Pfeil rechts
35

MissHolly81
Hallo ihr Lieben,

mir ist aufgefallen, dass ich manchmal regelrecht nach Symptomen suche.
Anfangs hab ich zufällig etwas entdeckt und dann kam die Panik. Sobald es vom Arzt abgeklärt war, konnte ich einen Haken dran machen.
Die Angst war solange weg, bis ich wieder einmal etwas zufällig entdeckte.

Mittlerweile erwische ich mich dabei, dass ich mich gezielt abtaste und das meist so lange, bis ich auch einen neuen Knoten gefunden habe ( hab ziemlich viele Zysten in den Brüsten und somit auch immer mal wieder einen neuen Knoten).

Oder gezielt auf meinen Stuhl achte, bei jedem Toilettengang usw usw.

Seit einigen Monaten halten mich ja meine Augen auf Trab und solange das im Vordergrund steht, geht es mit den anderen Dingen.
Sobald ich aber ein Augenphänomen für mich abhaken konnte, erwische ich mich bei der weiteren Suche.
Als ob ich nicht glauben kann, nichts zu haben und gesund zu sein.

Geht es euch auch so?
Und wenn ich etwas gefunden habe ( egal ob zufällig oder nicht ), kann ich an nichts anderes mehr denken und kontrolliere es ständig und immer wieder. Suche dann nach Sicherheit bei Dr. Google und engen Freunden oder halt bei Ärzten.

Manchmal hab ich auch eine Erwartungsangst. Z. Bsp. Angst davor Lichtblitze / Flecken etc. zu sehn, wenn ich die Augen schließe.
Und Bubb… sehe ich diese dann auch.

Dass das Angsterhaltene Maßnahmen sind und Dr. Google der schlechteste Ratgeber aller Zeiten, weiß ich.
Aber wenn ich drin stecke, zählt mein Wissen nicht mehr und mache all diese Dinge ‍️

29.08.2022 23:36 • 30.08.2022 x 2 #1


12 Antworten ↓


koenig
Moin,

ich denke, man sucht nicht nach Symptomen oder Krankheiten, sondern man hat einen Kontrollzwang. Das gibt einem Sicherheit. Manche kontrollieren ihre Kaffeemaschinen, ob sie aus, die Tür, ob sie zu ist, manche manche eben ihren Körper. Am Ende stecken Unsicherheit und Ängste dahinter.

Und Dr. Google gehört verboten!

30.08.2022 07:54 • x 3 #2


A


Sucht ihr nach Krankheiten?

x 3


moo
Zitat von MissHolly81:
Und wenn ich etwas gefunden habe ( egal ob zufällig oder nicht ), kann ich an nichts anderes mehr denken und kontrolliere es ständig und immer wieder. Suche dann nach Sicherheit bei Dr. Google und engen Freunden oder halt bei Ärzten.


Die Suche danach und das Finden - was hast Du davon?

Ich meine diese Frage ganz ernst. Das Suchen nach einer Erkrankung und das nachherige Fürchten (und Beruhigen!) gleicht einer Sucht. Jede Sucht hat ihren Sinn, ihren für den Süchtigen empfundenen Benefit. Sonst würde er der Sucht nicht immer wieder nachgeben.

Also?

30.08.2022 08:06 • x 4 #3


marialola
Da ist etwas sehr wahres dran; es ist eine Form des Suchtverhaltens. Es gibt ja auch Menschen, die sich selbst verletzen, auch das ist eine Form der Sucht.
Ich kenne das oben beschriebene Verhalten seit frühester Jugend, diese Kontrolle der Haut, das Abtasten, bis man wieder völlig zusammengebrochen bei einem Arzt saß, der einem dann Absolution erteilte, was eine Glücksgefühl auslöste. Irgendwann scheint sich das zu automatisieren, die Psyche sucht etwas, findet Angst und Schmerz und darauf die Erlösung.
Die Abstände werden immer kürzer.
Ein typisches Suchtverhalten.
Frage wäre, ob Menschen mit dieser Krankheitsangst auch andere Süchte entwickeln oder bereits haben.
Bei mir war die einzige Lösung, die mich da herausgezogen hat, dass ich für mich den Entschluss gefasst habe, dass es sch*****egal ist, ob ich jetzt etwas Furchtbares habe, ich ignoriere den Drang, darauf einzugehen und sage mir egal, dann stirbst du jetzt eben.
Das ist anfangs nicht leicht, wirklich nicht.
Aber ich habe gemerkt, dass die Beobachtungen, die ich bei mir zu machen glaube, am Abend bereits vergessen sind, wenn ich sie nicht weiter verfolge. Das ist wirklich so.
Würde ich dem hingegen nachgehen, würde ich wieder in diese Hölle abstürzen, in der ich mich vor einigen Jahren immer wieder befand.
Das war so furchtbar, dass ich irgendwann dachte, der reale Tod kann auch nicht schlimmer sein. Ich habe dann einmal drei Jahre mit einem tödlichen Symptom gelebt, es akzeptiert, dass ich von dieser schönen Welt muss und, oh Wunder, die Angst verblasste. Weil der Mensch nur einen gewissen Zeitraum in dieser erhöhten Alarmstufe bleibt, danach tritt Gewöhnung und Abstumpfung ein.
Es war eine Radikalkur.
Ich starb nicht und das Symptom verschwand von selbst.
Seitdem ignoriere ich neu auftretende Dinge, lasse die Finger von Google und ich habe jetzt eine lange Phase, wo ich Ruhe vor diesem Dämon Angst habe. So nenne ich das nämlich.
Es ist ein Dämon, der auf nichts anderes aus ist, als das ohnehin kurze Leben zu zerstören.
Natürlich gibt es keine Dämonen, das ist klar, aber diese Sicht hilft mir.
Wenn ich jetzt meine, im Spiegel einen Pickel zu entdecken, der ganz sicher tödlich ist, dann sage ich mir verschwinde doch, du blöder Dämon und am Abend erinnere ich mich schon gar nicht mehr an besagten Pickel. Früher wäre ich wieder völlig aufgelöst in irgend einem Wartezimmer gelandet, natürlich ohne Termin, völlig gestresst.

30.08.2022 09:47 • x 6 #4


Karimma
Zitat von MissHolly81:
Hallo ihr Lieben, mir ist aufgefallen, dass ich manchmal regelrecht nach Symptomen suche. Anfangs hab ich zufällig etwas entdeckt und dann kam die ...

Du hast sehr schön alles genauso beschrieben wie es mir auch geht.
Bei mir hat das nach dem Tod meiner Oma begonnen ganz schlimm ist es seit dem Tod meiner Mutter. Da liegt irgendwie die Ursache.
Aber oft denke ich auch, dass ich ziemlich allein bin und ich daher den Fokus auf mich richte. Ach, keine Ahnung.

30.08.2022 09:57 • x 1 #5


Karimma
Zitat von marialola:
Da ist etwas sehr wahres dran; es ist eine Form des Suchtverhaltens. Es gibt ja auch Menschen, die sich selbst verletzen, auch das ist eine Form der ...

Das ist mal eine Idee......sicher schwer, aber ich glaube, es ist einen Versuch wert.

30.08.2022 09:59 • #6


MissHolly81
Oha- so hab ich das tatsächlich noch nie betrachtet.
Ihr könntet Recht haben.
Ich hab mal geraucht, aber vor 8 Jahren aufgehört. Ansonsten hatte ich nie irgendeine Sucht und auch keine Zwänge.
Ab und an mal ganz leichte Zwangsgedanken, aber nur 1-2 Gedanken mal alle paar Jahre. Nix belastendes in dem Sinne.

Meint ihr Zwänge und Sucht sind gleich zu setzen? Oder worin liegt der Unterschied?

30.08.2022 10:04 • #7


koenig
Zitat von MissHolly81:
Meint ihr Zwänge und Sucht sind gleich zu setzen?


Das würde ich nicht sagen. Süchte sind m. E. gesteuert durch körperliche Prozesse.

Du wirst kaum glauben, wie vielen Zwängen man unterliegt, ohne es zu merken oder es als solchen wahrzunehmen.
Zwänge spiegeln Unsicherheiten und Ängste wieder. Wenn man merkt, dass man z. B. in einen Zwang verfällt oder Zwangsgedanken hat, die einem Angst machen, sollte ruhig auch mal nach seinen Gefühlen schauen. Da stecken auch oft Emotionen dahinter.

Wenn ich meinen Körper beobachte und mich auf Symptome fokussiere, warum mache ich das? Was will ich damit erreichen? Dass ich eine vermeintliche Krankheit schnell entdecke, um bessere Heilungschancen zu haben, weil ich mich vor dem Leid und Tod fürchte? Ist es am Ende nicht auch die Angst vor den Dingen, die man nicht steuern kann, nicht beeinflussen, nicht ändern kann? Das sind Dinge, die unsicher machen und Angst erzeugen.
Oder beobachte ich mich, weil ich Gefühle nicht lebe, sie verstecke, mich ablenke?

Was auch immer. Es ist gut, sich damit mal auseinander zu setzen und zu hinterfragen. Immer wieder, wenn es sein muss.

30.08.2022 10:32 • x 3 #8


moo
Zitat von marialola:
Irgendwann scheint sich das zu automatisieren, die Psyche sucht etwas, findet Angst und Schmerz und darauf die Erlösung.

Ja, ganz genau so habe ich das früher auch erlebt und dieses Muster höre und lese ich regelmäßig und nahezu ausnahmslos bei Zwänglern - und, wenn man etwas weiter bohrt, auch bei Ängstlern.

Zitat von marialola:
Frage wäre, ob Menschen mit dieser Krankheitsangst auch andere Süchte entwickeln oder bereits haben.

Bei mir auf jeden Fall.

Die Suchtneigung insgesamt kann einerseits als Symptom erkannt werden (z. B. in der Suchttherapie) oder aber als Ursache (oft im Zuge von Depressions-, Angst-, Zwangstherapien). Letzteres empfinde ich persönlich als fragwürdig, denn der Suchtneigung wird leider oft in überhöhtem Maße ein genetischer Faktor zugrunde gelegt. Dies meist von Therapeuten, die keine spezielle Ausbildung hinsichtlich Suchterkrankung haben. Sucht hat ganz klar weitaus komplexere Ursachen als eine sogenannte genetische Prädisposition.

Wer bei sich Suchtneigungen erkennt bzw. sich traut, sie anzuerkennen, wird überrascht sein, wie allumfassend er von einer speziellen Suchttherapie profitieren kann! Ich habe das am eigenen Geist erlebt und mit mir zahlreiche Klienten in der Suchtambulanz der Caritas. Einer meiner Kollegen sagte nach seinem Jahr Suchttherapie (Einzel- und Gruppengespräche - sonst nichts!), dass sie ihn bedeutend weiter gebracht habe als 11 Jahre Psychotherapie! Letztere hat er inzwischen beendet, weil er sie als überholt betrachtet. Das nenne ich echte Heilung...

Zitat von marialola:
... und sage mir egal, dann stirbst du jetzt eben.
Genau! Das nenne ich Umkehrung der Suchtenergie - denn man kann diesen Drive eben auch nutzen, indem man die Trägheit des Suchttriebs umgestaltet in eine Trägheit gegenüber des Suchttriebs. So stur wie man zuvor der Sucht nachging, so stur lässt man sie nun links liegen.

Zitat von marialola:
Aber ich habe gemerkt, dass die Beobachtungen, die ich bei mir zu machen glaube, am Abend bereits vergessen sind, wenn ich sie nicht weiter verfolge. Das ist wirklich so.

Darum halte ich z. B. Selbsthilfegruppen für so unschätzbar wertvoll.

Zitat von marialola:
Das war so furchtbar, dass ich irgendwann dachte, der reale Tod kann auch nicht schlimmer sein. Ich habe dann einmal drei Jahre mit einem tödlichen Symptom gelebt, es akzeptiert, dass ich von dieser schönen Welt muss und, oh Wunder, die Angst verblasste. Weil der Mensch nur einen gewissen Zeitraum in dieser erhöhten Alarmstufe bleibt, danach tritt Gewöhnung und Abstumpfung ein. Es war eine Radikalkur. Ich starb nicht und das Symptom verschwand von selbst.

Bravo!

Hervorragender, hilfreicher Bericht - vielen Dank!

30.08.2022 10:37 • x 4 #9


marialola
Zwänge können bereits akribische Ordnungsliebe sein, die ich auch kenne.
Es gibt mir ein Gefühl der Sicherheit, wenn ich in bestimmten Bereichen Ordnung einhalte.
Das finde ich nun aber nicht schlimm, im Gegenteil. Solange es nicht den Alltag negativ belastet, ist es ok. Und eigentlich hilft es mir, weil ich dadurch weniger chaotisch bin.

30.08.2022 10:39 • x 3 #10


marialola
@ moo
Danke für die ausführliche Antwort.
Was ich da gemacht habe war hart und sicher nicht für jeden zu empfehlen.
Aber ich hatte es einfach satt, immer wieder als Häufchen Elend in einem Wartezimmer zu sitzen.
während draußen die Sonne schien.
Mir hat es sehr geholfen.

30.08.2022 10:44 • x 3 #11


moo
Zitat von koenig:


Das würde ich nicht sagen. Süchte sind m. E. gesteuert durch körperliche Prozesse.

Obschon diese Ansicht weit verbreitet ist, wage ich zu widersprechen. Man kann sowohl Sucht als auch Zwang in körperlicher Hinsicht und/oder als geistige Angelegenheit verstehen. Ich persönlich sehe z. B. Neurotransmitterfunktionen als körperliche Komponente und Emotionen, Gefühle, Wahrnehmung etc. als geistige Komponente des Menschen. Sie sind zwei Seiten der einen Hand, die zugreift oder loslässt, nicht ergreift oder ergriffen wird. All diese Neigungen sind bereits Ausdruck dessen, was wir meinen, zu sein.

In Entzugskliniken wird z. B. ganz anders gearbeitet als in Entwöhnungskliniken. Wie die beiden Begriffe schon sagen: Beim Entzug wird Dir etwas weggenommen (materiell), bei der Entwöhnung arbeitest Du an dem, der zugreift (geistig).

30.08.2022 10:47 • x 2 #12


moo
Zitat von marialola:
Was ich da gemacht habe war hart und sicher nicht für jeden zu empfehlen.
Aber ich hatte es einfach satt, immer wieder als Häufchen Elend in einem Wartezimmer zu sitzen.
während draußen die Sonne schien.

Ging mir mit meinen Zwängen ebenso. Sie überschatteten mein Gesamtes Leben, sie waren mein Leben. Der Restfunke Klarheit ließ mich ebenso wie Dich seinerzeit den Entschluss fassen, dass ich MIR nun mein Leben (zurück-)nehme!

30.08.2022 10:50 • x 4 #13


A


x 4





Auch interessant

Hits

Antworten

Letzter Beitrag


Dr. Matthias Nagel