Hallo zusammen,
ich möchte, da ich nun mit der (negativ ausgefallenen) Diagnostik fast fertig bin, meine Erfahrungen mit ALS-ähnlichen Symptomen und dahingehenden Ängsten mit euch teilen.
Innerhalb einer depressiven Phase haben sich bei mir seit Jahresbeginn 2021 folgende Symptome eingestellt:
- Gewichtsverlust trotz teils übermäßigen Essens (Gedanke/Angst: Muskelabbau!)
- Kraftverlust in den Armen, alles gefühlt dreimal so schwer
- Schwierigkeiten mit den Fingern feinmotorische Bewegungen wie Flaschendeckel drehen, Pinzettengriff auszuführen, Griffunsicherheiten, Schwierigkeiten beim Schreiben
- Gelenke knacken am gesamten Körper bei teils jeder Bewegung (Gedanke/Angst: Muskelabbau!)
- phasenweise stark erhöhter Speichelfluss
- vorübergehende Sprachstörung, Zuckungen in der Zunge bis zum teilweisen Gefühl der Lähmung, Schluckbeschwerden, Gefühl der schwindenden Kiefer- und Rachenmuskulatur (starke Angstphase vor bulbärem Typus), inkl Beschwerden beim Essen bzw Gefühl nicht mehr richtig essen zu können.
- Muskelzuckungen am gesamten Körper, einzelne starke Zuckungen oder auch salvenartige Dauerzuckungen, sichtbar zB an den Handmuskeln.
- einzelne Finger führen unwillkürliche Bewegungen aus.
Zu Beginn dieser Symptomatik habe ich erstmal versucht an Karpaltunnel oä etc zu denken, passte aber alles nicht, recht schnell wurde mir dann klar dass es sich bei diesem Beschwerdebild nur um ALS handeln kann. Da man monatelang auf entsprechende ärztliche Untersuchungstermine warten muss hatte ich genug Zeit mich derart intensiv mit ALS zu beschäftigen dass es für mich zur absoluten Gewissheit wurde ALS zu haben und daran in den kommenden Jahren zu versterben (tausende Google-Recherchen zu Symptomen, Verläufen etc haben da auch noch verstärkt zu beigetragen).
Die massive Angst die das auslöste machte es mir wochenlang unmöglich arbeiten zu gehen oder überhaupt meinen Alltag normal zu bestreiten. Es war wirklich ein absoluter Albtraum und gleichzeitig hatte ich unglaubliche Angst verrückt zu werden. Da ich beruflich am Rande mit ALS-Patienten zu tun habe, bekomme ich einiges mit, so dass ich schon wusste was auf mich zukommen würde. Die ersten -eigentlich Hoffnung machenden Ergebnisse- wie niedriger CK-Wert änderten erstmal wenig an meiner inneren Gewissheit an ALS erkrankt zu sein. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen dass derart massive Symptome am Ende größtenteils psychosomatischen / somatoformen Ursprungs sein können.
Was bei mir zur Abklärung / Diagnostik gemacht wurde:
- Blutbild unauffällig
- diverse ärztliche Untersuchungen der Hände
- Zunge von Zahnarzt/Kieferchirurgen begutachtet - unauffällig
- MRT - ohne Befund
Heute war ich endlich bei einem Prof. für Neurologie zur Untersuchung. Das EMG hinsichtlich Arm-, Hand-, Beinmuskulatur war unauffällig, keine Faszikulationen oä feststellbar. So richtig realisieren kann ich das immer noch nicht.
Was ich mit meinem Beitrag jedem der mit Ängsten vor ALS zu kämpfen hat auf den Weg geben möchte:
unsere Psyche ist auf eine Weise in der Lage körperliche Symptome auszubilden die wir uns gar nicht vorstellen können. Symptome, über die man nur sehr wenig im Internet finden kann und die sehr beängstigend sein können. Google-Suchen und co sollten tabu sein wenn man mit Ängsten zu tun hat.
Der Neurologie-Prof sagte mir dass, diejenigen die tatsächlich pathologische Faszikulationen haben das gar nicht merken. 95% der Bevölkerung hätten immer wieder harmlose Muskelzuckungen. Die Verknüpfung in unseren Köpfen zwischen Muskelzuckungen-ALS ist also weitestgehend falsch. Bei mir war es auf jeden Fall so dass diese Annahme zu weiterer Angst und diese dann die Muskelzuckungen noch weiter getriggert und verstärkt hat, was meine Angst wiederum noch mehr verstärkt hat usw. Klassischer Teufelskreis also.
19.05.2021 20:42 •
x 6 #14290