App im Playstore
Pfeil rechts
44

Hallo zusammen,
ich schreibe hier anonym, weil ich auf echten Austausch hoffe – mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und verstehen, wie tief manche familiäre Prägungen gehen.

Ich bin 45 Jahre alt, verheiratet, kinderlos, beruflich sehr erfolgreich. Doch erst in einer Lebenskrise habe ich erkannt, wie sehr mich meine Kindheit und besonders meine Mutter geprägt – oder besser: deformiert – hat.
Mein Vater hat uns verlassen, als ich zwei Jahre alt war. Es hieß: „Sei froh – viele Väter sind eh toxisch.“ Aber die wahre Zerstörung kam später – subtil, gebildet, aber seelisch verheerend.

Meine Mutter war körperlich präsent, aber emotional abwesend – und sobald ich eigene Bedürfnisse oder Gefühle äußerte, wurden sie zerlegt, abgewertet oder umgedreht. Ich durfte nicht ich sein. Sie wollte einen braven, kultivierten Sohn. Geige, Oper, gute Manieren – das war ihr Ideal. Ich aber wollte Fußball spielen, raufen, draußen sein. Das wurde nie verboten – sondern subtil verächtlich gemacht: „Fußball? Das ist für Proleten. Wenn du so wirst, landest du auf der Straße. Willst du das deiner Mutter antun?“ So wurden hunderte Opernbesuche zum Pflichtprogramm, während ich nie auch nur ein Mal zum Fußball durfte. Und ich habe gelächelt – wie es gewünscht war.

Das System war perfide – fast ein Geniestreich: Ich sollte freiwillig auf mich verzichten, um ihre Erwartungen zu erfüllen. Hier einige prägende Mechanismen:

Intellektualisierung Abwertung von Gefühlen:
Als ich über eine Trennung und fehlenden Rückhalt sprach, meinte sie nur:
„Panta rhei – alles fließt. So ist das Leben.“ Kein Mitgefühl. Nur Kälte.

Gaslighting bei Grenzen:
Als ich sagte, ich möchte nicht mehr in die Oper, hieß es:
„Warum hasst du denn jetzt alles? Du bist so extrem.“

Vergleiche mit Faschismus:
Als ich sie bat, sich nicht mit jemandem zu treffen, der mir extrem geschadet hat, sagte sie:
„Ich lasse mich nicht in Sippenhaft nehmen.“ (Sippenhaft – ein NS-Begriff. Ich war schockiert.)

Opferumkehr emotionale Vermeidung:
Wollte ich einfach nur mal über meine Gefühle sprechen, kam sofort:
„Deiner Schwester geht’s schlecht. Mir auch.“

Meine Gefühle? Kein einziges Mal ernst genommen.
Ich habe gelernt:
Ich bin nur dann liebenswert, wenn ich funktioniere, nichts brauche und angepasst bin. Das führte zu extremem People Pleasing. Als ich mich in meiner Scheidung verletzlich zeigte, wandten sich auch viele Freunde ab. Ich war offenbar nur dann wertvoll, wenn ich leistete. Nicht, wenn ich menschlich war. Ich arbeite therapeutisch daran, aber es ist schwer – weil das, was passiert ist, keine „schwierige Kindheit“ war, sondern eine systematische Zerstörung meiner Identität.

Ich frage mich:
Kennt ihr so extreme emotionale Gewalt durch Eltern – besonders durch Mütter?
Wie verarbeitet ihr es, wenn sogar euer ehrlicher Versuch, euch zu zeigen, mit Kälte oder Abwertung beantwortet wurde?
Wie geht ihr mit der Trauer, der Wut, der Leere um?
Wie habt ihr euch von Mustern wie People Pleasing gelöst – oder vom inneren Zwang, es den Eltern „recht“ zu machen?
Wie habt ihr euch eine eigene Identität aufgebaut – ohne diese vergiftete Stimme im Kopf?

Ich freue mich auf ehrlichen, tiefen Austausch – nicht aus Opferhaltung, sondern auf Augenhöhe.
Danke, dass ihr das gelesen habt.

Gestern 18:19 • 03.07.2025 x 3 #1


36 Antworten ↓


Zitat von Alphacentauri:
Kennt ihr so extreme emotionale Gewalt durch Eltern – besonders durch Mütter?


ja, aber ich wuerde es nicht als emotionale ''Gewalt'' bezeichnen ...

Ich kenn diese emotionale Abwesenheit meiner Mutter auch, ich hatte Liebeskummer, es wurde so getan, als sei gar nichts usw. - Ueber Gefuehle wurde kaum gesprochen.

Nach Aussen hin musste alles korrekt wirken, Kleidung musste immer sauber sein, Haare perfekt gestylt, nicht auffallen - nicht anders sein - ''was denken die Nachbarn?''

Jetzt im Nachhinein, ich habe dadurch viel rebelliert

A


Extremer Narzissmus der Mutter - Auswirkungen aufs Leben

x 3


@Alphacentauri
Hey, dein Beitrag hat mich tief berührt, weil ich mich darin sehr wiedererkenne. Auch ich habe in meiner Kindheit ähnliche Erfahrungen gemacht. Meine Mutter konnte mich nur so annehmen, wie sie mich haben wollte. Sobald ich nicht ihren Vorstellungen entsprach, entzogen sich Zuwendung und Liebe. Ihr Verhalten war oft widersprüchlich und schwer greifbar. Sie war ständig verärgert wegen Dingen, die ich nicht verstehen konnte. Ich hatte regelrecht Angst davor, vom Spielen nach Hause zu kommen, weil ich nie wusste, in welcher Stimmung sie sein würde.

Diese emotionale Unsicherheit hat Spuren hinterlassen. Seit meinem 20. Lebensjahr leide ich unter Angst- und Panikstörungen sowie wiederkehrenden depressiven Episoden. Ich bin seit Jahren in therapeutischer Behandlung, war bereits in einer Tagesklinik und auch stationär, trotzdem fühlt es sich oft so an, als würde sich der Kreislauf endlos wiederholen. Es gab vereinzelt bessere Phasen, aber je älter ich werde, desto intensiver und lähmender scheint die Angst zu werden.

Dazu kommt eine starke Bindungsstörung. Ich würde mich als ängstlichen Bindungstyp beschreiben in Beziehungen falle ich oft in emotionale Abhängigkeit, was wiederum die Beziehung belastet. Und nach einer Trennung falle ich meist in ein tiefes Loch, aus dem ich mich nur mühsam wieder herauskämpfen kann.

Aktuell erlebe ich genau das wieder: Ich bin in einer depressiven Phase und spüre, wie sich mein Partner emotional zurückzieht. Das tut weh , aber ich will dieses Mal nicht automatisch in alte Muster verfallen. Ich kämpfe aktiv dagegen an. Ich lasse ihm bewusst Raum, auch wenn es mich Überwindung kostet. Ich gehe wöchentlich zur Therapie, alle zwei Wochen zur Heilpraktikerin, meditiere täglich. Morgens fällt mir das Aufstehen unfassbar schwer, und mein Alltag ist im Moment kaum zu bewältigen, aber ich zwinge mich zumindest zu einem kleinen Spaziergang, achte auf meine Mahlzeiten und versuche, irgendwie Stabilität aufzubauen.

Seit einer Woche nehme ich Venlafaxin in der Hoffnung, dass sich meine Stimmung bald bessert, um noch mehr Kraft für den Heilungsprozess zu haben. Die Situation mit meinem Partner ist schwer auszuhalten, aber ich versuche, sie nicht zu kontrollieren, sondern zu halten, so gut es geht.

Was ich diesmal wirklich anders machen will: Ich möchte nicht wieder die gesamte Verantwortung abgeben, wie ich es in früheren Krisen oft getan habe. Statt nur im Außen nach Halt zu suchen, will ich lernen, ihn in mir selbst zu finden, in der Hoffnung, diesen Teufelskreis, der mich nun schon über ein Jahrzehnt begleitet, endlich durchbrechen zu können.

‍️

Meine Mutter ist auch so eine Kandidatin. Und mein Vater auch. Doppelt sch..

Da hilft nur abwenden. Meine Meinung. Und daran arbeiten dass du gar nichts musst… mach das was du für richtig hältst sag nein wenn du nein meinst- wer’s nicht akzeptiert - sein Problem , soll er behalten

Zitat von Junika2906:

Da hilft nur abwenden


Hab ich nach einem riesen Streit mit soviel Hass von ihrer Seite auch gemacht, haette ich frueher mchen sollen, mir gehts jetzt besser

@Alphacentauri

meine Frage waere, siehst Du Deine Mutter - verbringt Ihr Zeit miteinander?

wenn ja, wie fuehlst Du Dich vor einem Treffen?

@Luce1 danke für Deinen Beitrag.

Nein, jetzt nicht mehr. Ich habe ihr einen sehr langen Brief geschrieben. Dieser war nicht vorwurfsvoll sondern rein ausgesprochen, wie ich mich fühle, was ich mir wünsche, welche Dinge ich vermisse. Ich habe in dem Brief nur eine Grenze gesetzt, nämlich, dass ich nicht möchte, dass sie sich mit einem Menschen trifft, einem ehemaligem Freund von mir, der mich extrem grausam behandelt hat und zwar in einem Moment, in dem ich am Boden lag. Keine Ahnung, was sie mit dem gemeinsam hat, er ist Mitte 40, sie ist Anfang 80.

Aber sie hat daraufhin sehr grausam geantwortet, alles, was ich sage, sei falsch, sie meinte nur, dass sie meinen Brief sehr genau gelesen habe aber sprachlos sei. Dann meinte sie, dass sie sie nun zu IHREM grossen Schmerz mich gehen lassen muss. Das wars. Keine Nuance, keine Frage, kein Gespräch. Meine Gefühle seien gefährlich, krank, falsch und damit war sie weg.

Das war das letzte Mal, dass ich je was von ihr gehört habe. Auch wenn mir der Abstand gut tut, so tut es weh. Nicht nur vom Vater verlassen worden zu sein (wie kann man seinem 2-jährigem Sohn in die Augen gucken und dann gehen und sich nie wieder melden. Nun ist er tot, d.h. das wird sich nicht mehr ändern). Und dann meine Mutter: ich habe alles für sie getan, war immer in der Oper mit ihr, was ich gehasst habe. Letztes Jahr noch habe ich ihr 2 business class Flüge spendiert. Sie kannte halt nicht, dass ich jemals meine Gefühle ausspreche.

Ich habe keine Vorwürfe gemacht, denn ich wollte ja mal, dass sie mich sieht. Aber das gab es nicht. Sondern es kam die kalte, grausame Verbannung.

@Alphacentauri Ich habe meinen Eltern auch einen Brief geschrieben- da kam absolut nichts drauf.

Das deine Mutter um sich schlägt wundert mich nicht- immerhin ist sie ja fehlerfrei und hat nieeeee was falsch gemacht. So denken die leider.

@Coco9 Es ist auf der einen Seite therapeutisch zu hören, dass ich nicht alleine bin aber auch traurig, dass Menschen sowas durchgehen müssen. Danke, für Deine offene Geschichte. Bindungsstörungen sind schlimm und belasten das ganze Leben. Die habe ich komischerweise nicht entwickelt.

Eher das people-pleasing. Meine eigenen Bedürfnisse, Probleme komplett ausblenden und nur den anderen Menschen dienen. Nun bin ich immer sehr beliebt gewesen, war immer um viele Menschen herum. Und ich Vollidiot dachte, dass es meinetwegen sei, das die Leute mich mochten. Klar wusste ich, dass es auch mit meinem Geld, Prestige, etc. zu tun hat aber ich dachte ja schon, dass sie mich mögen. Erst bei meiner Scheidung meiner ersten Ehe habe ich gemerkt, dass diese Menschen mich garnicht mögen. Sie haben mich nur, aussschliesslich als Funktion gesehen. Sie haben von mir profitiert. Als ich nun verletzlich war, auch nur mal 30 Minuten zuhören wollte, haben sie sich abgewendet. Aus ihrer Sicht wurde ihr Nutzen an mir unterbrochen. Entweder sind sie gegangen oder haben noch in meinem tiefsten Schmerz zugetreten. Die Menschheit hat da leider extrem Brutales gezeigt (was ja die menschliche Historie, insbesondere hier bei uns) ja belegt.

Es hat aber auch tolle Momente gegeben. Dass trotz meines people-pleasings es zumindest 5 Menschen gab, die mich einfach nur so geliebt haben. Die keine Vorteil wollten. Tja, diese Menschen sind nun in meinem Leben. Auch wenn ich keine 50 Menschen mehr um mich herum habe, so sind es 5 echte, wertvolle Menschen.

Als es mir wieder besser ging, sind dann einige dieser schlimmen Vampire wieder angekommen. Als ob nichts passiert wäre. Aber ein Glück habe ich gelernt, diese dann zu ignorieren. Und ich lerne nun auch nein zu sagen. Wenn jemand Probleme hat, dann ist es nicht mehr mein Problem. Das sind alles neue Dinge, die ich lerne.

@Junika2906 Ja, du hast Recht. Es ist halt eine narzisstische Störung. Aus ihrer Sicht machen sie alles richtig. Aber schlimmer noch: ich habe ja nicht mal einen Vorwurf gemacht. Sie wollen nicht mal hören, dass es allgemein perfekt ist, denn dann müssten sie ja mal reflektieren, aber das können oder wollen sie nicht.

Das nun meine eigene Mutter mich verbannt hat, nach einem Brief, der verletzlich aber nicht vorwurfsvoll war, ist schon ein Schmerz, eine Wunde, die wohl nie so 100% heilen werden. Zumindest wird es für immer eine Wunde geben. Wie Du ja sagst, da wird keine Einsicht kommen ...

@Alphacentauri

meine Mutter ist dahingehend aehnlich, dass sie nie als Erste auf mich zukommen wuerde. Nie.

Was ich bei Dir herauslese ist, dass Du Dich (noch) nach ihrer Anerkennung sehnst - die Du aber nie bekommen wirst, denn sie will sich nicht aendern, sie sieht den Grund nicht

Bei mir ist das Ganze 7/8 Jahre her und ich bin jetzt froh, dass wir uns nicht mehr sehen, ich koennte auch nicht auf freundlich tun.

Zitat von Alphacentauri:
Dann meinte sie, dass sie sie nun zu IHREM grossen Schmerz mich gehen lassen muss.


Ich denke, sie weiss, dass was falsch lief und dies ist der einfachste Weg, Augen verschliessen und sich um nichts mehr kuemmern.

Eine normale Mutter wuerde sich doch hinsetzen und sagen, lass uns mal reden?

@Luce1 ja du hast vollkommen recht. Ich will definitiv noch, dass sie mich sieht, versteht und liebt. Das ist menschlich! Und es gibt keine Chance, dass sie es je tun wird. Ich habe immer kindlich gehofft und dachte, wenn ich nur noch mehr für sie tue, dann wird sie menschlich sein, so grausam kann ein Mensch nicht sein.

Auch wenn mein Kopf längst verstanden hat, dass sie nie zurückkommt oder Einsicht hat, so ist es immer noch schwer es zu akzeptieren. Denn, wie du richtig fragst, eine normale Mutter würde doch mal reden wollen! Die Antwort ist halt so klar wie grausam: sie ist halt keine normale Mutter

@Junika2906 ja, Abstand ist richtig aber es tut auch weh. Dass man nur eine Funktion war, nie als Mensch gesehen und geliebt wurde.

Auch wenn es die Realität ist, so ist es doch absurd und schwer zu verstehen

Das, was du erlebt hast und erlebst, tut mir sehr leid. Mir ging es mit meiner Mutter ähnlich. Auch ich schrieb ihr irgendwann mal einen Brief, weil ich mit gesprochene Worten nicht durchkam. Der Brief hat sie entsetzt und sie war der Meinung, dass das alles ein Missverständnis sei. Ich habe irgendwann aufgegeben, ihr klar zu machen, was sie mir angetan hat. Aufgegeben eine echte Entschuldung, echte Reue, wahre Liebe zu erhalten.

Heute sehe ich es so, dass meine Mutter nichts für ihr Verhalten konnte. Vermutlich ist sie ebenfalls in einer dysfunktionalen Familie aufgewachsen und konnte emotional nicht reifen. Zudem war sie manisch-depressiv, wobei das nur eine Erklärung für ihr Verhalten zu manischen Zeiten war.

Ich hatte es wahrscheinlich einfacher als du, da mein Vater mich nicht verlassen hat, im Gegenteil. Er hat uns Kinder alleine groß gezogen, als meine Mutter uns verlassen hat.
Sie ist vor ein paar Jahren gestorben und dann konnte ich abschließen. Ich habe dann aber auch noch eine Hypnotherapie gemacht und in dem Rahmen eine Abschieds- oder Abschlusszeremonie durchgeführt, mit der ich ihr offiziell verziehen und mich von ihr befreit habe, die mir auch geholfen hat. Ich bin sonst ein sehr analytischer Kopfmensch und da ich zu dem Zeitpunkt sehr am Boden war und merkte, ich komme mit meinen sonstigen verstandorientierten Methoden nicht weiter, habe ich die Hypnotherapie versucht und hier und da was mitgenommen.

Ich bin auch eher ein People Pleaser, arbeite aber daran. Es hat mit großer, bis hin zu existenzieller Angst vor Ablehnung zu tun. Das kann man lindern, in dem man an Selbstwertgefühl und Selbstbewußtsein arbeitet. Auch die Arbeit mit dem Konstrukt des inneren Kindes hat mir geholfen.

Ich habe letztes Jahr eine sehr große Verletzung durch meine Schwester erfahren, die mich in ihrer Intensität richtiggehend traumatisiert hat. Um das nun richtig bzw final zu verarbeiten, mache ich ein paar EMDR Sitzungen.

Außerdem lebe ich nach einem für mich sehr wichtigen Leitgedanken, der in meiner Signatur steht.

Auch meine Kinder, mein Mann und meine besten Freunde tragen zu meiner Heilung bei.

Letzendlich ist es ein langer Prozess, die Wunden aus der Kindheit bzw die Wunden, die einem Eltern und anderen nahe stehenden Angehörigen zugeführt haben, zu heilen und neue nicht mehr an sich ran zu lassen.
Das ist aber ein multidimensionales Vorgehen. Den einen Tipp gibt es da leider nicht. Man muss auf vielen Ebenen ansetzen und sich Stück für Stück selbst zu möglichst dem zusammensetzen, der man sein will.

Vielleicht kann dich ein Coach oder privater Therapeut, der auf deine Art seelischer Wunden spezialisiert ist, dabei unterstützen.

@Alphacentauri

Dass du das erkannt hast und dich davon löst, ist riesengroß. Zu merken, wer bleibt, ohne dass man etwas leisten muss, ist vielleicht eins der schmerzhaftesten, aber auch heilsamsten Dinge im Leben. Und dass du heute 5 echte Menschen um dich hast, ist so viel wert. Qualität statt Quantität, klingt klischeehaft, aber trifft hier wirklich ins Schwarze.

Ich finde es bewundernswert, dass du jetzt lernst, Grenzen zu setzen und nicht mehr jede Verantwortung zu übernehmen. Das ist ein ganz schöner Lernprozess aber du gehst ihn. Danke, dass du deine Geschichte teilst. Sie hat mich sehr bewegt.

@Alphacentauri

Du hast da keine „schwierige Kindheit“ hinter dir – du wurdest emotional ausgehungert, manipuliert und systematisch auf Leistung und Anpassung gedrillt. Und das Ganze in so einer pseudo-intellektuellen Verpackung, dass man sich fast noch schlecht fühlt, überhaupt was zu sagen. Weil’s ja immer „kultiviert“ und „gehoben“ war. Nur halt leider komplett entkoppelt von echter Wärme oder menschlicher Verbindung.

Und ja, das ist Gewalt. Nicht laut, nicht mit Gürtel – sondern mit kaltem Lächeln, klugen Zitaten und moralischer Erpressung.
Das macht’s fast noch schwerer, weil dir nie jemand zugerufen hat: „Das war Unrecht!“ Du hast das Gift mit dem Löffel gefressen und dabei noch brav Danke gesagt.

Was du beschreibst, ist leider kein Einzelfall. Viele Mütter dieser Generation hatten keinen Kontakt zu den eigenen Gefühlen, haben ihre Kinder nicht gesehen, sondern gebraucht – als Spiegel, als Trostpflaster, als Projekt. Und wehe, das Kind hatte ein eigenes Innenleben – dann wurde’s manipuliert, übergangen oder pathologisiert. Deine Mutter hat dich nicht begleitet, sie hat dich geformt, damit du ihre Leere füllst. Und wehe, du hast sie daran erinnert, dass sie selbst auch kaputt ist – dann wurdest du zum Problem erklärt.

Dass du jetzt überhaupt so klar hinsiehst, ist riesig. Viele stehen mit 70 noch da und sagen: „Meine Mutter war halt schwierig…“
Du sprichst es aus. Du benennst die Mechanismen. Du erkennst, wie tief die Konditionierung geht – und dass es kein Defekt von dir ist, wenn du dich leer, traurig oder fremd im eigenen Leben fühlst. Das ist die logische Folge von einem jahrelangen inneren Verrat, der dir eingetrichtert wurde als „Liebe“.

Was die Wut angeht: Die darf da sein. Die muss sogar da sein. Wut ist nicht hässlich, Wut ist Wahrheit. Ohne Wut bleibst du in dieser resignierten Leere hängen. Und was das People Pleasing betrifft – das ist ja im Kern nichts anderes als: „Wenn ich nur brav genug bin, liebt mich vielleicht endlich jemand.“ Spoiler: Wird nicht passieren. Aber wenn du aufhörst, dich zu verraten, kannst du dich selbst wieder lieben lernen. Und dann wird das, was du brauchst, plötzlich nicht mehr so abhängig davon, ob jemand anderes es dir gibt.

Eigene Identität aufbauen geht genau da los: Nicht in der neuen Karriere, nicht in irgendeinem tollen Hobby, sondern im ganz banalen Moment, wo du dich fragst:
„Was will ich gerade?“
Und dann tust du das. Und wenn der innere Richter loslegt – mit seinen „Sei nicht so“, „Reiß dich zusammen“, „Das macht man aber nicht“ – dann darfst du ihm sagen:
„das hast du nicht mehr als Maßstab anzulegen, weil das ist mein Leben und nicht deins.“

Du musst da nicht alleine durch. Aber du musst aufhören, dich selbst zu verlassen – nur damit andere dich ertragen. Das war als Kind überlebenswichtig. Heute ist es tödlich für alles, was du wirklich bist.

Hallo,

ich kann dir nicht wirklich weiterhelfen. Ich kann dir nur sagen, bei mir war es ähnlich, nur war es bei mir mein Vater.

Im Grunde war alles in der Familie darauf geprägt, dass er nicht verärgert wird. Denn wenn er verärgert war, hat er uns mit tagelangem Schweigen bestraft.
Wann das passierte war eher willkürlich und nicht vorhersehbar. Das waren teilweise echte Kleinigkeiten, wo ich heute denke, er wollte das und brauchte halt einen Grund dafür.

Ich habe den Berufg erlernt, den er wollte, nicht einen, der meinen Interessen entsprach. Ich bin nicht aufgefallen, damit er gut dasteht, usw.

Ich habe das alles erst wirklich realisiert, als er gestoerben ist und sich bei mir keine Trauer eingestellt hat. Ich habe gewartet aber es kam nicht. Dafür schäme ich mich heute noch und fühle mich undankbar, aber ich kann es nicht ändern. Er war kein herzlicher Mensch. Er hat mich nie umarmt, zur Begrüßung gab es immer einen Handschlag.

Ich will ihm nichts nachtragen und keine Vorwürfe machen. Ich glaube, er selber konnte das nicht beeinflußen und ändern. Er war einfach so.

Ein Beispiel: Ich mußte damals vom Gymnasium auf die Realschule wechseln, habs eben nicht gepackt, kein Drama. In Mathe stand ich zwischen 5 und 6, konnte ich überhaupt nicht. Erste Mathearbeit an der realschule hab ich ne 3 geschrieben. Ich habe mir den Ars... abgefreut. Sein Kommentar. Das ist aber auch das Mindeste, was ich erwarte.

Mir tut es leid, ich hätte gerne ein engeres Verhältnis gehabt, aber es ging nicht. Nuin ist es eh zu spät.

Wie gesagt, kann dir nicht helfen, aber anderen geht es auch so ode rzumindest ähnlich,. Kann ja auch etwas helfen.
Mitglied werden - kostenlos & anonym

@Pauline333 Vielen Dank für Deine tiefe und ehrliche Antwort. Es ist ermutigend zu sehen, dass es noch tiefgründige und emphatische Menschen gibt. Du hast vollkommen recht, es ist eine lange und beschwerliche Reise mit Höhen und Tiefen. Familie und echte Freunde, wenn es sie bei mir leider nur noch in kleiner Zahl gibt, helfen mir sehr. Auch wenn es nur 5 geblieben sind, so sind die sehr wertvoll.

Dein Leitsatz leuchtet intellektuell ein aber er zeigt auch, dass Du schon weiter bist in Deiner Reise. Ich verstehe ihn aber ich kann ihn heute noch nicht leben. Das sagt nichts über meine Reife aus sondern eher, dass ich erst kürzlich überhaupt dahin gekommen bin, es mir einzugestehen.

Du sprichst von Hypnotherapie und EMDR Sitzungen. Inwiefern haben sie dir geholfen? Wie bist du darauf gekommen?

Hat Dir das People-Pleasing Dein Leben auch schwerer gemacht?

Nochmal danke!

@WayOut Vielen Dank Dir! Du bringst es mit einer Präzision auf den Punkt wie selten jemand. Wirklich toll.

Alleine auszusprechen, dass diese Erfahrungen keine kleinen Delikte waren sondern Gewalt, die mehr weh tut als ein Gürtel ist schwer. Aber es ist die Realität.

Du fragst eine zentrale Frage: welche Identität habe ich? Wie finde ich sie raus? Es wurde mir so brilliant entzogen, meine Identität zu entwickeln. Ich habe es hier mal in einem anderen Beitrag geschrieben aber es zeigt die Tiefe der Konditionierung und Gehirnwäsche (letztere wird definiert durch Intention die zu einem gewissen Masse da war): ich war ein Junge, der gerne getobt und gerauft hat. Aber meine Mutter und Schwester wollten mich nicht Junge sein lassen. Ich sollte brav sein, ordentlich sein, intellektuell sein. Wenn nicht, so wurde mir eingetrichtert, werden schlimme Dinge passieren. Dann werde ich wie die Proleten auf der Strasse leben. Ich habe als Junge mal mit einem anderen Kumpel rumgerauft und wir haben Schwitzkasten-befreien gespielt, was ganz normales und harmloses, was Jungs halt machen. Mir wurde eingetrichtert, dass es schlimm ist, quasi existenziell böse. Ich habe eine richtige Scham entwickelt, sowas zu mögen. Also habe ich bereitwillig gesagt, gegen meinen Bauch, dass ich ja gerne in die Oper gehe. Da schliesst sich der Kreis, den Du angesprochen hast. Es war nicht nur eine kleine Konditionierung, es war eine gezielte Eliminierung meiner Identität.

Du hast Recht, dass ihre Handlungen sehr wahrscheinlich durch eine eigene Traumatisierung getrieben sind. Aber das hilft mir leider nichts. Sie hatte es bestimmt schwer aber sie hat sich auch dazu entschieden, da drin zu bleiben. Mir wurde immer gesagt, dass ich selber für meine eigenen Handlungen verantwortlich bin aber bei anderen, wenn sie mir weh tun, ja nur die Intention sehen muss. Aber das ist falsch! Jetzt sehe ich, dass ihre Intention maximal etwas erklärt aber grausame Handlungen nicht rechtfertigt und ich diese nicht akzeptieren muss. Wie sagen die Amerikaner? The path to hell is paved with good intentions.

Dieser Satz, den Du geschrieben hast, bringt den Kern auf den Punkt: Wenn ich nur brav genug bin, liebt mich vielleicht endlich jemand -- das war mein Lebenselixier. Diese kindliche Hoffnung. Doch in der Realität ist das Gegenteil passiert. Die Menschen habe mich nicht mehr geliebt, sie haben mich als Funktion gesehen. Und als ich mal Liebe brauchte, haben sie nur gesehen, dass die Funktion weggefallen ist. Dann haben sie best case mit Kälte, schlimmstenfalls mit Grausamkeit reagiert.

Du musst ja schon sehr weit in Deinem Prozess sein. Die Empathie, Durchsicht und Stärke sieht man selten. Was hat dir geholfen? Wie hast Du den Schmerz gelindert, der durch das Ummögliche ausgelöst wurde, dass die eigenen Eltern einen nie geliebt haben?

Nochmals vielen Dank für Deine Gedanken!

@Drkingschultz Vielen Dank für Deinen Beitrag. Ja, das hilft tatsächlich. Es ist schwer zu sehen, dass einige Eltern es einfach nicht anders können oder nicht anders wollen. Aber es ist eine Realität, mit der man leben muss.

Bist du auch im People-Pleasing gelandet? Oder welche Auswirkungen hat es auf dein Erwachsenenleben gehabt?

A


x 4


Pfeil rechts



App im Playstore