Zitat von rotezora2k:bei denen ich weder Zeitdruck noch sonstigen Druck habe...
Ich glaube, sowas ist ein echter Teufelskreis. Aus dem Job auszusteigen, wenn man akut überlastet ist, ist vielleicht manchmal die richtige Maßnahme. Vor allem dann, wenn es konkret mit DIESEM Arbeitsplatz in Verbindung steht. Trotzdem ist es nach meiner Überzeugung mit dem Ausstieg nicht getan.
Es muss zeitnah etwas kommen, was die Lücke füllt, die durch den Wegfall der Arbeit entsteht. Ein neuer Job anderswo vielleicht, ein Hobby, was einen ausfüllt und zufrieden macht oder eine neu definierte Rolle, in der man aufgehen kann. Wenn nach dem Ausstieg aber einfach nichts mehr kommt, werden sich die Probleme meist eher verschlimmern als verbessern.
Müßiggang ist aller Laster Anfang, ist einer der Sprüche, die einen gewaltigen Kern Wahrheit enthalten. Zur viel Zeit haben, die man nicht mit Inhalt füllt, in der man sich treiben lässt und allem aus dem Weg geht, was einen fordert, führt zwangsläufig in Depression und miese Gefühle.
Selbstwert ist etwas, was sich an Handlungen festmacht. Er generiert sich nicht aus der schieren Existenz, auch wenn das in Therapien gerne mal leichtfertig behauptet wird. Selbstwert entsteht, in dem man so lebt, dass man sich gut leiden kann. Dazu gehört ganz zwangsläufig und zwingend, dass man auch Dinge tut, die man gut leiden kann. Einen Job haben oder ein cooles Hobby, in dem man erfolgreich ist, macht zufrieden. Geld zu verdienen, um seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten und sich hin und wieder einen kleinen Luxus leisten zu können, ebenfalls.
Es braucht keine Reichtümer, aber wenn man nicht darüber nachdenken muss, ob man einen Cappuccino trinken, ein Eis essen, ins Theater, Konzert oder Fitnessstudio gehen kann, schafft das Lebensqualität. Zuhause um das eigene Universum kreisen tut das nicht. Zumindest nicht auf Dauer, wenn man keine anderen Inhalte findet. Dabei spielt es keine Rolle, ob man zur Leseratte wird oder einen Bilderbuchhaushalt führt oder für den nächsten Marathon trainiert. Entscheidend ist, dass es einen zufrieden macht.
Genau das passiert aber bei vielen, die ich hier lese, nicht. Sie haben aus einer situativen massiven Schwäche heraus ihren Job beendet, aber sie werden diese Schwäche nicht mehr los. Im Gegenteil: Sie verfestigt sich, weitet sich aus, macht mehr und mehr handlungsunfähig.
Und auch der viel zitierte Druck wird nicht besser. Der ursprünglich auslösende Druck der Berufstätigkeit ist längst weggefallen, aber dafür wachsen 1001 neue Situationen aus dem Erdboden, die plötzlich Druck machen. Wenn man erst mal damit angefangen hat, Dingen aus dem Weg zu gehen, die einen anstrengen, braucht es immer weniger Herausforderung, um unter ihr zusammenzubrechen.
Das ist auch kein Wunder. Man gibt sich ja nie mehr die Chance, sich als selbstwirksam und erfolgreich zu erleben. Vor lauter Angst, etwas nicht zu schaffen, tut man es erst gar nicht. Das fühlt sich für den Moment gut an, weil es bequem ist und Entlastung bringt. Unterm Strich ist es aber nur eine weitere Kerbe im Colt, die für einen selbst dokumentiert, dass man nichts auf die Reihe kriegt.
Angst wird durch Meiden nicht besser. Niemals. Sie tut genau das Gegenteil und sucht sich mehr und mehr und mehr Bereiche, die sie überlagert. Schonung ist Gift. Und dieses Gift kriecht durch Körper, Geist und Seele, bis nichts mehr übrig ist, wofür es sich zu kämpfen lohnt.
Wir alle brauchen einen Sinn im Leben. Etwas, für das wir morgens mit Freude aufstehen. Okay: Nicht jeden Morgen. Oft müssen wir uns erst mal in den Hintern treten, um aufzustehen. Aber auch das ist das, was man LEBEN nennt. Wenn Psychopharmaka nicht bewirken, dass man das hinkriegt, können sie auch nicht das Mittel der Wahl sein. Nicht auf Dauer zumindest. In dumpfer Gefühlstaubheit existieren, kann nicht das Ziel sein.
Was einem nie abgenommen wird, ist die eigene Gestaltung seines Lebens.