DCH
- 6
War jetzt mehrere Monate so ziemlich angstfrei was die ALS betrifft.
Hatte letzten Winter dauernd Schluckbeschwerden (trockenes ist mir immer hängen geblieben, verschluckt sehr selten). Schluckuntersuchung war unauffällig und irgendwann war es dann auch wieder weg. Aber es war schlimm. Schon vor dem Essen hab ich immer geschwitzt und Panik gehabt. Das Kloßgefühl und Räuspern kenne ich natürlich auch, hab ich recht häufig.
Vor paar Wochen hab ich dann das Gefühl gehabt ich spreche undeutlich. Vor allem bei S-Lauten habe ich mich ständig versprochen und nicht gut artikuliert. Hab ständig Zungenbrecher geübt und mir ist aufgefallen dass ich bestimmte Worte wie Touchscreen nur deutlich sprechen kann wenn ich zwischen Touch und Screen kurz pausiere. Hab das dann mehrere Leute sagen lassen und festgestellt manche können es und manche können es auch nicht gut. Da war die ALS Angst dann wieder bisschen besser.
Zucken kenne ich zu genügen und auch muskuläre Schmerzen. Sogar die Zunge hat schon nachgewiesen gezuckt und nachgewiesen von einem Neuro, nach 3 Tagen ging es aber wieder weg und kam seit 1 Jahr nicht wieder.
Was mich jetzt her treibt obwohl ich es eigentlich nicht mehr machen wollte ist dass es am Samstag im Daumenballen gezuckt hat. Mehrere Stunden. Wenn ne Stelle heftig zuckt Schmier ich immer Franzbranntwein drauf und oft hört es dann auch auf nach paar Stunden.
So weit so gut.
Am nächsten Tag hab ich die Hand dann in Ruhe gelassen weil ich nicht wieder neue Faszis provozieren wollte.
Einen weiteren Tag später hab ich dann Krafttests gemacht mit der Hand. Mit einer Fingerhantel. So ein Teil was man mit den Händen zusammendrückt.
Habs eigentlich nicht übertrieben ausser dass ich anstatt mit allen Fingern auch mit dem Daumen EINZELN dieses Teil zusammengedrückt hab. Jedenfalls hab ich super Kraft in beiden Händen. Links obwohl das meine schwächere Hand ist sogar mehr Kraft.
Naja hab dann natürlich am nächsten Tag Schmerzen gehabt im linken Daumen und Daumenballen. Rein logisch und rational gedacht hab ich mir halt einfach den Daumen, die Gelenke und Bänder überlastet. Muss dazu sagen dass diese Hand auch schon operiert wurde aufgrund einer Handgelenksfraktur und einem Abriss der Strecksehne im Daumen. Das wurde dann wieder rekonstruiert. Ist halt schon 18 Jahre her. Aber vielleicht dennoch anfälliger für Überlastung aufgrund dessen.
Jedenfalls lässt es mir jetzt keine Ruhe weil mir dazu direkt Nina Zacher einfällt. Bei der hat es ja mit Schmerzen im Daumenballen nach dem Ski fahren begonnen:
Eines Abends in diesem Skiurlaub spürt Nina eine Art Druck in ihrem rechten Daumenballen, eine Mischung aus Schmerz und Taubheitsgefühl. Wahrscheinlich, so tippt sie als Erstes, ist es eine Prellung, eine Zerrung, verursacht durch ein unglückliches Abbremsen mit dem Skistock auf der Piste am Nachmittag. Nina beschließt, dem keine be- sondere Aufmerksamkeit zu schenken und vertraut dar- auf, dass es einfach von alleine vorbeigehen wird. Doch es bleibt. Selbst Wochen nach der Rückkehr nach München will das komische Gefühl im Daumen einfach nicht wei- chen. Im Gegenteil, das, was sich zuerst anfühlt, wie ein heftiger Muskelkater, wird zunehmend intensiver und be- ginnt sich weiter auszubreiten: erst auf den Daumenbal- len, dann auf die Hand und schließlich auf den ganzen Unterarm.
Was Nina zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: In ihrem zentralen Nervensystem hat sich ein hochkomplexer Prozess in Gang gesetzt, der ihre motorischen Nervenzel- len schädigt und zu einem unaufhaltsamen Muskelabbau führt. In den kommenden Monaten ergreift die Erkran- kung langsam, aber stetig Besitz über Ninas gesamten Körper. Als Erstes verliert sie die Kraft in ihrer Hand, so dass ihr Gegenstände einfach aus den Fingern gleiten.
Das macht mir ziemliche Angst weil sie hat ihre Hand beim Ski fahren auch belastet und hatte dann Schmerzen aber erst Wochen später Kraftverlust.
Könnte ich jetzt 1 zu 1 so auf mich beziehen. Könnte heulen.
Und hab noch mehr schreckliches gelesen:
Es ist ein Buch, das Tränen hervorruft. Und es ist auch ein Buch, das das innere Lächeln berührt, weil es ein großartiges Vermächtnis ist. Entstanden ist es auch aus vielen tausend EMails und Textfragmenten, die Nina Zacher und ihr Ehemann, Karl-Heinz, im Laufe ihrer Erkrankung an ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) geschrieben hatten. Teilweise sind sie sehr emotional, teilweise sind sie sehr analytisch im Beschreiben, wie die Muskelschwäche zum körperlichen Verfall führt.
40.000 Menschen verfolgten auf Facebook regelmäßig ihr Schicksal, weil Nina Zacher sich nicht nur zum Gesicht aller ALS-Opfer in der Öffentlichkeit machte, sondern sich darüber hinaus entschieden hatte, ihre vier Kinder in Offenheit über ihre Krankheit aufzuklären und auf den damit verbundenen Tod vorzubereiten. Ihr Versprechen dahinter: Ich werde euch begleiten, auch wenn ich nicht mehr bei euch sein kann.
So entstand auch der Titel dieses bewegenden und erschütternden Buches, weil darin auch ein Brief an die kleine Lola enthalten ist: "Auf deinem Weg werde ich dich, auch wenn ich nicht mehr körperlich vorhanden bin, immer begleiten, das verspreche ich dir. Suche dir einen schönen Stern am Himmel aus, der besonders hell leuchtet, auf dem werde ich sitzen und dich beschützen." Einige Briefe dieser Art sind in dem Buch veröffentlicht. Andere sind noch im Besitz von Karl-Heinz Zacher, der die Briefe an speziellen Anlässen seinen Kindern im Auftrag der Mutter übergeben wird zur Erstkommunion, beim ersten Liebeskummer, zum 18. Geburtstag
Seit zwei Jahren ist Nina Zacher nun schon tot. Da seine Frau das Buch nicht mehr vollenden konnte, erfüllte Karl-Heinz Zacher posthum ihren Wunsch. Auch die älteste Tochter arbeitete mit, weil das Buch den jüngeren Geschwistern in zehn Jahren ein besonderes Vermächtnis sein wird. Genau wie die Stiftung faceALS, die Karl-Heinz Zacher im Mai 2017 ins Leben rief; in den vergangenen zwei Jahren hat er damit einiges bewegen können.
»ALS ist eine monströse Krankheit, die bei meiner Frau ganz unauffällig am Daumenmuskel begann«, erläutert Karl-Heinz Zacher. »Von dort sprangen die Symptome nach und nach auf alle Finger über. Später war dann auch die andere Hand betroffen. Es folgten unzählige medizinische Untersuchungen, weil ALS über das Ausschlussverfahren diagnostiziert wird. Am Ende, wenn die Ärzte nichts gefunden haben, dann ist es ALS. Insgesamt zog sich die Diagnostik über 22 Monate hin. Diese Zeit war natürlich nicht nur von der täglichen Zunahme körperlicher Einschränkungen geprägt, sondern auch von einer starken psychischen Belastung. Schließlich bedeutet die Diagnose ein Todesurteil. Mit Beginn der Symptome beträgt die durchschnittliche Lebenszeit noch drei bis fünf Jahre. ALS ist bis heute nicht heilbar und auch nicht behandelbar. Erschreckt hatte mich dabei auch, dass mir eigentlich niemand diese Krankheit genau erklären konnte. Gemeinsam mit meinem Nachbarn, einem Molekularbiologen und Prof. Christian Schreiber, welcher acht Wochen nach meiner Frau auch an ALS starb, haben wir begonnen, international enge Kontakt in der Forschung, der Wissenschaft und der Pharmaindustrie zu knüpfen, um das in der Zukunft zu ändern. Daraus entwickelten sich interessante Ansätze, die das Immunsystem als Verursacher in den Fokus rücken. Mit der von mir ins Leben gerufenen Stiftung »faceALS« wurde eine klinische Studie dazu initiiert. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir so viele renommierte Partner dafür gewinnen konnten. Unser erstes Ziel dabei ist es, im Bereich der frühzeitigen Diagnose etwas bewegen zu können, um die qualvolle Zeit zwischen Verdacht und klarer Diagnose zu verkürzen. In dieser Zeit schweben die Erkrankten zwischen Hoffen und Bangen und leiden extrem darunter. Langsam kristallisieren sich auch schon erste Ansätze heraus, wie Therapien bei ALS aussehen könnten. Auch gesellschaftspolitisch ist unsere Arbeit sehr wichtig, weil ALS deutlich auf dem Vormarsch ist. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2030 die Zahl der ALS-Erkrankten um 70 Prozent zunehmen wird. Mittlerweile hat ALS fast die Häufigkeit von Multipler Sklerose erreicht. Noch erschreckender wird es, wenn man sich vor Augen hält, dass pro Jahr mehr Menschen an ALS sterben als durch Verkehrsunfälle. Dies und eine Vielzahl anderer Faktoren treiben uns an, die Dinge in die richtige Richtung voranzutreiben. Das Leiden der Betroffenen ist so immens. Jeden Tag wird die Muskelschwäche größer, jeden Tag nimmt die Einschränkung zu. ALS kennt nur eine Richtung, bis zum Tod. Es gibt viel zu tun und wir tun auch viel in unseren eigenen Laboren mit unseren eigenen wissenschaftlichen Mitarbeitern, genauso wie bei der Beratung von ALS-Erkrankten und deren Angehörigen.«
06.08.2021 15:07 • #14381