlich auf Abstand zu solchen Eltern zu gehen und warum andere sich daran festbeißen, von jemandem Liebe zu kriegen, der die nie gegeben hat und sie auch nie geben wird. Ich habe mich auch mit vielem einfach abgefunden. Das hat das Leben so viel einfacher gemacht.
Ich mach' Dir keinen Druck. Von mir aus kannst Du Dich so entwickeln oder ruhen und bleiben, wie Du bist. Ich glaube, wir sind uns soweit einig, dass wir beide denken, dass ein zu viel und zu lange an Druck - und vor allem schädlichen Druck - jeden Menschen schädigen würde und dass er sich auf keinen Fall damit wohl fühlen könnte. Und ein starkes Unwohlfühlen hemmt einfach unsere Leistungsbereitschaft, unsere Leistungsfähigkeit, macht uns krank und auch sozial unverträglich. Davon haben wir ja alle dann nur eine negative Lebensqualität. Deswegen gebe ich Dir recht, das alles muss im Sinne des Anwenders gut sein und nicht nur im Sinne des Erfinders. Ich sehe es auch so, dass man psychologische Fortschritte fördern muss und nicht so sehr fordern.
Mir geht es auch darum, wer mir den besten und einfachsten und schönsten Weg dorthin anbietet. Insofern bin ich doch eher jemand, der eine Optimierung von Therapeuten als wichtig ansieht.
Ich kann da aber auch schlecht mitreden. Ich hatte keine Eltern, die mir Druck gemacht haben. Bei mir stand keiner hintendran und hat mich gegängelt oder hat mir mein Zeugnis um die Ohren gehauen oder so Zeug. Wir mussten sehr früh allein klarkommen, selbstständig sein. Als mein Bruder in der 5. Klasse in eine neue Schule kam, hatte er neue Klassenkameraden. Mit denen traf er sich ab und an und jeder erzählte, er müsse da und da zu Hause sein. Also fragte mein Bruder eines Tages zu Hause, wann er wieder zu Hause sein müsste. Meine Oma war so perplex, dass sie gesagt hat: Das ist doch mir egal! Wenn Du gar nicht mehr heimkommst, ist es mir auch gleich!. So, wenn man so aufwächst, dann ist man die Freiheit von sehr früher Kindheit an gewöhnt. Man hat gelernt, auf sich selbst aufzupassen. Und das, was man nicht richtig gemacht hat, das hat einen eingeholt. Also hat man irgendwann verstanden, dass man nicht für die anderen lernt, sondern für sich selbst.
Das muss man halt schon sehen, dass die biografischen Hintergründe sehr verschieden sein können. Wenn man keine Helikopter-Eltern hatte, dann ist man den Umgang mit der Freiheit gewohnt. Manche Menschen müssen den erst kennenlernen. Für die ist das neu, dass sie alles selbst entscheiden dürfen. Für andere ist genau dieses Alles-alleine-machen-müssen die Bürde der Kindheit und Jugend gewesen. Insofern hast Du durchaus recht. Jede Therapie ist und muss individuell gemacht werden. Angebote im Sinne von Digital-Kursen versagen da kläglich. Das kann eine sinnvolle Unterstützung sein, ein Beiwerk, aber eine richtige Therapie wird es nicht ersetzen können. Das sehe ich jede Woche, wie sehr das dann ins Detail geht und wie präzise ein Traumatherapeut seine Intervention anpassen muss.
28.01.2023 19:06 • x 1 #102