Pfeil rechts

C
Verwirrende Gefühle - verliebt in einen anderen, trotz einer glücklichen Beziehung.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob meine Geschichte in das Forum paßt, denn es geht hier nicht um eine Phobie oder Bindungängste o.ä.
Es ist dies vielmehr der Versuch, die verwirrenden Gefühle und Erlebnisse zu beschreiben, die mir in den letzten 16 Monaten begegnet sind.

Es wird ein längerer Text werden.

Ich war immer gleichgeschlechtlich, kann mich auch gar nicht daran erinnern, seit wann ich das weiß. Es war mir immer selbstverständlich und ich wollte nie anders sein. Trotzdem lebe ich nicht völlig offen. Das hat bestimmte berufliche Gründe, teils wohl auch aus Gewohnheit (vor zwanzig Jahren war ja vieles noch anders). Doch das soll hier nicht mein Thema sein - das, was mich seit über einem Jahr beschäftigt, ist folgendes:

Ich bin 40 Jahre alt, Musiker, gleichgeschlechtlich, bin seit über 17 Jahren mit meinem Freund (er ist sieben Jahre älter als ich) zusammen, mit dem ich sehr glücklich bin. Ich liebe ihn über alles (er mich auch, vielleicht noch viel mehr), wir hängen sehr aneinander. Wir haben oft Sex miteinander, der auch immer sehr schön ist.

Trotz meiner glücklichen und gefestigten Beziehung habe ich mich vor über einem Jahr in einen Kollegen verliebt. Er heißt Burkhard, in meinem Alter, er ist verheiratet, hat drei Kinder. Er weiß nicht, daß ich gleichgeschlechtlich bin. Wegen der beruflichen Situation meines Freundes bin ich sehr zurückhaltend mit dieser Information. Wir kennen uns schon seit ca. 7 Jahren, seit vier Jahren haben wir regelmäßig miteinander zu tun (gemeinsame Konzerte). Zu anfangs war er mir gar nicht so ganz sympathisch, mein erster Eindruck war: Der weiß aber auch, was er wert ist.
Dann kam eine Zeit, in der wir ein paar mal im Jahr gemeinsame Konzerte hatten, wir verstanden uns zunehmend besser. Ich hatte den Eindruck, daß er mich gern mag, vielleicht sogar lieber als ich ihn. Ich fand ihn nett, so wie ich viele andere nett finde, mit denen ich regelmäßig zu tun habe.
Die Veränderung kam vor einem gutem Jahr. Wir spielten wie schon so oft ein Konzert zusammen, es war alles wie immer, angenehm, harmonisch. Nach dem Konzert wollten wir noch zusammen (und mit seiner Familie, die auch beim Konzert war) etwas essen gehen. Die Familie war schon vorgegangen, ich räumte in einem Nebenraum noch auf, er kam hinzu, ich zog mich um, d.h. ich stand für ein paar Augenblicke mit *beep* Oberkörper und in Unterhosen vor ihm. An sich nichts besonderes, vor und nach Konzerten zieht sich immer irgendwer um und es gibt nicht immer eigene Garderobenräume. Und schließlich gab es auch nicht mehr zu sehen als in jedem Schwimmbad. Von ihm scheinbar (welche auch?) keine besondere Reaktion, wir redeten ganz normal weiter. Aber seit diesem Zeitpunkt scheint mir, daß sich sein Verhalten mir gegenüber verändert hat, er sich mir mehr als zuvor zuwendet und den vermehrten Kontakt zu mir sucht, sich auch immer weiter öffnet. Doch dazu später, erstmal will ich beschreiben, was ich empfinde und wie ich alles erlebe. Was er empfindet, weiß ich letztlich nicht, hier ist vieles unsicher und nur Vermutung, dazu schreibe ich weiter unten einige Beobachtungen und Gedanken.
Was ich sicher weiß, ist, daß ich mich an diesem Abend in ihn verliebt habe.
- AND I NOMORE WAS FREE - . Ich denke sehr oft an ihn seit diesem Tag, male mir viele Situationen aus, mag seit diesem Tag seine Stimme, seine Art zu sprechen und sich zu bewegen, besonders seine Art zu lachen,seine Haare etc. etc.. - eben alle Anzeichen der Verliebtheit.
Ich merkte im weiteren Verlauf dieses Abends und in den Tagen unmittelbar danach, daß er meine Nähe suchte, zu mir immer zugewandter und aufmerksamer wurde, sein Händedruck bei der Verabschiedung war so fest und lang wie noch nie. Dieses Gefühl von Zuwendung war wohl ein Grund, daß ich mich in ihn verliebt habe. Dies muß natürlich auf fruchtbaren Boden gefallen sein und wenn ich jetzt nachdenke, auch vorher gab es manchmal ein gewisses Kribbeln, daß aber nur auf den jeweiligen Moment beschränkt war.
Teils durch meine (aber auch seine) Absicht, fast mehr aber noch durch (günstige?) Zufälle hatten wir im nun folgenden Jahr soviele Termine miteinander wie noch nie, wir sahen uns regelmäßig, mußten daher auch oft telefonieren und Mails schreiben. Und es war immer schön. Manchmal bekam ich von einer normalen Probe, in der wir viel redeten und wenig probten (so daß wir am nächsten Tag eine weitere Probe brauchten, was für ihn, da er eine deutlich weitere Anfahrt als ich hat, ziemlich aufwendig ist) einen solchen Endorphinschub, daß ich am nächsten und übernächsten Tag regelrecht einen Kater hatte. Ich kann mit der Sitiuation eigentlich ganz gut leben, ich bin nicht unglücklich. Es ist sogar so, daß das kleinere oder größere Hochgefühl, das mich so oft in diesem letzten Jahr überkommt, mir hilft, Probleme oder Verdrießlichkeiten, die mich sonst mehr beschäftigt hätten, besser zu überstehen. Manchmal gibt es Momente einer weichen Traurigkeit oder Wehmut, die aber nicht zu lange dauern und mich eigentlich kaum belasten. Sie sind sogar ganz schön zuweilen - bittersüß.
Was ich eigentlich erwarte? Ich weiß es nicht. Es ist nicht so, daß ich mir mit Burkhard irgendeine Art von Zusammenleben vorstellen kann, ich kann mir auch in keinster Weise vorstellen meinen Freund zu verlassen oder an unserer Beziehung irgendetwas zu ändern. Meinem Freund möchte ich auch in keiner Weise wehtun.
Es ist etwas ganz Eigenartiges, was mich hier berührt, eine seltsam verworrene Bestrebung, die ich nicht verstehe.
Ich kann mir zuweilen vorstellen, mit Burkhard zu schlafen, zärtlich mit ihm zu sein, aber ob ich wirklich eine sexuelle Affäre mit ihm haben möchte, auch da bin ich mir nicht sicher.
Erstaunlich gut trifft meine Befindlichkeit der Text einer Arie aus einer Oper von Joseph Haydn: Fra un dolce deliro/son lieto e sospiro:/ quel volto mi piace/ ma pace non ho./Di belle speranze/ho pieno il il pensiero./E pur quel ch'io spero/conoscer non so. Auf Deutsch etwa: Durch einen süßen Wahn bin ich froh und seufze: dieses Gesicht gefällt mir, Frieden habe ich aber nicht. Voll schöner Hoffnungen ist mein Denken. Aber was ich eigentlich hoffe, das kann ich nicht wissen.
Ich weiß wirklich nicht, was ich eigentlich hoffe. Sollte ich wirklich mit Burkhard eine Affäre haben, mit ihm schlafen, was wäre gewonnen? Er hätte seine Frau betrogen, ich meinen Freund. Und guten zärtlichen Sex habe ich schon, das ist es nicht, was in meinem Leben fehlt.

Worüber ich natürlich oft nachdenke: Was geht in Burkhard vor, was denkt er, wie sieht er mich? Er mag mich, das ist klar, aber hat er sich auch in mich verliebt? Es gibt Anzeichen dafür, aber: da ich verliebt bin, sehe ich nicht mehr als wirklich ist? Neige ich ich nicht automatisch dazu, alles in diese Richtung zu deuten, jede Aufmerksamkeit, jede kleine Verlegenheit (eigentlich ist er ja kein besonders verlegener, sondern eher ein selbstbewußter Mensch), jedes Lächeln, jede Berührung? Berührungen gibt es kaum, mal ein Streicheln am Oberarm, mal ein langer und wiederholter Händedruck. Aber manchmal steht er, wenn wir miteinander sprechen, sehr nah bei mir, deutlich näher, als man das normal tut, so daß wir uns fast berühren. Ich weiche dann oft etwas aus, wohl aus Angst, mich zu verraten. Auffällig ist auch, wie er immer wieder Gemeinsamkeiten zu mir sucht. In vielem leben und denken wir allein schon durch unsere sehr unterschiedlichen Lebensumstände verschieden. Ich merke aber, wie er immer wieder das (an Interessen, Einstellungen, Vorlieben etc.) betont, von dem er meint, es würde uns verbinden. Eigenartig ist auch, daß mich das Gefühl der Verliebtheit immer erst einige Zeit nach unseren Treffen überkommt. Wenn wir zusammen sind, bin ich meist entspannt (nur etwas verlegen zuweilen), verhalte mich ganz normal freundschaftlich und zugewandt, aber am Abend oder am nächsten Tag bin ich dann entweder voll Hochgefühl oder etwas traurig. Diese nicht unangenehme Traurigkeit löst sich meistens relativ schnell wieder auf. Besonders wenn wir viel miteinander zutun hatten, also an mehreren Tagen hintereinander oder nach langem Zusammensein, ist der Nachhall gewaltig.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten:

Entweder er ist nicht in mich verliebt und hat gar keine Neigung zu Männern. Dann sehe ich auf Grund meiner Verliebtheit zuviel. Er mag mich, wahrscheinlich sogar sehr gerne und ist ein guter Freund - was ja auch schon viel wäre.

Oder er ist doch in mich verliebt und hat auch eine Neigung zu Männern. Dann wird die Sache komplizierter:
Dann kämpft es wahrscheinlich in ihm, denn ich weiß nicht, ob er bereits irgendwelche Erfahrungen mit Männern hat, ob er das erst entdecken muß. Ich kann mir vorstellen, daß ihn dann vieles verwirrt. Daß ich in ihn verliebt bin, kann er kaum ahnen, er kann nur spüren, daß ich ihn gerne mag und gerne mit ihm zusammen bin. Er weiß ja noch nicht einmal, daß ich gleichgeschlechtlich bin, kann es sich vielleicht denken, ist aber mit solchen Fragen sehr zurückhaltend.
Ich habe mir auch oft vorgestellt, was wäre, wenn ich ihm sagen würde, daß ich gleichgeschlechtlich bin. Ich habe Zweifel, ob es gerade in dieser Situation gut wäre, es ihm zu sagen. Er kennt meinen Freund flüchtig, ohne ihn zuordnen zu können. Mein Freund findet ihn sehr nett, weiß auch, daß wir uns gut verstehen und freut sich, daß ich einen Kollegen habe,mit dem ich so gut zurechtkomme. Daß meine Gefühle weitergehen, weiß er nicht. Aber wo ist eigentlich der Unterschied zwischen starker Zuneigung, Freundschaft und Liebe? - nil pluriformius amore, nichts ist vielgestaltiger als die Liebe.
Vielleicht ist da ja vieles bei Burkhard am Gären. Wie gut oder schlecht seine Ehe ist, kann ich nicht sagen, ich kenne seine Frau nur flüchtig. Mir fällt auf, daß er sehr viel arbeitet, viel unterwegs ist, mehr als unbedingt sein müßte. Die Sorge um die Kinder steht sehr im Mittelpunkt, was bei drei Kindern, teils in der Pubertät, nicht anders sein kann. Allzuviel Zeit kann ihm mit seiner Frau nicht bleiben. Er spricht aber zumeist sehr respektvoll von ihr.

Wie soll es, wie kann es weitergehen?
Wie kann ich herausbekommen, was Burkhard denkt und empfindet?
Wie komme ich ohne Schaden aus dieser Geschichte, in der ich mich ja gar nicht unwohl fühle, wieder heraus?
Wenn ich es nüchtern betrachte, sehe ich: In vielem ist mir Burkhard fremd.
Mein Freund ist mir in allem nahe, in so vielem ähnlich, wir gehören zusammen, es ist zwischen uns ein tiefes tiefes Einverständnis. Er ist das Glück meines Lebens - ich habe beides: Das Doppelglück der Töne wie der Liebe. Das weiß ich, das spüre ich jeden Tag. Wir können wochenlang zusammensein, ohne das es einen Augenblick langweilig wird. Wenn wir uns streiten, halten wir beide das nicht lange aus und leiden furchtbar.

Wieso habe ich mich in Burkhard verliebt? Was hat mich hier berührt?

Zu Beginn, als ich mich verliebt hatte, dachte ich auch, das gehe vorüber wie eine Grippe, ein paar Wochen oder Monate, einfach abwarten und beobachten. Nur, das ist nun schon über 16 Monate her, und ich werde immer verwunderter.
Als ich um die 20 war habe ich mich zweimal in Freunde verliebt. Mit beiden habe ich viel unternommen, beide waren nicht gleichgeschlechtlich, beide merkten nicht, daß ich verliebt war. Es war mir im Grunde bei beiden von Anfang an klar, daß wir nie zusammkommen würden. Da war ich eine zeitlang unglücklich. Ich litt auch sehr, als sie eine Freundin hatten, aber nach acht oder neun Monaten war es vorbei, ich konnte sie wieder als normale Freunde sehen und mögen. Der normale Liebeskummer eben, der zum Leben dazugehört, und aus dem sich der Mensch zu retten weiß.
Diesmal ist es anders. Schon deshalb, weil ich den Eindruck habe, daß von Burkhard viel zurückkommt, so daß ich manchmal den Eindruck habe, ihm gehe es ähnlich (siehe oben).
Es ist ja auch nicht so, daß ich mich in einen hübschen jüngeren Mann verliebt habe, weil ich schon 40 bin und mit dem Älterwerden irgendein Problem hätte. Im Gegenteil, ich fühle mich in meinem Alter sehr wohl und Burkhard ist ein Jahr älter als ich.
Manchmal scheint es mir, als würden wir seit 16 Monaten umeinander herumstolpern, beide erstaunt und etwas verlegen, beide in dem Wissen, daß uns etwas anzieht, was unser Leben gewaltig durcheinander bringen könnte.
Es ist eine eigenartige Schwebe - wie lange läßt sie sich noch aufrechterhalten?

Ich genieße diese Schwebe, sie macht mir aber auch etwas Angst.

Markus

22.03.2009 19:42 • 23.03.2009 #1


3 Antworten ↓


A
Hallo,

Du steckst da in einer für Dich selbst gefühlsmäßig verzwickten Situation, aber wenn Du ehrlich bist, hast Du Dir in Deinen Text deine Frage für Dich selbst auch schon selbst beantwortet...


Zitat von careius:
bin seit über 17 Jahren mit meinem Freund (er ist sieben Jahre älter als ich) zusammen, mit dem ich sehr glücklich bin. Ich liebe ihn über alles (er mich auch, vielleicht noch viel mehr), wir hängen sehr aneinander. Wir haben oft Sex miteinander, der auch immer sehr schön ist.

ich kann mir auch in keinster Weise vorstellen meinen Freund zu verlassen oder an unserer Beziehung irgendetwas zu ändern. Meinem Freund möchte ich auch in keiner Weise wehtun.

Sollte ich wirklich mit Burkhard eine Affäre haben, mit ihm schlafen, was wäre gewonnen? Er hätte seine Frau betrogen, ich meinen Freund. Und guten zärtlichen Sex habe ich schon, das ist es nicht, was in meinem Leben fehlt.

Entweder er ist nicht in mich verliebt und hat gar keine Neigung zu Männern. Dann sehe ich auf Grund meiner Verliebtheit zuviel. Er mag mich, wahrscheinlich sogar sehr gerne und ist ein guter Freund - was ja auch schon viel wäre.

Die Sorge um die Kinder steht sehr im Mittelpunkt, was bei drei Kindern, teils in der Pubertät, nicht anders sein kann. Allzuviel Zeit kann ihm mit seiner Frau nicht bleiben. Er spricht aber zumeist sehr respektvoll von ihr.

Wenn ich es nüchtern betrachte, sehe ich: In vielem ist mir Burkhard fremd.
Mein Freund ist mir in allem nahe, in so vielem ähnlich, wir gehören zusammen, es ist zwischen uns ein tiefes tiefes Einverständnis. Er ist das Glück meines Lebens - ich habe beides: Das Doppelglück der Töne wie der Liebe. Das weiß ich, das spüre ich jeden Tag. Wir können wochenlang zusammensein, ohne das es einen Augenblick langweilig wird. Wenn wir uns streiten, halten wir beide das nicht lange aus und leiden furchtbar.


Lese mal Deine eigenen Zeilen...

Gruß - und viel Glück - egal was Du machst jetzt !

23.03.2009 10:41 • #2


A


Verwirrende Gefühle

x 3


C
Danke für die Antwort.
Du hast recht, ich habe meine Fragen im Grunde selbst beantwortet.
Es ist auch nicht so, daß ich irgendetwas tun möchte, oder daß ich jedesmal, wenn ich Burkhard treffe, hoffe, daß wir uns nun körperlich näher kommen.
Ich bin erstaunt über die Tiefe und die Schönheit des Gefühls der Zuneigung zu Burkhard, vielleicht gerade, weil mir dies in einer zufriedenen und ausgeglichenen Situation zufällt. Ich war und bin nicht auf der Suche nach einer anderen Liebe oder Beziehung.
Deshalb versuche ich es zu nehmen, wie es ist, es sein zu lassen und zu beobachten.
Ich bin nicht unglücklich, nur etwas verwirrt und manchmal verunsichert.
Was ist der Unterschied zwischen Freundschaft, Zuneigung und Liebe? Das scheint mir imme schwerer zu unterscheiden.

23.03.2009 13:33 • #3


A
Zitat von careius:
Was ist der Unterschied zwischen Freundschaft, Zuneigung und Liebe? Das scheint mir imme schwerer zu unterscheiden.


Ich glaube die Antwort auf diese Frage muss jeder für sich selber finden. Die Grenzen sind fließend.

Für mich persönlich ist z.b. meine Frau auch meine beste Freundin. Andererseits wenn die Liebe nicht mehr sein sollte, dann wäre es glaub ich nicht mehr meine beste Freundin... Hoffe werde diese Erfahrung nicht machen müssen...

23.03.2009 13:50 • #4





Dr. Reinhard Pichler