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Liebe Community,

ich habe lange in euren Beiträgen recherchiert und dachte jahrelang, dass mir diese Teilhabe reicht…dass ich nicht allein bin…nicht das Alien.

Bei mir geht´s um Angst vor der Arbeit oder Ergophobie (ja wusste bis vor kurzem nicht, dass es dafür einen Fachausdruck gibt). Zu den Details komme ich gleich, wird leider etwas länger, danke für´s Lesen.
Ich bin 48, stehe mitten im Leben mit Eigenheim, Frau und 2 Kindern. Dazu verdiene ich ganz gut, so dass meine Frau nur 50 % arbeitet (ja ich weiß Haushalt und Kinder sind nochmal weitere 100%. dafür bin ich sehr dankbar). Nebenbei kümmere ich mich um meine krebskranke Mama (81).

Wenn da nicht das große Aber wäre. Ich leide seit meiner Bankausbildung vor 30 Jahren an Arbeitsplatzangst. Diese verfolgt mich täglich. Der Schweregrad ist immer abhängig von den Herausforderungen. Ich arbeite bei einem Großunternehmen im Controlling. Es geht um viel Geld aber ich bin kein Entscheider und habe keine eigenen Mitarbeiter, halt Fachexperte.

Und ich kann einfach nicht abschalten. Meine Gedankenspirale ist…da kommt der wichtige Termin, zum komplexen Sachverhalt mit den Managern X und Y und ich werde versagen, die Kalkulation ist bestimmt falsch…ich kann bestimmt die Fragen nicht beantworten…und im Prinzip geht dann immer alles ganz gut aus.
Wenn dann auch noch dazukommt, dass ich wirklich mal eine Kritik bekomme, wird´s ganz schlimm. Spirale ist dann…ich bin nicht gut, mache zu viele Fehler (was gar nicht so ist) und ich verliere meinen Job, verliere das Haus und lande unter der Brücke…

Ich habe bis Ende 2024 meine Probleme im Alk. ertränkt, dann hat meine Frau mir an Silvester ein Ultimatum gestellt…der Alk. oder die Kinder und ich sind weg. Davor hat sie jahrelange gebeten und gewünscht, dass ich „nur noch normal trinke“. Ich habe das Signal gebraucht und sofort aufgehört…ganz…habe eine Suchtberatungsstelle aufgesucht. Jetzt bin ich bei 302.

Den Alk. habe ich ausgetauscht durch das Fitnesscenter…war auch gut gegen den hohen Blutdruck und das Cholesterin. Diese 1,5 Stunden machen mir den Kopf frei aber die Wirkung verfliegt sehr schnell am gleichen Tag.
Auch eine Psychologin versucht mir in monatlichen Terminen zu helfen…keine Maßnahme (Achtsamkeitsübungen, Gedankenketten sprengen, Liste erstellen was war heute gut etc.) hat bisher funktioniert.

Ach und das Argument wechsle doch den Arbeitgeber oder die Arbeitsinhalte funktioniert nicht. In dem was ich tue bin ich von außen betrachtet sehr gut, das Team ist cool, meine Chefs dazu, genieße sehr viel Vertrauen hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort…

Ich schaffe immer noch den Weg zur Arbeit, gehe sogar manchmal gern aber wenn´s mal wieder schlimm ist dann kann ich nicht schlafen, wälze mich von einer Seite zur anderen…der Sonnenschein ist grau…genau wie die bunten Blätter jetzt im Herbst…meine 2 tollen Kinder und meine Frau verblassen, ich versinke nur noch in einem schwarzen Strudel…bin nicht gut, verliere meinen Arbeitsplatz…lande auf der Straße…Und das verfolgt mich täglich…am Wochenende und im Urlaub etwas gedämpft aber dafür zum Ende des Urlaubs oder sonntags wieder mit Volldampf.

Ich komme aus dem Saarland…aus Saarbrücken und würde gerne zu einem Gesprächskreis zum Thema gehen, weil ich gemerkt habe, dass mir das gut tut. Ich habe aber Angst, da was auf Facebook oder Insta zu initiieren, spricht man ja nicht drüber über Ängste sondern belächelt sie eher vielleicht sogar noch mit fehlgeleiteten Kommentaren.
Vielleicht ja erstmal in dieser virtuellen anonymen Welt…Gibt es da jemanden der wie ich ist, dann zeig dich und hilf mir mit deinem Erleben, damit ich erkenne, dass ich nicht allein bin.

Danke für ´s Lesen.

LG steffel

Gestern 09:12 • 01.11.2025 #1


4 Antworten ↓


@steffel Schön, dass Du Dich für einen aktiven Austausch entschlossen hast. Dafür ist das Forum da und Du wirst bestimmt gute Gedankenanstöße bekommen. Ich fange mal damit an

Erst einmal die Frage - ich vermute, Du machst ein Verhaltenstherapie? Bleibt diese an dem Punkt Umgang mit dem Problem oder wurde auch mal in die Tiefe geschaut, was wirklich dahinter liegt?

Zitat von steffel:
Ich leide seit meiner Bankausbildung vor 30 Jahren an Arbeitsplatzangst. Diese verfolgt mich täglich.


Zitat von steffel:
ich werde versagen


Zitat von steffel:
ich kann bestimmt die Fragen nicht beantworten


Zitat von steffel:
Wenn dann auch noch dazukommt, dass ich wirklich mal eine Kritik bekomme, wird´s ganz schlimm.


Zitat von steffel:
bin nicht gut, verliere meinen Arbeitsplatz…lande auf der Straße


Zitat von steffel:
spricht man ja nicht drüber über Ängste sondern belächelt sie eher vielleicht sogar noch mit fehlgeleiteten Kommentaren.


Die o.g. Aussagen sind typische Glaubenssätze. Hast Du Dich innerhalb Deiner Therapie mal damit beschäftigt (Stichwort Innere Kind Arbeit)? Glaubenssätze sind Sichtweisen, die wir als Kind durch äußere Umstände ausbilden. Sie sind sozusagen die Brille, durch die wir die Welt betrachten. Diese Glaubenssätze entsprechen nicht der Wahrheit, da wir sie als Kind aus einer beschränkten Sichtweise heraus ausgebildet haben. Da wir aber als Kind von unseren Bezugspersonen abhängig sind, bauen wir unsere Welt darum herum, damit wir weiterhin geliebt und geschützt werden. Das blöde daran ist, dass wir diese Glaubenssätze, die tief im Unterbewusstsein verankert sind, im Erwachsenenleben nicht mehr auf ihre Richtigkeit überprüfen und diese anpassen - was durchaus möglich ist.


Zitat von steffel:
Ich habe bis Ende 2024 meine Probleme im Alk. ertränkt,

Wir stehen uns mit diesen Glaubenssätzen als Erwachsener ganz oft selbst im Weg und scheitern dadurch in vielen Belangen des Lebens. Dafür benötigen wir dann eine Kompensationsstrategie, z. B. Alk. oder Sport (wobei Sport natürlich die weitaus gesündere ist, aber auch diese Strategie kann negativ sein, wenn sie ins exzessive abdriftet).

Zitat von steffel:
Auch eine Psychologin versucht mir in monatlichen Terminen zu helfen…keine Maßnahme (Achtsamkeitsübungen, Gedankenketten sprengen, Liste erstellen was war heute gut etc.) hat bisher funktioniert.

Dieser Ansatz ist sicherlich richtig und gut, reicht aber nicht aus, wenn die dahinterliegenden Muster nicht angeschaut werden. Ich kann Dir aus eigener Erfahrung versichern, dass man solche Glaubenssätze für sich als Erwachsener anpassen kann. Bei mir war es die Unfähigkeit, mir nahestehenden Personen Grenzen zu setzen, da ich als Kind seitens meines Vaters mit Liebesentzug gestraft wurde. Ich lernte also, immer das zu tun, was andere von mir erwarten, nie Widerworte zu geben und meine Meinung herunterzuschlucken, damit ich auch weiterhin geliebt werde.

Nachdem ich mit meinem Therapeuten dieses Muster aufgearbeitet hatte, war es wirklich, als hätte ich mir eine andere Brille aufgesetzt und jetzt sehe ich bestimmte Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Ich habe heute in der Regel keine Probleme mehr, z.B. meinem Mann zu sagen: Ich sehe das anders und ich mache es so, wie ich es will.

Zum Einstieg in dieses Thema empfehle ich immer Das Kind in Dir muss Heimat finden von Stefanie Stahl. Falls noch nicht geschehen, könntest Du auch Deine Therapeutin mal auf das Thema Innere Kind Arbeit ansprechen. Eigentlich sollte dieser Punkt in jeder Therapie enthalten sein. Mit Hilfe des Buches kannst Du Dich aber auch ganz gut schon mal selber auf die Suche machen. Es gibt auch ein Arbeitsbuch dazu.

In meinen Augen reicht auch ein monatlicher Termin beim Therapeuten nicht aus. Man kommt dann nicht wirklich in einen Arbeitsflow. Kannst Du die Termine ggf. auf 14tägig anpassen?

A


Ergophobie - Angst vor der Arbeit - Alles grau

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Lieber Steffel, ich bin so froh deinen Beitrag gesehen zu haben, vielen Dank dafür! Ich habe das erste Mal einen Namen für meine größte Schwachstelle.
Aber vorab: ich finde es so super dass du es geschafft hast vom Alk. los zu kommen, das war bestimmt nicht einfach aber ist eine mega starke Leistung und ich hoffe du bist sehr stolz auf dich, weil das kannst du definitiv sein!

Ich habe nie verstanden warum ich es nicht schaffe beruflich Fuß zu fassen. In der Schule haben die Lehrer Potential in mir gesehen, ich war immer vielseitig interessiert und hatte Pläne. Gegen Ende bin ich leistungsmäßig total abgesackt weil ich solche Angstzustände hatte und ganz oft nicht hin bin, dadurch Stoff verpasst habe etc.
Daraufhin habe ich nicht den gewünschten Schulabschluss erreicht, zwei Ausbildungen begonnen, wieder abgebrochen, bis ich schließlich Verkäuferin gelernt habe. Ich wollte Archäologin werden... Das war ein riesen Versagen für mich. Habe angefangen mir einzureden dass ich zu dumm bin und das eh nie geschafft hätte. Denn auch im Verkauf bin ich nicht zurecht gekommen. Ich war sehr gut in meinem Job, habe ihn teilweise gern gemacht, alles gut mit Kollegen und Kunden. Und trotzdem hatte ich fast jeden Tag Panikattacken, Erschöpfung, körperliche Beschwerden, Angstzustände. Bis mein Mann gesagt hat, dass es reicht. Habe den Arbeitgeber gewechselt, weniger Stunden, die Probleme sind mit mir mitgekommen. Ich habe mich so geschämt, Stichwort Faule Generation Z, ich wollte dort nicht zugeordnet werden. Dennoch, im September letzten Jahres habe ich gekündigt und bin seitdem Hausfrau. Für mich ein großer Schandfleck in der Biografie, ich versuche es vor anderen zu verstecken. Aber im Kopf bleibt der Versagens Gedanke immer hängen.
Also nochmal: danke für deinen Beitrag!

@steffel
@steffel Hallo grüss dich, deine Worte zeigen unglaublich viel Bewusstsein und Stärke – auch wenn du sie im Moment vielleicht nicht spürst.
Es ist kein Zeichen von Versagen, dass du nach Jahrzehnten unter dieser ständigen inneren Anspannung erschöpft bist. Dein Körper und dein Geist haben einfach zu lange Alarm geschlagen.

Ich finde es bemerkenswert, dass du trotz allem Verantwortung übernimmst – für deine Familie, deine Mutter, deine Arbeit, deinen Weg aus der Sucht. Das ist gelebte Stärke, kein Versagen. Angst ist kein Feind – sie ist eine überreizte Schutzfunktion. Und manchmal hilft es, nicht mehr dagegen anzukämpfen, sondern sie einfach kurz da sein zu lassen, so wie sie ist.

Vielleicht kann dir helfen, kleine Inseln der Ruhe in deinen Tag einzubauen – Momente, die nicht leistungsbezogen sind. Etwas, das dich an dich selbst erinnert, bevor du „funktionieren“ musst:
einen Spaziergang, Musik, Licht, Atem, Stille.

Und ja – du bist nicht allein. Es gibt viele, die genau so empfinden, sich aber nie trauen, es auszusprechen.
Allein, dass du es tust, ist schon Heilung.
LG Rainer

Zitat von steffel:
dass ich nicht allein bin…nicht das Alien.


Ich bin jetzt mal faul und stelle dir einen Link rein:

https://www.google.com/url?sa=trct=jq...i=89978449

Unterm Strich geht es um Selbstbewusstsein, ums Gedankenkarusell, letztendlich darum, warum wir so sind, oder denken, wie wir es eben noch tun.

Denn, wenn man negativ denkt, kann man genausogut positiv denken (lernen), denn der Geist ist frei. Vergiss das bitte nie.




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Dr. Christina Wiesemann
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