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Denkmüde
Hallo zusammen,

auch wenn ich mich an ein Leben ohne Depressionen nicht mehr erinnern kann, wage ich mich nun zum ersten Mal in ein Forum.

Mein Name ist Sandra, bin mittlerweile 42 Jahre alt und wohne seit ein paar Jahren in Mannheim.

Vor 25 Jahren wurde die erste schwere Depression diagnostiziert und seit dem habe ich fast alles an Behandlung durch. Da hier jeder sein Päckchen zu tragen hat und Leidenszeiten vermutlich zu genüge kennt, spare ich hier mal die Einzelheiten.

Antidepressiva nehme ich seit dem konstant. Im Laufe der Jahre wurde nur umgestellt. Am Längsten habe ich Aurorix genommen, danach 30 mg Citalopram und seit September nun 300 mg Venlafaxin.

In den ganzen Jahren hatte ich eigentlich kaum nennenswerte Nebenwirkungen, das hat dann Venlafaxin komplett aufgeholt. Es hat zwar schon gewirkt, völlig benebelt zog die akute Phase einer erneuten schweren Depression an mir vorüber. Körperlich kroch ich allerdings auf dem Zahnfleisch. Konnte nicht Schlafen, mir wurde ständig schwarz vor Augen, Übelkeit, starke Kopfschmerzen (als wenn ich gegen eine Wand gelaufen wäre) und erschöpft von minimalen Aktivitäten.

Seelisch stabilisiert wollte ich das Zeug wieder loswerden und hab mit meinem Arzt darüber gesprochen, dass ich am Liebsten Citalopram wieder hätte.

Er war damit einverstanden, empfahl allerdings Escitalopram. Ab dem nächsten Tag sollte ich schon statt der 300 mg Venlafaxin mit 5 mg Escitalopram anfangen und wöchentlich um 5 mg bis 15 mg steigern. Bei dieser Umstellung bin ich gerade und es geht mir ehrlich gesagt, so schlecht wie noch nie, richtig be........ Die bisherigen Nebenwirkungen haben sich gesteigert, der ganze Körper spielt verrückt, Kribbeln überall (Gaumen, Gesicht, Arme, Hände, Beine), Verkrampfungen (dachte schon an Spastik), aber am Schlimmsten sind so komische Blitze im Kopf.

Hat irgendjemand so eine Umstellung schon hinter sich und kann mir vielleicht sagen, ob das bei ihm auch so war?

Auch wenn ich bei meiner Familie jede Bedenken vom Tisch wische und alles auf die Umstellung schiebe, mache ich mir so langsam doch auch Gedanken......

Bin für jede Antwort dankbar.

12.12.2017 19:13 • 20.12.2017 #1


5 Antworten ↓


CompanionCube
Hallo,

Venlafaxin sollte ganz langsam und behutsam ausgeschlichen werden. Ich habe auch 275mg genommen und musste dann runterdosieren. Selbst da hatte ich vor allem diese Brainzaps.... Sprich auf jeden Fall nochmal mit deinem Arzt, so schnell sollte das auf gar keine Fälle gemacht werden

13.12.2017 02:24 • x 2 #2


A


Schlimmer geht immer

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Hurt
Hallo liebe Sandra,

es tut mir von Herzen leid, dass es Dir so schlecht geht. Gerade weiss ich nicht, wie ich weiter schreiben soll. Damit es sich nicht von oben herab oder Lehrmeisterlich anhört. Denn beides ist nicht beabsichtigt.
Ich versuche mal die abgekürzte Version.
Die ersten schlimmen Phasen hatte ich als kleines Kind. Mit 8 Jahren hatte ich den ersten ganz konkreten Gedanken, mich selbst aus dem Leben zu befördern. Bis zu meinem 20 zigsten Lebensjahr hatte ich bereits drei Suizidversuche hinter mir. Bis zu meinem 23 Lebensjahr waren es insgesamt sieben. Meine Familie hat das nie wahrgenommen - weil sich niemand für mich interessiert hat. Und in den Krankenhäusern in denen ich dann oft wachgeworden und auch manchmal auf der Intensivstation gelegen habe, wurde mir nie ernsthaft Hilfe angeboten.
Das war immer als sei es am Rande passiert. Ich bin dann immer nach Hause gegangen, und der Weg ging weiter. Und ich habe dann auch erstaunlicherweise einfach weiter funktioniert. Nach jedem Zusammenbruch folgte eine Phase des mich Emporkämpfens. Bald kannte ich in meinem Leben gar nichts Anderes mehr.
Ein Durchbruch war meine Reise nach New York. Ich wurde dort praktisch sofort eingebuchtet, weil ich wieder oder immer noch, total neben mir stand. Aber ich hatte das Glück in einer Klinik zu landen, die Privat und sehr gut war. Die Erfahrung dort hat mein Leben komplett umgekrempelt. 2 Pfleger und ein Arzt waren Stunden am Tag damit beschäftigt, sich mit mir zu befassen - nachts sass jemand vor der geöffneten Tür und hat aufgepasst, dass es eienm gut geht. Und ich habe ein Medikament bekommen, von dem es mir schlagartig besser ging. Ohne eine einzige Nebenwirkung. Ich habe drei Wochen in der Klinik verbracht, dann musste ich zurück fliegen. Zwei Mitarbeiter der Station haben mich zum Flughafen begleitet und stundenlang mit mir auf den Abflug gewartet. Zum Schluss hat man mir nochmal das Medikament gegeben.
Zurück in Deutschland ging es mir am Ende des Tages wieder furchtbar schlecht. Zwar hatte ich von dem Medikament keine Entzugserscheinungen, aber es hat eben sehr gefehlt.
Da bin ich zum ersten Mal zum Psychiater gegangen, in der Erwartung hier etwas gleichwertiges verschrieben zu bekommen. Insgesamt habe ich mich mit dem was Du beschreibst fast ein Jahr herumgequählt. Nur Nebenwirkungen, keine Hilfe.
Und ich erinnere mich noch genau, wie ich mit einer fast vollen Packung dieser Pillen in die Apotheke gegangen bin, und sie dort abgegeben habe.
Danach folgte die graueste und trübsinnigste Zeit meines Lebens.
Inzwischen weiss ich, dass ich an einem enormen Vitalstoffmagel gelitten habe. Denn als ich mehr durch Zufall angefangen habe Multivitamine zu nehmen, ging es mir immer besser. Das hat sich über die Monate und Jahre soweit verbessert, dass ich ein Studium gemacht habe, und gearbeitet habe. Später habe ich geheiratet und ein Kind bekommen.
Durch äussere Einflüsse habe ich immer wieder auch heftige Zeiten erlebt. Da habe ich angefangen homöopathische Mittel zu nehmen. Und die helfen mir bis heute. Zusätzlich zu vielen Nahrungsergänzungsmitteln, die ich täglich einnehme. Und wenn es mir ganz schlecht geht, wie in den letzten 2 Jahren mit den Wechseljahren, nehme ich zusätzlich Johanniskraut ein. Insgesamt komme ich mit diesen Sachen sehr gut zurecht.

Aber ich habe auch an mir gearbeitet. So wie ich jeden Tag mit meinem Körper arbeite für eine gewisse Fitness, arbeite ich seit Jahren mit meiner Psyche. Das hat sich durch die ganzen Jahrzente ergeben. Durch viel lesen, viele Gespräche und manchmal auch Therapie. Ich spüre es, wenn ich in eine schlechte Verfassung zu rutschen drohe. Und je nach Auslöser - Körperlich, mental oder psychisch - setze ich dagegen. Das läuft fast schon automatisch ab. Genauso wie ich täglich den Körper checke, welche Muskeln mal wieder bewegt werden müssen, mache ich das mit meiner Psyche. Das geht über das was ich esse, über mentales Training und hin zu dem was ich mir seelisch und körperlich tue. Wie gesagt, läuft das bei mir schon ganz automatisch.
Die persönlichen Befindlichkeiten werden dabei natürlich abgeschliffen. Früher habe ich noch mit mir verhandelt - oh nö, darauf habe ich gerade keine Lust. Oder ohnö, das schmeckt mir aber gerade besser. Das Ergebnis waren tiefste Abstürze.
Es geht mir besser, wenn ich das tue, was mir gut tut.

Lange Rede, kurzer Sinn : versuchs mal ohne die Chemie!

LG

13.12.2017 07:13 • x 1 #3


Gerd1965
Liebe Sandra,


dein Beschwerdebild wird mit Sicherheit von der Umstellung herkommen. Das dauert jetzt einfach ein bis zwei Wochen, dass es sich wieder bessert, da muss ein jeder durch. Glaub mir, dann gehts bergauf. Auch ich würde mit dem Arzt noch einmal sprechen, damit er das Tempo der Umstellung eventuell reduziert.
Aber ganz wichtig, lass dich nicht von Medikamentengegnern verunsichern. Wenn eine schwere Depression diagnostiziert wurde, brauchst du medikamentöse Unterstützung! Ein Weglassen von Medikamenten wäre fatal und ein Irrsinn.

Wünsche dir alles Gute!

20.12.2017 07:44 • x 2 #4


petrus57
Zitat von Gerd52:
Aber ganz wichtig, lass dich nicht von Medikamentengegnern verunsichern. Wenn eine schwere Depression diagnostiziert wurde, brauchst du medikamentöse Unterstützung!


Sehe ich genauso. Tabletten bringen zwar oft keine Heilung aber vielleicht eine Linderung. Das mit den Brain Zaps vergeht nach einiger Zeit wieder. Ich hatte mich damals nach einiger Zeit daran gewöhnt. Sie sind zwar nervend aber nicht gefährlich.

20.12.2017 08:43 • x 2 #5


F
Versuche es mal mit Amitriptylin statt Escitalopram.
Amitriptylin hat direkt nach Einnahme eine beruhigende Wirkung,was die Abdosierung vom Venlafaxin sehr erleichtern würde.
Nach ein paar Wochen entfaltet sich auch eine antidepressive Wirkung.
Eine mögliche Nebenwirkung ist zwar Gewichtszunahme aber besser als auf dem Zahnfleisch kriechen...

20.12.2017 18:24 • x 1 #6





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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl