
Calima
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Zitat von rotezora2k:Wie schaffe ich es ohne Erklärungen mich zu beruhigen? Rein durch Akzeptanz und Vertrauen?
Im Prinzip ja. Es ist aber ja nicht so, dass du keine tauglichen Erklärungen hättest. Du weißt, dass du gesund bist und du weißt, dass all deine Missempfindungen von der Angst vor dem Kontrollverlust kommen.
Du sollst auch nicht deinen Zustand akzeptieren, sondern die Tatsache, dass du gesund bist. Dann braucht es keine Beruhigung mehr. Was es braucht, ist die Entscheidung, gesund sein zu wollen - mit allem, was dazu gehört.
Das wäre dann vor allem die Bereitschaft, wieder Verantwortung zu übernehmen und darauf zu verzichten, Entlastung und Zuwendung über Krankheit zu kriegen.
Wenn ich mir anschaue, was dir mittlerweile wieder gelingt, sehe ich, dass du in der Lage bist, den Hintern zu bewegen. Das sah vor einigen Wochen nicht so aus. Du hast dir bereits einiges zurück erobert, was damals unvorstellbar schien.
Das ist absolut großartig! Du solltest aber nicht vergessen, dass es ein Prozess ist, dich da rauszuschaufeln. Veränderungen geschehen nach und nach, und nicht über Nacht. So wie du übst, einkaufen zu gehen, musst du auch üben, nach und nach deine gedanklichen Stützen zu verändern.
Wenn du nach einem Beinbruch beginnst, dein Bein wieder normal zu belasten, gehst du, nachdem der Gips ab ist, auch nicht am nächsten Tag auf eine Bergtour. Du arbeitest dich Schritt für Schritt voran, und es ist völlig okay, noch ein Weilchen die Krücken zu benutzen, die für Entlastung sorgen. Ziel ist, dich nach und nach immer weniger auf sie zu stützen, weil du spürst, dass dein Bein dich mehr und mehr trägt.
Heißt: Du darfst Geduld mit dir haben, was die Benutzung deiner Hilfsmittel betrifft. Wichtig ist, dass du dir immer wieder bewusst machst, wie gut dein Bein dich schon trägt und immer wieder probierst, ein Stück mehr auf die Krücken zu verzichten.
Wenn du mal genau hinschaust, ist das Suchen nach Gründen doch mittlerweile ohnehin wenig mehr als ein Ritual. Du fragst, warum Dinge sich so oder so anfühlen, aber eigentlich kennst du alle Antworten längst, weil du die selben Fragen oft genug gestellt hast. Du folgst einer Gewohnheit, von der du gelernt hast, dass sie dich beruhigt, aber es geht meist doch längst nicht mehr um Gründe.
Die eigentliche Beruhigung passiert durch den Austausch mit Menschen. Hier zu schreiben, andere Gedanken zu lesen, dich über was zu ärgern oder über was zu lachen sortiert die Denke neu und nimmt den Fokus von den Wehs. Du wirst feststellen, dass das auch funktioniert, wenn du anderen beistehst, anstatt deine eigenen Sorgen in epischer Breite zu behandeln. Ich lese ja bereits immer wieder entsprechende Beiträge von dir.
Indem du z.B. an manchen Tagen nicht sofort und postwendend nach Beruhigung schreist sondern Strategien ausprobierst, dich selbst zu beruhigen, übst du, auf deine Krücken zu verzichten. Mir scheint, dass dir das bereits deutlich häufiger gelingt als noch vor ein paar Wochen.
Gleichzeitig kannst du deine vielen kleinen und großen Erfolge als neues Geländer nutzen, um dich voran zu arbeiten. Gesund werden dauert halt ein Weilchen. Und wenn man es, wie du, ohne Medikamente schaffen muss, auch ein Weilchen länger.
Indem du dir Schritt für Schritt neue Lebensinhalte schaffst und dabei gleichzeitig die positiven Begleitumstände entdeckst, kriegt die Angst immer weniger Raum. Sie ist nicht mehr deine einzige Möglichkeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu kriegen und du wirst auch weniger von dieser Art Aufmerksamkeit brauchen, weil du viel schönere Wege entdecken wirst.
Vor allem den, zu erkennen, was für eine coole, starke Frau sich aus ihrem Versteck gräbt. Mit der wirst du dich nach und nach anfreunden müssen, aber ich bin sicher, du wirst sie irgendwann gut leiden können.
06.09.2020 07:35 • x 5 #10541