ich bin 26 Jahre alt und habe seit etwa 2 Monaten sehr belastende Beschwerden, die momentan ihren Höhepunkt erreicht haben, und ich frage mich täglich, wie weit das Ganze noch gehen soll.
Am besten fange ich mal meine allgemeine Leidensgeschichte dort an, wo sie ursprünglich begann, um vom da aus vielleicht irgendwelche Verbindungen herstellen zu können.
Ich habe nach dem Tod meiner Mutter angefangen Medikamente zu nehmen (Mirtazapin 2013 ca. ein Dreivierteljahr zum einschlafen, Venlafaxin 2013 bis 2016, sowie nochmal 2017 ein halbes Jahr lang zur Antriebssteigerung und gegen meine depressiven Gefühle). Währenddessen habe ich regelmäßig Alk. getrunken, gegipfelt ist das ganze nach dem Abitur 2014, als ich ein ganzes Jahr lang zuhause blieb und an ungefähr 5-7 Tagen in der Woche 4-6 B. getrunken habe, trotz weiterer Einnahme des Venlafaxins (die meiste Zeit waren es 75 mg am Tag, ich kann das nicht mehr konkret einordnen).
Danach folgte ein Klinikaufenthalt über 5 Wochen in der Psychiatrie sowie eine 8-wöchige Kur wegen meiner psychischen Probleme.
Soweit so gut - 2015 habe ich dann eine Ausbildung zum Bürokaufmann angefangen und diese 2018 erfolgreich abgeschlossen, bevor ich ein halbes Jahr weiter im Ausbildungsbetrieb gearbeitet und schlussendlich seit Februar 2019 eine Anstellung in einem neuen Betrieb gefunden habe. Während der Ausbildung habe ich exzessiv weiter B. getrunken und mich von Fast Food ernährt, bevor ich im Juli 2016 an einem Abend an die 11 B. getrunken und am nächsten Tag, dem Jubiläumstag meiner Beziehung, beim Piknick eine Panikattacke mit Derealisation und Herzrasen erlitten habe. Danach war eine Weile Ruhe, bevor ich im Oktober immer mehr das Gefühl von Derealisation bekam. Das Ganze gipfelte wieder in eine Panikattacke, die mich in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses brachte. Dort wurde nichts außer Herzstolpern und Bluthochdruck festgestellt, worüber ich bereits länger bescheid wusste. Da habe ich aber nie etwas gegen unternommen und weiter fröhlich getrunken und geraucht, während ich Venlafaxin genommen habe. Im Zuge der nun permanenten Derealisierung bekam ich ein EEG und ein MRT vom Gehirn, ohne Befunde. Alk. und Zig. habe ich mal für 2 Monate sein gelassen, bevor ich mit beidem wieder angefangen habe.
Nun gut, weiter ins Jahr 2019. Ich habe also eine neue Stelle gefunden, die mir von Anfang an sehr gut gefiel und in jeder Hinsicht ein Schritt nach vorne im Vergleich zur alten Stelle war/ ist: mehr Geld, weniger Stunden, mehr Urlaub und ein interessanteres Berufsfeld als zuvor. Tolle Voraussetzungen also, um weiter meinen ungesunden Lebensstil zu fahren und ständig B. zu saufen, zu rauchen, fast nur Fast Food zu essen und keinen Sport zu treiben.
Jedenfalls ist von Februar bis April 2019 soweit alles okay gewesen - bis auf hier und da etwas Stress auf der Arbeit und permanenter Müdigkeit aufgrund meines Lebensstils war ich recht zufrieden. Auch hier war die Derealisation mein ständiger Begleiter, an den ich mich aber gewöhnt und mich mit ihm abgefunden habe.
Im April überkamen mich aber zum ersten Mal während der Arbeit Gefühle von Panik und noch stärkerer Derealisation, fast immer nur an Tagen nachdem ich am Abend zuvor B. getrunken hab. Ich bin dann immer aus dem Büro geflüchtet und 5 Minuten draußen spazieren gegangen, was meistens half. Das hat an meinem Konsum immer noch nichts geändert, er wurde sogar stärker, nachdem ich mit einem neuen Problem konfrontiert wurde: am 01.05.2019 bin ich morgens aufgewacht und hatte plötzlich ein Kloßgefühl im Hals. Das hat mich sofort sehr überfordert und rund um die Uhr, über Wochen und Monate, sehr beschäftigt. Ich habe mich zwischen Mai und August mehrfach krankschreiben lassen und bin durch Besuche beim Hausarzt, HNO, Zahnarzt und Physiotherapeuten der Sache nicht auf den Grund gehen können. Das hat mich irgendwann so sehr belastet, dass ich jeden Tag vor Verzweiflung geheult und natürlich auch wieder mehr getrunken habe (was das Kloßgefühl leider auch unterdrückt hat, wodurch ich noch öfter getrunken habe). Bis heute weiß ich nicht woher dieses Gefühl kommt (es ist immer noch präsent wenn ich darauf achte, aber es ist in den Hintergrund getreten).
Jedenfalls geht jetzt die Geschichte erst so richtig los: Mitte Juli hab ich auf einmal gemerkt, wie ich Probleme mit dem sprechen (das flüssige Reden und allgemeine Aussprechen von Worten) sowie starke Konzentrationsprobleme bekomme. Anfang August habe ich daraufhin auf der Arbeit eine Panikattacke (wenn es denn die Definition dieser überhaupt erfüllt) ungeahnten Ausmaßes erlitten - plötzlich habe ich starke Kopfschmerzen in der Stirn bekommen, habe keinen klaren Gedanken mehr fassen können, meine Konzentrationsfähigkeit war auf 0, meine Augen fühlten sich ungewollt weit aufgerissen an und haben ebenfalls geschmerzt und ich konnte meine Augen nur noch abgehackt/ verlangsamt bewegen, das ist leider schwer zu beschreiben. Es ist als ob mein Gehirn nur noch verlangsamt Befehle ausgeführt hat und völlig überreizt von allen äußeren Einwirkungen war.
Dieses Gefühl kompletter Reizüberflutung hält seit diesem Tag an und es hat jetzt Ausmaße erreicht, die sich wie eine Demenz anfühlen:
- mein Kurzzeitgedächtnis macht mir große Probleme, ich vergesse ständig was ich gerade machen wollte, verlege Sachen, kann keinem Gespräch länger folgen und vergesse auch Inhalte vieler Gespräche
- ich habe den ganzen Tag über Deja-Vus ohne für mich ersichtlichen Grund
- mir kommen Gesichter die ich sehe total bekannt vor, obwohl das nie die Personen sind an die ich im ersten Moment denke
- ich nehme Dinge in meiner Umwelt oft für etwas wahr das sie nicht sind, zum Beispiel sehe ich Schatten im Augenwinkel als Tiere oder empfinde einen Signalton als einen Schrei (nur als Beispiel), bevor ich kurz darauf realisiere was es wirklich ist
- generell habe ich alle paar Sekunden den Eindruck, dass mein Gehirn die Situation in der ich bin neu einordnen und laden muss. Es fühlt sich dadurch immer so an als hätte ich eine Millisekunde lang einen Bewusstseins-/Gehirnaussetzer, bevor ich die Situation als das realisiere was es ist
- dieser Zustand ist also so zu beschreiben, dass die Informationsverarbeitung in meinem Gehirn sehr verlangsamt ist
- ich habe immer noch häufig Kopfschmerzen und verspüre bei besonders vielen Sinneseindrücken einen Druck im ganzen Kopf und mein Kopf wird dabei warm und rot
- wenn ich einen Text lese, springen meine Augen hin und her, zudem lese ich häufig Worte die nicht dort stehen (nur so ähnlich aussehen) und überlese ganze Worte; wenn ich einen Satz lese weiß ich nicht mehr was im vorigen stand
Aufgrund dieser permanenten, stark lebenseinschränkenden Beschwerden habe ich sogar als Selbstzahler ein Ganzkörper-MRT mit großem Blutbild für viel zu viel Geld machen lassen. Dabei war auch ein Kopf-MRT mit Kontrastmittel. Alles ohne Befund, außer erhöhten Harnsäure- und Homocysteinwerten. Zuvor wurde mir vom Hausarzt und vom Neurologen übrigens gesagt, dass meine Beschwerden alle psychischer Natur seien. Ich nehme jetzt seit einem halben Jahr übrigens wieder Mirtazapin 7,5 mg, was mich zumindest schlafen lässt.
Nun gut, sollte wirklich jemand so weit gelesen haben, dann möchte ich mich erstmal für das Durchhaltevermögen und das Interesse bedanken. Ich bin mit meinem Latein am Ende und weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Das Rauchen und trinken habe ich übrigens seit 2 Wochen aufgegeben und dabei soll es auch bleiben. Soll ich nochmal zum Neurologen gehen, der mir daraufhin weitere Psychopharmaka verschreiben wird? Bezüglich MS hat er mich mit den typischen Untersuchungen schon auf den Kopf gestellt, nur eine Lumbalpunktion gab es nicht.
Ich fühle mich als hätte ich eine fortschreitende Demenz und schleife mich irgendwie von Tag zu Tag. Eigentlich bin ich schon arbeitsunfähig, aber ich möchte die Arbeitsstelle nicht verlieren (bin noch befristet) und hoffe halt irgendwie auf Besserung. Es fühlt sich aber so an als würde es niemals besser werden, weil das ganze eben auch 24h am Tag präsent ist.
Hat jemand einen Rat, wie ich jetzt weiter verfahren soll, bzw. kennt vielleicht jemand solche Symptome von sich selbst und weiß das einzuordnen?
Liebe Grüße und einen schönen Abend
31.10.2019 20:13 • • 25.10.2023 x 1 #1