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fkb
Seit 34 Jahren stehe ich auf der Bühne des Lebens. Ich spiele meine Rolle wirklich gut. Jeden morgen setze ich meine Maske auf. Eine sozialverträgliche, oberflächliche Erscheinung, dem typischen Durchschnittsmenschen angepasst und mit einem freundlichen Lächeln. Die täglich immer wieder kehrende Frage des Publikums Wie geht es dir?, welche auf mich noch oberflächlicher wirkt als meine eigene Maske, wird mit sorgfältig einstudierten Antworten begegnet. Alles ist darauf ausgelegt sich der Masse an zu passen. Nur nicht auffallen ist die devise. Immer schön den Schein waren das man in einer perfekten und harmonievollen Welt lebt. Eine Welt in der es schon lange nicht mehr auf das einzelne Individuum ankommt und Freiheit nur noch eine verblasste Erinnerung an vergangene Zeiten ist. Wer nicht schneller, höher und weiter als der Durchschnitt springt, geht unter in einer grauen Masse aus Menschen. Meine Rolle, über viele Jahre hinweg gespielt, passt sich nahtlos in diese Welt ein.
Und wenn am Abend das Licht ausgeht, merkt man das man vor einem leeren Saal steht. Keiner ist geblieben, kein Applaus und kein Danke. Auch diese Situation meistert man hervorragend wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat. Noch schnell verbeugen für das Protokoll und dann kann man wieder in seine eigene Welt zurück. Bestimmt aus Einsamkeit und Dunkelheit. So oder so ähnlich verbringt man die Jahre. Oft kommt es einem vor wie in einem Traum aus dem man niemals aufwacht.

Sicherlich wird sich nun der ein oder andere Fragen was ich damit sagen will. Ein einfaches Alles ist schei.! hätte auch genügt. Es ist nur eine andere Art der Verpackung.

Mein größtes Problem ist diese ständige Einsamkeit. Ich habe große Probleme fremde Menschen an zu sprechen und würde mich lieber vor Ihnen verstecken. Daraus ergibt sich wieder Einsamkeit. Man dreht sich ständig im Kreis. Auf Fremde, sogar auf Personen die mich schon länger kennen, wirke ich komisch. Meine Werte, die Sicht der Dinge bis hin zu den Hobbys sind fernab des Mainstreams. Daher muss ich immer wieder feststellen das ich nicht für diese Welt gemacht bin, oder ist es vielleicht anders herum? Die einzige Konstante in meinem Leben sind meine beiden Kater welche mir jeden Tag Mut machen.

Ich könnte hier noch Seitenweise tippen, Erklärungen und Erzählungen von mir geben. Das ist aber gar nicht der Grund dieses Posts. Ich hoffe, oder vielmehr bin ich überzeugt davon das ich nicht der Einzige bin der ähnlich fühlt. Ebenso denke ich unbewusst will ich ein wenig auf mich Aufmerksam machen. Daher würde ich mich über Nachrichten von Euch sehr freuen. In der Anonymität des internets ist vieles einfacher. Da bin sogar ich in der Lage über meinen Schatten zu springen und fremde an zu sprechen. Vielleicht findet sich jemand der hinter meine Maske schauen möchte und mich kennen lernen will.

Lg

08.10.2017 20:08 • 09.10.2017 x 3 #1


6 Antworten ↓


M
Du bist defeinitiv nicht der Einzige, der die Welt auf diese Weise erlebt. Mir geht es ähnlich. Ich kämpfe Tag für Tag um ein Stück Normalität oder eben das, was ich mir darunter vorstelle. Aber wenn ich dann wieder alleine bin, dann erkenne ich, wie fern ich von allem bin...

08.10.2017 20:42 • #2


A


Wenn am Abend das Licht aus geht

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Mondkatze
Huhu

Wow, Deine Sozialisierung ist ein voller Erfolg.
Glückwunsch an die, die das verbockt haben ( ohne ihnen einen Vorwurf zu machen. Denn sie wußten es wahrscheinlich selbst nicht besser )
Du bist super angepaßt an die anderen, die roboterhaft ihr Leben leben. Wenn man es so nennen kann.
Ist doch klar, dass Du komisch auf andere wirkst.
Denn Du bist nicht Du.
Du bist programmiert, wie wir alle. Handelst, wie es von Dir erwartet wird. Nur nicht zeigen, wie es wirklich in einem aussieht.

Aber wo bist DU?

Ich hatte übrigens das selbe Problem.
Lebte in einer Welt, die nicht meine war. Ich war nicht ich, ich war ein Mensch, der gut führbar war, simple in der Handhabung. War Fußabtreter, der noch jedem hinterher lief.
Mein eigenes Ich war verkümmert. Es war, als hätte ich einen Panzer um mich herum. Etwas drängte nach außen, aber es war gefangen.
Jeglicher Widerstand, den man als Kind unternommen hatte, weil das Kind fühlt, wenn etwas nicht in Ordnung ist, wurde unterbunden mit entsprechenden Bestrafungen wie z.B. Liebesentzug o.ä.

Du kannst auch diesen Kreislauf durchbrechen.
Die Einsamkeit, Dein Wunsch nach Anerkunnung, diese Dunkelheit.... das alles zeigt Dir ganz deutlich auf, dass es so nicht weitergehen soll.
Lerne Dich selbst kennen, probiere aus, mache Fehler und lerne daraus.
Es ist nicht leicht, aber es lohnt sich.

LG
eine widerwillig Angepaßte

08.10.2017 22:10 • x 1 #3


Mesrour
Hallo fkb, vor längerer Zeit fand ich in den Tiefen des Internet einen Text, der mir aus der Seele sprach, der Autor oder die Autorin sind mir leider nicht bekannt:

Wenn Du wüsstest, wie ich wirklich bin, würdest Du mich genauso wenig mögen wie ich mich selbst mag. Das ist meine Angst.

Also verstelle ich mich. Vor Dir, aber auch vor mir selber.

Ich male ein falsches Bild von mir. Manche Stellen der Wahrheit lasse ich aus, andere übermale ich mit einem Lächeln, einem Witz, einstudierter Gestik und Mimik, meinen einstudierten kleinen Geschichten, dem materiellen Schein, dem Job, dem neuen Hobby, dem Facebook-Profil.

Dir gefällt das Bild, das ich gemalt habe, hoffe ich, und Du gibst mir ein bisschen Anerkennung dafür oder vielleicht sogar Liebe.

Ich bin nicht der, den Du siehst auf diesem Bild, und mit jedem Tag, der vergeht, vergesse ich selbst ein Stück mehr, wer ich wirklich bin. Ich halte mich fest an diesem Bild. Meine Finger krallen sich in den Rahmen, sie versteifen mehr und mehr. Die Farben trocknen fest, ein paar Tränen oder leichte Gewitter können sie nicht mehr abwaschen.

Deine Zuwendung, Deine Komplimente, Deine Küsse dringen nicht wirklich zu mir durch, erreichen nicht mein Herz. Denn es ist nur das Bild von mir, das Du küsst.

Mit dem Pinsel in der Hand fühlte ich mich sicher, irgendwie mächtig, das Malen und das Bild gaben mir Halt. Doch das Gefühl von Halt ist gekippt, ist etwas Anderem gewichen. Ich fühle mich einsam. Stelle mich vor einen Spiegel und versuche, mir selbst ein paar Komplimente zu machen, doch auch die kommen nicht bei mir an. Ich fühle mich getrennt von den anderen Menschen und von der Welt.

Und leer, verdammt leer, und verdammt unruhig.

All das Verstellen, all das Anders-sein-wollen war eine Sackgasse. Ich will mich nicht mehr so einsam und getrennt und leer und unruhig fühlen.

Das Bild erneut zu übermalen, es noch attraktiver zu machen mit einem neuen Job oder Auto oder Hobby oder Kleidung oder was auch immer, das wird nichts bringen. Um mich selbst wiederzufinden und zu lieben und von anderen geliebt zu werden, für das, was ich wirklich bin, muss ich das Bild abreißen, mich so zeigen, wie ich wirklich bin.

Gehts Dir auch so?

Die meisten von uns schämen sich für manche ihrer Eigenschaften, für ihre Fantasien, ihre Ängste und Unsicherheiten.

Wir sagen uns: so, wie ich wirklich bin, bin ich nicht liebenswert, reiche ich nicht aus.

Um nicht verletzt, aber umso mehr geliebt zu werden, rackern wir uns ab dafür, Bilder von uns zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Wir rackern und leisten, reden und beißen, verstellen und täuschen, wollen unbedingt ein gutes Bild abgeben.

Vielleicht ist heute der Tag gekommen, an dem wir dieses Bild einreißen. Wenigstens ein kleines Stück, ein kleiner Riss, der den Blick frei legt für ein kleines Stück auf das, was wir wirklich sind.

Wem könntest Du Dich öffnen und etwas von Dir zeigen?

Wir könnten bei uns selbst anfangen, Du bei Dir und ich bei mir und in uns hineinhorchen und uns fragen, wie es uns wirklich geht, welche Schmerzen wir schon viel zu lange verdrängt haben auch die Schmerzen darüber, wie wir wieder und wieder geglaubt haben, uns verstellen zu müssen, um anderen zu gefallen, und uns selbst damit jedes Mal aufs Neue demonstriert haben, dass wir nicht genug seien, schlechte Menschen oder zumindest keine, die wertvoll und gut und kompetent und liebenswürdig genug sind.

Die Wahrheit ist: wir sind gut so, wie wir sind. Echt, wir sind schon ziemlich in Ordnung. Wir müssen nichts leisten, nicht scheinen, nur einfach wir selbst sein.

Wenn ich wüsste, wer Du wirklich bist ich würde Dich mögen, mit all Deinen Eigenschaften, Fantasien, Ängsten und Unsicherheiten...


Auch ich habe schon immer auf andere komisch oder seltsam gewirkt (selbst meine Freundin meint, ich wäre manchmal schon etwas merkwürdig...), aber jetzt kommt es:
Seitdem ich dazu stehe, das ich so bin, wie ich nunmal bin, hat sich mein Leben deutlich verbessert. Ich suche keine Ausreden mehr, warum ich eine totale Nachteule (um nur ein Beispiel zu nennen...) bin, ich stehe inzwischen dazu, das ich die Nacht über alles liebe, und fertig!

09.10.2017 06:10 • x 2 #4


Hoffnungsfroh
Zitat von fkb:
Ich hoffe, oder vielmehr bin ich überzeugt davon das ich nicht der Einzige bin der ähnlich fühlt.


Deine Erzählung ist - das weißt du selbst, davon bin ich überzeugt - gut geschrieben. Logisch gegliedert. Auf den Punkt gebrachte Situationabeschreibung. Nur.... von welchem Gefühl sprichst du? Da ist für mich nicht viel Gefühl wahrnehmbar. Ohnehin ist das Schreiben ein wahrer Gefühlsakt, umso mehr vermisse ich bei dir Gefühle. Einsamkeit ist ein Zustand. Welches Grundgefühl (Angst, Trauer, Wut, Freude, Liebe) steckt dahinter?

Gerade hier im Einsamkeitsforum lese ich immer wieder die typischen Symptome für Co Abhängigkeit in Beziehungen. Ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Beziehungsfähigkeit geht. Co Abhängigkeit kann zu sozialen Unsicherheiten, Ängsten im Selbstwertbereich, zu Bindungsangst/Beziehungsangst uvm führen.
Gut beschrieben auf der Homepage von Beziehungsangst Coach Silke Neuschulz in Hannover

09.10.2017 06:50 • #5


YesItsMe0
Du bist bei weitem nicht alleine!

Gerade erst heute wieder eine passende Situation erlebt die mich etwas sprachlos gemacht hat:
~36 Studenten der Informatik (viele Erstsemester) sind in einem Raum zum Programmiervorkurs. Jeder hat sich nur vor seinen PC gesetzt und ruhig abgewartet bis es losging. In den Pause ging es vor die Tür aber viele standen alleine herum und haben sich nicht getraut andere anzusprechen. Nach dem Kurs sind alle schnell verschwunden. Ich war etwas langsamer und hatte eigentlich geplant mit anderen zu reden und danach gemeinsam in die Mensa zu gehen. Tja falsch gedacht.

Morgen mache ich das anders und stelle mich direkt meinen Nachbarn vor und komme extra ein paar Minuten eher das man schon ein kleines Gespräch führen kann. In den Pausen werd ich auch jemand fragen ob er sich nicht zu uns stellen will da ich halt schon ein paar Leute vor dem Programmierkurs kannte.

Ich freue mich auf Kontakt mit Mitstudenten da man Informatik halt kaum alleine schafft. In meiner Freizeit jedoch bin ich am Liebsten alleine und möchte dort eigentlich so wenig Kontakte wie möglich, aber mal schauen was sich so ergibt.

09.10.2017 14:17 • #6


fkb
Hallo zusammen,

vielen Dank für Eure Beiträge.
Eben hatte ich doch wirklich ein wenig Angst die Antworten zu lesen. Angst davor etwas negatives zu lesen. Mir scheint mein Selbstwertgefühl ist heute nicht das beste.

Zitat von Mondkatze:
Du kannst auch diesen Kreislauf durchbrechen

Ganz bestimmt könnte ich. Nur bin ich mir nicht sicher ob ich nicht will oder ob ich nicht kann.
Wenn man sich lange genug in diesem Kreis dreht wird es Teil des Lebens. Um den Weg des geringsten Widerstands zu gehen macht man einfach so weiter wie man es gewöhnt ist. An dieser Stelle bin ich immer wein wenig von mir selbst enttäuscht, ich kenne die Probleme aber mache nichts dagegen.

Zitat von Mesrour:
Seitdem ich dazu stehe, das ich so bin

Ich stehe auch dazu wie ich bin. Nur leider bezieht sich das auf das Bild welches ich meinen Mitmenschen präsentiere und nicht auf mein eigentliches ich. Oft kommt der Wunsch auf daran etwas zu ändern. Sofort kommt aber dann die Frage auf was wohl die anderen von mir denken würden. Werden sie mich fragen was mit mir los ist? Muss ich mich erklären? Natürlich ist mir bewusst das dieses Denken falsch ist. Aber schon wieder drehe ich mich im Kreis und gehe den einfachen Weg, alles so lassen wie es ist.
Vielen Dank für den schönen Text, sehr viele Parallelen zu meiner Situation.

Zitat von Hoffnungsfroh:
Welches Grundgefühl (Angst, Trauer, Wut, Freude, Liebe) steckt dahinter?

Angst vor Veränderung. Angst vor dem Unbekannten. Angst vor der Einsamkeit, welches oft zur Trauer führt.
Freude, das gab es mal. Wenn ich mich konkret an eine Situation erinnere, das muss so Mai 2016 gewesen sein.
Liebe... das ist noch viel länger her.
Interessante Bemerkung bezüglich der Co Abhängigkeit. Den vorgeschlagenen Beitrag habe ich gelesen. Natürlich finden sich ein paar Punkte welche auf mich zutreffen, so wie bestimmt auf viele andere Menschen auch. Aber dennoch würde ich sagen das die Grundaussage nicht auf mich zu trifft. Das ganze zu begründen würde hier den Rahmen sprengen.

Zitat von YesItsMe0:
standen alleine herum und haben sich nicht getraut andere anzusprechen

Ist eine mir sehr vertraute Situation. Am liebsten gar keine Pause machen, das man erst gar nicht an diesen Punkt kommt. Schnell hin, schnell wieder weg. Zwischendrin den Kopf einziehen und möglichst unauffällig bleiben. Am Ende ist man nur ein schneller Schatten seiner selbst der in der Erinnerung der anderen sofort verschwindet. Ziel erreicht... oder doch nicht?
Freut mich das es solche Leute wie dich gibt. In dem Du andere ansprichst löst du quasi deren Probleme. Aus meiner Sicht gesehen. Ich hoffe das kommt nicht falsch rüber.
Berichte doch einmal ob es die gelungen ist.


Wie Ihr merkt bin ich mir meiner Situation und den Problemen sehr wohl bewusst. Die Ursachen dafür habe ich über all die Jahre aber noch nicht erkennen können. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Und dennoch... es ändert sich nichts.

Lg

Flo

09.10.2017 21:14 • #7





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