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F
Hallo ihr alle,
Ich möchte gern meine Gedanken mit euch teilen zu den bösen Augen, die mir vor jeder Präsentation, jeder Party, ja sogar jedem Gang durch die Stadt Angst machen.
Vielleicht kennt ihr von euch auch den Gedanken wenn sich alle bei der Präsentation nur umdrehen würden, fiele mir das Ganze viel leichter.
Mir geht es auf jeden Fall so. Es sind diese Augen, diese Blicke der anderen, die mir so eine Angst machen. Oder vielmehr das, was hinter den Augen passiert. Was passiert, wenn der erste Eindruck, den die anderen von mir gewinnen, verarbeitet wird.
Denn in meiner Realität kann der Eindruck nur schlecht sein.
Man sieht ja, dass ich unsicher bin, ich stehe komisch, gehe komisch, gucke komisch,rede komisch und sehe generell bestimmt auch komisch aus.
Man sieht mir an, dass ich nicht dazugehöre, dass ich Umgang mit Menschen nicht gewöhnt bin.

In meinen Augen ist von vornherein immer klar, dass ich durch die Augen anderer nur äußerst merkwürdig wirken kann. Und dadurch verhalte ich mich dann tatsächlich unsicher.
Eine Eigenart von mir ist, dass ich die Leute während einer Präsentation dann herausfordernd anstarre, um keine Schwäche zu zeigen. Vielleicht machen andere das ja auch. Bei mir hat sich das mittlerweile so eingebürgert.

Wenn ich draußen unterwegs bin, gehe ich meistens sehr schnell. Wie eine Art Flucht vor Allem und Jedem.

Wenn ich (neue) Menschen kennen lerne, bin ich immer sehr fröhlich/freundlich. Denn dadurch bekomme ich meist auch ein sehr freundliches Feedback. Aber das kann ich nicht lange aufrecht erhalten, da ich eigentlich kein sehr aufgedrehter Mensch bin und so distanziere ich mich häufig mit der Zeit, da ich den durch mein anfängliches Verhalten entstandenen Erwartungen nicht gerecht werden kann.

In all diesen Fällen sind es immer die Augen, die mir am meisten Angst machen. Diese Blicke. Blicke, die meine Schwäche bei Referaten erkennen, Blicke, die meinen unsicheren Gang sehen könnten, Blicke, die voller Enttäuschung erkennen, dass ich nur ein langweiliger Mensch bin.
Und trotzdem habe ich auch Angst davor, dass gar keine Augen mehr da sein könnten. Dass ich sozial verschwinde. Dass ich nicht mehr gesehen werde, für die Welt nicht mehr existiere. Gerade jetzt zu Coronazeiten bin ich so einsam, wie lange nicht mehr. Und plötzlich freue ich mich, wenn mich draußen mal ein Augenpaar ansieht.
Es ist also eine Gradwanderung zwischen dem Wunsch, gesehn zu werden und dem Wunsch, zu verschwinden.

Dahinter steckt glaube ich der Wunsch, einfach zur Gesellschaft/ Gemeinschaft dazuzugehören. Immerhin sind wir soziale Wesen und Isolation ist nicht gut für uns.
Gleichzeitig steckt dahinter aber auch die bereits gemachte Erfahrung, nirgends wirklich angenommen zu werden. Durch die fehlende Erfahrung verhalte ich mich in sozialen Situationen auch einfach nicht normal. Das wiederum verjagt die anderen Menschen, so dass ich weiterhin keine Erfahrungen sammeln kann, um für zukünftige Situationen dazuzulernen.

Wie also damit umgehen?

Ich habe (wie jeder Mensch) immer wieder mal Phasen,in denen ich mehr Kraft habe und Phasen, in denen alles zu viel wird.
In den starken Phasen setze ich mich meistens Situationen aus, die mir Angst machen. Ich spreche mit Personen, die ins Schema meiner Mobber aus der Schule passen (und mir dementsprechend Angst machen), ich gehe aus und tanze vor anderen, ich habe mein Abi nachgeholt und Studiere nun, obwohl mir gerade Schul(ähnliche)-Situationen sehr große Angst machen, ich fange Konflikte an, obwohl ich Angst habe, verurteilt zu werden und ich trage kurze Hosen/Tops, obwohl ich ein sehr gestörtes Körperbild habe.

Aber dann kommen auch wieder die schwachen Phasen. Und plötzlich Stelle ich alles in Frage, was ich erreicht habe. In meinem Kopf schwirren etliche ja, aber's. umher und nehmen mir sämtliche Erfolgsgefühle. Je besser es lief, desto tiefer ist der Fall.
Du studierst. ja, aber Anschluss hast du keinen gefunden. Du gehörst nicht dazu.
Du studierst Psychologie. ja,aber du bist selbst so kaputt, was willst du denn anderen helfen.
Du redest mit Leuten, die dir Angst machen. ja, aber nachher lachen sie über dich.
Usw usw.

Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich zwar im Kopf durch die Erfahrungen reife, dass aber meine Gefühle immer weiter auf der Stelle treten.

Ich weiß nicht, wie ich meinen Gefühlen klar machen soll, dass ich erst dann kein Opfer mehr bin, wenn ich selbst FÜHLE, dass ich keines mehr bin.

Und damit wieder zurück zu den Augen.
Es sind nicht die Augen der anderen, vor denen ich Angst habe. Ich glaube ich habe Angst, dass die anderen mich so sehen, wie ICH mich sehe.
Das heißt, ich sollte als erstes die Angst vor den Blicken MEINER Augen auf mich verlieren. Wenn ich mich selbst nicht mehr so negativ/abwertend/verachtend betrachte, sind die Augen der anderen vielleicht gar kein Problem mehr.

Hoffnungsvoll eure
Füll_wort

09.12.2020 12:52 • 14.12.2020 x 5 #1


5 Antworten ↓


Abendschein
Zitat von Füll_wort:
Hallo ihr alle,Ich möchte gern meine Gedanken mit euch teilen zu den bösen Augen, die mir vor jeder Präsentation, jeder Party, ja sogar jedem Gang durch die Stadt Angst machen. Vielleicht kennt ihr von euch auch den Gedanken wenn sich alle bei der Präsentation nur umdrehen würden, fiele mir das Ganze viel leichter.Mir geht es auf jeden Fall so. Es sind diese Augen, diese Blicke der anderen, die mir so eine Angst machen. Oder vielmehr das, was hinter den Augen passiert. Was passiert, wenn der erste Eindruck, den ...


Liebe, liebe @Füll_wort , als ich Deine Zeilen hier gelesen habe, tat sich in mir der Wunsch auf, Dich zu umarmen.
Bitte mach es Dir doch nicht so schwer, indem Du Dich verstellst, um anderen zu gefallen. Das habe ich auch mal versucht, ist aber recht anstrengend. Heute bin ich so wie ich bin. Wer mich mag ist gut und wer nicht hat Pech gehabt, Hihi......Mir ist es fast egal was andere von mir denken.

Du hast etwas wichtiges gesagt, Deine Augen sind wichtig, für Dich. Was Deine Augen sehen, nämlich Dich.
Wenn Du Dich Positiv betrachtest, auch mit Deinen kleinen Schwächen, die jeder hat, dann verändert sich Dein
Umfeld mit. Versuch das mal.....ich drück Dich lieb.

09.12.2020 13:08 • x 2 #2


A


Angst davor, (nicht) gesehen zu werden

x 3


P
Du sagst es: du siehst dich selber so sehr kritisch und hast Angst, dass andere dich auch so sehen. Worauf ich dir Brief und Siegel geben kann: NIEMAND sieht einen so, wie man sich selbst sieht. Und zwar im Schlechten, wie auch im Guten. Du bist also für Menschen, die dich kaum oder nicht kennen, wie eine Art Bild, das man eventuell (bei Interesse) interpretiert. Manche betrachten dich nur bzw nehmen dich wahr, ohne zu interpretieren. Das sind wohl die meisten Menschen.
Du könntest versuchen, dich möglichst objektiv zu betrachten, um eine Ahnung davon zu bekommen, was bzw wie andere dich wahrnehmen könnten.

Schlage dir bitte völlig aus dem Kopf, dass irgendjemand dich so (schlecht) sieht, wie du selbst.

09.12.2020 13:51 • x 2 #3


Minime
Zitat von Füll_wort:
Man sieht ja, dass ich unsicher bin, ich stehe komisch, gehe komisch, gucke komisch,rede komisch und sehe generell bestimmt auch komisch aus.
Man sieht mir an, dass ich nicht dazugehöre, dass ich Umgang mit Menschen nicht gewöhnt bin.


Huhu,

ich sag mal ganz provokant: Nö, glaube ich nicht.
Ich kenne deine Gedanken ein Stück weit und auch das Gefühl durchschaut zu werden. Auch ich renne draußen um möglichst Kontakt zu vermeiden.

Ich denke nur, das ist ein reines Gedankenkonstrukt. Ich erlaube mir weiter provokant zu bleiben, nimm es mir bitte nicht übel, es ist nicht böse gemeint. Also frage ich mal nach; bewertest du alle die du unterwegs siehst? Auch die Unbekannten? Ich in der Regel nicht. Ich war gerade eine Runde mit Hundi und musste darüber nachdenken, wen ich überhaupt gesehen habe. Mir fällt nur eine mir unbekannte Dame ein, und wenn ich genauer nachdenke...habe ich mir nichts über sie gedacht. Ich hatte und habe keine Meinung zu dieser Person. Und zu so vielen Gedanken über diese Dame komme ich auch nur, weil ich über deinen Post nachdenke. Ohne hier zu schreiben, hätte ich wohl nie wieder an sie gedacht und sie bei einer möglichen nächsten Begegnung nicht wieder erkannt.

Es müsste schon eine sehr auffällige Person des Weges kommen, dass sich Menschen soooo viele Gedanken dazu machen. Gibt es einen Punkt in dem du dich so auffällig fühlst?

Übrigens zum Thema draußen rennen und flüchten. Hat bislang noch niemand als Unsicherheit gedeutet, über den Gassiflurfunk weiß ich, die meisten halten uns (Hundi und mich) für besonders sportlich begeistert Wenn mein Mann abends noch bummelt und andere Hundehalter trifft heißt es oft, ja ihre Frau und der Hund haben schon wieder fleißig trainiert heute. Dabei dienen die meisten Übungen die andere sehen eher der Kontaktvermeidung als allem anderen. Du siehst, wenn es überhaupt zu Interpretationen deines Verhaltens kommt, können die völlig anders sein, als du erwartest. Mein Mann muss sich jedesmal zusammenreißen um nicht laut zu lachen, er kennt die Gründe.

Also Kopf hoch, ich glaube du solltest mal schauen, ob du nicht etwas an deinem Selbstwert verbessern kannst. Ganz unabhängig von anderen.

LG
Minime

09.12.2020 14:21 • x 1 #4


Butterfly_
Ohja, dieses Gefühl angeschaut zu werden, was andere wohl über einen denken..brr..sehr unangenehm.
Wenn ich alleine spazieren gehe hab ich das immer. Mir kommen Leute entgegen und dann steigt die Anspannung.. ich denke dann die erwarten von mir dass ich sie grüße oder zumindest anschaue. Meistens schaffe ich nichtmal das letztere. Und dann denken die vermutlich erst recht, dass ich seltsam bin, seltsam gucke oder ein seltsames Aussehen habe..
Aber interessant, auf der anderen Seite haben wir genauso Sorge eben nicht gesehen zu werden, übersehen zu werden..Aber um gesehen zu werden muss man sich leider sichtbar machen..blöder Kreislauf..

11.12.2020 18:08 • x 1 #5


J
Hallo @Füll_wort

erstmal Hut ab für Deine Offenheit. Ich bin wahnsinnig beeindruckt davon, wie reflektiert Du bist und wie sehr Du Deine eigenen Ängste und die Prozesse dahinter durchschaust.

Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen - höchstwahrscheinlich sind Dein Selbstbild und Dein Fremdbild viel verschiedener, als Du gerade denkst.

Einen Gedanken möchte ich noch ergänzen, der Dir vielleicht helfen kann: Du scheinst schon sehr viel über Deine Ängste zu wissen und grundsätzlich ja auch verstanden zu haben, was dahinter liegt, dass sie vielleicht irrational sind - aber alles Begreifen auf der kognitiven Ebene scheint Dir in den Situationen selbst nicht zu helfen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man manche Dinge nicht durch Denken und Verstehen lösen kann, sondern nur durch Fühlen.
Was sind vielleicht Dinge, die Dir dabei helfen, Dich stark und selbstbewusst zu fühlen? Was gibt Dir Kraft? Kannst Du beispielsweise mit Meditation Abstand schaffen zwischen der Angst und den schwierigen sozialen Situationen auf der einen, und Dir selbst auf der anderen Seite?

Vielleicht kann Dir auch helfen, Dir bewusst zu machen, dass wir immer gerne überschätzen, wie viel Aufmerksamkeit andere Menschen wirklich auf uns richten. Es gibt Studien die zeigen: Wir beschäftigen uns 95 Prozent unserer Lebenszeit mit uns selbst. Die Kapazität der anderen, über Dich zu urteilen und schlecht über Dich zu denken, ist also sehr gering nämlich fünf Prozent! Man kann also sagen: Die Leute interessieren sich nicht für Dich sondern für sich selbst! Auf den ersten Blick kann das hart klingend, oder aber eben auch befreiend.

Ich wünsche Dir alles Gute!
Deine Julia

14.12.2020 18:01 • x 1 #6





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