Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Alles, was in den letzten Jahren passiert ist, hat mich innerlich zerrissen. Ich schreibe das hier nicht, um Mitleid zu bekommen, sondern um endlich meine Wahrheit auszusprechen – weil ich sonst daran zerbreche.
Vor 14 Jahren hat sich mein bester Freund Sebastian das Leben genommen. Und genau am nächsten Tag kam meine Tochter zur Welt. Ich kann dieses Gefühl bis heute nicht beschreiben. Ich war völlig überfordert zwischen Trauer, Fassungslosigkeit und gleichzeitig einem neuen Leben, das mich brauchte. Ich hab’s nie richtig verarbeitet. Ich habe geschwiegen, funktioniert, aber es hat mich nie losgelassen. Und in Momenten wie jetzt, wo wieder alles über mir zusammenbricht, spüre ich, wie sehr mir Sebastian fehlt. Wie sehr ich heute gerne mit ihm reden würde. Vielleicht würde er mich besser verstehen als viele andere. Vielleicht sogar mehr, als ich mich selbst verstehe.
Dann kam Darline. Ich habe sie aufrichtig geliebt. Mit allem, was ich hatte. Wir haben sieben Jahre zusammen gelebt, haben so vieles geteilt, aufgebaut, durchgestanden. Sie wusste, dass ich mit Depressionen kämpfe – sie hat es gesehen, sie hat es gewusst. Und trotzdem hat sie mich so tief enttäuscht. Ich war nicht perfekt, aber ich war ehrlich. Ich habe ihr mein Herz gegeben, mein Vertrauen, meine Kraft.
Was noch schlimmer war: Alle in ihrem Umfeld wussten Bescheid – besonders ihre Mutter. Und ich, derjenige, der mit ihr noch telefoniert und um unsere Beziehung gekämpft hat, wusste von all dem nichts. Ihre Mutter hat ihr sogar eingeredet, sie solle mir keine Hoffnung mehr machen – obwohl sie genau wusste, dass ich zu dem Zeitpunkt noch alles für diese Beziehung gegeben hätte. Ich verstehe bis heute nicht, wie man sich so einmischen kann. Wie man so eiskalt und berechnend sein kann, während man sieht, dass ein Mensch zerbricht.
Ich erinnere mich an die vielen Male, in denen Darline selbst geweint hat, weil ihre Mutter nie Zeit für sie hatte, selbst wenn sie versucht hat, mit ihr zu telefonieren. Und ich war derjenige, der sie aufgefangen hat. Der für sie da war. Und heute stehe ich da und frage mich: wofür? Sie hat mir vorgespielt, dass alles in Ordnung ist, während sie längst mit einem anderen – Kevin – etwas hatte. Kevin war jemand, dem ich vertraut habe. Kein bester Freund, aber jemand, dem ich menschlich vertraut habe. Und trotzdem hat er genau das getan, wovon er selbst mal erzählt hatte, wie sehr es ihn zerstört hat: Er hat sich an die Frau eines Freundes herangemacht, obwohl er selbst mal erlebt hat, wie sehr es einen zerstören kann, wenn der eigene beste Freund sich an die eigene Partnerin wendet. Das hat ihn damals gebrochen, und trotzdem hat er mir genau dasselbe angetan. Für mich ist das unverständlich, denn ich würde so etwas niemals tun – gerade, weil ich weiß, wie weh das tut.
Das hat mich zerfetzt. Nicht nur das Vertrauen zu ihr, sondern auch das zu anderen Menschen. Ich war sogar noch bei ihr eine Woche in ihrer neuen Wohnung – und habe gehofft, dass vielleicht noch was zu retten ist. Dass wir nochmal einen Weg zueinander finden. Aber sie hat weiter geschwiegen. So getan, als wäre nichts. Kein Wort über Kevin. Kein Eingeständnis. Keine Ehrlichkeit.
Und das Schlimmste? Ich weiß inzwischen, dass Kevin sie genau an dem Wochenende, als ich geglaubt habe, es gäbe für uns noch Hoffnung, wieder nach Hause geschickt hat. Sie dachte wohl, sie könnte bei ihm unterkommen. Aber das war nicht so. Und er hat es mir selbst gesagt Wochen später. Seine Ausrede war, er wollte unsere Freundschaft nicht zerstören. Aber das hatte er längst getan. Als er mich angelogen hat. Als er sie zu sich geholt hat. Als er das tat, was er selbst so verurteilt hat.
Ich verstehe nicht, wie man sowas machen kann. Ich verstehe nicht, wie Menschen so sein können. Ich dachte immer, Loyalität, Treue und Aufrichtigkeit bedeuten noch etwas. Aber ich stehe da wie der Letzte, der es ernst meint und der genau dafür am tiefsten fällt.
Ich habe zwei Kinder. Und ich liebe sie bedingungslos über alles. Egal, wie es mir geht, egal, wie leer ich mich manchmal fühle: Sie sind der letzte Funken, der mich noch hält, wenn alles andere dunkel wird.
Ich weiß, ich schreibe nicht perfekt. Ich brauche für vieles länger, bin manchmal unsicher, was schriftlich rüberkommt. Aber das macht mich nicht dumm. Es macht mich zu jemandem, der es jeden Tag doppelt schwer hat und trotzdem nie aufhört, es zu versuchen.
Ich sitze oft auf meinem Dachboden. In meinem Rückzugsort. Und ich komme kaum noch hoch. Ich funktioniere nur noch. Ich versuche, für meinen Hund da zu sein, aber selbst das fühlt sich an wie ein Kraftakt. Ich denke jede Minute an sie. An das, was war. Und an das, was nie wieder sein wird.
Ich fühle mich wertlos. Leer. Und die Einsamkeit frisst mich von innen auf. Ich merke, wie ich mich selbst nicht mehr wertgeschätzt fühle von der Welt, von den Menschen um mich herum, vielleicht auch von mir selbst. Was mir besonders weh tut: Ich kann keiner Frau mehr in die Augen schauen. Es geht einfach nicht. Da ist eine Blockade in mir, ein Schmerz, der immer wieder hochkommt, sobald ich Nähe spüre oder auch nur daran denke. Ich habe Angst, wieder so tief enttäuscht zu werden. Ich habe Angst, dass das Vertrauen, das ich einmal geben konnte, nie wieder zurückkommt.
Und manchmal wünsche ich mir einfach, dass ich abends einschlafe – und nicht mehr aufwache. Nicht, weil ich unbedingt sterben will. Sondern weil ich nicht mehr weiß, wie ich so weitermachen soll. Es zerreißt mich innerlich. Und ich merke: Ich gehe daran langsam kaputt.
Ich bin kein Opfer. Ich will kein Mitleid. Ich will einfach nur, dass jemand versteht, was ich gerade durchmache. Dass jemand erkennt, dass hinter meinem Schweigen eine Geschichte steckt. Eine zerbrochene Seele. Ein Mensch, der einfach nur wieder auf die Beine kommen will aber nicht weiß, wie.
Wenn du das hier liest: Ich bin David. Und ich bin ehrlich gesagt gerade dabei, mich selbst zu verlieren.
Gestern 20:19 • • 08.05.2025
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