Zitat von Tabe77:aber keiner davon rechtfertigt so eine körperliche Reaktion.
Das ist keine Kosten-Nutzen-Rechnung. Psychosomatik klöppelt sich ihr Strickmuster immer passend zur Person - ist ja immer auch deren Psyche, die nach Ventilen sucht. Das Problem ist in vielen Fällen, dass der Auslöser oft aus einer akuten Überlastung heraus entsteht. Damit zieht die psychosomatische Reaktion häufig die Notbremse, was in der Regel auch gut funktioniert.
Schwierig wird es dann aber, dauerhaft mit den Symptomen zu dealen, weil sie meist auch bestehen bleiben, nachdem der akute Notfall vorbei ist. Dann muss man den Absprung aus der - zunächst dringend notwendigen - Schonhaltung finden, weil man sonst auf der Stelle tritt.
Kann heißen: Das, was anfänglich gut und richtig war, ist nach einer Weile genau das Gegenteil und hält einen in der unseligen Schleife von Angst und Vermeidung fest. Nach meiner Erfahrung muss bei einer Angststörung das dringendste Bestreben immer raus aus der Vermeidung sein. Sie wird sonst schnell zur immer stärkeren Fessel, die einen an einer Teilnahme am normalen Leben hindert.
Heute das Arbeiten vermeiden kann ohne rechtzeitige Gegensteuerung dazu führen, morgen nicht mehr Auto zu fahren, übermorgen nicht mehr Einkaufen zu gehen und überübermorgen das Haus nicht mehr verlassen zu können.
Man kann trefflich darüber spekulieren, ob irgendein Erlebnis in der Vergangenheit dafür verantwortlich zu machen wäre oder die Heftigkeit des akuten Zustandes rechtfertigt. Ich persönlich glaube, dass uns weniger die unschönen Erlebnisse an sich auf die Füße fallen, sondern die sich daraus entwickelnden unguten Verhaltensweisen, die wir über viele Jahre eingeübt haben. Meist haben auch die mit Vermeidung zu tun.
Vermeidung von Schmerz, von Enttäuschung, von Frustration....führen zu entsprechenden Ausweichmanövern. Irgendwann sind wir dann so oft ausgewichen, dass wir nicht mehr an den schlimmen Erlebnissen scheitern, sondern das ganz normale Leben nicht mehr packen. Der Grund liegt darin, dass man sich beim Ausweichen keinerlei Erlebnisse von Selbstwirksamkeit und Erfolg durch Handeln verschaffen kann.
Wenn man nie etwas riskiert, kann man auch nie etwas gewinnen. Man kriegt vielleicht ein Leben hin, das sich irgendwie an großen Katastrophen vorbei mogeln kann, aber vor lauter Bestreben, die eigene Gefühlswelt vor unliebsamen Erfahrungen zu schützen, hält man sich halt auch von guten und starken Gefühlen fern.
Dabei wird man immer ängstlicher und vermeidender - und irgendwann geht gar nichts mehr.