Holgerson
ich war hier letztes Jahr schon angemeldet und hatte nach Stress mit gewissen Leuten den Account gekündigt. Allerdings hatte ich mir vorgenommen, mich nochmal zu Wort zu melden, wenns mir besser geht. Einfach um diejenigen, die momentan kein Licht sehen, daran zu erinnern, dass es wieder aufwärts geht und nicht alles verloren ist. Ich erinner mich noch gut, wie verzweifelt ich selber vor 1 Jahr war und weiss, wieviel besser es nun ist....
So, und hier bin ich nun mit einer kleinen Statusmeldung und ein paar Tipps, die mir sehr helfen. Vielleicht bringen sie anderen auch was!
Vorab:
Meine Beschwerden liegen vorrangig in Panikgefühlen unter Menschen, insbesondere im direkten Kontakt und weniger in anonymen Menschenmassen etc.. Dazu kommen Überreizungsgefühle, morgendliche Traurigkeit, und andere Symptome, die manche Psychiater als Begleiterscheinungen einer Depression deuten, in der ich mich, ihrer Ansicht nach, befinde.
Ich bin da etwas anderer Meinung, da ich einen Teil der Beschwerden schon vor 15 Jahren schlagartig bekam, nachdem ich eine Überdosis Dro. konsumiert hatte. Und diese Beschwerden wurden genauso schlagartig wieder schlimmer, als ich vor 3 Jahren einen kleinen Burnout erlebte.
Das ist wichtig, denn die so genannte Sozialphobie hat bei mir weniger mit Schüchternheit zu tun, sondern scheint auf andere Weise gelagert zu sein. Und muss dementsprechend angegangen werden. Ich schreibe das nur, damit Leser sich besser erkennen können....
Jedenfalls ging es mir vor 1 Jahr so dreckig, dass ich in die Psychiatrie gezogen bin. Dort wurde alles noch schlimmer und ich bin nach 4 Wochen wieder weg. In Folge dessen habe ich mit dem ambulanten Psychiater über Monate 3-4 verschiedene Antidepressiva getestet, von denen es mir ebenfalls noch beschissener ging.
An Medikamenten hat mir letztendlich ein sehr schwach dosiertes Neuroleptikum namens Amisulprid geholfen, dessen antidepressive Wirkung man zufällig entdeckt hat, was sich aber leider noch nicht zu allen Ärzten durchgesprochen hat. Das Zeug hilft jedenfalls - nebenwirkungsfrei - und es reicht eine minimale Dosierung für den stimmungsaufhellenden Effekt. Ebenfalls vorteilhaft ist, dass dieser Effekt schon nach 2-3 Tagen eintritt und nicht erst nach Wochen / Monaten wie bei üblichen Glückspillen....
In der Klinik hatte ich 2 Jungs und ein Mädel kennengelernt. Zusammen haben wir öfters mit Gitarre gesungen und Karten gespielt. Die Frau hat mir leider einen vorübergehenden Liebeskummer eingebracht und nach einem pubertären Krach hat sich der Kontakt erledigt. Die Jungs (beide wieder auf freien Füßen) sehe ich allerdings immer noch alle paar Wochen und wir spielen ne Runde Karten oder gehen mal ins Kino.
Und somit sind wir beim ersten Punkt, der mir sehr gut getan hat - neue Freunde!
Noch schöner allerdings war die Motivation Gitarre zu lernen, die aus den Singtreffen entstanden ist. Das tue ich nun seit 8 Monaten und es gibt mir soviel Glück, wie ich es nie erwartet hätte. Musik / Singen / Spielen macht einfach nur vollkommen frei.
Das wäre dann der zweite Tipp - macht Musik, lernt ein Instrument. Das kann man alleine zuhause und wenn man mit anderen Leuten was zusammen macht, muss man weder viel reden, noch was beweisen o.ä.. Man erlebt zwanglose Gemeinsamkeit und das tut so gut, wenn man sonst solche Probleme unter Menschen hat. Währenddessen gehts mir zwar nie wirklich gut, aber danach fühle ich mich gesund und glücklich.....
Ein halbes Jahr war ich ambulant in der Ergotherapie der alten Klinik. Zuerst täglich 2 Stunden, was mir zuviel war. Letztendlich nur 2 x 1 Stunde pro Woche und das war super. Man könnte meinen, dass sich das nicht lohnt, aber diese kleinen Akzente, in denen ich einfach eine Stunde aus dem Haus komme und unter Menschen bin, die habens gebracht. Die und eine Beschäftigung, auf die ich mich konzentriere. Und eine sympathische Ergotherapeutin, die ihre Sache einfach auch mal gut gemacht hat.....
Tipp 3 wäre also Arbeit / Beschäftigung an festen Terminen in einem angenehmen Umfeld .-)! Sollte selbstverständlich sein, ist es aber häufig nicht. Bei Panik u.ä. unter Menschen bzw. überhaupt draussen in ganz kleinem Umfang und dann wieder nach Hause.
Des Weiteren hilft mir immer noch der Sport. Ich bin 3 x / Woche auf dem Bolzplatz und 1-2 x im Studio. Beschwerden sind immer dabei und ich bin nie 100 % fit, aber nichts hilft besser gegen depressive Gefühle. Ausserdem komme ich dadurch auch punktuell aus dem Haus und zwanglos für 2 Stunden unter Menschen.
Tipp 4 also ganz klar - Sport. Bei Depressionen 3 x / Woche Ausdauerbelastungen / Spielsport mindestens jeweils 1-2 Stunden. Ich hab viel probiert, darunter ist der Effekt nicht groß genug. Und darüber wird mir persönlich zuviel.....
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Zusammengefasst:
Ich habe immer noch Beschwerden, allerdings sind einige Symptome verschwunden und die übrigen bewegen sich auf einem Level, das erträglich ist. Selbst das Einkaufen in engen Kassenschlangen geht wieder besser und ich mache mir eigentlich auch keine Gedanken darum.
Mir hilft es jeden Tag mindestens 1 x vor die Tür zu gehen und etwas Produktives zu tun, bei dem ich unter Menschen bin. So bin ich zwar nie symptomfrei, allerdings immer soweit im Fluß, dass die Situationen auszuhalten sind. Manchmal bin ich auch einen halben Tag unterwegs und selbst das geht dann. Je mehr ich alleine zuhause sitze, desto schwieriger werden die Situationen dann wieder....
Von diesen produktiven Dingen sollte ein Teil aus Sport bestehen und Musik ist ebenfalls mehr als empfehlenswert. Arbeit, Kunst, Aufgaben sind auch super. Allerdings würde ich bei Depressionen Sport als Pflicht ansehen. Hilft besser als jedes Medikament.
Tjoa, das wars. Langer Text, kurzer Sinn. Aber vielleicht kann sich ja der/die ein ´ oder andere was Gutes aus den ganzen Infos rausziehen.
Grüße
26.09.2014 13:44 • • 30.09.2014 x 6 #1