Hallo Ms.Cyanide,
ich habe deinen Beitrag hier zufällig entdeckt und daraufhin bechlossen, mir hier einen Acc. anzulegen.
Ich kenne diese Angst sehr sehr gut, denn ich war eine lange Zeit mit ihr konfrontiert.
Heute kann ich stolz behaupten, dass ich sie, bis auf selten gewordene Nervositätsanfälle, besiegt habe.
Mit einer solchen Angst zu leben ist äußerst anstrengend und - ich will nicht das Blaue vom Himmel erzählen - sie wieder zu verlernen (ich benutze dieses Wort ganz bewußt!) ebenso.
In der Zeit als es bei mir am schlimmsten war, befand ich mich exakt in der selben Situation wie du! Praxissemester im Studium. Jeder Tag war eine Katastrophe.
Aber ich hatte auch einen wunderbaren Psychotherapeuten. Letztenendes half er mir dabei, das ganze mit mir selbst zu verhackstücken. So, wie es immer in den Filmen gezeigt wird - dass der eine wahre Grund für ein psychisches Problem entdeckt wird und dieses von diesem Zeitpunkt an überwunden ist - trifft in den allermeisten Fällen nicht zu. Schon allein deshalb, weil der Mensch ein viel zu komplexes soziales Wesen für eine solch banale Lösung ist. In den meisten Fällen, wird man sogar nie völlig dahinterkommen, was denn nun ganz genau der Auslöser oder der Grund für die Angst ist/war. Das wird am Ende aber auch gar nicht wichtig sein.
Für mich, war es ein stetig weiter vortschreitender Prozess des Verstehens und Begreifens. (Noch dazu sogar ein recht spannender, denn ich hatte mich irgentwann sozusagen selbst als Studienprojekt betrachtet, was half, das ganze aus einer etwas anderen, eher externen Sicht zu betrachten.)
Ich versuche dir vor allem erst einmal mitzuteilen, dass du nicht alleine bist mit diesem Problem. Das haben viele Menschen. Und was mir als erster wichtiger Schritt enorm geholfen hatte - so doof wie es auch klingen mag - war ein kleiner Satz meines Therapeuten, der immer mehr in mir reifte: Ich bin ein Mensch und ich habe das Recht Probleme zu haben!
Das Thema ist so umfangreich, dass es sicherlich nicht in einem Posting an einem Abend abgehandelt werden kann. Eine Sache möchte ich dir aber noch heute Abend mit auf den Weg geben: Ich hatte mir selbst versprochen (nicht einmal mit Worten oder Gedanken, sondern eher tiefer in mir) dass ich mich meiner Angst nicht beugen will und zu stolz bin, etwas anderes über mich entscheiden zu lassen, als meinen freien Willen. Ich weis: Das hört sich so viel leichter an, als es tatsächlich ist und wie oft habe ich das auch zu mir selbst gesagt. Aber jedesmal, wenn du der Angst nachgibst, stärkst du sie. Dein Unterbewußtsein lernt so auf perverse Art und Weise, dich selbst mithilfe des Werkzeugs Ansgt zu überlisten. Und mit jedem mal, bei dem die Angst gewinnt, verfestigt sich dieses negative Lernmuster. Die Angst wird folglich schlimmer.
Also: Nicht vermeiden. (Sofern es natürlich keine echten objektive Gründe gibt, die dafür sprechen.) Mache das wofor du Angst hast. Gehe auf die Arbeit (das Wort ist bei dieser Angst fast gleichbedeutend mit Hölle, ich weis). Es gilt immer nur einen Tag zu schaffen. Und glaube mir: Du bist sicher stärker als du denkst. Wie du das schaffen sollst?
Ich kann mich an einen Tag erinnern, da war es bei mir Abends so immens schlimm, dass ich einen Nervenzusammenbruch hatte. Am nächsten Morgen war ich schon mitten in der Nacht wach und konnte nicht mehr schlafen. Ich steigerte mich immer weiter in meine Angst. Als ich dann weg musste - in die böse Welt und ganz alleine - war es so schlimm, dass ich mich kaum noch unter Kontrolle hatte. Ich habe morgens um vor 7 Uhr meinen Therapeuten angerufen und kurz mit ihm gesprochen. Das Gespräch werde ich nie im Leben vergessen:
Ich habe ihn angerufen und ihm gesagt wie schlecht es mir ginge. Er hat sich das kurz geduldig angehört. Jedoch maß er - zu meinem gleichzeitigen Entsetzen und Erleichtern - dem Ganzen keinerlei Wert bei. (Ich finde hier im Moment leider nicht die richtigen Worte. Er nahm MICH ernst... aber nicht meine Angst. Das trifft es vieleicht am besten.) Als ich ihn dann fragte, ob ich denn so auf die Arbeit gehen solle, war mir die Antwort natürlich schon klar. Das Unetrbewußtsein schrie mit aller Macht nach der Hoffnung, dass man doch einen Freibrief für das Daheimbleiben bekommen könnte. Aber den bekam es nicht. Nicht von dem Therapeuten und vor allem auch nicht von mir selbst. Mein Therapeut sagte nur, dass ich wisse was richtig sei und ich natürlich auf die Arbeit ginge. In diesem Moment überflutete mich natürlich wieder eine Welle der Angst und des Schocks. Aber ich bin gegangen.
Es war schwer. Sehr schwer sogar. Ich glaube kaum, dass ein Mensch eine solche Attacke nicht einmal selbst erlebt hat, wirklich nachvollziehen kann, WIE schwer soetwas tatsächlich ist. Aber für diesen einen Tag habe ich gelernt, dass ich stärker bin als die Angst. Sogar, wenn sie so stark ist. Zig male habe ich das Spielchen auch alleine durchgestanden. Mal mehr schlimm und mal weniger schlimm. Und mit der Zeit wird es immer weniger schlimm. Natürlich hatte ich auch mein Hilfsmittel (mein Therapeut sagte immer meine Krücke, an der ich laufen kann), die Diazepam-Tropfen. Die ich aber nie in voller Normaldosis zu mir genommen habe.
Ich denke du weist auch, was du tun musst. Im Zweifel ist es immer genau das, wovor man Angst hat, wenn man an solch einer Störung leidet. (Übrigens: Mach dir mal Gedanken darüber wieso es Angst-STÖRUNG heist.)
Aber ich habe auch einen helfenden Rat. Frag dich mal, wass den wirklich schlimmes passieren könnte. Was malst du dir im Kopf aus, das so schrecklich ist auf der Arbeit. Ich hatte immer Angst, dass mir so übel wird, dass ich mich übergeben muss oder ich einen schlimmen Fehler mache und Ärger vom Boss bekomme. Die Antwort von meinem Therapeuten war ein lapidares Na und?. Da stehst du dann da. Für dich der Alptraum schlecht hin und dann so eine Antwort. Wenn du aber genau darüber nachdenkst stimmt es. Na und?. Frag dich was du befürchtest auf der Arbeit und frage dich mal, ob es tatsächlich so schlimm wäre, wenn es eintrifft. Das war für mich ein Augenöffner.
Also: Natürlich brichst du das Studium nicht ab und wirst es erfolgreich beenden. Und das Praxissemester machst du jetzt, wo du es angefangen hast, auch zu Ende. Wenn du noch keinen hast, suchst du dir am besten fix einen netten Therapeuten, der dich stützt in der schweren Zeit. Du lernst deine Angst zu akzeptieren und mit ihr umzugehen. Du lerst sie auszuhalten! Und dann verlernst du sie wieder. Stück für Stück. Es wird dauern, aber du wirst es schaffen.
Ich kann natürlich nur Tipps geben bzw. Vorschläge machen. Ich kenne nicht deine ganze Geschichte und das entsprechende Umfeld. GGf. ist auch etwas anderes richtig als das was ich hier erzähle. Letztendlich liegt es an dir. Aber du bist eben nicht alleine damit. Ich versuche wohlwollend meine eigenen Erfahrungen zur Hilfe anderer - in diesem Falle dir - weiter zu geben. Ich hoffe diese Zeilen helfen dir ein wenig. Ganz schön lang geworden mein Post...
Für heute wünsche ich dir erst einmal viel Kraft für den morgigen Tag.
24.02.2014 23:53 •
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