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Hallo,

ich bin neu hier und habe mich registriert, weil ich eine grundsätzliche Frage zum Thema Platzangst habe.

Seit einem Zusammenbruch in einem Flugzeug (Panikattacke, heftigste Magenschmerzen, Hyperventilieren etc) vor fast genau einem Jahr habe ich starke Ängste. Ich steige nicht mehr in ähnliche Vehikel wie ein Flugzeug aus denen ich nicht nach eigenem Belieben aussteigen kann. Mit anderen Worten, Strassenbahn, vor allem die U-Bahn, Züge, Busse sind tabu. Autofahren kann ich langsam wieder. Ich habe Angst in Konzerten (die Türen könnten ja verschlossen sein), in öffentlichen Toiletten und dergleichen.

Ich war zum Glück gleich in einer Klinik für Psychosomatische Erkrankungen und bin jetzt ambulant in Behandlung. Und mittlerweile bin ich auf einem wirklich guten Weg. Ich gehe wieder arbeiten und die permanenten Angstgefühle werden auch weniger. Nun würde ich gerne die Platzangst Stück für Stück in Angriff nehmen, aber mir sind bislang SEHR unterschiedliche Ansätze begegnet.
Die klassischen Verhaltenstherapeuten raten einem, immer wieder in die angstmachenden Situationen zu gehen und zu lernen, das die Angst weniger wird. Mein Therapeut sagt aber, dass sollte ich auf gar keinen Fall tun, da sich sonst die Angst zu sehr ins Gehirn einbrennt. ich solle mich besser der Situation nähern, das mulmige Gefühl davor aushalten und rausgehen, sobald die Angst richtig kommt.

Beides leuchtet mir gleichermaßen ein, aber was ist denn nun richtig? Oder gibt es kein richtig und kein falsch?

Und weiter: in der Konfrontationstherapie heisst es, dass man merkt, dass die Angst weniger wird und dass man nicht wirklich in Ohnmacht fallen kann. Mir ist das aber passiert! Ich war im Flugzeug völlig ausser mir! Und jetzt stelle ich in Angstsituationen fest, dass die Angst zwar wirklich irgendwann abflaut, dass sie aber kurz darauf auch wiederkommen kann.

Was habt ihr für Erfahrungen gemacht? Und wie geht ihr damit um?

Vielen Dank schon einmal für Eure Antworten!
romy33

28.12.2009 01:13 • 29.12.2009 #1


9 Antworten ↓


S
hallo romy,

ich habe leider bisher auch nicht die erfahru ng gemacht, dass die angst abflaut und man sich dann an die situation gewöhnt - zumindest gelingt das mir nur ganz, ganz selten oft wird die angst auch schlimmer und breitet sich immer mehr aus bzw. bedrückt sie mich dann immer mehr. Im augenblick hilft es mir persönlich am meisten, meinen stress zu versucehn zu verringern und mehr darauf zu achten, was mir gut tut. Dann wird die angst weniger, auch in situatioen, die mir vorher unheimlich waren.

lg

28.12.2009 09:29 • #2


A


Hilfe bei Platzangst - was tun? Konfrontationstherapie

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Hallo Salome,

ja, das merke ich auch. Wenn ich auf mich aufpasse, dann geht es mir grundsätzlich besser und das latente Angstgefühl lässt nach. Aber Bahnfahren geht nie, auch wenn es mir gutgeht. Das ist immer noch so schwer zu verstehen. Bis vor einem Jahr war ich sehr reiselustig, bin überallhin gefahren. Und plötzlich gehts nicht mehr... Seltsam, was das Gehirn einem da für Streiche spielt.

Grüße,
romy33

28.12.2009 13:33 • #3


Christina
Zitat von romy33:
Die klassischen Verhaltenstherapeuten raten einem, immer wieder in die angstmachenden Situationen zu gehen und zu lernen, das die Angst weniger wird. Mein Therapeut sagt aber, dass sollte ich auf gar keinen Fall tun, da sich sonst die Angst zu sehr ins Gehirn einbrennt. ich solle mich besser der Situation nähern, das mulmige Gefühl davor aushalten und rausgehen, sobald die Angst richtig kommt.

Beides leuchtet mir gleichermaßen ein, aber was ist denn nun richtig? Oder gibt es kein richtig und kein falsch?
Es ist beides in gewisser Weise richtig. Die VTler haben Recht, wenn die Exposition richtig gemacht wird und man wirklich die Erfahrung macht, dass die Angst abnimmt. Dein Therapeut hat Recht, wenn die Exposition nicht korrekt durchgeführt wird. Dann verstärkt sie nämlich die Angst. Allerdings ist sein Vorschlag, die Angst als Signal zur Vermeidung zu nutzen, auch kontraproduktiv und angstverstärkend.

Ich habe dazu schon öfter was geschrieben, deswegen verlinke ich jetzt drauf: Es kann sein, dass du dich zwar angstmachenden Situationen stellst, nicht aber deiner Angst. Dazu noch was. Du musst dir über deine Befürchtungen klar sein und dich mit ihnen konfrontieren. Ist es Ohnmacht, Kontrollverlust, Blamage, Herzinfarkt? Das Prinzip habe ich mal beschrieben. Und dann gibt es Instruktionen wie man die Konfrontation durchsteht.

Zitat von romy33:
Und weiter: in der Konfrontationstherapie heisst es, dass man merkt, dass die Angst weniger wird und dass man nicht wirklich in Ohnmacht fallen kann. Mir ist das aber passiert! Ich war im Flugzeug völlig ausser mir! Und jetzt stelle ich in Angstsituationen fest, dass die Angst zwar wirklich irgendwann abflaut, dass sie aber kurz darauf auch wiederkommen kann.
Es ist zwar unwahrscheinlich, ohnmächtig zu werden, wenn man Angst hat (das Adrenalin und der dadurch erhöhte Blutdruck schützen vor Ohnmacht), aber es ist trotzdem möglich - wenn man z.B. steht und das zur Flucht bereitgestellte Blut quasi in den Beinen versackt. Es geht bei der Konfrontation nicht darum zu lernen, dass man 100 % sicher vor allem ist, was man befürchtet, sondern darum, Bedrohungen wieder richtig einzuschätzen und Restrisiken wieder zu tolerieren. Es geht auch nicht darum, keine Angst zu haben, sondern keine Angst vor der Angst mehr haben zu müssen. Wenn bei dir die Angst kurz darauf wieder kommt, könnte es sein, dass du ängstlich danach schaust, ob du wieder Angst bekommst.

Liebe Grüße
Christina

28.12.2009 14:22 • #4


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liebe christina, erstmal vielen dank für deine ausführliche antwort! ich bin zugegeben von der ganzen thematik etwas verwirrt, obwohl oder gerade weil ich schon einiges darüber erfahren habe. es scheint unterschiedliche denkansätze zu geben.
ich glaube, ich habe einen guten (gestalt-)therapeuten, wir kennen uns schon seit einiger zeit. er ist kein experte zum thema angst, aber trotzdem glaube ich, dass er mit mir einen guten weg geht. seiner ist halt nicht der verhaltenstherapeutische ansatz, sondern er versucht, das ganze ganzheitlicher zu sehen. mit anderen worten: wir versuchen herauszufinden, was hinter der angst steht. warum sie kommt, was ich für einen gewinn davon habe (wie du es in einem der threads ja auch geschrieben hattest). er glaubt, dass die angst verschwindet, wenn der auslöser dafür gefunden ist. ich habe die erfahrung gemacht, dass das ein guter weg ist und dass er auch funktioniert. dennoch bleibt die angst vor der angst und ich glaube auch, dass es für mich trotz allem gut wäre, die erfahrung zu machen, dass ich die angst aushalten kann. und da sind wir bei dem was du geschrieben hast: ich versuche die situationen irgendwie durchzustehen, erlaube mir die angst aber nicht. mein therapeut sagt mir, ich solle die situation nicht [b]trotz [/b]angst, sondern [b]mit[/b] der angst erleben. aber irgendwie weiss ich nicht so recht wie. du hast recht, dass ich nach dem abflauen wieder ängstlich darauf schaue, dass ich wieder angst bekomme. und dann kommt sie auch wieder. ich kann nicht aufhören damit. da bin ich irgendwie stur. wenn ich die situation nicht selber unter kontrolle habe (bahn bleibt stecken, ich kann nicht aus einem raum heraus) dann kann ich das nicht einfach annehmen.
meine befürchtungen sind dass sich dasselbe wiederholt wie im flieger vor einem jahr. ich hatte eine mordsmäßige panikattacke, habe hyperventiliert, sehr starke schmerzen gehabt und war wie von sinnen. ich habe geweint und war kurz davor auch zu schreien. ich finde, vor so einem erlebten kontrollverlust kann man schon angst bekommen. ausserdem halte ich die nähe anderer menschen in so einer situation so gut wie nicht aus. wenn ich in der bahn feststecke, ist mir diese nähe aufgezwungen. ich kann mich ihr nicht entziehen.

was die anweisung meines therapeuten angeht, so habe ich es vielleicht nicht ganz richtig beschrieben. er meinte, ich solle nicht gleich mit der stärksten situation anfangen. wenn ich also angst vor der bahn habe, dann soll ich erstmal nur zur haltestation gehen und schauen was passiert. er meinte, ich würde mir im alltag eh schon immer zuviel zumuten und müsste lernen, dass es auch wichtig sei, auf mich acht zu geben. dass auch mal 70% statt 250% reichten.
aber es stimmt schon - er hat mir geraten, die angst nicht kommen zu lassen. vielleicht sollte ich ihn dazu nochmal genauer befragen.

In der Klinik haben sie mir geraten, bei meinem therapeuten zu bleiben und keine Verhaltenstherapie zu machen. Sie sagten zum einen, ich sei schon so weit, dass mich das nur langweilen würde. und zum anderen sei das eine art dressur und wenn ich die angst an einer stelle bewältigt hätte, würde sie an anderer stelle wieder hervortreten.
passt zu deiner aussage.
also bleibt die frage, wie man sich der angst wirklich stellt.

Ich danke dir sehr,
romy33

28.12.2009 21:00 • #5


Christina
wir versuchen herauszufinden, was hinter der angst steht. warum sie kommt, was ich für einen gewinn davon habe (wie du es in einem der threads ja auch geschrieben hattest). er glaubt, dass die angst verschwindet, wenn der auslöser dafür gefunden ist. ich habe die erfahrung gemacht, dass das ein guter weg ist und dass er auch funktioniert.Dass es wichtig sein kann, den Krankheitsgewinn oder die Funktion der Angst, in m.E. selteneren Fällen auch den Auslöser zu finden, sehe ich auch so. Leider bin ich mir aber absolut sicher, dass das nicht reicht, denn dafür ist Angst zu gut gelernt und evolutionsmäßig zu wichtig.

mein therapeut sagt mir, ich solle die situation nicht trotz angst, sondern mit der angst erleben.Da hat er völlig Recht. In einem Buch zur sog. Acceptance and Commitment Therapy (ACT, eine weiterentwickelte Richtung der VT) habe ich gelesen, dass man sich die Angst als Monster vorstellen soll, das sich einem in den Weg stellt. Nun hat man die Wahl, seinen Weg nicht weiterzuverfolgen (also zu vermeiden) oder gegen das Monster zu kämpfen (was aussichtslos ist) oder es unterzuhaken und mitzunehmen. Übrigens finde ich diese ACT-Sache sehr interessant und therapiebegleitend nützlich, weniger zwanghaft als VT i.e.S.

aber irgendwie weiss ich nicht so recht wie. du hast recht, dass ich nach dem abflauen wieder ängstlich darauf schaue, dass ich wieder angst bekomme. und dann kommt sie auch wieder. ich kann nicht aufhören damit. da bin ich irgendwie stur. wenn ich die situation nicht selber unter kontrolle habe (bahn bleibt stecken, ich kann nicht aus einem raum heraus) dann kann ich das nicht einfach annehmen.Als ich mittlerweile vor einem knappen Jahr in einer psychosomatischen Klinik war, haben zwei Mitglieder der sog. Angstgruppe wegen exakt solcher Ängste eine (scheinbare) Rosskur gemacht: Sie ließen sich vom Therapeuten über eine Stunde allein in einem Raum einschließen. Zur Bewältigung der Angst sollten sie einen Notizblock und einen Stift mitnehmen, über sich selbst (nicht über ihre Angst und Symptome!) nachdenken und schreiben. Beide haben das als sehr positive Erfahrung beschrieben. Meine eigene Erfahrung ist die, dass man eine ICE-Tür z.B. auch dann nicht so einfach öffnen kann, wenn der Zug im Bahnhof steht. Und wenn er anfährt, ists sowieso vorbei. Der Moment des nichts mehr tun Könnens war für mich entscheidend, als ich das erkannt hatte, wurde ich ruhig.

meine befürchtungen sind dass sich dasselbe wiederholt wie im flieger vor einem jahr. ich hatte eine mordsmäßige panikattacke, habe hyperventiliert, sehr starke schmerzen gehabt und war wie von sinnen. ich habe geweint und war kurz davor auch zu schreien. ich finde, vor so einem erlebten kontrollverlust kann man schon angst bekommen.Klar, das ist verständlich. Aber: Es ist nichts passiert, du hast nicht (einmal) geschrien. Inzwischen weißt du, womit du es zu tun hast, was du tun kannst - u.a. in eine Tüte atmen. Und du kannst als Trockenübung mal absichtlich hyperventilieren. Dass es sich wiederholt, ist so gut wie ausgeschlossen. Wenn es sich wiederholen würde, wäre es immer noch bloß äußerst unangenehm, gefährlich wäre es nicht.

ausserdem halte ich die nähe anderer menschen in so einer situation so gut wie nicht aus. wenn ich in der bahn feststecke, ist mir diese nähe aufgezwungen. ich kann mich ihr nicht entziehen.Das ist sicher wieder etwas, das zu hinterfragen wäre. Den meisten wäre es peinlich, wenn andere etwas von der Panik merken würden. Auch das ist verständlich. Andererseits können einem andere Menschen aber auch helfen und sei es nur durch Ablenkung. Übrigens ist Angst in solchen Situationen nichts Exotisches - unwahrscheinlich, dass du in einem auch nur einigermaßen gefüllten Abteil die Einzige wärst.

was die anweisung meines therapeuten angeht, so habe ich es vielleicht nicht ganz richtig beschrieben. er meinte, ich solle nicht gleich mit der stärksten situation anfangen. wenn ich also angst vor der bahn habe, dann soll ich erstmal nur zur haltestation gehen und schauen was passiert. er meinte, ich würde mir im alltag eh schon immer zuviel zumuten und müsste lernen, dass es auch wichtig sei, auf mich acht zu geben. dass auch mal 70% statt 250% reichten.
aber es stimmt schon - er hat mir geraten, die angst nicht kommen zu lassen. vielleicht sollte ich ihn dazu nochmal genauer befragen.Ja, frag ruhig nochmal nach. Aber wenn er keinen therapeutischen Perfektionismus aufkommen lassen will, hat er m.E. Recht. Es kann ziemlich nach hinten losgehen, sich massiv unter Druck zu setzen - auch bei der Konfrontation. Meiner persönlichen Erfahrung nach ist es u.U. besser, sich die eine oder andere Vermeidung zu gestatten, als auf Biegen und Brechen funktionieren zu müssen. Das war bei mir ganz am Anfang so und hat mir erst eine Zwangsstörung und später Depressionen beschert - quasi die Art Symptomverschiebung, die dir in der Klinik angekündigt wurde. Das ergibt sich nicht zwingend aus der VT, sondern eher aus einer 08/15-Anwendung von VT. Da finde ich die Vorgehensweise der ACT sinnvoller: Die fragt nicht danach, was am meisten Angst macht, sondern was einem persönlich am wichtigsten zu können ist. Dafür ist man dann ja auch am ehesten bereit, Risiken und Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Und ein bisschen Todesverachtung braucht man schon, um sich auf die Konfrontation einzulassen.

Liebe Grüße
Christina

28.12.2009 22:10 • #6


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Dass es wichtig sein kann, den Krankheitsgewinn oder die Funktion der Angst, in m.E. selteneren Fällen auch den Auslöser zu finden, sehe ich auch so. Leider bin ich mir aber absolut sicher, dass das nicht reicht, denn dafür ist Angst zu gut gelernt und evolutionsmäßig zu wichtig.
wie meinst Du das?
Ich weiss nicht, neulich hatten wir eine erstaunliche Sitzung. Wir haben ein heißes Eisen angefasst, haben ein Thema behandelt, dass bei mir eine enorme Wut ausgelöst hat. Ich glaube, ich bin noch nie im Leben so ausgeflippt. Hinterher war ich unfassbar erleichtert und seither kann ich wieder Auto fahren. Die Angst ist (bis heute zumindest) verschwunden. Wirklich erstaunlich!

Da hat er völlig Recht. In einem Buch zur sog. Acceptance and Commitment Therapy (ACT, eine weiterentwickelte Richtung der VT) habe ich gelesen, dass man sich die Angst als Monster vorstellen soll, das sich einem in den Weg stellt. Nun hat man die Wahl, seinen Weg nicht weiterzuverfolgen (also zu vermeiden) oder gegen das Monster zu kämpfen (was aussichtslos ist) oder es unterzuhaken und mitzunehmen. Übrigens finde ich diese ACT-Sache sehr interessant und therapiebegleitend nützlich, weniger zwanghaft als VT i.e.S.
Das klingt interessant - da werde ich mal einschauen. Aber dazu noch eine Frage: Wie sieht es konkret aus das monster unterzuhaken und mitzunehmen? Mein Therapeut ist unter anderem auch schon lange Jahre mein Meditationslehrer, d.h. er hat einen buddhistischen Hintergrund, wenn er das auch für Westler transferiert hat. Er rät mir, bei der körperbeobachtung zu bleiben und die Angst einzuladen, sich auszubreiten. Meinst Du so etwas? Ich kenne diese Technik von der Lösung von Spannungsschmerzen. Da funktioniert es sehr häufig, aber während der Angst gelingt es mir in akuten Situationen eher selten.
Bei sozialer Angst wie z.B. der Redeangst würde das dann wahrscheinlich so aussehen, dass man nicht versucht die Angst zu verbergen, oder?


Als ich mittlerweile vor einem knappen Jahr in einer psychosomatischen Klinik war, haben zwei Mitglieder der sog. Angstgruppe wegen exakt solcher Ängste eine (scheinbare) Rosskur gemacht: Sie ließen sich vom Therapeuten über eine Stunde allein in einem Raum einschließen. Zur Bewältigung der Angst sollten sie einen Notizblock und einen Stift mitnehmen, über sich selbst (nicht über ihre Angst und Symptome!) nachdenken und schreiben. Beide haben das als sehr positive Erfahrung beschrieben.
Soetwas habe ich noch nie gehört. Was war der Hintergrund für eine solche Erfahrung? Wenn sie in der Not über sich selber schreiben, kommen sie dann an tiefere Gewissheiten?


Meine eigene Erfahrung ist die, dass man eine ICE-Tür z.B. auch dann nicht so einfach öffnen kann, wenn der Zug im Bahnhof steht. Und wenn er anfährt, ists sowieso vorbei. Der Moment des nichts mehr tun Könnens war für mich entscheidend, als ich das erkannt hatte, wurde ich ruhig.
Und das ist für mich der Moment, den ich nicht akzeptieren kann. Wenn mir klar wird, dass ich nichts mehr tun kann, bekomme ich Panik.

Klar, das ist verständlich. Aber: Es ist nichts passiert, du hast nicht (einmal) geschrien. Inzwischen weißt du, womit du es zu tun hast, was du tun kannst - u.a. in eine Tüte atmen. Und du kannst als Trockenübung mal absichtlich hyperventilieren. Dass es sich wiederholt, ist so gut wie ausgeschlossen. Wenn es sich wiederholen würde, wäre es immer noch bloß äußerst unangenehm, gefährlich wäre es nicht.
Das stimmt so leider nicht. Ich habe mich von selber nicht beruhigen können, die Stewardessen hatten schon überlegt, ob wir umkehren müssen. Es war letztlich ein Arzt an Bord, der mir ein Beruhigungsmittel gespritzt hat. Als die Wirkung aufhörte, kam die Panik und die Schmerzen zurück und blieben über Wochen. Dazu kamen starke Depressionen. Nichts hat geholfen, außer Medikamente. Diese Erfahrung war die Schlimmste in meinem Leben und das hat mich völlig verändert. Vor allem, weil sie für mich wie aus dem Nichts kamen. Ich hatte nie diese Ängste, bin häufig verreist.

Da finde ich die Vorgehensweise der ACT sinnvoller: Die fragt nicht danach, was am meisten Angst macht, sondern was einem persönlich am wichtigsten zu können ist. Dafür ist man dann ja auch am ehesten bereit, Risiken und Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Und ein bisschen Todesverachtung braucht man schon, um sich auf die Konfrontation einzulassen.
Darf ich Dich fragen, ob Du eine therapeutische Ausbildung hast? Du klingst sehr wissend. Und hast Du die ACT selber durchgezogen oder mit einem Therapeuten?
Ich fühle mich gerade in einem Dilemma: Ich brauche zwei Arten von therapeutischer Unterstützung: die eine habe ich schon mit meinem Gestalttherapeuten, zusätzlich bräuchte ich noch jemanden, der sich mit mir in die Angstsituationen begibt. Aber zwei Sachen auf einmal kann und sollte man ja nicht machen.

Nochmal vielen Dank für Deine Zeit und Mühe!
romy33

29.12.2009 00:01 • #7


R
nochmal ich:
habe gerade noch etwas weiter in deinem ACT-Link gelesen. Erinnert mich sehr an meinen Therapeuten was da zum Thema Achtsamkeit und Akzeptanz steht. Spannend. Und gute nacht!

29.12.2009 00:08 • #8


Christina
Zitat von romy33:
Zitat:
Dass es wichtig sein kann, den Krankheitsgewinn oder die Funktion der Angst, in m.E. selteneren Fällen auch den Auslöser zu finden, sehe ich auch so. Leider bin ich mir aber absolut sicher, dass das nicht reicht, denn dafür ist Angst zu gut gelernt und evolutionsmäßig zu wichtig.

wie meinst Du das?
Ich weiss nicht, neulich hatten wir eine erstaunliche Sitzung. Wir haben ein heißes Eisen angefasst, haben ein Thema behandelt, dass bei mir eine enorme Wut ausgelöst hat. Ich glaube, ich bin noch nie im Leben so ausgeflippt. Hinterher war ich unfassbar erleichtert und seither kann ich wieder Auto fahren. Die Angst ist (bis heute zumindest) verschwunden. Wirklich erstaunlich!
Ich meinte, dass sich die Angstreaktion verselbständigen kann. Unsere Vorfahren waren darauf angewiesen, dass sie beim geringsten Rascheln mit einem Bären rechneten und sich in Sicherheit brachten. Wer zwei Versuche brauchte, so etwas zu lernen, oder es ruckzuck wieder vergaß, hatte ausgesprochen geringe Überlebenschancen. Und so ähnlich kann auch die Panik durch geringste Wahrnehmungen immer wieder ausgelöst werden, bis man lernt, die Angstkaskade zu stoppen. Bei der Bewältigung der Angst als solcher hilft die Ursachenforschung daher m.E. nicht, obwohl sich bestimmte angstbesetzte Themenkomplexe durch Therapie in Luft auflösen können - so wie bei dir mit dem Autofahren. D.h., du hattest dabei keine Angst mehr, das ist etwas anderes als Angst haben und trotzdem fahren.

Zitat von romy33:
Aber dazu noch eine Frage: Wie sieht es konkret aus das monster unterzuhaken und mitzunehmen? Mein Therapeut ist unter anderem auch schon lange Jahre mein Meditationslehrer, d.h. er hat einen buddhistischen Hintergrund, wenn er das auch für Westler transferiert hat. Er rät mir, bei der körperbeobachtung zu bleiben und die Angst einzuladen, sich auszubreiten. Meinst Du so etwas? Ich kenne diese Technik von der Lösung von Spannungsschmerzen. Da funktioniert es sehr häufig, aber während der Angst gelingt es mir in akuten Situationen eher selten.
Bei sozialer Angst wie z.B. der Redeangst würde das dann wahrscheinlich so aussehen, dass man nicht versucht die Angst zu verbergen, oder?
Ja, genau so. Mit Buddhismus und Meditation im Hintergrund dürfte dir diese Herangehensweise sehr liegen, darauf beruft sich die ACT ja auch.

Zitat von romy33:
Zitat:
Als ich mittlerweile vor einem knappen Jahr in einer psychosomatischen Klinik war, haben zwei Mitglieder der sog. Angstgruppe wegen exakt solcher Ängste eine (scheinbare) Rosskur gemacht: Sie ließen sich vom Therapeuten über eine Stunde allein in einem Raum einschließen. Zur Bewältigung der Angst sollten sie einen Notizblock und einen Stift mitnehmen, über sich selbst (nicht über ihre Angst und Symptome!) nachdenken und schreiben. Beide haben das als sehr positive Erfahrung beschrieben.

Soetwas habe ich noch nie gehört. Was war der Hintergrund für eine solche Erfahrung? Wenn sie in der Not über sich selber schreiben, kommen sie dann an tiefere Gewissheiten?
Nein, sie gerieten gar nicht erst in Not, obwohl beide vorher höllische Angst vor dem Experiment hatten. Ich glaube, es ging darum, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, ohne das als Bedrohung zu erleben.

Zitat von romy33:
Ich habe mich von selber nicht beruhigen können, die Stewardessen hatten schon überlegt, ob wir umkehren müssen. Es war letztlich ein Arzt an Bord, der mir ein Beruhigungsmittel gespritzt hat. Als die Wirkung aufhörte, kam die Panik und die Schmerzen zurück und blieben über Wochen. Dazu kamen starke Depressionen. Nichts hat geholfen, außer Medikamente. Diese Erfahrung war die Schlimmste in meinem Leben und das hat mich völlig verändert. Vor allem, weil sie für mich wie aus dem Nichts kamen. Ich hatte nie diese Ängste, bin häufig verreist.
Das ist heftig und sehr ungewöhnlich. Weniger, dass du dich nicht beruhigen konntest, sondern dass Panik und Schmerzen (die dabei auch ungewöhnlich sind) zurückkamen, mit starken Depressionen einhergingen und wochenlang anhielten. Kannst du absolut sicher sein, dass bei dem damaligen Ereignis keine organische Ursache irgendwie mit reingespielt hat?

Zitat von romy33:
Darf ich Dich fragen, ob Du eine therapeutische Ausbildung hast? Du klingst sehr wissend. Und hast Du die ACT selber durchgezogen oder mit einem Therapeuten?
Nein, ich habe keine psychotherapeutische Ausbildung, aber Psychologie studiert und leider als Betroffene jede Menge Selbsterfahrung. Ich habe die ACT erst vor Kurzem kennengelernt und finde sie sehr interesannt und menschlich. Und ich bin dabei, einige Übungen in mein Leben zu integrieren und versuche, damit dann ggf. auch Expositionen entspannter anzugehen. Mich selbst mittels VT-Methoden zu vergewaltigen, habe ich ja schon zu Genüge durch...

Zitat von romy33:
Ich fühle mich gerade in einem Dilemma: Ich brauche zwei Arten von therapeutischer Unterstützung: die eine habe ich schon mit meinem Gestalttherapeuten, zusätzlich bräuchte ich noch jemanden, der sich mit mir in die Angstsituationen begibt. Aber zwei Sachen auf einmal kann und sollte man ja nicht machen.
Ich bin selbst bei einer Psychotherapeutin in Behandlung, die tiefenpsychologisch fundiert arbeitet und daher auch nichts mit VT oder ACT am Hut hat. Sie ist aufgeschlossen, aber das sind nunmal nicht ihre Fachgebiete. In meiner Therapie geht es auch um die Funktionen der Angst, um Krankheitsgewinne bzw. im psychodynamischen Sprachgebrauch um Widerstände, darum, was ich im Leben will etc. Ich brauche therapeutische Unterstützung, damit ich am aktiven Leben teilnehmen will, meine Motivation finden kann. Aber um Konfrontationsübungen zu machen, brauche ich keinen Therapeuten (mehr). Du wahrscheinlich auch nicht, wenn die dich in der Klinik nicht völlig falsch eingeschätzt haben. Und wenn du Unterstützung brauchst, gibt es dafür etliche gute Selbsthilferatgeber oder du fragst hier im Forum mal nach . Nur falls sich dein Radius weiter einschränkt und/oder du merkst, dass du die therapeutische Ursachenforschung als Ausrede benutzt, um nicht an die Konfrontation ran zu müssen, dann ist es Zeit, die Vorgehensweise nochmal zu überdenken. Dann könnte aber ein mehrwöchiger Aufenthalt in einer verhaltenstherapeutischen Klinik - so zwischendurch - eine gute Lösung sein.

Liebe Grüße
Christina

29.12.2009 00:54 • #9


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Zitat:
Bei der Bewältigung der Angst als solcher hilft die Ursachenforschung daher m.E. nicht, obwohl sich bestimmte angstbesetzte Themenkomplexe durch Therapie in Luft auflösen können - so wie bei dir mit dem Autofahren. D.h., du hattest dabei keine Angst mehr, das ist etwas anderes als Angst haben und trotzdem fahren.

okay, du meinst, dass es trotz allem auch wichtig ist, einmal überhaupt die Erfahrung gemacht zu haben, dass ich die Angst bewältigen kann. Das Bedürfnis habe ich tatsächlich.

Zitat:
Das ist heftig und sehr ungewöhnlich. Weniger, dass du dich nicht beruhigen konntest, sondern dass Panik und Schmerzen (die dabei auch ungewöhnlich sind) zurückkamen, mit starken Depressionen einhergingen und wochenlang anhielten. Kannst du absolut sicher sein, dass bei dem damaligen Ereignis keine organische Ursache irgendwie mit reingespielt hat?

Nein, ich hatte schon eine Magenschleimhautentzündung in Verbindung mit Reflux. Aber was da was ausgelöst hat, ist halt unklar. Ich bekomme häufig Magenschmerzen, wenn ich Angst habe. Das ist eben meine körperliche Schwachstelle. Vor ein paar Jahren hatte ich das schon einmal, als ich mich im Diplom und danach mit einer schwierigen Arbeitsstelle auseinandersetzen musste.

Zitat:
Mich selbst mittels VT-Methoden zu vergewaltigen, habe ich ja schon zu Genüge durch...

Was meinst Du mit vergewaltigen? Was lehnst Du daran ab?

Zitat:
Ich bin selbst bei einer Psychotherapeutin in Behandlung, die tiefenpsychologisch fundiert arbeitet und daher auch nichts mit VT oder ACT am Hut hat. Sie ist aufgeschlossen, aber das sind nunmal nicht ihre Fachgebiete. In meiner Therapie geht es auch um die Funktionen der Angst, um Krankheitsgewinne bzw. im psychodynamischen Sprachgebrauch um Widerstände, darum, was ich im Leben will etc. Ich brauche therapeutische Unterstützung, damit ich am aktiven Leben teilnehmen will, meine Motivation finden kann. Aber um Konfrontationsübungen zu machen, brauche ich keinen Therapeuten (mehr). Du wahrscheinlich auch nicht, wenn die dich in der Klinik nicht völlig falsch eingeschätzt haben. Und wenn du Unterstützung brauchst, gibt es dafür etliche gute Selbsthilferatgeber oder du fragst hier im Forum mal nach .

Hm, manchmal denke ich, ich hätte gerne jemanden dabei, der mich unterstützt und im Notfall auffängt. Mich alleine, ohne Bewältigungsstrategien gelernt zu haben, in eine für mich bedrohliche Situation zu begeben, ist zum einen gruslig und zum anderen drücke ich mich davor.

Zitat:
Nur falls sich dein Radius weiter einschränkt und/oder du merkst, dass du die therapeutische Ursachenforschung als Ausrede benutzt, um nicht an die Konfrontation ran zu müssen, dann ist es Zeit, die Vorgehensweise nochmal zu überdenken. Dann könnte aber ein mehrwöchiger Aufenthalt in einer verhaltenstherapeutischen Klinik - so zwischendurch - eine gute Lösung sein.

Ich war wie gesagt schon in einer Klinik, aber da ging es auch eher um Stabilisierung und das Herausfinden warum ich überhaupt Angst habe. Und was dagegen hilft. So z.B. hatte ich fast permanent (latent) Angst. Spaziergänge draussen und der eigene Ausdruck über Musiktherapie hat sehr geholfen. Ich bin halt manchmal verkopft und das Ausdrücken/ Leben von Gefühlen hilft. Nochmal in eine Klinik zu gehen kann ich mir auch aus arbeitstechnischen Gründen nicht vorstellen. Ich will nicht Gefahr laufen, meinen Job zu verlieren. Und ich will auch nicht überrannt werden. Lieber in meinem Tempo Stück für Stück.
Im Letzten Jahr hat sich ja vieles verbessert. Ich habe viele Zeiten ohne die latente Angst, ich kann wieder Auto fahren, ich war ein paar Mal für ein paar Tage verreist (so werde ich auch gleich für zwei Tage wegfahren). Ich kann wieder arbeiten gehen und steige ab und an in einen Aufzug, gehe über Weihnachtsmärkte.
Und in den nächsten Wochen fange ich ein dreimonatiges Training in einer VT-Gruppe gegen meine Redeangst an. Ich drück mich also nicht nur.

Alles Liebe,
romy33

29.12.2009 13:03 • #10


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