Wenn du dieses Thema fortführen willst, sollte es tatsächlich einen eigenen Thread erhalten. Betrachte diese Antwort 'hier' also als Letzte hier zu unserem Exkurs.
Zitat von Fragender:Zitat von Daishō:In wie fern oder wie weit ist 'Verstandesarbeit' etwas anderes? Und, kannst du wissenschaftlich belegen, das es in den letzten Jahrtausenden der Entwicklung des Cro Magnon einen nennenswerten Zuwachs des Großhirn gab?
Die Entwicklung vom rein emotional gesteuerten Affen zum immerhein teilweise rational gesteuerten Homo Sapiens ist wohl eindeutig und die Entwicklung ist ja noch nicht zu Ende
Also so 'eindeutig' betrachte ich dies nicht: Evolution ist keine lineare Weiterentwicklung. Sie ist eine laufende Anpassung an veränderte Gegebenheiten. So verändert sich der Kiefer des Cro Magnon (weniger Zähne) in Anpassung an die 'aktuell' verwendete Nahrung. In den letzten Generationen die Beweglichkeit des Daumens, vermutlich in Anpassung auf höheren Einsatz. Andere Fähigkeiten, z. T. Sinne, werden sukzessive herabgestuft. Sämtliche Anpassungen erfolgen aber an 'Natur' und Bedarf der Umgebung NACH deren entsprechender Veränderung. Für eine höhere Rationalität oder gar primär logische Denkweise besteht aber keine externe Herausforderung. Selbst bei dem literarischen Konstrukt 'Vulkanier' handelte es sich um keine evolutionäre, sondern um eine gesellschaftliche Entscheidung.
Zitat von Fragender:Zitat von Daishō: Wirklich? Die emotionalen, oder besser instinktiven Entscheidungen haben unsere Art sich über Jahrmillionen entwickeln lassen. Versuchen nach gleicher Art das Überleben der Art für die Zukunft zu sichern. Deine rationalen Bedenken erstrecken sich aber effektiv auf weniger als die Lebensspanne eines Einzelwesens. Wieso sollte das 'rationale' Interesse eines Einzelwesens über dem Erhalt der Art stehen? Nachdem Instinkt über Urzeiten entstand, könnten hier nicht Gründe vorliegen, die deine Rationalität nicht betrachten kann?
Na dann schau Dir einfach die ERGEBNISSE an die in Gesellschaften mit freier Partnerwahl durch Frauen und solchen durch arrangierte Ehen zustande kommen und die sind eindeutig. Bei freier Partnerwahl gibt es eine massive Scheidungsrate mit extrem geringer Geburtenrate - das Modell taugt schlicht nichts.
Das Problem deiner Argumentation zeigt sich bereits in dieser. Evolution interessiert sich nicht für 'Gesellschaften', höchstens für die 'Ergebnisse' deren Interaktion mit der Umwelt. Auch dürfte deine Sicht der 'Partnerwahl' den gesellschaftlich bedingten Konstrukten von Ehe und Partnerschaft entsprechen, nicht aber evolutionär bedingten. Nicht zuletzt scheinst du einen Zeitraum von vielleicht 1500 Jahren zu betrachten, lokal auf Europa und naher Umgebung begrenzt.
Evolutionär betrachtet sucht sich 'Weibchen' den Partner aus. 'Männchen' bewirbt sich nur um diesen Posten. Bei dieser Auswahl kommen jedoch evolutionäre, genpool-bedingte Kriterien zum Einsatz, nicht jedoch der Wunsch des Männchens, sich dieser Bewerbung nicht regelmäßig erneut stellen zu wollen. Zur genetisch positiven Fortführung der 'Rasse' ist jedoch der starke Kämpfer, selbstbewusste Führer der interessantere Poolinhalt. Dieser eignet sich aber nur sehr bedingt zu einer andauernden Brutpflege, welche beim Menschen deutlich länger dauert, als bei anderen Lebewesen. Hier eignet sich eher das beständigere, ruhigere Männchen. Das dieses Grundverhalten auch beim Menschen heute noch fortbesteht, wurde durch diverse wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt. So interessiert sich (Kinderlose) Frau innerhalb ihrer fruchtbaren Phasen deutlich mehr für den 'Hallodri', während der unfruchtbaren deutlich mehr für einen beständigeren Mann. Dieses offenbar instinktive Verhalten lässt sich bei einer Frau mit Nachwuchs zwar auch feststellen, nur deutlich gemäßigt. Darüber; dieses Modell ist offensichtlich schon über Jahrmillionen erfolgreich, wie unsere Existenz beweist.
Das von dir bevorzugte Modell der Partnerwahl ist jedoch nicht der Evolution, sondern eher wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, ideologischen, familiären Präferenzen geschuldet. Letztlich wohl auch dem Gesetz der galaktischen Faulheit. Diese sind in Relation zur Evolution jedoch extrem kurzsichtig und kurzfristig. Es wird innerhalb der Kaste, der Religion, der Ideologie, nicht zuletzt innerhalb des 'blauen Blutes'' geheiratet. Letztendlich ist derlei aber nur ein 'Inzuchtmodell', welches auf mittlere Frist nur zu Schäden und Degeneration führen kann.
Zitat von Fragender: Und sieht man sich die Geschichte an, dann gab es zu keienr Zeit eine freie Partnerwahl durch Frauen, sie haben es also niemals evolutionär gelernt den richtigen Mann auszusuchen, deshalb greifen sie heute emotional permanent ins Klo und es kommen keine stabilen Beziehungen mehr zustande.
Die 'Geschichte' betrachtet Zeiträume von wenigen 100 Jahren, gefiltert durch die Brille des/der Historiker/s, zudem sehr lokal begrenzt. Evolution beinhaltet Jahrmillionen der Entwicklung. Tatsächlich gibt es seit 'Äonen' die freie Partnerwahl durch das 'Weibchen', die Probleme sind eher den Kollisionen zwischen gesellschaftlichen Konventionen und tatsächlichen Grundbedürfnissen geschuldet.
Zitat von Fragender:Zitat von Daishō: In Teilen lassen sich 'Bauchentscheidungen' steuern. Nicht zuletzt liegen Bauchentscheidungen Informationsgrundlagen zugrunde, welche sich dem bewussten entziehen.
Wenn sie gesteuert werden sind es schlicht keine Bauchentscheidungen mehr - das die besser wären ist eine bloße Behauptung
Dazu solltest du dich vielleicht mehr mit der Arbeitsweise des Unterbewussten beschäftigen. Wie an anderer Stelle erwähnt, liegt die Gewichtung zwischen Unter- und Wachbewusstsein bei etwa 80 : 20 %. Da Unterbewusste, Instinktive arbeitet jedoch nicht auf Basis rationaler Entscheidungen, sondern auf Basis von Gefühlen, Emotionen. Diese Nahrung schmeckt gut, tut gut, also fühle ich mich wohl. Diese Nahrung schmeckt nicht, ich fühle mich schlecht dabei, also weg mit dem Zeug. Hier fühle ich mich sicher, also... Hier fühle ich mich wohl, also bin ich hier richtig. Dabei kann es auch zu unterschiedlichen - rational nicht vorteilhaften Situationen kommen: Es lauert eine latente Gefahr vor der Höhle, also bleibe ich dort in Sicherheit. Der Instinkt wird das Lebewesen so lange dort halten, bis die Gefahr vorüber oder ein anderes Grundbedürfnis (z. B. Hunger oder Durst) größer als die Angst geworden ist. Rational verliert man durch das Warten jedoch eine Menge Kraft, auch kann der Gegner Verstärkung heranholen...
Heutzutage sind unsere Bedürfnisse abstrakter, aber nicht grundlegend anders geworden. Habe ich genug Geld in der Tasche, kann ich meine Bedürfnisse stillen, mich wohl fühlen. Wohne ich in einem großen Haus, fühle ich mich sicher. In einem schönen kommt noch das Geltungsbedürfnis hinzu. etc. (vergl. Maslowsche Bedürfnishierarchie)
Diese Instinkte lassen sich aber auch 'rational' wie auch manipulativ beeinflussen: Kein instinktives Tier würde etwas sehr bitter riechendes oder gar schmeckendes zu sich nehmen. Den Generationen vor uns wurde jedoch schon von den Eltern erklärt, das Medizin 'schlecht schmecken müsse', damit sie wirkt. Rauch bewirkt normalerweise einen Würgereflex. Rauchen wurde jedoch mit deutlich anderen und positiven Emotionen verknüpft, so dass sich Generationen diesen natürlichen Würgereflex abgewöhnten...
Das Wachbewusstsein wirkt zunächst dagegen als Filter, allein weil es mit der Vielzahl der von unserer Sensorik aufgenommenen Daten gar nichts anfangen kann. Allerdings richtet es Aufmerksamkeit. Wenn dem Tier im Menschen z. B. eine besondere Nahrung als besonders gut bekannt ist, wird sich dessen Aufmerksamkeit bei der Suche nach diesem schärfen. Dies lässt sich schon nach einem Schaufensterbummel von Frau und Mann feststellen. 'Er' wird wohl hernach eher von handwerklichen Auslagen, von Werkzeugen, etc. Berichten, 'Sie' von Kleidern, Schmuck, Blumen.
Dieses lässt sich auch noch steigern. Aufmerksamkeit und emotional basierter Wunsch führen zu intensiver Motivation z. B. einen gewissen Gegenstand, eine gewisse Position etc. zu erhalten. Beides übersteigert jedoch z. B. auch zu Hypochondrie oder Liebeswahn.
So ist also die 'Bauchentscheidung' für ein bestimmtes Auto, für Rauchen oder was auch immer, tatsächlich eine Entscheidung, welche auf interne instinktive und externe Beeinflussung zurück zu führen ist. Die Kenntnis dieser Vorgänge und deren bewusster Einsatz kann einen Menschen zu (scheinbar) überraschenden Leistungen motivieren und aktivieren. Beinhaltet aber auch das Risiko von Geschehnissen a la Goethes Zauberlehrling...
Zitat von Fragender: Pschologie der Massen ist heute so aktuell und richtig wie damals - die ganze Geschichte beweist, dass Massen rein emotional denken und die größten Verbrechen begehen - wie kannst Du das ableugnen nach all dem was in der Geschichte passiert ist?
Und dass das heutige Extrem der Emotionalität (Herz steht über dem Kopf) ausstirbt kannst Du an der niedrigsten Geburten rate der Welt bei uns sehen - das ganze Modell taugt gar nichts.
Wie bereits gesagt, 'Die Psychologie der Massen' betrachtete seinerzeit bereits nur einen lokal begrenzten Ausschnitt auf Basis vielfach fehlerhafter Annahmen. Gilt seit des ersten Drittels vorigen Jahrhunderts als überholt. Auch ist hier wohl eine deutlich nexialistischere Betrachtungsweise erforderlich, als es eine 120 Jahre alte These / Betrachtungsweise leisten kann...
Sicher basieren die größten Verbrechen der Menschen auf Emotion. Aber ebenso die größten Entdeckungen, Taten, Erfolge. Amerika wurde letztendlich auf Basis von Gier nach Gold, nach Geltung entdeckt. Technik, der Wunsch nach einem leichterem Leben. Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.
Nicht die Emotion ist das Problem, eher das Umgehen damit, deren passende oder richtige Gewichtung.
Die niedrigste Geburtenrate hat übrigens Monaco, noch vor Japan, Korea, Singapur oder Slowenien. Also alles Kulturen oder Gesellschaften, welche eher westlich rational ausgerichtet sind. Dagegen liegen Kulturen, bei denen Rationalität nicht so sehr in den Himmel gehoben wird, an der Spitze. (Niger, Mali Uganda...)
Damit aber tatsächlich Schluß mit diesem Exkurs. Nur eine Erklärung, warum ich so intensiv auf das Thema eingestiegen bin. In meinen Augen gehört das diskutierte Thema sehr wohl zum Thema 'Wie man Freunde gewinnt'. Wenn auch generell grundlegend.Über den Verstand lassen sich keine Freunde gewinnen, höchstens das Interesse beim Anderen wecken. Freundschaft basiert vorwiegend auf Emotion; auf Gefühle wie Vertrauen, Sicherheit, gegenseitige Wertschätzung, uvm. Rationales spielt hier eine nur sehr untergeordnete Rolle.
Allerdings kommt es auch darauf an, ob ich das Ganze als Problem oder als Herausforderung sehe. Verbinde ich die Suche nach Freunden mit negativen Gefühlen wie Angst (...), blase ich das Problem weiter auf. Stelle ich mir das Problem bildlich als Säbelzahntiger vor meiner Höhle vor, werden die besten Verlockungen an 'leckeren Früchten' nicht, und erst ein 'mörderischer Hunger' dazu in der Lage sein, mich aus meiner Höhle heraus zu bekommen. (Freundschaft ist jedoch ein eher nachrangiges Bedürfnis)
Hier kann die Ratio, der Verstand seine kreativen Fähigkeiten voll ausspielen. Er hat einmal die Möglichkeit das Problem zu analysieren, auf seine tatsächliche Größe herunter zu brechen, was wäre wenn Simulationen anstellen. So wird aus dem Säbelzahntiger, sehr oft und schnell ein junger tapsiger, bald vielleicht nur eine Hauskatze. Deren Krallen können zwar immer noch schmerzhafte Striemen und Kratzer verursachen, aber...
Auch kann die Ratio, der Verstand das hinter dem Säbelzahntiger liegende Ziel aufblasen. Mh, lecker Erdbeeren! Wäre doch goil, jetzt eine Hand voll zu schlotzen...
Herausforderung dabei, einzeln bringt es wenig. So lange noch der Tiger vor der Höhle sitzt, können die Erdbeeren gar nicht lecker genug sein. Und, warum soll ich meine sichere Höhle verlassen, auch wenn der Tiger weg, aber auch keine Erdbeeren da sind?
Druck zu machen bringt da nichts. Im Gegenteil. Um bei dem Bild Tiger / Höhlenversteck zu bleiben: Angenommen ein Artgenosse würde jetzt 'dich' Richtung Höhlenausgang schieben. Dort wo der Tiger sitzen könnte. Was würdest 'du' tun? Sehr wahrscheinlich dich gegen den Artgenossen wehren, der ist ja immer noch der 'leichtere Gegner'. Steht dir jedoch eine Gruppe von Artgenossen gegenüber, ist die Gefahr tatsächlich aus der Höhle geschoben zu werden; gefühlt geopfert zu werden, extrem groß. Mit wachsender Angst setzt aber jede Ratio, jeder Verstand aus; wie sicher jeder erklären kann, der schon mal eine Panikattacke erlebt.
Abschließend: Der Verstand, die Ratio betrachtet nur einen sehr kleinen Ausschnitt des Gesamtbildes. Manchmal ist es deutlich sinnvoller einen Schritt zurück zu treten um das Gesamtbild zu betrachten, sich einen Gesamteindruck zu verschaffen. Die Analogie lässt sich übrigens auch auf Texte übertragen...