Hallo Zusammen,
ich lese als Betroffener schon seit Monaten immer mal wieder mit, und da es mir auch immer wieder geholfen hat, eure Geschichten zu lesen, möchte ich euch meine nicht vorenthalten... sorry wenns ein bisschen länger wird, aber ich bin ja auch schon über 50:-)
Bin im med. Bereich tätig - wir teilen uns ja bekanntlich, was die Sorge um Gesundheit betrifft, in Ignoranten und Hypochonder, ich bin wohl leider eher in der zweiten Gruppe...-
Ich habe schon seit meinerJugend immer wieder Angst vor schweren Krankheiten (meist Krebs), oft ausgelöst durch tatsächliche Symptome, die durch Untersuchungen stets als wahrscheinlich (!) nichts gravierendes bewertet wurden, aber dieses wahrscheinlich + Angst lösten bei mir regelmäßig eine Spirale aus, die einerseits die Symptome durch erhöhte Aufmerksamkeit und Stress eher verstärkten, andererseits aber auch die Wahrnehmungsschwelle senkten - kurz: statt sich zu freuen, bin ich regelmässig in die Selbstbeobachtung gegangen und habe munter weiter nach weiteren Krankheitszeichen gesucht...auf diese Weise hatte ich vermeintlich: Gehirntumor, Prostatakrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs usw. Dazwischen aber auch immer wieder gute Jahre, man hat ja auch funktionieren müssen.
Irgendeine Ursache hat diese Angstspirale bei jedem. Durch Psychotherapie und Hypnose weiss ich mittlerweile, dass bei mir eine Mutter, die aufgrund ihrer eigenen Biografie mir nie so etwas wie Urvertrauen geben konnte und stets eine Atmosphäre der Angst verbreitet hat, zumindest ein wichtiger Faktor sein könnte. Ich mache daher therapeutisch weiter, inclusive. Atemtherapie gegen chronische Hyperventilation (Buteyko), womit man m.E. die Intensität des Muskelzuckens tatsächlich etwas senken kann.
Jetzt sind wir beim aktuellen Thema:
Gestern habe ich unsern Christbaum zersägt (nur 5 Minuten, aber ungewohnte Tätigkeit), ca. eine Stunde später begann ein fast permanentes Muskelzucken am Handrücken, so dass bis jetzt fast dauerhaft der gesamte Zeigefinger zuckt. Und schon ist sie wieder da, die Angst!
Und das, obwohl ich als Mediziner z.B. weiss, dass eine Studie 1998 an 122 Probanden herausgefunden hat, dass bei knapp 80% der Menschen unwillkürliche Faszikulationspotenziale in den kleinen Hand- und Fussmuskeln abgeleitet werden konnten und etwa 3% der männlichen Teilnehmer gesichert unter benignem Faszikulationssyndrom leiden.
Und nun ist sie trotzdem wieder da, diese massive Angst, und das, obwohl ich gesichert schon seit April 2018 unter fast permanentem Muskelzucken an den Waden (im Nachhinein gefühlt schon 1-2 Jahre vorher beginnend), v.a. links leide (erstmals nach einem Belastungstest EKG bewusst wahrgenommen und seitdem mit der typischen Verschlimmerung nach Sport) und im Lauf der Zeit immer mal wieder an anderen Muskeln für meist etwa 1 Woche gezuckt habe (Oberschenkel, Oberarm, Rücken... und natürlich Lid (das hatte ich vor Jahren schon mal über Monate) - bisher ohne wirklich fassbare motorische Einschränkungen (ihr spürt meine Zweifel und die Tendenz zur Selbstbeobachtung?).
Im Sommer 2018 habe ich mich neurologisch untersuchen lassen, inclusive. EMG, Muskelultraschall, damals ohne Befund. Der sehr kompetente Neurologe meinte, dass seiner Erfahrung nach - wenn überhaupt das Faszikulieren zu Beginn der unaussprechlichen Erkrankung vorhanden sein sollte - eindeutige motorische Schwächen spätestens nach 6 Monaten auftreten würden. Vor weiteren Untersuchungen habe ich mich bisher gescheut, natürlich auch aus Angst vor den Ergebnissen und möglichen zweifelhaften Resultaten, die eher weitere Ängste schüren könnten.
Ausgelöst durch den neuen Hotspot habe ich natürlich schlecht geschlafen und schon beim Aufwachen war der erste Gedanke, ob der Handmuskel wohl zuckt... und das tat und tut er natürlich. Die Angstspirale dreht sich, die Stresshormone verschlimmern die Symptome... überhaupt kann ich schon ziemlich sicher sagen, dass bei mir neue Hotspots oft im Zustand der innere Anspannung auftraten (ach ja, hatte gestern auch noch ein nicht so erfreuliches Telefonat mit meiner Mutter...), Stress, bevorstehende Ereignisse..., aber auch im Urlaub, wenn ich Zeit habe... da habe ich eher das Gefühl, dass ich nicht weiss wohin mit der ganzen Energie und die sich dann quasi destruktiv gegen einen selbst wendet. Soviel Sport, um das zu kompensieren, kann man gar nicht machen...
Bleibt die Frage, was eigentlich wirklich hinter diesen Ängsten steckt... ich kann an diesem Punkt natürlich nur für mich sprechen. Einerseits habe ich schon immer so einen - na ja nicht wirklich leichten - Kontrollzwang (bin ungern Beifahrer und gehe in kein Flugzeug mehr) - und dem Zucken fühlt man sich ja hilflos ausgeliefert, da nützt kein draufhauen oder Hinschreien...-, andererseits dürfte die Angst letztendlich auch ein Zeichen der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit unseres Daseins sein.
Wenn die Angst dazu führen sollte, dass ich/man bewusster mit seiner Lebenszeit umgehen, achtsamer leben (eigene Bedürfnisse, Lebens-Sinn) und den Augenblick mehr geniessen kann... dann hätte so eine Krise auch einen Nutzen.
Liebe Grüße an euch alle und Kopf hoch
11.01.2020 11:44 •
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