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T
Guten Tag,

ich bin in der 4. Woche in der psychosomatischen Klinik wegen sozial Phobie und Panikattacken.

Ich versuche mich den Herausforderung zu stellen, allerdings merke ich dass es mir um einiges leichter fällt wenn ich keine Bauchweh habe bzw. nicht auf Toilette muss.
Immer wenn ich vor habe raus zu gehen und etwas zu unternehmen muss ich kurz vorher auf Toilette obwohl ich schon war. Manchmal gehe ich dann und dann ist auch gut aber manchmal kommt das in dem Moment erst wenn ich raus gehe und dann habe ich ein Problem. Mein Körper verknüpft das gleich mit Angst und die Alarmglocken fangen an.

Ich bin mittlerweile 32 und mit 14 an meinem ersten Praktikumstag, musste ich in die Großstadt fahren, ich war ziemlich aufgeregt und der Laden hatte noch zu und es ist alles daneben gegangen. Die Chefin hat dann bei mir zuhause angerufen und ich wurde abgeholt.
Das blöde an der ganzen Sache ist. Sobald ich etwas Kopfschmerzen habe, ich nur etwas erkältet bin oder Bauchweh habe, halte ich das nicht aus wenn ich nicht zuhause bin.

Ich versuche mir zuzusprechen aber ich glaube mir kein einziges Wort. Wenn ich mir sage, hey, du bist jetzt ein erwachsener Mann und dir ist sowas nie wieder passiert, kommt gleich der Gedanke: vielleicht ist heute der Tag an dem es wieder passiert.
Eigentlich könnte ich ja einfach eine Toilette aufsuchen und dort hin.
Aber ich schäme mich den anderen zu sagen dass ich auf Toilette muss. Bzw wenn sie merken dass ich länger weg bin und die sich denken können dass ich groß machen muss, ist mir dann so peinlich.

Habt ihr mir irgendwelche Tipps ?

16.06.2022 09:54 • 17.06.2022 #1


9 Antworten ↓


Kruemel_68
@this_is_me Das ist 1A mein Grundproblem. Ich schlage mich damit schon seit meiner Kindheit rum. So in der Zeit zwischen Teenager und ca. 45 Jahren war es fast weg, seitdem begleitet es mich wieder jeden einzelnen Tag (bin jetzt 54). Ich habe auch lange keine Lösung gefunden. Exposition machte es mal besser, aber auch nur in den bekannten Situationen (weil ich da weiß, wo Toiletten sind), in unbekannten Situationen (wie z.B. Urlaub) eskalierte es sofort wieder.

Eine tiefenpsychologische und eine Verhaltenstherapie halfen mir auch nicht weiter. Seit 2019 gesellt sich jetzt noch eine Angst- und Somatoforme Störung dazu. Mein Pipiproblem hat sich in eine Durchfallproblem verwandelt, was es ungleich schwieriger macht. Wenn man sich mal in die Hose pieselt, kann man eine Jacke um die Hüften binden und schnell nach Hause - bei Durchfall....

Ich bin jetzt seit Herbst 2020 in einer Körperpsychotherapie. Der Therapeut ist einfach klasse und er hat es als erster geschafft, mich zu knacken. Der Punkt ist, dass es eigentlich gar nicht um das Toilettenproblem geht. Bei mir ist es so, dass die Seele eine Schwachstelle des Körpers nutzt, um nach Hilfe zu schreien. Der Druck, der in mir durch andere Probleme entsteht, wird durch den Druck auf die Blase/Darm sichtbar gemacht.

In meinem Fall ist das zum einen, dass ich mich in meiner Ehe nicht beschützt fühle. Im Alltag kann ich das durch die gewohnte Umgebung und die Kontrolle, die mir das gibt, noch kompensieren. An unbekannten Orten und im Urlaub eskaliert es dann jedes Mal. Dazu habe ich ich einen wirklich toxischen Glaubenssatz aus meiner Kindheit ungeprüft in mein Erwachsenenleben übernommen - Streit führt zu Trennung (vorgelebt durch meine Eltern). Dadurch schaffe ich es nicht, meinem Mann zu sagen, wenn mir etwas nicht passt oder ihm mal Einhalt zu gebieten wenn er bei mir Grenzen überschreitet (nicht im körperlichen Sinne!). Damit gestehe ich mir keinen Ich-Raum zu, ich erlaube mir nicht einmal, wütend, traurig oder ärgerlich auf ihn zu sein. Damit ich das alles schön in mich reinfressen kann, habe ich meine Gefühle komplett ausgeschaltet und bin seit Jahren nur noch im Unterdrückungsmodus unterwegs. Bis meine Seele die Notbremse reingehauen hat. Sie gibt diesen Druck, der da auf ihr lastet, als Blasendruck an mich weiter.

Und je mehr ich an einer Verhaltensänderung meinerseits arbeite, je mehr ich meinem Mann Grenzen setzen kann, je mehr ich wieder Zugang zu mir und meinen Gefühlen bekomme, je mehr ich liebevoll Kontakt zu mir aufnehmen kann, je mehr in meiner Seele ankommt, dass ich in mir selbst geborgen und beschützt sein kann, um so mehr lässt der Blasendruck und der Durchfall nach. Nicht von heute auf morgen - es ist ein langer Prozess und es gibt immer wieder Rückfälle (z.B. im Urlaub vor drei Wochen). Aber es geht langsam und stetig bergauf.

Vielleicht gelingt es Dir in der Klinik, auch einmal Deinem persönlichen Druck auf die Spur zu kommen. Irgendwo wird da was sein. Meistens haben wir das so gut versteckt (weil nicht sein darf, was nicht sein darf), dass es einer großen Portion Mut und Ehrlichkeit bedarf, diese Kisten aufzumachen.

Viel Erfolg dabei!

16.06.2022 11:12 • x 3 #2


A


Angst und die Reaktion vom Bauch

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T
Wow, danke für den Text und dafür dass du dich geöffnet hast.

Ich wünsche dir alles gute und ich hoffe wir schaffen es da raus.

Ich merke momentan auch dass wenn mich andere fragen wie es mir geht und es mir in dem Moment echt gut geht und och auch mit gut antworte, dass dann auf einmal die Angst hoch kommt.
Ich bin noch 3 Wochen in der Klinik.

Ich hoffe dass sich bis dahin noch ein Schalter legt

16.06.2022 18:02 • x 1 #3


Karimma
Zitat von Kruemel_68:
@this_is_me Das ist 1A mein Grundproblem. Ich schlage mich damit schon seit meiner Kindheit rum. So in der Zeit zwischen Teenager und ca. 45 Jahren ...

Bis auf kleine Abweichungen ist das mein Leben. Wow, ich bin geplättet. Nur das mir noch nie jemand erklären konnte warum ich dieses Toiletten Problem habe. Ich werde mir mal ein paar Ansätze aus deinem Text ausschreiben. Danke dafür

16.06.2022 19:36 • x 3 #4


Kruemel_68
@Karimma Sehr, sehr gern. Wenn es Dir hilft können wir uns gern hier oder per PN austauschen.

16.06.2022 20:16 • x 1 #5


Kruemel_68
@this_is_me Ich drücke dir die Daumen. Aber hab Geduld mit dir, das ist ein Prozess und der lässt sich nicht übers Knie brechen.

16.06.2022 20:18 • x 1 #6


Karimma
Zitat von Kruemel_68:
@Karimma Sehr, sehr gern. Wenn es Dir hilft können wir uns gern hier oder per PN austauschen.

Sehr gerne.

16.06.2022 20:20 • x 1 #7


J
Hey,

also ich selber hatte lange Zeit (und manchmal heute noch etwas) starke Probleme mit dem Bauch und der Psyche, inkl. dem Toilettenproblem.

Umso mehr man sich mit diesem Thema beschäftigt, umso komplexer wird es.

Grund für meine Verdauungsprobleme war/ist meine Darmflora (also die Zusammensetzung der Bakterien im Darm). Diese war total gestört und im Ungleichgewicht. Als ich anfing gezielte Darmbakterien für mich zu nehmen wurde es deutlich besser!

Aktuell wird sehr viel in diesem Bereich geforscht, Stichwort: Mirkobiom. Man weiß, dass wenn das Mikrobiom (sehr ähnlich zur Darmflora) verändert / gestört ist, dass es Auswirkungen auf diverse Krankheiten hat, vor allem die Psyche! Das ganze nennt sich auch Gut-Brain-Axis (Darm-Hirn-Achse). Man weiß, dass der Großteil von Serotonin (also dem Hormon, dass bei Angst und Depression beteiligt ist) im Darm gebildet wird. Ist der Darm gestört, kann das also Auswirkungen auf die Serotonin-Produktion haben. Ebenso kann aber natürlich die Psyche sich auf den Darm auswirken, so dass Symptome entstehen, also ein Wechselspiel!

Ich könnte noch viel mehr schreiben, falls Bedarf da ist, dass was ich in wissenschaftlichen Papern gelesen habe etc. ist extrem spannend und hier wird aktuell sehr viel geforscht und ich gehe davon aus, dass in die nächsten Jahren sich sehr viel in dem Bereich tun wird, vor allem in Hinblick auf psychatrische Krankheiten.


Aber nochmal etwas zurück zu deinem Problem: Mir hat geholfen Vertrauen in meinen Darm zurück zu bekommen, in dem ich wie gesagt die Darmflora gestärkt habe und mich gesünder ernährt und Pro-/Prebiotika genommen habe.
Vielleicht fragst du in der Klinik nach, deine Darmflora untersuchen zu lassen.

Es wurde früher medizinisch einfach nur Reizdarm diagnostiziert und ich wurde dann mit der Diagnose alleine gelassen, wodurch ich viele Jahre starke Beschwerden hatte. Man kann also doch einiges machen, um den Darm zu stärken...

Zwar bin ich nicht 100% symptomfrei, aber deutlich besser als früher.

17.06.2022 16:03 • #8


T
Hallo, danke für deinen ausführlichen Bericht.
Ich habe mich hier auch schon wegen meinem Schwindel beschwert aber sie schieben das alles immer auf die Psyche. Ich denke die Psyche verstärkt den Schwindel aber ist nicht der Auslöser, deshalb werde ich hier in der Klinik das nicht ansprechen und schauen dass ich wenn ich raus komme, mit dem Hausarzt spreche, der wiederum bestimmt auch sagen wird dass es von der Psyche kommt.

Wenn ich mal Zeit und Kopf habe, setze ich mich hin und lese mal nach wie ich meinen darf stärken kann..

Ich danke dir !

17.06.2022 18:34 • #9


Kruemel_68
Zitat von this_is_me:
Ich habe mich hier auch schon wegen meinem Schwindel beschwert aber sie schieben das alles immer auf die Psyche. Ich denke die Psyche verstärkt den Schwindel aber ist nicht der Auslöser

Das zeigt, dass Du die Ursachen immer noch im Außen suchst und noch nicht an dem Punkt angekommen bist, Deine körperlichen Symptome als Hilfeschrei der Seele zu akzeptieren. Das soll jetzt keine Kritik sein - sondern nur eine neutrale Aussage. Es braucht alles seine Zeit - aber wenn Du erst einmal am Punkt der Akzeptanz angekommen bist, wird es sich etwas bessern und Du bist bereit Deine Kisten aufzumachen.

17.06.2022 18:38 • x 1 #10


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