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Hallo zusammen!

Vorweg: Dieser Text wird ziemlich lang. Ich habe lange daran gesessen und versucht, passende Formulierungen zu finden. Gar nicht so leicht, aber ich denke, das kennt ihr sicher auch. Ich habe auch lange überlegt, ob ich mich in einem Forum registrieren soll oder nicht. Ich wusste auch nicht, in welche Rubrik der Text soll. Falls er falsch ist, bitte ich um entschuldigen und Verschiebung

Wem der Text zu lang wird, am Ende habe ich eine Auflistung meiner aktuellen Probleme gesetzt, die meine derzeitige Situation zusammenfasst.

Ich möchte mich kurz vorstellen: Mein Name ist Steffen, ich bin 28 Jahre und wohne in Baden-Württemberg. Nach meinem Abitur habe ich ein FSJ im Rettungsdienst/Krankentransport gemacht und anschließend eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert, danach vier Jahre als Einkäufer in einem mittelständischen Familienunternehmen gearbeitet. Mittlerweile habe ich dort vor einem Jahr gekündigt und arbeite im Rettungsdienst. Die dafür nötige medizinische Ausbildung habe ich über das FSJ und die ehrenamtliche Tätigkeit in einer Hilfsorganisation erlangen können (dort bin ich seit 2006 aktiv). Meine Eltern haben sich 2004 getrennt und sind geschieden. Das war eine jahrelange Schlammschlacht, unter der mein Bruder und ich sehr gelitten haben.

Jetzt aber zum eigentlichen Thema, weswegen ich hier bin:

Seit Jahren leide ich unter einer Müdigkeit und Antriebslosigkeit, die phasenweise schlimmer und besser war, aber immer da. Dazu kam das Gefühl, alles irgendwie als Außenstehender zu betrachten und gar nicht bei mir zu sein, keine Kontrolle zu haben und alles um sich rum geschehen zu sehen. Deswegen war ich 2015 das erste Mal bei einer Psychiaterin. Nach einem Kopf-MRT, bei dem alles in Ordnung war, habe ich von ihr Escitalopram verschrieben bekommen. Das habe ich mehr oder weniger regelmäßig genommen, es aber irgendwann gelassen und war seither auch nicht mehr bei ihr. Die Praxis gibt es auch nicht mehr.

Bis heute habe ich zahlreiche Arzttermine hinter mir, Blutbilder, EKGs etc, alles bisher ohne krankhaften Befund.
Im Sommer 2017 gab es nochmal eine turbulente Zeit, in der mein Bruder, meine Mutter und ich wegen Eigenbedarfs aus unserem Mietshaus raus mussten und der Zeitpunkt gekommen war, in die erste eigene Wohung zu ziehen. Auszug/Umzug, Stress auf der Arbeit haben dazu geführt, dass ich Herzrasen bekam, in der Klinik landete, aber nach drei Tagen ohne Befund entlassen wurde.

Daraufhin habe ich in Absprache mit meinem Hausarzt nochmal Citalopram versucht und eine Überweisung für eine Psychotherapie bekommen. Diese habe ich nach dem Erstgespräch aber leider auch nicht mehr verfolgt. Warum, weiß ich nicht, jedenfalls gibt es die Praxis ebenfalls nicht mehr in der Nähe, diese ist weiter weg umgezogen. Das Citalopram habe ich seit Ende letzten Jahres ca. auch nicht mehr genommen.

In den letzten Wochen aber haben sich die Ereignisse überschlagen. Da es mir körperlich nicht gut ging (motorische Probleme, Krankheitsgefühl, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Schwäche), wurde ich von meinem Hausarzt zum Neurologen geschickt und auf Rheuma und Borreliose untersucht. Dies war negativ und ein erneutes Kopf-MRT ebenfalls unauffällig. Daher habe ich vom Neurologen probeweise Venlafaxin verschrieben bekommen. Am Tag zuvor bekam ich von meinem Hausarzt eine Kortison-Depot-Spritze (Triamcinolon) wegen meines Heuschnupfens.

Jedenfalls habe ich am Tag der ersten Einnahme des Venlafaxins während des Schwimmens im Freibad Herzrasen mit Rhythmusstörungen bekommen, hatte panische Angst und kam daher mit dem Rettungsdienst in die Klinik. Dort waren Herzenzyme leicht erhöht, weswegen ich zwei Tage stationär blieb (kann beim Herzrasen auftreten). Die Werte waren aber maximal 1 über dem Referenzbereich und gingen wieder zurück und ich wurde nach einer Nacht auf der Überwachungs- und Normalstation entlassen mit einer Überweisung zum Kardiologen. Den Termin habe ich am 19.07. Ob es jetzt vom Kortison, vom Venlafaxin oder vom Herz kam, kann niemand genau sagen.

Seit diesem Erlebnis habe ich permament eine leichte Panik, dass was mit meinem Herzen nicht stimmt. Jeder Stolperer, jedes Zwicken in der Brust löst bei mir eine Angst aus. Ich traue mich kaum, etwas zu machen, geschweige denn, mich anzustrengen. Mein Hausarzt hat ein EKG geschrieben, das unauffällig war. Da ich aber vom Fach bin und er mich beruhigen wollte, hat er mich nach Rücksprache nochmal ins KH eingewiesen. Dort wurde ein EKG, Labor und Thorax-CT mit Kontrastmittel gemacht. Ohne Ergebnis.

Da ich sowieso schon länger auch Sodbrennen und Schmerzen in der Brust hatte, wurde gestern eine Magenspiegelung gemacht. Dort wurde festgestellt, dass mein Mageneingang nicht komplett schließt. Was das konkret heißt, bespreche ich mit meinem Hausarzt, wenn der Bericht des Facharztes da ist (dauert noch, da auch standardmäßig genommene Gewebeproben analysiert werden müssen).

All dies ist quasi in meinem Jahresurlaub passiert (letzte vier, fünf Wochen).

Jedenfalls bin ich nun in einer Situation, in der ich:

- Angst habe, etwas am Herzen zu haben
- Befürchte, dass niemand was findet oder übersieht, ich aber trotzdem was habe
- Angst vor Situationen haben, in denen mehrere Leute sind (auch Freunde und Bekannte)
- Denke, dass mir vertraute Leute fremd sind, mir nichts Gutes wollen und mich eh nicht verstehen.
- Leichte Angst an Orten, die total normal sind und mit denen ich vor paar Wochen keine Probleme hatte. Gestern war ich mit meiner Freundin bei unserem Lieblings-Vietnamesen-Imbiss essen, aber es kam mir alles komisch, fremd, bedrohlich vor
- Ich total neben mir stehe und mich nur auf meinen Körper konzentriere
- Angst habe, dass mir unterwegs was zustößt und mir nicht schnell geholfen werden kann
- Ausgelaugt bin
- Neben mir stehe
- Keinen Appetit habe (Magen knurrt manchmal schon, wenn ich Hunger habe)
- Kaum was essen und trinken kann
- Konzentrationslos bin
- Am liebsten nur schlafen würde
- Morgens manchmal mit einer leichten Angst aufwache, was den Tag über so ansteht
- Mit kleinen Aufgaben überfordert bin (Haushalt, Einkaufen) und der Angst, diese nicht zu schaffen (körperlich und geistig).

Es klingt paradox. Aber wenn ich leicht einen sitzen hatte und auch nach der Kurznarkose bei der Magenspiegelung gestern war ich richtig entspannt und es ging mir gut.

Ich weiß gar nicht, wie ich so arbeiten gehen soll und bin hilflos. Ich bin froh, eine Partnerin zu haben, die mich unterstützt und zu mir steht. Ich werde auf jeden Fall versuchen, mich noch bis zum Termin beim Kardiologen krankschreiben zu lassen.

Ich weiß auch gar nicht, was ich mir verspreche, das alles geschrieben zu habe. Beim Schreiben ist mir auch wieder komisch geworden. Aber vielleicht gibt es hier ja jemanden, der Ähnliches erlebt hat und mir sagen kann, dass es einen Ausweg gibt

Wer es bis hierher geschafft hat: Danke fürs Lesen!

Grüße!

P.S: Finanziell sieht es bei mir mäßig aus. Da ich alles selbst finanzieren musste (Mein Vater ist geizig und meine Mutter hatte nie viel und sich sowieso um mich gekümmtert) und ich mich sehr viel dem Glücksspiel (Sportwetten) gefröhnt habe, habe ich momentan ca. 20.000Euro Schulden. Aber nur ein Gläubiger (Kreditbank) und die Raten bediene ich regelmäßig. Sonst habe ich bei niemenaden Schulden, meine Bonität ist gut (kann ich online einsehen), meine Verpflichtungen wie Miete, Versicherungen etc. bezahle ich pünktlich ohne Außenstände, meine zwei Konten sind ausgeglichen mit 0-Euro-Dispo und Leben kann ich auch noch. Gespielt habe ich seit zwei Monaten nicht mehr.

10.07.2019 17:22 • 11.02.2020 x 1 #1


5 Antworten ↓


Lottaluft
Für mich klingt das anhand der Symptome die du beschreibst nach angststörung.Eine Depression kann da natürlich folgen da man halt einfach gefrustet ist weil man plötzlich ein Leben führt das einem unmöglich gehört weil man diese ganzen Beschwerden und Anzeichen teilweise über Jahre verdrängt hat.
Das du körperlich schon gut untersucht bist ist natürlich auch gut aber -du solltest nach all dem was dir früher passiert ist und auch gerade aktuell los ist überlegen wieder psychologische Hilfe anzunehmen damit sich sein Zustand schnell wieder festigt und zum Positiven verändert

10.07.2019 17:31 • x 1 #2


A


Outing Depression oder Angststörung - oder beides?

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Touzai
Ich schließe mich meiner Vorrednerin an.
Nachdem du körperlich für dich alles abgeklärt hast solltest du versuchen zur Ruhe zu kommen. Immer in sich hinein hören kenne ich von mir gut, da kann ich deinem Text sehr viel von mir wieder finden. Es ist wichtig hier Stabilität zu halten durch Familie, Partnerin, Freunde, Ernährung und Sich selber einzulassen auf Psychotherapie und auch wieder Medikamente zur Stabilisierung.Ohne kommt es vielleicht immer wieder und noch heftiger. Hier muss man richtig eingestellt werden und gucken was passt. Also professionelle Hilfe suchen.Das ist mit Geduld und Krankschreibung verbunden. Auch hier muss man betrachten dass du bereits viel erlebt hast und auch noch einiges unterbewusst in dir schlummert. Positiv denken ist immer einfach gesagt, ich bin mir aber ganz sicher dass du es schaffst das Ruder rum zu reissen. Nimm dir Zeit. Gehe es ernsthaft an. Dreh in deinem Kopf keine Horrorfilme, dann wird das Leben auch ein Horrorfilm. Versuche ein Liebesfilm draus zu machen mit einem schönen Ende.
Natürlich wünsche ich dir auch dass man körperlich nichts schlimmes findet.
Ich drück dir die Daumen Und wünsche dir nur das Beste.
PS: Dass du dich so sehr darauf konzentrierst macht es eher schlimmer. Sagst du ja selber am Ende des Textes. Vielleicht tut es dir aber auch gut hier darüber zu schreiben. Etwas von der Seele schreiben halt. Lass nicht locker einen guten Arzt zu finden der sich deiner annimmt.

11.07.2019 21:44 • x 2 #3


S
Hallo,

vielen Dank für Eure aufbauenden Worte!

Ich war gestern beim Hausarzt, dem habe ich vieles geschildert und er hat mich jetzt nochmals krankgeschrieben und mir Escitalopram 10mg verschrieben. Das habe ich vor einer Stunde das erste Mal genommen. Jetzt bin ich mal gespannt.

Gruß!

12.07.2019 12:36 • #4


Touzai
Zitat von Stiwie2408:
Hallo,vielen Dank für Eure aufbauenden Worte!Ich war gestern beim Hausarzt, dem habe ich vieles geschildert und er hat mich jetzt nochmals krankgeschrieben und mir Escitalopram 10mg verschrieben. Das habe ich vor einer Stunde das erste Mal genommen. Jetzt bin ich mal gespannt.Gruß!


Hoffe du hast nicht zu viele Nebenwirkungen und es hilft dir in die richtige Richtung zu gehen, sollte in 4-6 Wochen keine Besserung eintreten empfiehlt sich doch noch mal über eine Therapie / medi wechsel nachzudenken und auch mit einem Psychologen zu diskutieren was zu dir passt. Jeder Körper ist anders, hier muss man die richtige Einstellung finden. Viel Erfolg wünsche ich dir

12.07.2019 16:38 • x 1 #5


S
Hallo zusammen,

viel ist passiert, aber ich möchte mich nochmal melden. Danke nochmal an alle für die Antworten!

Ich hatte in meinem Eingangspost ja berichtet, dass ich eine Überweisung zum Kardiologen hatte. Die Ärztin hat tatsächlich etwas gefunden. Nach einem auffälligem EKG wurde ein MRT, sowie ein CT gemacht. Ich hatte eine Herzmuskelentzündung, die zum Diagnosezeitpunkt wohl bereits am Abklingen war. Nach drei Monaten Schonung ging es mir merklich besser. Also hatte ich mir manche Dinge glücklicherweise doch nicht eingebildet. Womöglich wurde die ganze Sache ein wenig von der Kortisonspritze verschleiert.

Dennoch bleiben die eingangs erwähnten Symptome wie Müdigkeit, körperliche und geistige Erschöpfung bestehen, so dass ich hier auf jeden Fall weiter am Ball bleiben muss. Das Escitalopram scheint mir subjektiv aber insofern zu helfen, dass ich mich entgegen der Schlappheit aufraffen kann, den Haushalt zu erledigen und normal arbeiten zu gehen.

VIelleicht stelle ich mich nochmal bei einem anderen Arzt vor, der mich nochmal von Grund auf auf den Kopf stellt. Ich weiß nur nicht, was ich dem sagen soll. Ich denke, ihr kennt das, dass man schnell als Hypochonder abgestuft wird, wenn man eine Latte an Symptomen vorträgt und konkret fragt, ob man auf chronische Infektionen, Hormonstatus...untersucht werden kann.

11.02.2020 15:58 • x 1 #6





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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl