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Viele von uns versuchen jahrelang, die Angst zu „bearbeiten“:
wir beobachten, analysieren, beruhigen, kontrollieren, atmen richtig,
versuchen, sie zu verstehen oder zu überlisten.
Irgendwann merkt man: das alles ist schon Teil des Problems.

Der eigentliche Endgegner ist nicht mehr die Panik, nicht die Symptome,
sondern der Moment, in dem man nichts tut,
dem Körper und Geist einfach erlaubt, zu reagieren,
ohne einzugreifen, ohne zu bewerten.

Und genau da wird es paradox:
Das System will ja Kontrolle, und plötzlich soll es loslassen.
Kein „wegatmen“, kein „positiv denken“, kein „Fokus umlenken“.
Nur: da sein, fühlen, nicht handeln.

Warum fällt uns das so schwer?

09.11.2025 16:28 • 11.11.2025 x 2 #1


44 Antworten ↓


Naja, es ist ja schon auch eine chemische Ursache im Spiel. Irgendwelche Botenstoffe im Hirnstoffwechsel sind in Unordnung, und wenn ich Symptome habe, dann habe ich ja da irgendwie dran mitgewirkt.

Deshalb sehe ich meine Angststörung auch nicht als Endgegner. Sie ist etwas was dazu gehört, und mit dem ich mich auseinandersetzen muss. Ignorieren wäre ja eine Form von Amputation.

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Der Endgegner einer Angststörung

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@Kragenbär Stimmt, da hab ich mich vielleicht etwas ungenau ausgedrückt.
Mit Endgegner meinte ich nicht die Angst selbst, sondern das ruhig bleiben trotz Aktivierung.

Mein System war jahrelang darauf trainiert, dass die Angst möglichst schnell wieder weg muss.
Ich hatte jede Menge Methoden, um sie zu dämpfen oder abzulenken, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.
Jetzt versuche ich gerade das Gegenteil: nichts zu tun.
Einfach akzeptieren, dass sie da ist, ohne gegenzusteuern, und das so oft wiederholen,
bis mein Bewusstsein das als neuen Normalzustand abspeichert.

Das ist ziemlich schwer, weil ich natürlich weiß, wie ich die Anspannung sofort wegkriegen würde.
Aber genau das will ich mir abgewöhnen, den Reflex, sofort einzugreifen.

Ich glaube das ist gar nicht so schwer.
Im Idealfall nehmen einem die Medikamente ja den Druck und alles andere kommt dann mit der Zeit von allein.
Ich hätte vor 10 Jahren auch nicht gedacht,dass das so einfach gehen würde.
Je mehr du das ganze kontrollieren willst desto eher geht das in die Hose.
Du machst meiner Meinung also jetzt genau das richtige.
Viel mehr hat man mit dem zu tun was irgendwann nach der Angststörung kommen kann und das ist oft eine unerklärliche Schwäche die nicht selten bis zur Invalidität führen kann.
Ich kann inzwischen gar keinen Stress mehr vertragen und mehr als 3 Stunden arbeiten ist auch nicht drin.

Wenn die Angst bei mir kommt sage ich mir innerlich. Ja ich spüre und bemerke dich aber ich weis auch das du wieder gehst.
Damit habe ich das Gefühl ich gebe der Angst nicht soviel Raum und damit komme ich bisher ganz gut zurecht

@Faultier
Stimmt, Medikamente können in manchen Phasen helfen.
Ich meinte in meinem Beitrag aber eher den mentalen Teil, also den Umgang ohne Medikamente.
Aktuell versuche ich bewusst, nichts mehr zu tun, wenn die Angst kommt, kein Ablenken, kein Gegensteuern, keine Mittel.

@Panda4 das klingt super, ist das die einzige Methode die du einsetzt? Vermutlich ist das Anspannungs-Niveau bei dir dann schon recht niedrig?

@Angsthelfer2026
Habe leider schon sehr lange das Problem. Mit mit der Zeit und Therapie gemerkt das ich so am besten zurecht komme. Ist immer noch nicht ganz so einfach …ich muss mir selber zeit gegen ohne vorher irgendwie zu reagieren.
Und beim jeden mal aushalten wird es besser ( das ist dann meine Innere belohnung).

@Panda4 Respekt, meiner Meinung nach bist du schon sehr weit gekommen. Ich fand es bisher einfacher, den Fokus umzulenken, einfach nichts zu tun fühlt sich noch nicht richtig an. Daran muss man sich wohl erst gewöhnen.

Ich war in einer Tagesklinik und in einer Gruppentherapie hat eine Mitpatientin eine Panikattacke bekommen. Mithilfe des Therapeuten hat sie diese ausgehalten, zugelassen. Ihr ging es recht schnell besser und sie meinte auch, das gegen ankämpfen viel länger dauert und viel mehr Energie frisst.

Bei mir kommt es auf meine Tagesverfassung an. Bin ich recht stabil, sag ich der Angst Guten Tag, schau dich um, dann geh wieder. Bin ich an dem Tag aber so gar nicht stabil, dann klappt es leider nicht.

@Greta__ jeder Tag an dem du guten Tag sagst ist ein Erfolg. Was machst du an den anderen Tagen?

Die Angst akzeptieren ist schon richtig.
Aber so einfach das klingt ist verdammt schwer. Das ist ja das gemeine an der Angst weil sie so stark emotionale und körperliche Symptome hervorruft.
Habt ihr Tipps wie man das umsetzen kann. Also die Angst akzeptieren.

@Pyrojay es kommt darauf an wo du gerade bist. Also wenn Stufe 1 = Panik, Stufe 2 = diffuse Angst, Stufe 3 = normale Angst.
Da man sein gewohntes Schutzsystem ablegt, führt es dazu, das man erstmal wieder mehr wahrnimmt und das würde ich nicht bei jeder Stufe empfehlen.

Bei diffuser Angst zum Beispiel

@Pyrojay
Ich mache es im Moment so:
Wenn die Unruhe kommt, lass ich sie einfach zu.
Meine Gedanken sagen dann sofort: „Du weißt doch, wie du das wegbekommst, mach was!“
Aber ich antworte innerlich: „Nein, mach ruhig, das ist deine Bühne.“
Dann warte ich einfach, bis der Körper von selbst reguliert.
Der Kopf muss da nicht mehr eingreifen, das ist genau das, was ich gerade trainiere. Im Prinzip lernt man, das Bewusstsein raus zu halten und man akzeptiert bzw. Vertraut dem Autopiloten also dem Körper.

Machst du auch Achtsamkeitsübungen?

Das klingt ja wirklich gut, und theoretisch müsste das in ganz vielen Situationen auch funktionieren. Aber man müsste sich dann auch darauf verlassen können. Weil man ja dann dreisterweise alles planen kann, wo die Angst sagen würde, das lass mal bleiben.



Mal als Beispiel. Ein Kollege aus dem Außendienst hat von Freitag bis Sonntag eine Hotelmesse in Dresden. Der Mitarbeiter der dort sonst immer ist, kann an dem Wochenende nicht. Also fragt er mich ob ich Bock auf Dresden habe. Unter normalen Umständen habe ich da auf jeden Fall Bock, aber meine sehr kreative und unberechenbare Angststörung verhält sich sehr kontraproduktiv.
Jetzt sage ich dem Kollegen am Dienstag ganz mutig zu, dass ich Freitag in Dresden bin. Und fortan beginnt meine Angststörung zu bohren. Jeden Tag ein bisschen mehr. Und jetzt entsteht natürlich Druck. Ich habe das Ding jetzt zugesagt, der Kollege findet so kurzfristig gar keinen Ersatz mehr, und meine Angststörung betreibt das jetzt als sportlichen Wettkampf und dreht richtig auf.

Ist mir so gelegentlich immer wieder mal passiert. Dabei habe ich das dann gelegentlich auch durchgezogen und es ging. Aber ich weiß eben auch, dass meine Angststörung wenn Sie alle Register zieht die sie drauf hat, einfach die besseren Karten hat.

Da wäre deine Strategie natürlich Gold wert.
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Zitat von Pyrojay:
Machst du auch Achtsamkeitsübungen?

Das ist auch so ein Thema. Ich habe mich wirklich bemüht, auf verschiedenen Ebenen Dinge wie Achtsamkeit, Atemübungen Muskelentspannung nach Jacobson, imagination oder autogenes Training zu erlernen. Und es gibt inzwischen Situationen wo das tatsächlich messbare Vorteile bringt.

Aber eben leider auch nicht zuverlässig. Wenn ich aus der Spur bin, versanden diese Strategien komplett. Wenn ich dann wieder hübsch ausgeglichen bin, dann funktioniert es wieder.

@Kragenbär
Ich habe die Trigger in verschiedene Typen aufgeteilt, zum Beispiel Dienstreisen, Vorstellungsgespräche usw., also alles Äußere. Ich habe regelmäßig Dienstreisen. Dieser Typ ist tatsächlich der, den ich als Letztes angehen werde. Aktuell arbeite ich am Kern, und wenn das mit dem Akzeptieren usw. irgendwann stabil funktioniert, wende ich mich diesem letzten Trigger zu.

Momentan löse ich das Ganze mithilfe von Betablockern. Ich habe mir Anfang des Jahres welche vom Arzt verschreiben lassen und nehme jeweils eine halbe Tablette. Das hat einen doppelten Vorteil: Am Tag selbst bleibt man körperlich stabil, egal was kommt, und in den Tagen oder Wochen davor entstehen keine Angstschleifen, weil man weiß, mit dem Mittel ist man sicher.

An Tagen wo ich nicht stabil bin, um auf deine Frage einzugehen, nehme ich die Angst als das wahr was sie ist: Überwältigend und versuche an dem Tag nichts weiter zu machen, quasi im Freeze-Modus.

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Dr. Christina Wiesemann
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