Hallo zusammen, ich bin mir nicht sicher, ob das hier der richtige Thread ist, aber ich versuche es mal:
Bei uns in der Familie hängen die Nerven schon seit sehr langer Zeit am seidenen Faden. Ich habe hier schon öfter darüber berichtet. Dank Corona geraten wir aber gerade in wirkliche Panik.
In Kürze: Meine Eltern sind beide pflegebedürftig, meine Mutter hat einen Tumor und eine offene Herzklappe, mein Vater hat eine schwere Wahnerkrankung. Beide haben Depressionen. Sie sind 83 (Mutter) und 89 (Vater). Meine Mutter ist Bettlägerig und kann kaum auf sein.
Die letzten Jahre waren unfassbar anstrengend und belastend. Wir haben vorgeschlagen, dass sie in eine Wohngruppe für Senioren (kein Heim!) ziehen (mit entsprechender Betreuung), weil meine Schwester und ich selbst so sehr an der Grenze unserer körperlichen und psychischen Kräfte waren...
Leider haben die beiden das vehement abgelehnt. Somit blieb uns nur, die Pflege zu Hause zu übernehmen.
Wie erwartet gestaltet sich das jeden Tag sehr schwierig. Vor allem weil meine Schwester und ich selbst oft mit Depressionen zu kämpfen haben und noch diverse eigene Probleme zu stemmen haben, die jetzt nicht nur zu kurz kommen, sondern quasi seit Jahren aufgeschoben oder hintenangestellt werden...
Speziell von unserer Mutter haben wir uns schon mehrfach in Gedanken verabschieden müssen - aber zum Glück gab es im letzten Moment oft dann doch noch eine unerwartete Wendung. Doch jedes auf und ab kostet Kraft und Nerven. Mein Vater wird in seinem Wahn immer aggressiver und wütender, spielt seine Spielchen mit der ganzen Familie und den Pflegekräften. Egal ob Geburtstage, Feiertage, alles war ein Albtraum. Nichts lief mehr normal. Er sagt nur noch alle paar Minuten, dass er sterben möchte, ruft grundlos um Hilfe, etc...
Corona hatte uns da gerade noch gefehlt. Denn dieser seidene Faden der Fast-Stabilität auf unterstem gesundheitlichen und kräftemässigen Niveau scheint jetzt zu reißen.
Zum einen verlassen uns nach und nach die Hilfsdienste, weil diese entweder Angst vor Corona haben oder fühlen schonmal vor, ob wir denn im Zweifel nicht auch (wieder) alles alleine machen könnten...
Die Hausärztin war uns noch nie eine große Hilfe, weil sie wahnsinnig ungerne Hausbesuche macht und wenn dann nur für Sekunden und ohne große Hilfe für uns zu sein...in der jetzigen Ausnahmesituation wurde das natürlich nicht besser.
Jetzt haben wir seit gesten auch noch die unerträgliche Situation, dass meine Mutter sehr stark hustet und immer blasser im Gesicht wird. Wir beknieen sie jetzt schon den ganzen Tag, doch die Hausärztin kommen zu lassen.
Aber auch ich habe seit kurzem einen sehr starken Hustenreiz. Sonst (bisher) keine Symptome.
Jetzt haben wir natürlich alle Probleme auf einmal:
Ich habe Angst, dass meine Mutter eine Lungenentzündung bekommt.
Ich habe Angst, dass wir das über Ostern nicht behandelt bekommen.
Ich habe Angst, dass wir sie an Ostern ins Krankenhaus bringen müssen.
Ich habe Angst, dass wir sie dort nicht besuchen dürfen.
Ich habe Angst, dass vielleicht ich sie angesteckt haben könnte bei meiner Pflege (trotz Desinfektion und Händewaschen)
Ich habe Angst, dass die Pflegedienste uns jetzt komplett sitzen lassen wenn sie befürchten, meine Mutter könnte Corona haben.
Ich habe Angst um meine Mutter. Sie ist sehr schwach. Im Krankenhaus wollte man sie deshalb schon nicht mehr operieren.
Und ich habe auch Angst, dass ich selbst Corona nicht überstehen könnte, wenn es denn Corona sein sollte. Ich bin zwar erst 42. Aber wahrscheinlich Risikogruppe wegen Übergewicht und halt auch sonst sehr anfällig zur Zeit, weil eben komplett ausgelaugt und sowieso ständig kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
Zudem kommt noch, dass ich auf Grund der schlechten Erfahrungen mit unserer Hausärztin mitten in einem Hausarztwechsel war und ich jetzt nicht mal einen offiziellen Hausarzt habe, der sich für mich zuständig fühlt. (Meine Mutter wollte bei der schlechten Hausärztin bleiben, weil sie Angst vor Veränderungen hatte)
Tja und jetzt stehen meine Schwester und ich vor einem Berg von Problemen kurz vor Ostern, wo sich diese am schlechtesten lösen lassen...
Wir sind jetzt erstmal so verblieben, dass meine Schwester für mich einspringt die nächsten zwei Tage, bis ich weiß, ob der Husten bei mir besser wird oder schlimmer...das bedeutet aber natürlich für sie doppelte Belastung. Abgesehen davon kann natürlich das Kind schon in den Brunnen gefallen sein, wenn meine Mutter den Husten von mir hätte...
Und jetzt bin ich nervlich langsam so weit, dass ich am liebsten wie mein Vater um Hilfe schreien würde, weil ich diese immer schlimmer werdenden Ungewissheiten und Belastungen nicht mehr länger ertrage.
Ich kann hier nur sehr oberflächlich berichten, die schlimmen Geschichten die wir mitgemacht haben wären endlos. Vielleicht kann mir irgendjemand raten, wie wir wieder die Füsse auf den Boden bekommen sollen. Ich habe jede Nacht Albträume. Lange halte ich das alles nicht mehr aus.
08.04.2020 22:10 •
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