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S
hallo zusammen

ich mache mir gerade ein paar gedanken, bei denen ich irgendwie nicht so recht weiter komme.

da ich seit 24 jahren mit meiner angsterkrankung lebe, ist sie ein teil des alltags geworden. eigentlich dachte ich immer, wenn du die angst nicht hättest, würdest du dieses oder das machen, können, tun.

jetzt stell ich mir aber die frage, ob dem wirklich so wäre, denn je länger je mehr habe ich den eindruck, dass die angst mich auch davor schützt, dinge zu tun, die ich nicht tun möchte. sie gibt mir einen fluchtweg aus der grossen bösen welt, die mich mit allem möglichen konfrontiert, dessen ich mich nicht gewachsen fühle. ich beziehe das auf kleinigkeiten wie aufs ganze leben.

irgendwie entziehe ich der welt ihre erwartungs-haltung, indem ich ja schon von vorherein erkläre, dass ich wegen der angst dazu nicht fähig bin. falls doch etwas gefordert wurde, habe ich bzw. meine angst das ja jeweils tatkräftig wieder aus der welt geschafft.

ist es möglich, dass ich nicht lebensfähig bin, und die angst mich schützen will? da ich die angsterkrankung in doch recht jungen jahren gekriegt habe, konnte ich vieles (beruflich, partnerschaftlich, sozial, familiär) gar nicht realisieren, wie ich mir das eigentlich vorgestellt hatte. die frage ist, ob diese realisation aber überhaupt je mein wunsch war oder nur ein bild, welches ich mir vom leben oder wie es ein sollte, gemacht habe.

habe ich die krankheit, weil ich bin, wie ich bin, oder bin ich heute so, wie ich bin, weil ich krank wurde?

sorry, ich weiss das ist etwas verwirrend, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die psyche etwas derart einengendes und einschneidendes schafft, ohne dass es auch einen vorteil haben soll. worin dieser vorteil liegt, versuche ich mit diesen gedankengängen herauszufinden.

saorsa

04.09.2008 18:32 • 08.09.2008 #1


24 Antworten ↓


H
Hallo Saorsa !

Angst ist erst einmal keine Krankheit, sondern ein notwendiger und gesunder Schutzmechanismus für uns selbst.

Wenn Defizite, z.B. durch eine frühkindliche Fehlentwicklung (Prägung) bestehen, dann kann es sehr gut sein, dass die Angst ein Schutz darstellt, um Situationen, wo diese Fehlentwicklung zum tragen kommt, zu vermeiden. Die Angst wäre dann eigentlich eine gesunde Schutzreaktion. Sie schützt uns dann davor, Dinge zu tun (auch wenn diese für die meisten Menschen normal und erstrebenswert sind), die, wenn wir sie doch tun würden, noch grössere Probleme für uns schaffen würden.

Ich selbst vermeide ja auch, seit frühester Jugend, bestimmte soziale Situationen, da ich keine Werkzeuge für den sicheren Umgang mit ihnen habe.

Wenn man seine Lebensziele und sein Verhalten dieser guten Angst anpasst, und den Grund (Sinn) dieser Angst verstehen lernt, dann kann man sie vielleicht sogar als etwas positives akzeptieren.
Ja, und das Bild welches wir vom Leben haben, der vorgegebene Standart, muss wirklich nicht zu unserem eigenen Ziel werden.

Das war jetzt bestimmt sehr verwirrend, aber ich glaube, in diesen Gedanken liegt sehr viel Hoffnung, und ein Weg zum zufriedenen Leben.

Liebe Grüsse,

Helpness

04.09.2008 20:41 • #2


A


Angst und Panik aus Schutz gegen das Leben?

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S
Hallo!! Das geht mir nun auch so seit ich meinen Rückfall hatte. Ich frage mich dazu auch ständig was ich an meinem leben wohl ändern müsste.
Ich habe auch gelesen das diese Krankheit ein Schutz vor schlimmeren ist. Wobei ich mich frage was es für einen Sinn hat wenn sich ständig unwohl und ängstlich fühlt.

04.09.2008 20:42 • #3


S
für mich stellt sich jetzt aber die frage, wovor will mich meine angst schützen - vor enttäuschungen, vor anforderungen, die das normale leben stellen würde.

das problem ist, ich weiss nicht, was ich für ein mensch ohne angst wäre, und wohin ich es gebracht oder eben auch nicht gebracht hätte. vielleicht ist diese angst da, da ich mich schnell überfordert oder nicht gut genug fühle. ich weiss zwar rational, dass ich einiges kann, habe aber immer das gefühl, ich müsse überall noch besser sein.

die angst hat mein leben wesentlich beeinflusst und auch gesteuert. warum habe ich ihr diese macht überlassen? vielleicht weil es einfach bequem war?

helpness - eigentlich hatte ich in jungen jahren nur ein ziel. meinen traumberuf. der hat aber beim ersten anlauf nicht geklappt und dann kam die angst. natürlich stellt sich dann irgendwann die frage, kam die angst, damit ich es nicht noch einmal hätte versuchen müssen.

für mich war der beruf das zentrale thema - und bin aufgrund der erkrankung irgendwo hängen geblieben, wo ich nie hinwollte. jetzt allerdings hat die angst den vorteil, dass ich momentan dort nicht mehr hin muss. und ich merke tag für tag mehr, dass ich nie mehr in den alten arbeits-tages-trott reinwill. ist das ein grund für die angst zu bleiben?

ich meine, mir stehen noch mind. 20 berufsjahre vor... was soll ich mit ihnen machen? wovon soll ich leben?

sorry, mir schwirrt der kopf.... ich will die angst wirklich gerne loswerden, habe aber genauso viel angst vor dem moment, wo sie mich nicht mehr gegen die welt abschirmen kann.

04.09.2008 21:15 • #4


K
Hallo Saorsa,
das ist ein wirklich interessantes Thema, ähnliche Gedanken mach ich mir auch schon eine Weile.
Vor allem beruflich, ich denke mal, bei dir sieht es auch nicht sooo rosig aus? Seitdem ich arbeitssuchend bin (arbeitslos hört sich so resigniert an) frage ich mich z. b., ob ich überhaupt noch in meinen alten Job zurück möchte. Er hat mich doch ganz schön gefordert und mit der Angsterkrankung war es manchmal wahnsinnig anstrengend. Hätte ich n icht ein paar vertraute und verständnisvolle Kollegen gehabt, wäre es nicht machbar gewesen.
Aber - wären wir wirklich besser, anders, wenn wir unsere Ängste nicht hätten? Wäre das Leben in anderen, besseren Bahnen verlaufen? Ich bezweifle das ganz stark, ich denke eher, dass solche Gedanken entstehen, weil man die Ängste so satt hat und die Sehnsucht nach einem freien Leben übermächtig wird.
Liebe Grüße an Dich
Michaela

04.09.2008 21:43 • #5


E
Hi,

Ängste und Sorgen sind meiner Meinung nach sehr wohl eine Schutzfunktion um nicht Handeln zu müssen und möglicherweise zu Scheitern. Wenn du Angst hast zu Scheitern solltest du vielleicht überlegen, was denn passiert wenn du Scheiterst, wirst du womöglich ausgelacht oder ähnliches? Könntest du damit leben?

Ich kenne das sehr gut, glaub mir und ich hatte Angst zu verspottet zu werden. Ich habe dann festgestellt das viel davon seinen Ursprung in der Vergangenheit hatte und mit den Neuen Situationen eigentlich nichts zu tun hatte. Dann habe ich angefangen das zu tun worauf ich wirklich Lust habe, was ich von Herzen wollte. Anfangs habe ich auch eine Wahnsinns-
Angst gehabt. Was wenn sie mich jetzt auslachen? Darf ich das jetzt wirklich? Was wenn... und so weiter ich denke du kennst das wenn du Erfahrung mit Ängsten, Sorgen hast und als ich mich immer und immer wieder den Ängsten gestellt habe konnte ich langsam anfangen es immer mehr zu geniessen.

Noch ein kleiner Satz zum Nachdenken: Wo die Angst ist, ist der Weg.

Lg EntspannDich

04.09.2008 22:19 • #6


P
Das nennt sich dann wohl im weitesten Sinne Lebensangst , die ich auch habe. Mein Urvertrauen wurde in frühester Kindheit komplett zerstört und hat wohl nun zur Folge, dass die Angst ein Schutzmechanismus geworden ist GEGEN die ach so grausame Welt. Die meisten von uns sind ja sehr sensibel. Krankheit als Weg sozusagen. Ich war dann irgendwann einmal der Meinung- man hatte es mir in der Therapie angedeutet- das ich mich vor einer elementar wichtigen Entscheidung drücken will.Ich dachte dann, es sei meine Ehe, die dann ja auch beendet wurde. Was danach kam, erzähle ich hier lieber gar nicht erst. Resultat ist aber, dass ich nun ohne Mann, Job, meinem Pferd, ohne mein Kind, 24 Std. alleine in meiner Wohnung sitze und auch grübel, ob und wenn , wie ich da wieder raus kommen soll und vor allem wohin und wofür? Ich schreibe Tagebuch und konnte mir diese Frage einfach nicht beantworten.
Grüssli
Iris

05.09.2008 10:10 • #7


B
Resultat ist aber, dass ich nun ohne Mann, Job, meinem Pferd, ohne mein Kind, 24 Std. alleine in meiner Wohnung sitze und auch grübel, ob und wenn , wie ich da wieder raus kommen soll und vor allem wohin und wofür? Ich schreibe Tagebuch und konnte mir diese Frage einfach nicht beantworten.
Grüssli
Iris[/quote]


Iris , es lohnt sich immer zu leben . Gib deinen Leben einen Sinn , ES geht immer weiter.Ich selber hab es mit der Angst als sinnlos gesehen, aber..... das ist oft Feigheit und bequemlichkeit gewesen.Schafft man sich neue Persprektiven gewinnt man wieder schrittweise Spass am Leben.Es gibt immer !Weg. Der Weg ist das Ziel!!Hat man die Angst überwunden und man schafft es ihr die Stirn zu zeigen geht es aufwärts.Vertrau dir selber. Das setzt Sebstheilungskräfte frei,unternimm was muss ja nicht gerade 1 Shoppingtour sein.Eine Zeitung am nächstenKiosk kaufen ist schon 1 Erfolg.

Alle liebe


Von Biggi

05.09.2008 11:26 • #8


Christina
Zitat von Saorsa:
jetzt stell ich mir aber die frage, ob dem wirklich so wäre, denn je länger je mehr habe ich den eindruck, dass die angst mich auch davor schützt, dinge zu tun, die ich nicht tun möchte. sie gibt mir einen fluchtweg aus der grossen bösen welt, die mich mit allem möglichen konfrontiert, dessen ich mich nicht gewachsen fühle. ich beziehe das auf kleinigkeiten wie aufs ganze leben.

irgendwie entziehe ich der welt ihre erwartungs-haltung, indem ich ja schon von vorherein erkläre, dass ich wegen der angst dazu nicht fähig bin. falls doch etwas gefordert wurde, habe ich bzw. meine angst das ja jeweils tatkräftig wieder aus der welt geschafft.
Das könnte von mir sein. Ich habe eine beträchtlichen Krankheitsgewinn, z.T. fast mehr Angst davor, dass mich der bevorstehende Klinikaufenthalt wieder gesund macht, als dass er nichts bringen könnte.

Zitat von Saorsa:
ist es möglich, dass ich nicht lebensfähig bin, und die angst mich schützen will?
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass wir uns (ich vereinnahme Dich jetzt mal ) in bestimmten, wichtigen Bereichen nicht lebensfähig (genug) fühlen.

Zitat von Saorsa:
da ich die angsterkrankung in doch recht jungen jahren gekriegt habe, konnte ich vieles (beruflich, partnerschaftlich, sozial, familiär) gar nicht realisieren, wie ich mir das eigentlich vorgestellt hatte. die frage ist, ob diese realisation aber überhaupt je mein wunsch war oder nur ein bild, welches ich mir vom leben oder wie es ein sollte, gemacht habe.
Dito. Wobei sich bei mir immer mehr herauskristallisiert, dass meine Vorstellungen die waren, wie es sein sollte, nicht wie es mir gut getan hätte/wie es mein wirklicher Wunsch gewesen wäre. Nach meinen Wünschen, die es wert wären, die Angst zu überwinden, suche ich noch.

Und das alles ist es auch, woran die Konfrontation als alleiniger Therapieansatz scheitert und scheitern muss. Ich bin deswegen ambulant in tiefenpsychologisch fundierter Therapie, werde stationär aber Verhaltenstherapie machen. Und da klopfte nach dem eigentlich sehr positiven Vorgespräch schon wieder das Funktionieren Müssen an. Die Ängste und Zwänge wurden reflexartig wieder schlimmer...

Liebe Grüße
Christina

05.09.2008 11:53 • #9


R
ich finde es müssig darüber nachzudenken was wäre wenn ich dies und jenes anderes gemacht hätte und wie wäre es dann gelaufen.
meine mutter sagte zu mir das es ihr als sie so alt war wie ich alles hatte auch angst ich bin zwar extremer. sie sagte zu mir kind du musst dich aus diesem sumpf selber rausziehen am eigenn kragen packen, leichter gesagt als getan ich zu ihr ich kann einfach nicht doch man kann aber in kleinen schritten.sie hat recht.
sicherlich muss man es aufarbeiten warum man diese ängste bekommen hat aber nur darüber nachzudenken finde ich falsch.
das problem bei uns allen ist doch das wir zuviel nachdenken und dann kommt die panik umsomehr wir uns damit beschäftigen

05.09.2008 17:21 • #10


A
Ich kann mich da auch anschließen. Das Gefühl sich lebensuntauglich zu fühlen kenne ich nur zu gut. Ich denke aber nicht, dass wir das alle sind, sondern dass wir nur so fühlen. Meine Mitmenschen geben mir immer sehr positive Rückmeldungen und objektiv betrachtet bin ich sehr wohl lebenstauglich. Ich empfinde es nur leider nicht so.
Ich habe mir sehr viel abverlangt und die anfängliche Angst hatte durchaus eine Schutzfunktion und war an der Stelle sogar wichtig, da ich sonst wohl nicht gehandelt hätte und mich weiter übernommen hätte. Leider hat sie sich dann verselbstständigt.

Christina, ich finde das ist ein wichtiger Hinweis, dass die Konfrontation alleine das Problem nicht löst. Es wird aber oft so dargestellt. Ich bin deshalb in die volle Konfrontation gegangen und es wurde dennoch schlimmer. Ein guter Beweis, das mein Problem woanders liegt!

Seid ihr eigentlich auch so Perfektionisten wie ich? Dann macht man es sich nämlich um einiges schwerer immer so zu funktionieren, wie man das möchte.
Was uns vermutlich auch verbindet ist, dass wir sehr viel darum geben, was andere von uns denken. Ist jedenfalls bei mir so und ich denke die Angst könnte nicht so eine Macht erlangen, wenn mir das was andere denken ein wenig gleichgültiger wäre.

Liebe Grüße
Anna

05.09.2008 17:32 • #11


B
rockshaver1975

Besser, hätte ich es nicht formulieren können.Du schreibst was ich denke , mir aus der Seele,


Lg Biggi

05.09.2008 17:45 • #12


R
ich habe das nicht mir den kopf zu machen was andere über mich denken das ist mir sowas von wurst. aber perfekt sein da gebe ich dir recht

05.09.2008 17:52 • #13


E
Hallo rockshaver1975,
du hast mir voll aus der Seele geschrieben.
Wenn man sich mit dem Thema Angst beschäftigt, treten natürlich diese Fragen auf wie: Warum ich, warum überhaupt, was wäre ohne Angst?
Aber irgendwann muss man sich entscheiden, soll die Angst mich beherrschen, mich einengen, mein Chef werden?
Oder bin i c h Chef in meinem Körper, möchte i c h sagen, was geschehen soll und was nicht.

Liebe Grüße
engelchen106

05.09.2008 19:11 • #14


Christina
Zitat von rockshaver1975:
ich finde es müssig darüber nachzudenken was wäre wenn ich dies und jenes anderes gemacht hätte und wie wäre es dann gelaufen.[...]
das problem bei uns allen ist doch das wir zuviel nachdenken und dann kommt die panik umsomehr wir uns damit beschäftigen
So habe ich Saorsas Post nicht verstanden und meinen Beitrag nicht gemeint - nicht dass wir aneinander vorbei reden... Ich habe für mich inzwischen (auch nach langen Jahren) gemerkt, dass die Angst eine Funktion für mich hat. Das hat mit Ursachenforschung nichts zu tun und auch nicht damit, wo ich heute wäre, wenn ich die Angst nicht bekommen hätte. Ich bin auch keine Anhängerin der Idee, in der Angst eine Freundin zu sehen oder die Krise unbedingt als Chance (es mag auch Chancen in Krisen geben, aber eine Krise ist eine Krise und kein Glücksfall - gesunde Menschen merken ohne Angst, wenn sie im Leben falsch liegen). Das Wichtige an der Sache mit der Funktion ist für mich ganz einfach die Erkenntnis, dass ich keine Chance auf Heilung habe, wenn der Zweck der Angst nicht auf andere, gesündere Weise erfüllt wird. In meiner ersten (Verhaltens-)Therapie wurde mit Konfrontation auf Teufel komm raus an mir vorbei therapiert. Das hat auch funktioniert, die Agoraphobie war weg, nur habe ich sie nahtlos durch andere Symptome, nämlich Zwänge, ersetzt.

Zitat von Annaa:
Seid ihr eigentlich auch so Perfektionisten wie ich?
Ja. Und ein Kontrollfreak. Aber mehr bezogen auf mich und meine Maßstäbe, andere sind mir da nicht so wichtig. Ein bisschen habe ich mit der Zeit wohl auch das Schämen verlernt . Ich kann vehement und mit ehrlicher Überzeugung vertreten, dass eine psychische Störung nichts ist, dessen man sich zu schämen braucht. Aber vor mir selbst erlebe ich es gefühlsmäßig als Makel.

Liebe Grüße
Christina

05.09.2008 20:39 • #15


L
Ich finde dieses Thema sehr spannend. Und ich habe mir auch schon oft die Frage gestellt, welchen Gewinn ich durch die Angst habe. Es gibt ja diesen tollen Begriff sekundärer Krankheitsgewinn. Ich bin zu keinem Ergebnis gekommen. Wenn mich Therapeuten mal fragten, wie ich mein Leben gestalten würde, wenn ich keine Angst hätte, fiel mir eigentlich nichts Sinniges ein. Sicher, ich würde mehr unternehmen, mal verreisen ...., aber mein Leben konkret ändern? Keine Ahnung wie! Ich kenne eigentlich auch kein Leben ohne Angst, weil ich die schon soooo viele Jahre habe. Wie soll ich mir da eines vorstellen? Ganz selten bekomme ich aber mal einen kleinen Vorgeschmack, was wäre wenn. So wie am letzten Montag. Es war einer der wenigen Tage in meinem Leben, an dem ich anscheinend keine Angst hatte. Denn plötzlich war ich voller Energie und Lebenslust und voller Ideen und Freude über alles. Ich konnte mir plötzlich vorstellen alles mögliche zu tun, was ich vorher absurd gefunden hätte. Das war dann am nächsten Tag vorbei und nahm dann seinen Lauf und es ging mir immer schlechter. Ich zermatere mir meinen Kopf, um das zu analysieren. Mag ja sein, dass ich schnell ins alte Muster verfiel, weil mir das schier unheimlich war und ich das Vertraute vorziehe, wenn es auch das Leid ist. Ja, mag sein. Vollkommen unbekannt sind mir solche tollen Tage nicht, wenn sie auch eher die Ausnahme sind. Was mich jedoch erschreckte bei alledem, ist die Erkenntnis, dass ich scheinbar IMMER Angst habe, auch wenn ich sie als solche gar nicht wahrnehme. Versteht Ihr, was ich meine? Ich spüre nicht tagtäglich die pure Angst. Ich habe oft viele Symptome mit und ohne Angst. Mal ist die Angst ganz doll, mal gibt es Panik, mal ist die Angst klein oder - wie ich bisher dachte - gar nicht da. Aber dieser Montag hat mich eines Besseren belehrt. Ich hatte keinerlei Angst und mein Fühlen war von so ausschlaggebend anderer Qualität, dass ich mich vollkommen anders fühlte. Mir hat es bewiesen, dass ich dauerhaft Angst in mir habe, die ich selbst nicht unbedingt als solche empfinde.

Kann man überhaupt verstehen, was ich sagen will?

Ich wüsste aber beim besten Willen nicht, was mich an diesem angstfreien Zustand so (unbewußt) beängstigen sollte, dass ich ihn nicht mit allen Mitteln anstreben wollen würde. Weil ich eben angstfrei war, hatte ich keine Angst zu versagen oder meinen Ansprüchen nicht zu genügen oder ähnliches. Ich hätte Bäume ausreissen können und das hätte mir genügt. Ich finde eigentlich gut, was ich gebe und was ich in meinem Leben tue. Alles, was ich nicht schätze oder bedaure oder anklage, ist eben diese Angst, die mir alles so schwer macht, mich oft so leiden läßt. Und wenn die nicht da wäre, wurde ich lediglich mit viel mehr Leichtigkeit meinen Weg gehen und würde vielleicht nur denken, dass ich jetzt mehr zu bieten habe. Denn ich finde, dass ich durch die Angst nur wenig zu bieten habe.

Ich glaube aber auch - und ich hoffe, ich desillunsioniere jetzt niemanden - dass sich Angst chronifizieren kann. Ich glaube, dass jahrelange Angst sich so in die Persönlichkeit einbrennt, dass es unmöglich ist, dies zu ändern. Ich glaube, sie setzt sich in jeder Faser und Zelle unseres Körpers, unserer Seele oder Psyche fest, dass es nicht möglich ist, sie je wieder los zu werden. Vorausgesetzt man hat sie schon viele viele Jahre. Und somit muss sie nicht unbedingt einen Gewinn bedeuten, sondern ist schlichtweg nicht mehr reparabel. Vielleicht hatte sie mal ihren Sinn, aber irgendwann nicht mehr. Und ich glaube auch, dass man nur noch versuchen kann, so gut wie möglich damit klar zu kommen.

Ok, vielleicht spricht dieser Montag dagegen. Vielleicht aber auch nicht.
Bei den meisten Menschen hat Angst einen Zweck, aber irgendwann kommt ein Punkt, da sitzt sie fest wie eine Narbe und mehr nicht.

Trotzdem muss das nicht heißen, dass das Leben nicht auch so schön sein. Und daran gilt es zu arbeiten.

Angstfrei leben? Für mich unvorstellbar. Und eigentlich seit diesem Tag umso weniger vorstellbar. Kann man das überhaupt nachvollziehen?

06.09.2008 15:26 • #16


S
Zitat:
So habe ich Saorsas Post nicht verstanden und meinen Beitrag nicht gemeint


tatsächlich war mein post nicht so gemeint, und christinas antwort hat mir bei meiner fragestellung einige denkanstösse gegeben. genau in die richtung wollte ich vordringen...

es geht hier nicht ums hadern mit der vergangenheit und mit der angst sondern um ein komplexeres verstädnisses unseres problems. ich für mich versuche auf jeden fall das so zu sehen, denn es gibt irgendwo gründe, warum ich nicht weiterkomme. diese gründe zu erkennen und mit ihnen anders umzugehen ist mein ziel. daher auch die überlegungen dazu...

im übrigen weiss ich objektiv, dass ich durchaus lebenstauglich bin. das musste ich schon sehr früh beweisen. die frage ist mehr, ob ich mich auch lebenstauglich fühle...?

06.09.2008 15:56 • #17

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R
user grösstes problem ist das wir zuviel denken .
ich frage mich nicht was wäre ohne pa oder angst warum sollte ich auch , sie ist ja da.
ich sehe das ja an meinem mann wenn es bei mir losgeht er sagt auch du denkst zuviel warum es so ist und warum wieder jetzt, es ist doch so.
ich glaube sogar das wir stärker sind wie die normalos.
viele von uns haben kinder und können sie versorgen und auch arbeiten gehen trotz angst und wir stellen uns wohl oder übel immer wieder situationen wo man pas oder angst bekommt.totzallem meistern wir das.
ob die lebensqualität bei den normalen so viel besser ist das glaube ich nicht den sie kämpfen mit anderen sachen.

06.09.2008 16:59 • #18


S
nun ja, ich denke grundsätzlich viel... das bringt mir aber einiges im leben. wenn es nicht die angst wäre, würde ich über etwas anderes philosophieren.

ich möchte das unmögliche - die komplexität des lebens verstehen. bei mir, bei anderen, philosophisch, religiös... aber sorry, ich schweife ab. hier geht es nur um die mechanismen der angst.

06.09.2008 17:46 • #19


Christina
Zitat von Lilly42:
Ich habe oft viele Symptome mit und ohne Angst. Mal ist die Angst ganz doll, mal gibt es Panik, mal ist die Angst klein oder - wie ich bisher dachte - gar nicht da. Aber dieser Montag hat mich eines Besseren belehrt. Ich hatte keinerlei Angst und mein Fühlen war von so ausschlaggebend anderer Qualität, dass ich mich vollkommen anders fühlte. Mir hat es bewiesen, dass ich dauerhaft Angst in mir habe, die ich selbst nicht unbedingt als solche empfinde.
Könnte es nicht auch sein, dass sich inzwischen, im Zuge der Chronifizierung, eine fette Depression bei Dir breit gemacht hat?

Zitat von Lilly42:
Ich wüsste aber beim besten Willen nicht, was mich an diesem angstfreien Zustand so (unbewußt) beängstigen sollte, dass ich ihn nicht mit allen Mitteln anstreben wollen würde. Weil ich eben angstfrei war, hatte ich keine Angst zu versagen oder meinen Ansprüchen nicht zu genügen oder ähnliches. Ich hätte Bäume ausreissen können und das hätte mir genügt.
Naja, in dem Moment, in dem Du diesen angstfreien Zustand anstrebst, hast Du ihn ja nicht, da könnten sich diverse Befürchtungen davor schieben. Aber eigentlich glaube ich das nicht einmal. So, wie Du es beschreibst, klingt es für mich fast schon hypomanisch, also auch nicht normal. Da würde ich dem Zustand gar keine besondere psychologische oder gar unbewusste Bedeutung beimessen, sondern eher einen Ausreißer nach oben bei sonst depressiver Verfassung vermuten. Womit ich Dir nicht zu nahe treten und/oder Dich diagnostizieren möchte - es sind einfach Ideen von mir.

Zitat von Lilly42:
Ich glaube aber auch - und ich hoffe, ich desillunsioniere jetzt niemanden - dass sich Angst chronifizieren kann. Ich glaube, dass jahrelange Angst sich so in die Persönlichkeit einbrennt, dass es unmöglich ist, dies zu ändern. Ich glaube, sie setzt sich in jeder Faser und Zelle unseres Körpers, unserer Seele oder Psyche fest, dass es nicht möglich ist, sie je wieder los zu werden. Vorausgesetzt man hat sie schon viele viele Jahre. Und somit muss sie nicht unbedingt einen Gewinn bedeuten, sondern ist schlichtweg nicht mehr reparabel. Vielleicht hatte sie mal ihren Sinn, aber irgendwann nicht mehr. Und ich glaube auch, dass man nur noch versuchen kann, so gut wie möglich damit klar zu kommen.
Ich meine, damit hast Du Recht und Unrecht. Ja, die Angst kann chronifizieren, sicher auch fernab von jeglicher Funktion. Dafür sorgt das Gehirn mit seiner Plastizität. Es verändert sich physisch durch das, was wir erleben und denken. Es legt Datenautobahnen der Angst an. Aber: Diese Plastizität hält lebenslang an, so dass es möglich ist, diese Autobahnen still zu legen oder zu umgehen. Sie werden immer noch da sein und bereitwillig den Betrieb wieder aufnehmen, so dass es natürlich nicht leicht (bzw. sogar unmöglich) ist, sie auszuschalten. Aber ein quasi-normales Maß an Angstfreiheit ist erreichbar. Es ist ja sogar bewiesen, dass Psychotherapie das Gehirn verändert, Medikamente übrigens auch. Und das ist auch der Punkt, in dem strikte Medikamentengegner m.E. falsch liegen: Ein Medikament, dass z.B. die Häufigkeit von Panikattacken reduziert, verhindert auch das Einbrennen der Angsterfahrungen und kann damit einer Chronifizierung vorbeugen - jedenfalls wenn man über einen längeren Zeitraum sonst keine Methode findet, die Angst zu reduzieren.

Liebe Grüße
Christina

06.09.2008 18:17 • #20


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