luciana
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Er war 87, und die letzte Zeit schon sehr schwer krank. Er hatte Prostatakrebs, war aber seit Jahren stabil.
Meine Mama und ich haben ihn seit 7 Jahren zuhause gepflegt und versorgt, die letzten Monate zuhause gewickelt und gefüttert, bis es nicht mehr ging. Wir waren beide am Ende unserer Kräfte. Er ist einfach immer schlechter geworden, konnte irgendwann nicht mehr gehen ist oft gestürzt, aber wir dachten immer, ok, er ist schon alt, das ist einfach so. Er wurde inkontinent, und war irgendwann bettlägerig. Das ging alles so schleichend.
Deshalb haben wir uns um einen Heimplatz gekümmert, was dann relativ schnell geklappt hat.
Dort zog er am 14.8. 25 ein.
Es war ganz schrecklich. Er war ja geistig voll fit und wollte nicht ins Heim, er hat so bitterlich geweint, und uns ist das Herz gebrochen.
Aber wir haben es nicht mehr geschafft. Es war zu schwer ihn beim Wickeln zu heben, ihn immer im Bett zu drehen, damit er nicht wund wird, Körperpflege etc.
Wir sind beide zierlich, und mein Papa hatte zu dieser Zeit 75 kg. Klingt nicht viel, aber wenn jemand nicht mithilft beim Bewegen, weil er nicht mehr kann, dann wird es schwierig.
Wir haben ihm gut zugeredet, und schließlich war er einverstanden, aber zutiefst betrübt sein Zuhause verlassen zu müssen, wo er ein Leben lang gelebt hat.
Das Heim hatte einen guten Eindruck auf uns gemacht, wir wohnen in der Nähe und konnten ihn täglich besuchen, auch mehrmals am Tag.
Aber schon in den ersten Tagen haben wir viele Mängel in der Pflege festgestellt. Er wurde nicht oft genug gewickelt, lag oft im Nassen oder seinen Exkrementen. Man hat ihn nicht gefüttert, sondern das Essen nur hingestellt.Und wenn er nichts gegessen hatte weil er es eben nicht mehr allein konnte, dann wurde wieder abserviert.
Wir sind dann zu allen Essenszeiten hin und haben ihn gefüttert.
Und er hatte so schlimm Heimweh.
Wir haben fast jeden Tag Diskussionen mit dem Pflegepersonal geführt, gebeten und ersucht, dass man öfter wickelt, dass man ihm zu trinken gibt, dass man mit ihm aufsteht, und und und. Wir waren fast den ganzen Tag bei ihm, da hat man kaum jemand vom Pflegepersonal gesehen. Aber vielleicht dachten die, dass eh jemand von uns den ganzen Tag bei ihm ist. Man hat uns immer versichert man kümmere sich gut um ihn.
Wenn wir ihn gefragt haben hat er immer gesagt, es kommt nie jemand rein, wenn er anläutet muß er immer lange warten, oft käme auch niemand.
Wir sind bis zur Heimleitung, man sagte uns: Papa ist schon verwirrt, natürlich gehe man mehrmals am Tag zu ihm. Er wird das halt immer wieder vergessen.
Ich kann jetzt im Nachhinein nicht mehr sagen was stimmt. Ja, er war zunehmend verwirrt, wir wissen aber nicht ob er das sowieso war, oder weil er zuwenig Flüssigkeit bekommen hatte, usw. Zuhause mußten wir ihn auch immer zum Trinken erinnern und ihm was geben. hat man das im Heim auch gemacht wenn wir nicht da waren? Wir wissen es nicht.
Und sein Zustand hat sich vom Einzug an, jeden Tag verschlechtert.
Er war dann zunehmend verwirrt, war er vorher nie. Dann wurde er wegen Blasenentzündung behandelt, das macht auch verwirrt bei alten Menschen, aber man konnte zuschauen wie er immer weniger wurde: physisch genauso wie psychisch.
Heimwechsel wäre sehr schwierig gewesen. Personalnot ist überall, und wir dachten es muß sich alles einspielen, und er wird sich auch eingewöhnen.
Nach 4 Wochen war er nicht mehr ansprechbar, hat zuerst nicht mehr gegessen, dann auch nichts mehr getrunken.
War dann 1 Woche lang nicht mehr ansprechbar, hat nicht mehr reagiert.
Es war sein Wunsch, nicht mehr ins Krankenhaus zu kommen, und keine lebensverlängernden Maßnahmen.
Dann bekamen wir den Anruf, dass er sterben wird in den nächsten Stunden.
Und diese nächsten Stunden haben von Mittwoch bis Samstag gedauert.
Es war furchtbar.
Dann konnte er endlich sterben.
Meine Mama und ich machen uns schreckliche Vorwürfe, dass er gestorben ist, weil er es nicht verwunden hat ins Pflegeheim zu kommen. Dass er resigniert hat und aufgegeben hat.
Er hat uns sie ersten Wochen immer gefragt: Was muß ich tun, damit ich wieder nachHause kann?
Und wir mußten ihm immer sagen, dass es zuhause nicht schaffbar ist mit einer 24 Stunden Pflege. Mama ist selbst schon alt, und ich gesundheitlich schwer angeschlagen.
Er hat dann immer gesagt: Ja, das versteh ich, aber ich möchte so gerne wieder nach Hause.
Ganz schlimm, wenn man den alten Papa weinen sieht, und er wo ist, wo er gar nicht sein möchte. Man aber keine Alternative hat.
Wir hatten vorher Hauskrankenpflege versucht - die ist einfach 3 Wochen lang zu keinem Termin gekommen!
24 Std Pflege ist nicht möglich in einer kleinen Wohnung, wenn für die Pflegerin kein eigenes Zimmer zur Verfügung steht.Papa hatte sein Zimmer mit Pflegebett und Toilettenstuhl Rollstuhl etc. Und Mama hat im Schlafzimmer geschlafen.
mehr Zimmer gibt es nicht. Im Wohnzimmer ist nicht erlaubt, die müssen ein eigenes Zimmer haben, wo sie sich zurückziehen können.
Mama und Papa in einem Zimmer geht nicht, weil die so klein sind, dass das Pflegebett nicht extra reingeht.
Außerdem waren es die beiden immer gewöhnt getrennt zu schlafen, weil Papa immer schlaflos war, und Mama sonst auch nie Schlaf bekommen hätte.
Ich selbst wohne auch zu klein.
Und jetzt diese Selbstvorwürfe, dass wir schuld dran sind, dass er gestorben ist, weil er sich abgeschoben gefühlt hat, oder weil er aufgegeben hat - all diese Sachen lassen uns nicht zur Ruhe kommen.
Mama und ich haben bis jetzt nicht geweint oder richtig getrauert, es ging alles so schnell.
Es war am Ende eine Erlösung für ihn, aber wir sehen ihn noch geistig fit im August ins Heim ziehen, und wenige Wochen später, ist er abgemagert, und geistig völig weggetreten, gestorben. Hat zum Schluß nicht mehr gegessen, nicht getrunken, nicht mehr gesprochen.
Es ist so unreal für uns, und wir fühlen uns so schuldig und schlecht.
Die letzten beiden Wochen waren voller Bürokratie, mit Bringen der Sterbeurkunde bei verschiedenen Ämtern, und Versicherungen, etc. Kümmern um die Witwenrente, meine Mama hat ja selbst nie gearbeitet, und war nur Hausfrau.
Dass wir nicht so viel zum Nachdenken kommen. Aber die Nächte sind lange wenn man grübelt.
Und wir fragen uns natürlich was das Heim an Pflege verabsäumt hat, ob man ihm Medikamente zum Ruhigstellen gegeben hat, usw.
Ich weiß dass man die Dokumentation anfordern kann, aber wir sagen uns was hilft es wenn wir alles nachlesen. Es macht ihn ja nicht mehr lebendig.
Und vielleicht wäre er auch zuhause so rapide schlechter geworden und gestorben.
Sorry, es ist lange geworden.
Alle fragen mich, ob ich traurig bin - ja, ich bin sehr traurig, aber ich habe noch nie geweint, ich bin wie eine leere Hülle momentan. Beerdigung ist auch noch nicht gewesen.
Danke an alle, die bis jetzt mitgelesen haben!
Gestern 16:13 • • 12.10.2025 x 9 #1