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N
In meiner täglichen Arbeit im Kranknehaus habe ich mit vielen älteren und alten Menschen zu tun. Wir machen immer eine sehr ausführliche Anamnese und fragen natürlich auch nach seelischen Erkrankungen.

Was so gut wie nie genannt wird, das sind die Panikattacken.

Mit einem Tabu lässt sich das nicht erklären. Denn Depressionen, leichte oder beginnende Demenzerkrankungen und auch Psychosen werden von den Patienten frei benannt.

Nun stellt sich mir die Frage, ab welcher Generation diese vermehrten Panikerkrankungen / Angststörungen aufgetreten sind. Eine ganz gewagte eigene Überlegung in gröbster Rohfassung: kann es sein, dass unverarbeitete Kriegstraumata und Überlebensängste genetisch erst in der dritten und den nachfolgenden Generationen weiter gegeben werden?

07.07.2010 12:59 • 09.07.2010 #1


10 Antworten ↓


Deelight
Ich gehe sogar ganz stark davon aus das das eine Zivilisationskrankheit ist.
Aber ein Trauma an sich kann nicht weitervererbt werden. Die Überlebensängste können einen prägen und die gibt man dann bestimmt auch an seine Kinder weiter.

Ich denke das die Panikstörung ein Problem der Gegenwart ist. Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit, sind von Existenzängsten bedroht, arbeit liegt auch nicht auf der Straße und es wird einem stets Höchstleistung abverlangt, wer Schwäche zeigt oder zugibt risikiert seine Anerkennung zu verlieren, sprich wir sollen funktionieren wie Robotor, Gefühle und Schwäche haben keinen Platz mehr.
Aber der Mensch ist nicht dazu bestimmt ein Roboter zu sein, wir sind Menschen mit Gefühlen, ängsten usw.
Und solange man diese Menschliche Seite in unserer Gesellschaft nicht zeigen darf/kann, wird auch die Panikstörung oder das Burnout Syndrom immer verbreiteter.

07.07.2010 13:32 • #2


A


Ist PANIKSTÖRUNG Zivilisationskrankheit?

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N
Zitat:
Aber ein Trauma an sich kann nicht weitervererbt werden. Die Überlebensängste können einen prägen und die gibt man dann bestimmt auch an seine Kinder weiter.


Ja doch schon:

http://www.news.de/gesellschaft/8550319 ... ie-gene/1/

07.07.2010 23:34 • #3


B
Hallo Nell

Das ist ein sehr interessantes Thema mit dem ich mich auch schon beschäftigt habe.

Es gibt Untersuchungen (z.B. an Kriegsteilnehmern / Vietnam), die eindeutig zeigen, dass Dauerangst und Stress das Gehirn physisch verändert.
Aber die Gene sind davon nicht betroffen.

Andere Untersucheungen zeigen, dass heute Menschen in zivilisierten Ländern mehr Angst haben, als Menschen in weniger zivilisierten Ländern (also dort, wo man wirklich noch fast täglich um das Überleben kämpfen muss).

Nun meine Vermutung:

Mit natürlichen Gefahren (Hunger, Naturkatastrophen, Fressfeinde/Krieg) kann ein Lebewesen (Mensch) biologisch bedingt umgehen.
Mit den künstlichen Gefahren und Veränderungen unserer Zivilisation kann der Mensch aber nicht umgehen (nicht in dieser kurzen Lernzeit), dies erzeugt dann unkontrollierte Ängste (PA).

Dazu kommt, dass sich Geborgenheits- und Sicherheitsstrukturen (Familien etc.) in unserer modernen (und kranken) Gesellschaft immer mehr auflösen.
Dies fördert natürlich zusätzlich Angst.

PS:

Ich persönlich glaube noch nicht einmal, dass (Angsterkrankungen) Panikstörungen wirklich krankhafte Störungen sind.
Es ist vielmehr eine natürliche Reaktion auf eine sich viel zu schnell verändernde Umwelt, und auf viel zu viel ständig neue Sinneseindrücke und Information.

Die Evolution lässt zwar Anpassung zu, aber sie braucht dazu Zeit.
Und hier bei uns Menschen entwickelt sich alles viel zu schnell dafür.

Auch genetisch hinter der Zivilisation zurückgeblieben, Der Beobachter

08.07.2010 11:39 • #4


N
Lieber Beobachter, das mit den Genen ist dennoch erwiesen.

Aber Du hast das sehr gut beschrieben. Wenn Krieg herrscht, gibt es keine Neurosen?

Also in dem Zusammenhang schwebt mir schon lange ein Selbstversuch vor:
Wildnis, nur Tiere, ich Mensch, eine Blockhütte und ich muss mich da zurecht finden.
Einsam bin ich ja ohnehin auch schon in der Großstadt - also psychotisch werde ich so schnell nicht (habe ich schon getestet ).

- Möglichkeit A: die Ängste beziehen sich nur noch auf die Realität (wilde Tiere, See friert zu, Holz wird knapp, Vorräte verschimmeln, schwere Lungenentzündung droht mich hinzuraffen) aber: Panikattacken verschwinden dauerhaft.

- Möglichkeit B: und ich sage gleich, dass ich mir da fast sicher bin mit mir: zunächst geht alles super, dann bekomme ich erste phobische Neigungen (Wolfsphobie, Angst vor hohen Tannen, ....), und ob man es glaubt oder nicht: irgendwann verlasse ich vor Panik meine Blockhütte nicht mehr, weil ich befürchte dass mir der Himmel auf den Kopf fällt

08.07.2010 12:43 • #5


Y
Hey,

also ich denke es könnte gut möglich sein, dass sich Panik/Angststörung weiter vererben lassen. Beispielsweise meine Mutter hat auch unter Depressionen/Angststörungen gelitten, sie sagte immer, ihr Vater (der im Krieg war) war immer sehr nervös, konnnte nie sich in seiner Ruhe ertragen. Er war immer hoch nervös und angespannt, durch das Kriegstrauma. Ich glaube schon das es in den Genen weiter vererbt werden kann. Ich wurde nämlich oft gefragt ob Familienmitglieder darunter litten.

Grüße

08.07.2010 13:52 • #6


B
Hallo

Manche Grundlagen für Angsterkrankungen werden in Familien (auf verschiedene Art) von Generation zu Generation weitergegeben (Erziehung/Nachmachen/Übernehmen).

Es mag im Einzelfall auch (eventuell vererbbare) Präpositionen geben, dies betrifft aber nur einen sehr kleinen Teil der Betroffenen.

PS:
Ich habe mich über diese Dinge in den vergangenen Jahren sehr viel informiert, da ich auch dachte, meinen Dachschaden genetisch geerbt zu haben.
Dies (unheilbar) hätte dann mein freiwilliges Ableben per freier Willensentscheidung bewirkt.

Der Wildnis-Test wäre einmal sehr interessant:

Endweder wären die kranken Angstanteile weg, oder das Gehirn ist schon so darauf programmiert, dass sie in die Wildnis mitgenommen werden.

Interessante Grüsse, Der Beobachter

08.07.2010 17:54 • #7


N
Zitat:
PS:
Ich habe mich über diese Dinge in den vergangenen Jahren sehr viel informiert, da ich auch dachte, meinen Dachschaden genetisch geerbt zu haben.
Dies (unheilbar) hätte dann mein freiwilliges Ableben per freier Willensentscheidung bewirkt.


Interessant: was hat die Entscheidung doch weiter zu leben bewirkt?

Ich frage deshalb, weil ich mich mit der Thematik persönlich auch sehr beschäftige und ich mich darüber vielfach belesen habe. Gerne übrigens per PN. Du scheinst mir ein geeigneter Gesprächspartner zu diesem Thema, weil ich es gerne auf der Metaebene diskutieren würde, möglichst frei von jeglichem emotionalen Balast...

08.07.2010 20:32 • #8


B
Hallo Nell

Was mich betrifft, so kann es jeder hier mitlesen, vielleicht bringt es auch andere Forenteilnehmer weiter.

Kurz meine Interessensgeschichte in Sachen genetisch vererbbarer Störungen:

Meine Eltern sind geschieden, ich war damals 8 Jahre alt.

Meine Mutter sagte mir noch jahrelamg nach dieser Scheidung, ich hätte eine geistige Störung von meinem Vater geerbt. Er ist authistisch veranlagt und kann absolut keine Gefühle zeigen, das hat auch die Ehe zerstört.

In meiner Pubertät habe ich dann extreme Ängste vor allen Beziehungssituationen entwickelt, aber natürlich noch nicht wie heute darüber nachgedacht.

Später, etwa ab dem 30/35 Lebensjahr kamen dann noch ander Ängste und soziale Probleme hinzu.

Ich habe also angefangen, nach Erklärungen und Lösungen zu suchen, und stand bald vor der Frage: Erlernt (aufhebbar) oder genetisch ererbt (dauerhaft und unumkehrbar).

Nebenbei habe ich in einer Erzieherausbildung auch sehr viel über diese Zusammenhänge gelernt. Viele Bücher (privat) gelesen, und noch mehr eigene Gedanken gemacht.

Heute weiss ich, dass ich diese Angst (krank und anders zu sein), durch die jahrelangen Sprüche meiner Mutter quasi verinnerlicht habe, und daher nicht genetisch vom Vater geerbt (also besteht noch etwas Hoffnung).

PS:
Die Entscheidung doch weiter Leben zu wollen, beinhaltet für mich auch jederzeit die Möglichkeit, dies auch wieder zu ändern.
Die Option das Leben jederzeit beenden zu können, nimmt mir sehr viel Angst und Druck.
Ich hoffe aber natürlich, sie niemals wirklich benutzen zu müssen.

Genetisch gesunde Grüsse, Der Beobachter

08.07.2010 20:54 • #9


Neuromancer
Hallo,

eine Panikstörung oder Angststörung ist ein angelerntes Verhalten. Deswegen kann man auch wieder lernen in unangemessenen Situationen nicht panisch zu reagieren.

Grüße

Neuromancer

08.07.2010 22:59 • #10


B
Hallo Neuromancer

In den allermeisten Fällen trifft dies zu, und lässt sich auch wieder umkonditionieren.

Angst- und Panikreaktionen werden in der Amygdala des limbischen Systems ausgelöst.

Hierbei spielen die Matrix (physische neuronale Verbindungen) der Amygdala, sowie die auslösenden Botenstoffe (psychisch/Reflex oder erlernt) eine Rolle.
Gleichzeitig besteht zwischen diesen beiden Angstmotoren eine gewisse Wechselwirkung.

Der Faktor Zeit (inwieweit hat sich durch die erlernte Botenstoffausschüttung bereits die neuronale Struktur der Amygdala verändert) spielt daher im Verlauf einer Angsterkrankung ebenfalls eine grosse Rolle.

Viele Grüsse, Der Beobachter

09.07.2010 10:10 • #11


A


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