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Hallo an @!

Habe mich mal ein wenig eingelesen und so langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich hier gar nicht schreiben darf. Vielen geht es hier so schlecht, dass sie schon Selbstmordgedanken haben.
Dagegen komme ich mir schon wie ein Klageweib vor.
Doch egal. Ich habe mich registriert, weil ich mich mit Menschen austauschen möchte/muss, die ähnliche Probleme haben. Ich möchte gern von Euren Erfahrungen profitieren und als Gegenleistung gern mit meinen weiter helfen, sofern dies möglich ist.

Ich erinnere mich an meine erste Panikattacke, als sei es gestern gewesen. Dabei war es im Jahre 2000. Ich lebte zu dieser Zeit in einer kleinen, feuchten Casita in Spanien, mitten zwischen Weinbergen und Mandelhainen – allein mit meinen beiden wundervollen Hunden – Vater und Tochter.
Ich war sehr krank zu dieser Zeit. Dauernde Bauchschmerzen, elendig stark, so dass ich mich bei jedem Toilettengang vor Schmerzen übergeben musste. Danach ging es dann einigermaßen.
Nach und nach kamen die Schmerzanfälle auch während meiner Arbeit bei einem spanischen Anwalt. Ich suchte also endlich einen Arzt auf und damit begann ein langer Leidensweg. Ich machte innerhalb eines Jahres 8 Darmspiegelungen durch, da kein Arzt den Befunden seiner Vorgänger Glauben schenkte. Doch im Grunde waren sich alle einige: Colitis Ulcerosa.
Ich bekam nun hohe Dosen Cortison – 60 mg, 80 mg und mehr.
Und dann passierte es. Es lag in meinem Bett und spürte ein Kribbeln am linken Oberschenkel, das sich langsam nach oben in die Pobacke ausbreitete. Ich dachte mir nichts dabei und blieb liegen. Ich hatte weder Angst, noch Herzrasen – gar nichts. Ich fühlte mich völlig entspannt.
Es dauerte dann nur noch Sekunden und mein ganzer Körper schüttelte sich, wie bei einem epileptischen Anfall. Natürlich sah ich zu, dass ich aus dem Bett kam. Wie ich die steile Steintreppe ins Wohnzimmer runter kam, weiß ich nicht mehr. Ich rief sofort einen Notarzt an. Als der sich meldete, konnte ich kaum noch sprechen, so sehr schlugen meine Zähne aufeinander. Schon beim Wählen der Telefonnummer brauchte ich gefühlte Stunden. Irgendwie schaffte ich es – auch durch die Geduld des Arztes – dem Doc zu erklären, dass ich Cortison nehme, unter Colitis Ulcerosa litt und so eine Art von Anfall habe, der meinen Körper total durch schüttelt. Im Kopf war ich total klar und hatte nicht einmal viel Angst.
Der Doc mixte mir telefonisch einen deftigen Cocktail: 80 mg Cortison, 500 mg Paracetamol, Beruhigungstabletten – mindestens 6 besser 10 mg.
Ich fragte, ob ich rauchen darf. „Ja“, meinte er, „Du darfst alles, auch einen Brandy trinken wenn Du einen da hast oder Kaffee. Und wenn in einer halben Stunde nicht alles wieder in Ordnung ist, ruf mich noch einmal an. Dann komme ich vorbei!“
Nun, dachte ich mir, so schlimm scheint es nicht zu sein, wenn er nicht sofort kommt. Ich schluckte den Cocktail, schenkte mir mit immer noch zitternden Händen einen doppelten Brandy ein und ging – wie der Arzt geraten hatte – unentwegt durch das Wohnzimmer. Nach und nach wurde ich ruhiger. Nach einer guten halben Stunde ging ich ins Bett und schlief wie ein Engel.
Mein Hausarzt wurde von meinem Notruf informiert und rief mich am nächsten Tag an – es war ein Sonntag. Er fragte, ob ich Autofahren konnte und bat mich in seine Clinica. Dort machte er allerlei Tests, von denen ich hinterher erfuhr, dass sie herausfinden sollten, ob ich einen Schlaganfall erlitten hatte. Das Resultat war negativ.
Ich bekam noch einmal so einen Anfall, doch diesmal stand ich bei den ersten Anzeichen auf und kaute Kaugummi, um Speichel zu produzieren. Mein Mund war wie die Wüste Gobi.
Rund ein Jahr später ließ ich mich in Alicante operieren. 20 cm des Darms wurden entfernt. Seitdem hatte ich nie wieder Schmerzen. Auch die Panikattacken hörten auf. Für fast fünf Jahre hatte ich Ruhe.
Dann bekam ich eine schlimme Erkältung, Husten ohne Ende und ich Idiotin nahm Codein, um endlich schlafen zu können und den Husten zu unterdrücken. Drei Tage später wurde ich von einer Arbeitskollegin geweckt. Sie stand neben meinem Bett und fragte, warum ich nicht zur Arbeit gekommen war.
Ich war erstaunt, denn meiner Meinung nach war Weihnachten. Meine Freundin zögerte nicht länger, half mir beim Anziehen und brachte mich in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses. Dort stellte man fest, dass ich nur noch 60 % Sauerstoffsättigung im Blut hatte und die Lunge kurz vor dem Zusammenfallen war.
Innerhalb von drei Tagen brachten die mich wieder auf die Beine. Seitdem bin ich Nichtraucherin – das ist ja wohl klar. Und mit meiner Genesung begannen mich Panikattacken heimzusuchen.
Es ist genauso, wie es hier so oft von den Mitgliedern beschrieben wurde: Meist passiert es in Ruhepositionen, also z.B. im Bett. Die erste Zeit ist alles okay, dann beginne ich langsam einzuschlafen und der Tanz geht los. Ich schrecke hoch, weil ich keine Luft mehr bekomme (meine ich!), der Mund ist ausgetrocknet, Schmerzen hinter dem Brustbein. Husten, noch mehr Atemnot – raus aus dem Bett. Kaugummi, Tee, Laptop... runter kommen. Wenn ich vor Müdigkeit kaum noch aus den Augen sehen kann, folgt der zweite, meist erfolgreiche Versuch in Ruhe zu schlafen. Am Besten gelingt das, wenn der Tag schon dämmert. Die Nacht ist mein Feind!
Meine Angst vor dem Ersticken hat leider einen realen Hintergrund. Mein Bruder und ich haben eine Erbkrankheit (Mukoviszidose). Mein Bruder starb im Alter von 36 daran. Mir blieb bis 2005 alles erspart und ich hatte schon fast vergessen, dass auch ich dieses Gen in mir trug. Doch nachdem ich im Krankenhaus war und man mich gerade noch einmal so gerettet hatte, begann ich der Sache auf den Grund zu gehen. Niemand in Spanien glaubte mir, dass ich an CF erkrankt war. Ich hatte zwar einen Krankenhausbericht von 1967, doch der wurde nicht akzeptiert. Also lies ich auf eigene Kosten einen Gen-Test machen. Das Ergebnis war eindeutig positiv. Trotzdem glaubte mir kein Arzt. Man gab mir Tranquilizer und ich erhielt den Stempel: Loco (verrückt)!
Es ging mir in Spanien jedes Jahr schlechter. Hinzu kamen Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Also verließ ich Spanien und ließ mich im deutschsprachigen Raum nieder. Hier fand ich endlich einen Lungenarzt, er mir nicht nur die Krankheit glaubt, sondern sich mit ihr und mir ernsthaft auseinander setzt. Ich habe nun eine ständige Sauerstoffversorgung im Hause und soll 16 Stunden am Tag an diesem Gerät angeschlossen sein. An meinen Panikattacken hat sich jedoch nicht verbessert – eher im Gegenteil. Je mehr ich über meinen Zustand weiß – z.B. dass ich nur noch über 40 % des normalen Lungenvolumens verfüge – desto schlimmer wird es.
Natürlich habe ich Bromazepam im Hause, aber ich versuche den Kampf gegen meinen Feind ohne Chemie durchzustehen.
Nun bin ich langsam müde. Mein letzter Hund ist gestorben. Es wird auch keinen neuen mehr geben, damit ich mir nicht auch noch Gedanken machen muss, was aus ihm wird, wenn ich es eines Nachts doch nicht mehr packe.

Und es ist immer wieder das gleiche Spiel: Ich bin entspannt, schlafe fast ein. Das Sauerstoffgerät brummt leise vor sich hin, also bin ich versorgt. Doch dann beginnt der Schmerz hinter dem Brustbein, oder in der linken Brusthälfte (Herz ist übrigens das einzig gesunde an mir). Ich denke: „Ach, mein Freund Panik ist wieder unterwegs. Aber nicht mit mir. Ich kenne Dich ja, Bürschchen!“
Ich bleibe ruhig. Der Schmerz verlagert sich, ich habe das Gefühl, nicht mehr ausatmen zu können, meine Lunge platzt. Und immer noch versuche ich cool zu bleiben. Manchmal gelingt es mir, den Feind so zu besiegen. Doch noch häufiger treibt er mich wieder aus dem Bett, zum Tee, Kaugummi und an den Laptop.
Ich bin wirklich müde von der Angst. Inzwischen habe ich Angst vor der Angst. Ich fühle mich als Versager, als Memme, weil ich so oft unterliege. Auch autogenes Training, Bauchatmung... alles hilft nicht.

Warum kann ich nicht einfach sagen: „Okay, dann sterbe ich eben!“

06.03.2012 23:28 • 07.03.2012 #1


2 Antworten ↓


Hallo!

Du bist bestimmt nicht die einzige die so denkt.
Möchte auch manchmal lieber sterben.

Gruß,FlorianD

Denke auch oft warum ich nicht einfach sterbe und alles vorbei ist und dann falle ich in eine Deprifase





Dr. Reinhard Pichler
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