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351

boomerine
Zitat:
Darum werden sie dir wahrscheinlich ausweichen. Es kostet sie Anstrengung. Zeit.


Dies kann ich zu 100% unterschreiben.
Es kostet Zeit und die haben viele nicht, warum auch immer, aber wehe es wäre umgekehrt.

Zitat:
Sonst vorab einen kurzen Brief mit deinem Bedarf hinschicken.


Vielleicht geht es auch per Fax.

Zitat:
Ich kann mich nicht so gut ausdrücken, habe nur eine sehr mittelmäßige Schulausbildung genossen


Hat das tatsächlich was mit Schulbildung zu tun ?

In meinen Augen nicht, da sag ich ganz salopp der eine kann es der andere nicht. ( auch ich gehöre dazu )

Zitat:
Aber was hindert dich daran, mit diesen Freunden ohne deine Frau den Kontakt zu pflegen? Dass sie mit dem Zustand deiner Frau nicht zurechtkommen, kann ich gut nachempfinden, könnte ich auch nicht. Du hast aber ja auch noch dein eigenes Leben.


Mag ja sein, ich lasse meine Frau zuhaue und pflege meine Freundschaften, ich weis nicht ob das der richtige Weg ist, meiner wäre es nicht.
Ich denke da gerade auch an ein Paar, in meiner Umgebung, sie ist gesund, kontaktfreudig und total eine liebe aufgeschlossene Frau, weis gar nicht wie lange die verheiratet sind, er ist schon seit langer Zeit in den Vorruhestand geschickt worden, aus gesundheitlichen Gründen, die sagt entweder wir beide oder keiner.

Zitat:
Jetzt pflege ich reduziert manche Freundschaften.


Das sind dann im wahrsten Sinn, die wirklichen Freundschaften.
Und die sind leider zu selten.

Ich bekomme es ja auch bei uns mit, sowie du nur einen Hauch anders bist, wird schon geschaut oder getuschelt / abgestempelt. Und das in einer Zeit wo man sagt, moderne Zeit, offen sein für alles und helfen.

ich denke dabei an Freitagmorgen, vor dem Schulgelände wollte eine ältere gebrechliche Frau den Platz überqueren,
sie steht an einem Pfeiler und hielt sich fest. Ich dachte für mich, so viele Menschen, sieht denn das keiner ?
Ich wurde von einer Blondine belächelt, kann man auslegen wie man will...................
Ich hatte ja haky dabei, ging zu ihr hin, sie sprach mich an, könnten Sie mir bitte helfen nur über den Platz ?
Mit Hund und ......... ich sagte ja, mit Hund mach ich das nicht gerne, weil er ja nicht immer auf einer Seite bleibt, wenn es was zu schnuppern gibt, da ist er halt mal rechts oder links.
Aber wir machten es, Sie hängte sich bei mir ein, fragte auch noch ob es die andere Seite sein kann, weil sie sich da besser einhängen kann. Es ging gut.
Nur so viele Menschen, ob jung oder alt, Interesse ?
jeder schaute zwar, aber das war es.

Such dir deinen Weg, der für dich am besten ist, wo dich keiner kränken kann, weil du brauchst deine Kraft für dich und deine Frau.
Ich schick dir Kraft und liebe Grüße

Lg boomerine

13.05.2021 17:24 • x 2 #61


superstes
Es gefällt mir hier sehr, wie über dieses Themen hier geschrieben wird !
Auch ist mir wieder eine Lebensepisode aus meiner Jugend...mit 13 / 14 Jahren eingefallen. Den Zusammenhang von stottern und sozialer Isolierung. In der Schule stand ich meist deswegen Abseits...in der Klasse hat mich der (Schweine) Lehrer in Deutsch zum Gespött der Klasse...immer wieder vorlesen lassen. Das hat mich regelrecht in ein Schneckenhaus vertrieben. An eine Frühfördrung wurde in den frühen 60'iger Jahren nie gedacht.
Meine damalige Rettung war der ältere Bruder meines Freundes, der an der Kunstakademie Malerei studierte. Ich durfte in seinem Atelier unter seiner Anleitung mit Ölfarben Farbstudien an der Staffelei malen. Und auch eigene Kompositionen ...Ich durfte dort so sein wie ich bin. Dafür bin ich ihm und seinen Künstlerkollegen sehr dankbar, es hat auch mein Leben bis heute geprägt.
Ich erwähne dies, weil Dorian über das Umfeld im Alltag eines Stotterer sehr eindrücklich geschrieben hat.
Viel später war ich mutiger, als ich in einer Florentinischer Sprachschule Italienisch lernte. Dabei geht es nicht ohne Sprachdialoge oder die Grammatik richtig anzuwenden und auszusprechen. Das war für mich Stress, es hat für mich große Überwindung gekostet, mich darauf einzulassen. Der Unterricht fand nur in italienisch statt, Wörterbücher zum Nachschlagen waren nicht erlaubt. Meine Italienische Frau hat mich dabei sehr unterstützt.

Das miteinandersprechen gehört halt zu den elementarsten Dingen, um auf andere Menschen zugehen zu können...unter anderem auch aus der Einsamkeit.

13.05.2021 18:13 • x 4 #62


A


Einsam im Alter ab 60+ Thread

x 3


PatriarchJosef
Hallo, bin 58 und kenne das Problem.

13.05.2021 20:49 • #63


superstes
[quote]Hallo, bin 58 und kenne das Problem.

Das klingt wie Gott-Vater...ich kenne das Problem ! Vielleicht beschreibst du mehr...?

14.05.2021 08:24 • x 1 #64


dorian
Zitat von Tautropfen:
Wenn du noch laufen kannst, magst du vielleicht Spaziergänge. Vielleicht hilft dir das, dein Leben zu berreichern.


Ja laufen kann ich noch. Eigentlich ist das schon bereits offtopic, denn es hat mit Einsamkeit nicht mehr viel zu. Das ganze Ausmaß der vergangenen Jahrzehnte führte vor 5 Jahren zu meiner ersten dissoziativen Amnesie plus ab und zu im Jahr einen psychogenen Krampfanfall, bei dem ich umfalle, wie ein gefällter Baum. Dann muss meine Frau immer den Notarzt kommen lassen. Aus dem Grund bin ich auch Frührentner geworden. Mein Quartals-Psychiater ist wie ich der gleichen Meinung, denn er sagte von sich aus, meine Seele sei vernarbt. Aus dem Grund darf ich kein Auto mehr fahren oder alleine wandern, wie ich es früher sehr gerne getan habe, denn einmal hatte ich während dessen eine DA. Dann weiß ich nichts mehr, wer und wo ich bin, welchen Tag wir haben usw.

Zitat von Tautropfen:
Mit deiner Medikamentenbestellung könnte es Lösungen geben.


Deine Vorschläge sind nachvollziehbar. Ich könnte mir auch vorstellen, direkt zum Arzt zu fahren, mich vor die Theke zu stellen, mit einem Zettel in der Hand, auf dem der Name des Präparates steht und nur für den Fall, dass ich da mit offenem Mund stehe, könnte ich den Zettel zeigen. Aber wie ich mich kenne, reicht alleine schon der Gedanke, diese Hilfe in der Hinterhand zu haben aus, dass ich das Wort dann trotzdem sagen kann.

Zitat von dorian:
Ich kann mich nicht so gut ausdrücken, habe nur eine sehr mittelmäßige Schulausbildung genossen

Zitat von boomerine:
Hat das tatsächlich was mit Schulbildung zu tun ?
In meinen Augen nicht, da sag ich ganz salopp der eine kann es der andere nicht. ( auch ich gehöre dazu )


Ich weiß mittlerweile, dass selbst die schlechteste Abinote ever zum Studium berechtigt. Hauptsache, Deutschland spielt in Sachen Pisastudie ganz vorne mit. Und ich weiß auch, dass Gymnasiasten nicht zwangsläufig ein Inbegriff für eine 100 prozentige Grammatikalische Null-Fehler-Quote stehen, doch wenn alles zusammenkommt, und ich kann nur für mich sprechen, spielte mein Hauptschulabschluss schon eine gravierende Rolle, auf welche Weise ich mein Leben begangen habe. Mein studierter Schwager hat mir hier und da mit Eselsbrücken geholfen, aber ganz speziell google, incl. Rechtschreibprüfung haben mich nach vorne gebracht. Doch den reinen Satzbau gestalte ich nach Gefühl, so wie es für mich halbwegs stimmig klingt.

Zitat von superstes:
Auch ist mir wieder eine Lebensepisode aus meiner Jugend...mit 13 / 14 Jahren eingefallen. Den Zusammenhang von stottern und sozialer Isolierung. In der Schule stand ich meist deswegen Abseits...in der Klasse hat mich der (Schweine) Lehrer in Deutsch zum Gespött der Klasse...immer wieder vorlesen lassen. Das hat mich regelrecht in ein Schneckenhaus vertrieben. An eine Frühfördrung wurde in den frühen 60'iger Jahren nie gedacht.


Dass du Intelligenzmäßig in einer ganz anderen Liga spielst, als ich, habe ich bereits in deinem ersten Post festgestellt. Warum erwähne ich das überhaupt? Nun, ich fühle mich vielen Stotterern gegenüber wie ein dummes kleines Licht. Die meisten Stotterer, die ich kennengelernt habe, hatten Minimum Abitur. Ich weiß nicht, ob das genetisch bedingt ist. Eine Bekannte meiner Frau hat 2 Töchter, von denen ist eine schlau, wechselt demnächst zum Gymnasium und die andere tut sich sehr schwer, obwohl sie sich Mühe gibt. Es war ja bei nicht so, dass mir alles zuflog und mich "nur" die Ängste bzgl. des stotterns ein wenig ausbremsten, nein, ich war und bin wirklich nicht unbedingt die hellste Birne am Leuchter. Da spielte mir während der Schulzeit das stottern nicht unbedingt in die Karten, vor allem der Spott der Mitschüler und damit komme ich zu deiner Erfahrung.

Kenne ich, auch was diesen (Schweine)Lehrer betrifft. Der Sack machte sich einen Spaß daraus, eine Pause einzufügen, immer dann wenn er sagte und jetzt liest mal weiter..Pause, kichern, ein raunen in der Klasse, jeder wusste Bescheid...dann fiel meine Name. Ich peste wie ein Irrer durch den Text und ein neuer Mitschüler sagte, ruuuuhig, ganz ruuuuhig. Alle am lachen, die Drecks.von Lehrer natürlich auch und der neue Mitschüler hat sich sofort beliebt gemacht.

In der Lehre ging es nochmal extrem verstärkt weiter, ab und zu im Beruf, ja sogar bereits am ersten Tag in der Bundeswehr. Tja, und diese kleine Episode sollte noch mal deutlich machen, aus welchen Gründen ein Mensch einsam werden kann. Das war jetzt alles sehr speziell und ausschließlich auf mich ausgelegt. In diesem Thread geht es ja nicht darum, nach Lösungen zu suchen, über die bisher genannten Vorschläge bin ich natürlich dankbar, aber es geht in erster Linie um das Thema Einsamkeit, vielleicht noch gepaart mit den Gründen, die dazu geführt haben. Das ist ja hier schon mittlerweile bei der/dem einen oder anderen geschehen.

14.05.2021 08:51 • x 3 #65


superstes
Danke dafür, daß du hier deine Über-Lebenserfahrungen als Stotterer und anderen neurologischen Problemen so eindrücklich und gut, hier beschreibst !
ich spiele überhaupt nicht in einer anderen Intelligenzliga als du ! Vielleicht hatte ich ein bißchen mehr Glück wenn auch selten, Menschen zu begegnen, die mich, (vielleicht auch unabsichtlich)
geistig weiterbrachten. (nicht in der Schule). Ich habe, (wie du), seelische Narben.. dazu ist mein Kopf innen und außen schwer verwundet mit vielen Narben... durch einen Fahrradunfall vor 32 Jahren, der mich zum Krüppel machte...so verrückt es klingt...ich bin dem Leben dafür dankbar, daß obwohl mit vielen Operationen und Schlaflosigkeit ,Verzweiflung und Schmerzen...und nicht mehr leben wollen ...sich mir immerwieder ein Paralelluniversum aufgetan hat, dabei bin ich auch dem deutschen Sozialsystem dankbar, das wie nur in wenigen Ländern UNS einen Platz zum leben gibt!
Zur Bundeswehr bin ich nicht gegangen...mein zwei Jahre älterer Bruder war dort. An einem tag der offenen Türe in der Kaserne besuchten wir ihn(Familie) . Nach fünf minuten wußte ich, nie, nie werde ich in eine Kaserne gehen...wo ich all diesen Spöttern und Moppern wiederbegegnen werde.
Ich ging als Stotterer den schweren Weg zu einer Gewissensprüfung als Kriegsdienstverweigerer vor einem Tribunal...es war die Hölle ...ich wurde dennoch anerkannt..Den Ersatzdienst habe ich dann gemacht.

14.05.2021 09:46 • x 3 #66


Schlaflose
Zitat von boomerine:
Mag ja sein, ich lasse meine Frau zuhaue und pflege meine Freundschaften, ich weis nicht ob das der richtige Weg ist, meiner wäre es nicht.


Seine Frau ist ja nicht zuhause sondern im Pflegeheim und gut versorgt. Man muss ja nicht jeden Tag den ganzen Tag dort verbringen. Jedem steht es moralisch zu, auch ein paar Stunden seinen eigenen Bedürfnissen nachzugehen.

14.05.2021 10:07 • #67


Schlaflose
Zitat von superstes:
In der Schule stand ich meist deswegen Abseits...in der Klasse hat mich der (Schweine) Lehrer in Deutsch zum Gespött der Klasse...immer wieder vorlesen lassen.


Früher gab es solche sadistischen Lehrer, aber das ist schon lange nicht mehr so. ich hatte in meiner Laufbahn als Lehrerin immer wieder mit stotternden Schülern zu tun und ich hatte jedesmal Hemmungen, sie dranzunehmen, selbst, wenn sie sich gemeldet haben, aus Angst, dass sie sich vor den anderen blamieren.

14.05.2021 10:14 • x 1 #68


superstes
[QUOTE][/
Früher gab es solche sadistischen Lehrer, aber das ist schon lange nicht mehr so. ich hatte in meiner Laufbahn als Lehrerin immer wieder mit stotternden Schülern zu tun und ich hatte jedesmal Hemmungen, sie dranzunehmen, selbst, wenn sie sich gemeldet haben, aus Angst, dass sie sich vor den anderen blamierenquote]

Danke Schlaflose, daß du als Lehrerin dieses Feingefühl mitgebracht hast !
Dazu muß ich noch sagen...ich wurde 1955 eingeschult...die Lehrer wurden im Faschismus erzogen, waren oft verroht als Kriegsteilnehmer...(das soll keine Entschuldigung für sie sein)
Schläge, Tatzen. ob von Frauen oder Männern wurden fast täglich im Unterricht ausgeteilt, zum Teil sadistisch...(an den Ohren zur Tafel hochgezogen und ähnliches)...an den Schülern ausgeteilt.
Wir saßen oft vor Angst erstarrt auf der Bank, hoffend daß die Lehrer einen nicht auserwählt hatten. Das heißt nicht, daß ich Probleme mit dem Lehrerberuf hätte, eigentlich keine, weil es Heute (fast) keine schwarze Pädagogik mehr gibt. Ich kenne persönlich sehr gute Lehrer, die mir sehr sympathisch sind !
Um es auf den Punkt zu bringen, an Stotterer und behinderten Menschen wurden / werden viele Gehässigkeiten begangen, die dem niedrigsten, primitivsten Instinkt des Menschen entspringen.
das diese Menschen dann scheu, sich selbstunwert fühlend, ein Leben düster begleitet und im Schneckenhaus lebt es sich sehr einsam.

14.05.2021 11:02 • x 2 #69


Tautropfen
Hallo,

superstes und dorian reden ja nicht von heute, sondern von dem was sie erlebt haben.
Was mit Sicherheit zu seelischen Narben führen kann.
Von dem Spruch: Die Zeit heilt alle Wunden. ,halte ich nichts. Wunden können immer wieder aufbrechen.
Heute würde man sagen: Trigger.

Ich denke, dass es heute noch solche Lehrer gibt. Allerdings auch Schüler gegen die keiner ankommt.
Ich bin froh, heute weder Lehrer, noch Schüler zu sein.

Ich habe noch ein paar unsortierte Gedanken. Ich schreibe einfach mal...

Wahrscheinlich kann man in der Einsamkeit, seinen eigenen Wert verlieren. Das bringt neue Probleme. Es führt zu einer gewissen Sprachlosigkeit.
Darum finde ich es wichtig, sich seinen Wert bewusst zu machen.
Und wenn es auch nur schrittweise geht.

Dorian, entschuldige, du bewertest dich als gering, wenn ich das so ausdrücken darf.
Du schreibst aber sehr gut.
Ich spüre den Groll in dir, sage ich mal. Das bringt einen leider nicht weiter.
Vielleicht kannst du dir kleine Aufgaben um dich herum schaffen. Ich meine nicht einmal außer Haus, sondern innerhalb.
Du kannst es ja mal ausprobieren und sehen, wie du dich dann fühlst.

Kann deine Frau laufen? Wenn ja, dann versucht doch kleine Spaziergänge zu zweit zu machen.

Und mit deinen Medikamenten, hast du doch schon eine gute Idee.

Den Abbruch von Freundschaften kennen hier leider sehr viele.
Wenn Krankheiten, psychische Störungen, dazukommen, wenn es schwierig wird, gehen viele Freunde.
Ich denke, dass die meisten nicht an die eigene Vergänglichkeit erinnert werden möchten.

Noch ein Problem ist es, wenn bei Freunden ständig von den eigenen Belangen, schreibe ich mal, erzählt wird.
Da verlangt man einiges von den Freunden ab.
Stelle ich mir vor, dass meine Freunde irgendwann mal nur noch meine Einsamkeit, oder Angst im Kopf haben.
Das wäre bestimmt auch mir zu viel. Andersrum.

Meine beste Freundin, schrieb auf eine Nachricht von mir: Da bist du wohl einmal mehr durch deine persönliche Hölle gegangen.
Ich war erst total geschockt. Aber sie hat recht. Es ist meine persönliche Hölle.
Wichtig ist wohl, dass man durchgeht und nicht stehen bleibt.

Wenn man den Statistiken glauben kann, und ich es richtig behalten habe, sind 20% der Deutschen einsam.
2020 waren es 18 Millionen Erwachsener, die sich mit psychischen Beschwerden behandeln ließen.
Kinder und Jugendliche nicht mitgezählt. Die Frage nach der Dunkelziffer bleibt.

Das ist für mich erschreckend. Und mit ein paar lockeren Sprüchen nicht erledigt.

Ich weiß nicht, ob diese Zeit zu schnell, zu laut, zu kurzlebig geworden ist. Ja, ist doch wohl mein Eindruck.
Ich kann das aber nicht mehr verändern, sondern nur versuchen, darin zurecht zu kommen.

14.05.2021 11:06 • x 2 #70


superstes
Zitat:
Noch ein Problem ist es, wenn bei Freunden ständig von den eigenen Belangen, schreibe ich mal, erzählt wird.
Da verlangt man einiges von den Freunden ab.


Diese eigene Belangen von Freunden hatte ich erst neulich erlebt, als ich von einem alten Freund nach Korsika (über Ostern in sein Haus) eingeladen wurde. nach dem Abendessen saßen wir beide am offenen Kamin, ich an einem Gläschen Rotwein...und er schüttete sich stundenlang viele Gläser Rose' in sich hinein...bis Nachts um Drei...redete er sich so in Rage , jeden Abend wurde eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Haus, Familie, Frau, Dorfleben..so ging das weiter 6 Abende. ich bin halt ...ein guter Zuhörer Aber das war dann schon heftig und auch mir zuviel. Da wurde dann doch einiges von mir abverlangt.
Dein Satz die Zeit heilt alle Wunden ist für mich auch schwierig, dieses alle
geht gar nicht. Doch gibt es auch in meinem Leben Ereignisse, wo ich dann sage...da ist Gras darüber gewachsen... in meiner langen Psychoanalyse (300 Stunden) vor ca.30 Jahren, habe ich einige Wunden zuheilen lassen können. Die innere Versöhnung mit meinen Eltern ( die mich mit dem Stottern und anderem, alleine gelassen haben) gehörte auch dazu.

Zitat:
Ich kann das aber nicht mehr verändern, sondern nur versuchen, darin zurecht zu kommen.

Das ist auch mein tägliches Tun...darin zurecht zu kommen, alles ein Stück an zu nehmen ... es ist wie es ist auch die Einsamkeit.

Ps: Dorian, ich finde auch, daß du sehr gut schreibst !

14.05.2021 12:12 • x 2 #71


Tautropfen
Zitat von superstes:
.bis Nachts um Drei...redete er sich so in Rage , jeden Abend wurde eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Haus, Familie, Frau, Dorfleben..so ging das weiter 6 Abende. ich bin halt ...ein guter Zuhörer Aber das war dann schon heftig und auch mir zuviel. Da wurde dann doch einiges von mir abverlangt.


Ich musste jetzt tatsächlich lachen.
Das hast du gut beschrieben.

Ich kenne das auch von meiner ehemals besten Freundin. Ich kann nicht einmal sagen, warum ich das 35 Jahre, so ungefähr, ausgehalten habe.
Sie konnte ohne Punkt und Komma reden und meist über sich.
2016 habe ich das dann beendet. Nein, das hat keine Narben hinterlassen.
Ich ziehe eher die Lehre daraus, darauf zu achten, dass ich das heute nicht ähnlich mache.

Ja, kann ich dir bestätigen, dass manche Narben Ruhe geben. Ich auch mit einigen Dingen abgeschlossen habe.
Aber da gibt es noch Wunden, die längst nicht zu sind.
Die mich als Mensch so verunsichert haben, dass oft der Zweifel an meiner Person aufkommt.
Und obwohl ich alles aufschlüsseln kann, fällt mir das oft ein.

Ganz bestimmt ist es, wie es ist. Wir können nur versuchen daran zu arbeiten.
Wir können nicht zaubern. Und wir sollten, (hoffentlich wird sich niemand an dem Wort sollten reiben.. ) auch nicht wahllos sein.

14.05.2021 13:00 • x 1 #72


Idefix13
@dorian
Das Archiv der Synonyme:
Ist ein Sammelsurium von Wörtern die du selbst dir antrainiert hast, damit du schnell gleiche Wörter parat hast, die im Endeffekt das gleiche Beschreiben. Oder du musst halt mit ähnlichen Begriffen 'es' umschreiben.
Und da durch gewisse Umstände die in weiter Vergangenheit liegen, mein Wesen sich aufspalten musste, geschah in dieser Hinsicht auch vieles andere, woraus ich am Schluss doch noch Vorteile ziehen konnte. Leider nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile.

Den Takt den du dir vorgibt, das erinnert mich wenn ich Lieder mitsingen, denn da komme ich nie ins Stottern. Deshalb benutzen Logopäden wohl auch Musik zur Unterstützung, wie ich mal gehört habe.

Das Stottern in der Schule war bei mir nicht so das Problem, da gab es weitaus interessantere Dinge von meinen Mitschülern, warum ich seit der 3ten Klasse gemobbt - gehänselt / schikaniert wurde. Mein Aussehen, mein Name, mein Tun, mein Verhalten. Scheinbar war alles falsch. Ab der 8ten halfen auch noch die Lehrer mit.
Und so reihe ich mich ein in die Hauptschulabsolventen hier.

In der Lehre ging es weiter, aber nur von zweien wegen dem Stottern, die anderen wegen.., ehrlich ich weiss es nicht. Vielleicht haftete es noch von der Schule an mir..
Und in der Bundeswehr war es auch weniger wegen dem Stottern.., aber auch da weiss ich es nicht mehr. Es kommt der Augenblick da schluckst du es einfach und versuchst es hinter dich zu bringen.
Und erst als ich in das Berufsleben eintrat und ich schon Freundschaft mit dem Mobbing geschlossen hatte, verschwand es von heute auf morgen.

Heute oder auch in den letzten 20 Jahren spielt das Stottern eher eine nebensächliche Rolle. Denn es gibt weitaus wichtigeres das im Blick und auf der Bewältigungsliste stehen.


@superstes
Ich glaube, viele Menschen die unter einer Sprachstörung leiden, gelten als gute Zuhörer da sie selbst viel weniger reden als andere, was natürlich auch verständlich und nachvollziehbar ist.

14.05.2021 13:08 • x 2 #73


superstes
Zitat:
Sie konnte ohne Punkt und Komma reden und meist über sich.
2016 habe ich das dann beendet. Nein, das hat keine Narben hinterlassen.
Ich ziehe eher die Lehre daraus, darauf zu achten, dass ich das heute nicht ähnlich mache.


Danke Tautropfen !
Meine Schilderung hörte sich vielleicht etwas genervt an, es ist für mich ein sehr guter Freund...der weil wir mal dort alleine waren, seine ganze Unzufriedenheit und seinen Verdruß mir offenbart hat. Ich kenne ihn schon fast 50 jahren und wir haben früher manche Klettertour, Hausbau, Wanderungen und Feste zusammen erlebt und gemacht, das schweißt zusammen. Ich könnte ihn Nachts um Vier anrufen...er würde kommen. Nur helfen beim Pflegen meiner Frau das konnte er nicht...Das konnte anscheinend niemand außer mir..

14.05.2021 13:25 • x 1 #74


superstes
@Idefix13
Danke auch dir ! für deinen in allen Belangen offenen Beiträgen.
Das mit den Synonymen, dazu hatte meine damalige Freundin gemeint..daß ich beim reden slalom fahre dafür müßte man noch viel gescheiter sein...
Ich kannte einen gute Sänger einer Rockgruppe in meiner Heimatstadt, der starker Stotterer war...aber wenn er sang ! Grandios ! ( nur ansagen konnte er dann nicht) ich habe ihn im Stillen bewundert.

Es ist bei mir heute so, daß ich nur noch bei starker Belastung ins Stottern gerate. Im Alltag kann ich ganz flüssig sprechen...(sonst hätte ich auch keine Therapie machen können)
Wie das bei mir kam...ich weiß es nicht...und ich denke auch nicht darüber nach. Wenn ich aber eure Beiträge lese, ist das für mich so sehr präsent, als wäre es gestern gewesen.
Aber der Faden heißt ja auch Einsamkeit im Alter Letztes Jahr wurden Teilnehmer für eine Studie
in unserer Uni-Psychatrie gesucht mit dem Motto Depression im Alter Ich meldete mich, weil ich zu diesem Zeitpunkt ein Burnout mit der Pflege meiner Frau hatte. Die Studie war sehr aufwendig mit Medizinischen Untersuchungen...Intelligenztest undgefühlte tausende Fragen in Interviews beantworten. Ich machte dies, weil damit eine begleitende Therapie verbunden war, die ich so auf die schnelle nicht bekommen hätte.

14.05.2021 14:04 • x 1 #75


Idefix13
@superstes
Also ich weiss nicht was Training und das Bedürfnis nach weniger Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, wegen diesem speziellen Problem, eine höhere Bildung oder mehr an Intelligenz voraussetzt.
Versteh mich bitte nicht falsch, aber ich kritisiere nicht dich, sondern die Aussage deiner Freundin, die wohl dies in einem eher unbedachten Moment von sich gab.
Auch denken viele die eine Sprachschwierigkeit haben immer mehr nach und auch über das was sie sagen, als jene die sowas nicht haben und dadurch entstehen, durch jene die das nicht haben, manchmal regelrecht Patzer, bei denen das Fettnäpfchen an Größe nicht mehr ausreichend ist.

Ob gestern, vor 10, 20 oder 30 Jahren, spielt keine Rolle denn die Vergangenheit lebt in einem weiter und solche Momente oder Lebensabschnitte waren prägend, die reservierten sich einen größeren Platz im Erinnerungsschema des Gedächtnisses.
Da hilft auch der Satz, der hier schon gebraucht worden ist auch nichts; dass 'die Zeit alle Wunden heile'.
Ich denke das trifft auf die kleinen Wunden zu die weniger akut in Erinnerung bleiben und meist vom Alltag auch irgendwann geschluckt werden.
Was Therapie betrifft, also es gab durch andere Umstände ausgelöst auch Tage an denen es fast unmöglich war nicht in der Stunde zu stottern, weil es auch darum nicht ging. Aber dann drehte meine Therapeutin den Spieß einfach um und erzählte von sich, da wir herausgefunden hatten, dass wir einem gemeinsamen Hobby nachgingen.
300 Stunden Psychoanalyse, Respekt!
Da kann ich mit meinen 95 Stunden nicht wirklich mithalten, aber es handelte sich auch nicht um eine Reine Analyse, bei mir war es etwas spezieller und ich selbst wollte keine Verlängerung, die mir bestimmt gewährt worden wäre.

14.05.2021 19:07 • x 1 #76


dorian
Zitat von superstes:
ich spiele überhaupt nicht in einer anderen Intelligenzliga als du !

Ist ja nicht schlimm, dass wir da unterschiedlicher Meinung sind. Ich trage das Herz auf der Zunge, schreibe so, wie es mir gerade in den Sinn kommt, auch wenn die Lösch- und die Backslashtaste bei mir Höchstleistungen vollbringen müssen, so oft, wie ich Fehler korrigieren muss.

In einem Punkt hatte ich wirklich Glück. Ich musste zwar zur Bundeswehr, aber nur für einen Tag. Dann habe ich mich nach dem ersten Spott unerlaubt von der Truppe entfernt und bin mit dem Zug quer durch Deutschland gefahren. Mir war alles egal. Gefängnis, Suizid, Hauptsache keine täglichen Spottattacken mehr wie in der Schule und Lehre. Doch es lief glimpflich ab und ich brauchte noch nicht mal zum Ersatzdienst. Meine Mutter hat denen die Hölle heiß gemacht, dass sie sich an die Medien wenden würden und so. Das war echt knapp.

14.05.2021 20:55 • x 2 #77

Sponsor-Mitgliedschaft

dorian
Zitat von Tautropfen:
Vielleicht kannst du dir kleine Aufgaben um dich herum schaffen. Ich meine nicht einmal außer Haus, sondern innerhalb.
Du kannst es ja mal ausprobieren und sehen, wie du dich dann fühlst.

Kann deine Frau laufen? Wenn ja, dann versucht doch kleine Spaziergänge zu zweit zu machen.

Tautropfen, ich kann dir genau sagen, wann ich gut schreibe. Immer dann, wenn ich von mir erzähle, denn davon verstehe ich natürlich am meisten und die Finger huschen nur so über die Tasten. Aber zu den anderen etwas schreiben, puh, das ist schon ne andere Hausnummer. Und schon bin ich wieder in meinem Gedankenkäfig gefangen, weil ich mir überlege, was könnten andere über mich denken? Guck` mal da, wir gehen so intensiv auf seine Postings ein und er schreibt wieder fast nur über sich. Das ist von mir nicht böse gemeint, hängt wirklich nur mit mangelnder Lebenserfahrung zusammen.

Mit einer Aufgabe habe ich in der Tat schon begonnen. Vor ca. 6 Jahren habe ich das Brot backen für mich entdeckt, als uns diese Automaten-Fertigbrote zum Halse raushingen. Ich war nie zufrieden, kann lediglich einen einzigen Brottyp und den habe ich erst seit ca. 2 Monaten ganz gut drauf, um damit zufrieden zu sein.

Meine Frau und wandern. Sie wird mir das nicht übel nehmen, aber sie ist in dieser Hinsicht ziemlich faul. Ich muss aber dazu sagen, Werktags ist sie vom Job ziemlich platt und am WE stehen Termine wie einkaufen, Brot backen und Mutter besuchen an. Ihre Mutter ist schon jenseits der 80 und meine Frau möchte sich nicht vorwerfen lassen, sie zu selten besucht zu haben, verstehe ich auch. Mal seh`n, es werden sich schon Gelegenheiten finden lassen. Für die jenigen, die sich mit Brot backen noch nie beschäftigt haben, insbesondere mit Sauerteig. Der ST benötigt eine Reifezeit von 12 bis 14 Stunden, aber die läuft ja nachts ab. Doch der reine Backakt dauert zwischen 4 und 5 Stunden, incl. der unterschiedlichen Garzeiten. In dieser Zeit können wir das Haus nicht verlassen.

14.05.2021 21:00 • x 2 #78


dorian
Zitat von Idefix13:
Das Archiv der Synonyme:
Ist ein Sammelsurium von Wörtern die du selbst dir antrainiert hast, damit du schnell gleiche Wörter parat hast, die im Endeffekt das gleiche Beschreiben. Oder du musst halt mit ähnlichen Begriffen 'es' umschreiben.

Ach so, jetzt weiß ich, was es bedeutet. Danke für die Erklärung. Also wenn man Beispielsweise nicht Auto sagen kann, wechselt man es gegen Fahrzeug oder so aus. Es gibt jedoch eine gesellschaftliche Begebenheit, ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein, wenn man jemandem gratuliert. Ganz egal zu was. Das herzlich kriege ich nie raus. Wenn ich mich recht erinnere ist das ein Stimmloser Buchstabe. Obwohl, Haus kann ich ohne Probleme sagen, warum nicht herzlichen Glückwunsch? Ich weiß es nicht. Ich vermute, die soziale Komponente spielt da eine ganz große Rolle. Sage ich nur Glückwunsch, ist das in den meisten Fällen viel zu geringschätzig, wenn Beispielsweise eine Frau, wie demnächst unsere Nachbarin ein Kind bekommt. Da reicht Glückwunsch einfach nicht aus. Mir graut es jetzt schon davor und hoffentlich werden wir nicht eingeladen, wie vor 5 Jahren bei einem neu hinzugezogenen Nachbarn. Wir waren die einzigen, die nicht da waren, haben es denen aber auch vorab erklärt. Was dir in der Schule widerfahren ist, ist schon der Hammer. Ich kann mich an meine Schulzeit kaum noch erinnern. Diese dissoziativen Amnesien haben dafür gesorgt, dass ich 90 % meiner Erinnerungen verloren habe. Ausgerechnet die Negativen habe ich behalten, aber auf die ganzen vergangenen 50 Jahre geseh`n.

14.05.2021 21:04 • x 1 #79


dorian
Zitat von Idefix13:
Und erst als ich in das Berufsleben eintrat und ich schon Freundschaft mit dem Mobbing geschlossen hatte, verschwand es von heute auf morgen.

Wow, nicht schlecht. Von diesem Phänomen habe ich noch nie gehört, gerade richtig neidisch werd. Bei mir hat sich pünktlich mit dem Eintritt ins Berufsleben noch etwas Neues eingeschlichen, die Migräne. Ich schätze, das war psychisch bedingt, weil nach der Lehre der berufliche Ernst des Lebens begann.

14.05.2021 21:05 • #80


A


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Dr. Reinhard Pichler