App im Playstore
Pfeil rechts
2

Liebe Community,

das ist eher ein allgemeiner Gedanke zum Thema Hypochondrie als ein akutes Problem:

Ich habe zurzeit ziemlich mit den Auswirkungen eines Burnouts (offizielle, vorläufige Diagnosen: Anpassungsstörung, Depression und Angst gemischt) zu kämpfen, zu denen leider auch hypochondrische Ängste gehören. Ich warte zurzeit noch auf einen Therapieplatz. In den letzten Tagen hatte ich mich extrem in alles hinein gesteigert, was gestern Abend in einer Panikattacke gemündet hat. Seither bin ich wieder ruhig, klar im Kopf und denke ein bisschen über meine Angsterkrankung nach. Dabei ist mir etwas aufgefallen, was ich absurd, fast schon ein bisschen amüsant finde:

Mein Burnout ist unter anderem dadurch entstanden, dass es in den letzten 5 Jahren einige Krebserkrankungen in meiner engeren Familie und dem Freundeskreis gab. Also wirklich einige auf einmal. Teilweise hat es Menschen getroffen, die so jung waren wie ich (Anfang 30), und ich habe sogar auch eine genetische Testung gemacht (und Glück gehabt!). Da es mir nahestehende Menschen sind und waren, hat mich das natürlich emotional extrem belastet und in Kombination mit beruflichen Umstellungen hat es dann irgendwann geknallt. Jetzt hab ich eine Angststörung und hypochondrische Ängste, und die selbstverständlich vor einer Psychose und Schizophrenie.
Ja, ihr habt richtig gelesen, und das ist genau das, was ich meine. Geliebte Menschen bekommen Krebs, eine ganze Weile stand eine 50% wahrscheinliche genetische Veranlagung im Raum - und doch hatte ich nie wirklich Angst vor Krebs, nichtmal übermäßig vor der genetischen Testung. Stattdessen fürchte ich mich vor etwas, dass niemand in meiner Familie hat und auch sonst niemand, den ich kenne, und deren Symptome ich mir dummerweise ergoogelt habe, als ich wegen meines Burnouts nach Konzentrationsstörungen gegoogelt habe.

Das Wie und Wieso wird ja wahrscheinlich Teil der Therapie werden. Ich fand diesen Umstand nur so absurd irgendwie, dass ich das gerne einmal teilen wollte.

Ich wünsche euch einen schönen Abend!

Heute 19:28 • 21.07.2025 #1


2 Antworten ↓


@Miray

Was du da beschreibst, ist ehrlich gesagt der ganz normale Wahnsinn bei Angststörungen – und ja, irgendwie ist es absurd.
Da sitzt du da, umgeben von echten, greifbaren Bedrohungen wie Krebs, Todesfällen und genetischen Risikofaktoren, und dein Hirn denkt sich: „Weißt du, was jetzt noch richtig spannend wäre? Schizophrenie googeln!“

Das hat nichts mit Logik zu tun – das ist reines Kontrollkino. Krebs ist außen, Schizophrenie ist innen. Bei Krebs gibt’s Vorsorge, Frühdiagnostik, Behandlungspläne. Bei einer Psychose? Bäm, Kontrollverlust, zack, das eigene Hirn wird zur Bedrohung. Das ist es, was so reinhaut. Nicht die reale Gefahr, sondern die Vorstellung, dass du „dir selbst nicht mehr trauen“ könntest.

Und da liegt auch der Knackpunkt:
Hypochondrie ist keine Angst vor Krankheit. Es ist Angst vor Kontrollverlust. Und deswegen zielt sie oft auf Krankheiten, bei denen man das Gefühl hat, sie könnten einem komplett das Leben entreißen – egal, wie wahrscheinlich sie sind. Psychose, ALS, Gehirntumor… Das sind alles Klassiker. Weil sie die ultimative Ohnmacht symbolisieren. Und nicht, weil sie statistisch relevant wären.

Dein Hirn ist also nicht doof, sondern einfach nur im Alarmmodus. Es scannt permanent nach dem „Worst Case mit maximaler Kontrolllücke“ – und zack, da hast du’s. Die Ironie ist: Während du real eine riesige Belastung gestemmt hast und weiter stemmst, rennt dein Kopf Amok vor Szenarien, die nie passieren werden.

Aber weißt du was? Genau das ist der Punkt, an dem du ansetzen kannst. Nicht mit „es ist doch alles Quatsch“, sondern mit der Frage:
Was genau würde es in mir auslösen, wenn ich wirklich nicht mehr funktioniere? Wenn ich wirklich nicht mehr alles unter Kontrolle habe?
Denn da sitzt der Schmerz. Nicht im Google-Verlauf.

@WayOut Vielen Dank, dass sind wirklich weise Worte! „Worst Case mit maximaler Kontrolllücke“ trifft es hundertprozentig. Ich hoffe wirklich, dass ich bald mit meiner Therapie anfangen kann. Natürlich denke ich auch schon alleine darüber nach, aber in einem Gespräch (und dann eben auch mit jemandem, der da viel Erfahrung darin hat) ist das ja noch einmal etwas anderes.




Youtube Video

Dr. Matthias Nagel
App im Playstore