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Ein Mitbewohner (62) meiner WG - eine klassische Mehrgenerationen WG - hat nach meiner Beobachtung eine schwere Depression. Sein Leben spielt sich im Bett ab, wo er meist schläft aber auch Filme sieht und in allen möglichen Foren unterwegs ist. Ansonsten ist er völlig antriebslos, Briefe werden nicht geöffnet, Rechnungen (meist die x. Mahnung̀) werden nicht bezahlt, Termine nicht wahrgenommen. Die Körperpflege wird vernachlässigt. In seinem Zimmer kann man keinen Fuß auf den Boden tun. Der Tüv für sein Auto ist seit 5 Monaten abgelaufen. Nach vielen Mahnungen und Bußgeldbescheiden wurde die Betriebserlaubnis entzogen.
Irgendwie weiß er, dass es so nicht weitergehen kann. Für Konsequenzen (Hilfe suchen, Arzttermine wahrnehmn) fehlen Kraft und Antrieb.
Was kann ich tun, damit er endlich Hilfe bekommt.
Am liebsten würde ich ihn in die Psychiatrie einweisen lassen. Er hat selbst schon so etwas gesagt.
Was kann ich tun?
Ich freue mich auf jede Idee.
Viele Grüße Jbucz

Vor 58 Minuten • 08.05.2025 #1


2 Antworten ↓


Zitat von Jbucz:
Was kann ich tun, damit er endlich Hilfe bekommt.

Begleite ihn zum Hausarzt.
Dort kann er auch Antidepressiva verschrieben bekommen. So schnell bekäme er ja eh keinen Termin beim niedergelassenen Psychiater.
Aber ein Medikament wäre ein sehr guter Anfang für ihn, wieder in eine Lebenssituation zu kommen, in der er Entscheidungen treffen kann.

@Jbucz

Klingt nach einem extremen Fall von depressiver Antriebslosigkeit – und auch danach, dass der Punkt, an dem man “nur gut zureden” kann, längst überschritten ist. Dass du als Mitbewohner da nicht mehr zuschauen kannst, ist absolut verständlich. Es geht ja nicht nur um dein Mitleid, sondern auch um die eigene psychische Belastung, wenn man das täglich mitbekommt und gleichzeitig das Gefühl hat, zu scheitern, obwohl man helfen will.

Kurz gesagt: Allein kommst du da nicht weiter – und du musst es auch nicht.

Möglichkeiten die du hast:

1. Sozialpsychiatrischer Dienst
Das ist in so einem Fall die erste Adresse. Die können Hausbesuche machen und prüfen, ob eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt. Auch wenn keine vorliegt, können sie helfen, einen Weg zur ambulanten oder stationären Behandlung zu organisieren. Wichtig ist: Du musst keine medizinische Einschätzung liefern – einfach die Situation schildern reicht.

2. Betreuungsgericht / rechtliche Betreuung
Wenn jemand seine Angelegenheiten (wie du schilderst: Finanzen, Termine, Alltag) dauerhaft nicht mehr regeln kann, kann eine rechtliche Betreuung beantragt werden. Auch das läuft übers Amtsgericht. Zuständig ist das Betreuungsgericht – du kannst den Fall dort melden.

3. Red mit ihm, aber konkret.
Nicht: „Du solltest mal zum Arzt gehen.“
Sondern: „Ich mach mir ernsthaft Sorgen. Ich sehe, dass du das allein nicht mehr schaffst. Wenn du willst, ruf ich mit dir beim sozialpsychiatrischen Dienst an.“
Wenn er selbst schon von Klinik gesprochen hat, ist das ’ne Tür, die du nutzen kannst – aber ohne Druck. Menschen mit Depressionen brauchen oft konkrete Angebote, keine Appelle.

Aber der aller wichtigste Punkt:
4. Eigene Grenzen klarkriegen.
Du kannst helfen – aber du kannst ihn nicht retten. Und du bist nicht dafür verantwortlich, was passiert, wenn er keine Hilfe annimmt. Du kannst alles richtig machen und trotzdem keine Besserung sehen. Also tu, was in deiner Macht liegt – aber nicht auf Kosten deiner eigenen Gesundheit.

Wenn er nicht drauf eingeht, musst du dich abgrenzen. Du kannst alle Hilfe der Welt anbieten, aber sie miss angenommen werden. Du kannst niemanden ernsthaft zur Annahme zwingen.





Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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