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J
Hallo Leute,

seit einigen Jahren merke ich, wie es in meinem Leben immer einsamer und trister wird. Die Wochenenden bleibe ich meistens zu Hause und der sonstige Kontakt zu Mitmenschen ist auf ein Minimum reduziert. Die ganze Situation hat sich vor einigen Jahren verschlimmert, als zwei meiner besten Freunde ein Studium auf der anderen Seite Deutschlands aufgenommen haben und ich hier in Bremen geblieben bin. Mittlerweile haben sie drüben einen neuen Freundeskreis aufgebaut und ich wurde irgendwie abgehängt. Man trifft sich nur noch selten. Lediglich ein guter Freund ist mir im Umkreis noch geblieben, jedoch sehe ich ihn auch nur eher selten, weil er sich in einer Beziehung befindet.

Früher war ich anderen Menschen gegenüber recht offen, vielleicht sogar ein wenig naiv, eingestellt. Doch konnte ich immer Kontakte knüpfen. Heute sieht das anders aus. Jetzt bin ich nicht mehr dazu in der Lage neue Freundschaften zu schließen. Ich vermute mal, dass das an meiner verkorksten Schulzeit (ab 7. Klasse) liegt, wo ich das Lieblingsopfer sadistischer Mitschüler war. Zu dieser Zeit stand Mobbing auf der Tagesordnung. Die Lehrer haben weggesehen und die Eltern der Kinder haben nichts unternommen. Die ganze Situation besserte sich erst, als mir der Geduldsfaden riss und ich einem der mobbenden Kind die Nase blutig geschlagen habe, als er mir mit dem Knie voran in den Rücken gesprungen ist. Das war in meinem Leben das erste und einzige Mal, wo ich mich geschlagen habe.

Seit dieser Zeit habe ich jedoch das Vertrauen und die Offenheit gegenüber anderen Menschen nach und nach abgelegt. Dies führte dazu, dass ich mich auch immer weiter zurückgezogen und zum Teil auch eine gewisse Angst gegenüber anderen entwickelt habe. Die Auswirkungen sind heute zu sehen. Meine soziale Fähigkeit Gespräche zu führen tendiert gen 0, insbesondere dann, wenn ich mit Frauen rede. Als Ersatz für meine zunehmende Einsamkeit flüchte ich mich in Arbeit. Für mein Studium tue ich auch mehr, als erforderlich ist, mit dem Effekt, dass mir das Thema mehr und mehr aus dem Hals heraushängt, an dem ich einst sehr viel Spaß hatte.

Um neue Kontakte zu schließen bin ich einem Verein beigetreten. Dort konnte ich nette Menschen treffen und mich durch meine Leistungen auch recht gut integrieren. Aber meine Unterhaltungen mit den anderen Mitgliedern sind nur oberflächlich und ich weiß auch nicht, was ich daran ändern könnte. Das mag wohl auch daran liegen, dass ich der Jüngste in der Runde bin.

In all den Jahren standen mir meine Eltern immer zur Seite und dafür bin ich zutiefst dankbar. Ich verstehe mich mit ihnen sehr gut, allerdings habe ich meine Einsamkeit nie angesprochen, um sie nicht zusätzlich zu belasten.
Nur im Schutze der Anonymität fällt es mir relativ leicht, mich über meine Situation zu äußern. Somit seid ihr die einzigen, die meine wahren Gefühle und Empfindungen kennen.

Irgendwie bin ich in einer Sackgasse angelangt und finde langsam keinen Weg mehr heraus. Über Ratschläge und neue Kontakte freue ich mich.

Grüße,

Jan84

05.09.2011 18:19 • 21.10.2011 #1


5 Antworten ↓


N
Hallo Jan84,

Ich kann deine Lebensgeschichte sehr gut nachvollziehen, vielleicht auch weil ich
viele Parallelen zu meiner Entwicklung erkenne.
Auch ich war ab der sechsten Klasse das Opfer meiner kranken Mitschüler. Ich war völlig
allein und habe diese Erfahrungen niemanden erzählt. Nach Abschluss der Schulzeit
war ich total introvertiert und hatte keinerlei Selbstvertrauen mehr. Ich habe mich danach ins Arbeitsleben gestürzt (Ausbildung, Studium, Job bei einer Bank) und war recht
erfolgreich, trotz zahlreicher Probleme.
Momentan geht es mir wieder nicht so gut (auch mein Umfeld hat sich aufgelöst) und ich bin krank geschrieben. Mir hängen diese Erlebnisse der Schulzeit noch nach und es hat sich einer Störungsbild (Angst, Depression, dissoziative Symptome) daraus entwickelt. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich auch diese Phase überwinden werde. Womit ich heute noch Probleme habe ist emotionale Beziehung einzugehen und Menschen ernsthaft zu vertrauen, was dazu geführt hat, dass ich mit 29 Jahren noch keine ernsthafte Beziehung zu einer Frau eingegangen bin. Ich habe die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben )
Was ich dir raten kann, ist dass du dich öffnest (hier im Forum ist ja ein guter Anfang) und dass du die Gefühle nicht mir alleine ausmachst, denn das wird langfristig nicht
funktionieren. Ggf. kann, wenn du dafür offen bist, auch eine therapeutische Begleitung sinnvoll sein (mir hat das viel geholfen). Im Grunde geht es darum, dass du
die Fähigkeit soziale Kontakte zu initieren (wieder) entwickelst, die aufgrund deiner negativen Erfahrungen in der Schulzeit auf der Strecke blieb. Auch wenn dir deine
Situation ausgweglos erscheint, dass ist sie nicht. Soziale Fähigkeit/ Selbstvertrauen kann man wieder erlernen/ sich antrainieren. Du bis, so meine ich aus dem Text zu erlesen, ja ein intelligenter/ aufgeweckter Mann, so dass deine Situatuion alles andere als aussichtlos ist.

Viele Grüße

Thomas

05.09.2011 22:03 • #2


A


Ich drifte in die Einsamkeit

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I
Wie wärs mit einer Kognitiven Verhaltenstherapie? Da lernt man wie man sich in bestimmten Situationen verhält (z.B. Smalltalk).

Grundlegend kann man aber sagen, dass wenn du anderen Interesse zeigst werden sie dir auch entgegenkommen. KA vll. kannst du versuchen bei anderen nachzuhaken, z.B. wie es der Tochter geht oder wie der neue Yoga-kurs ist...oder wenn jm. besonders bedrückt aussieht fragst du einfach nach was los ist...etc. Leute lieben es, wenn jemand sich für sie interessiert..
Ansonsten schau wie du auf andere wirkst, wenn du die ganze Zeit ein Pokerface aufsetzt, können die Leute dich nicht richtig einschätzen und sind verunsichert und suchen lieber das Weite...
Zu guter letzt: Glaub an dich, denn du bist es wert.

06.09.2011 19:57 • #3


J
Eine Therapie ziehe ich erst einmal nicht in Betracht. Das hat etwas stigmatisierendes und ich möchte lieber nicht, dass mein Umfeld mich aus diesem Blickwinkel sieht, weil irgendwer wird das doch herausfinden.

Ich fand es aber auf jeden Fall erleichternd, dass ich meine Situation mal offen schildern konnte. Als ich die Zeilen geschrieben habe, habe ich gemerkt, wie angespannt ich dabei war, aber mit den Reaktionen, die ich erhalten habe, ist eine kleine Last von mir gefallen. Ich persönlich glaube, dass das ein richtiger Schritt war, auch wenn die Probleme nicht gelöst sind. Es ist schade, dass es doch so viele Leute gibt, die den gleichen Mist durchmachen mussten wie ich, andererseits tut es auch gut zu hören, dass es auch andere in dieser Situation gibt, die einen verstehen.

Auch habe ich ein paar PM's erhalten, die auf diesen Post geantwortet haben. Die Anteilnahme und ein Gespräch mit einer Person empfand ich als aufbauend, sodass ich die letzten Tage eine etwas bessere Laune hatte, als noch in der letzten Woche.
Ich hoffe, dass es sich weiterhin so positiv entwickelt und das kein zwischenzeitliches Hoch ist.

Viele Grüße,

Jan84

08.09.2011 16:50 • #4


F
Hey Jan,

auch ich kenne das Gefühl der Offenbarung ohne Hemmungen sehr gut. Allerdings gibt es einen wirklich unangenehmen Haken an der ganzen Sache, die geschieht meist nur in Situationen und Momenten die unbeobachtet erscheinen. Wie du selbst erwähntest ist Anonymität ein sehr wichtiger Aspekt dabei.
Du möchtest nicht stigmatisiert werden, aus Angst du könntest verurteilt werden bzw. man könnte schlecht über dich denken. Aber ist es denn nicht gerade jenes Gesamtpaket welches es gilt zu beseitigen oder zu eleminieren weil es dich einfach einiges an Lebensqualität kostet?

Ich möchte damit nur sagen, ich weiß wie es dir geht weil ich selbst damit zu kämpfen habe.

08.09.2011 21:28 • #5


M
Hallo Jan,

ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschließen. Auch mir erging es in der Schulzeit nicht gut - vor allem musste ich mich den psychischer Gemeinheiten einiger Mitschüler immer wieder aussetzen. Dies lässt sich nicht so einfach verarbeiten und vergessen, denn es sind prägende Jahre, in denen solch Verletzungen entstehen. Naja, letztlich weiß ich nicht recht, ob es diejenigen Gründe sind, warum sich bei mir die Einsamkeit und Kontaktlosigkeit eingestellt hat. Ich würde es gerne ändern und neue Leute real kennenlernen, aber gerade das macht es für mich unglaublich schwer. Gleichgesinnte zu treffen und mit ihnen wieder am sozialen Leben teilzunehmen, sehe ich als hilfreichste Therapie an. Oft fehlen einfach einem nur die Kontakte, damit sozialen Phobien usw. nicht aufkommen oder bewältigt werden können. Natürlich hilft dies nicht immer - vor allem, wenn sie sich bereits auf die Psyche extrem ausgewirkt haben.
Wenn du Lust hast, dann könnte man mal einen Mailkontakt aufbauen!?

Gruß Christian

21.10.2011 19:50 • #6





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