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A
Hallo an alle,

ich habe zu Schulzeiten lange unter extremer Schüchternheit und Redeangt gelitten mit all den körperlichen Reaktionen, die ihr wahrscheinlich auch gut kennt (Schwitzen, rot werden, nicht denken können bei Vorträgen, verhaspeln, ungewolltes Schlucken, leise Stimme etc.). Die wahrscheinlich gut gemeinten Ratschläge von Freunden und Familie wie Red doch mal lauter! oder Das ist nicht schön, wenn du so redefaul bist. haben meine Angst ständig noch verstärkt. Irgendwann hatte ich mich einer Lehrerin anvertraut, die mir sehr hilfreiche Tipps gegeben hat und ich habe begonnen ganz langsam an mir und meiner Angst zu arbeiten. Das war überhaupt nicht leicht und es gab und gibt immer wieder Schwierigkeiten, aber es hat sich gelohnt und ich habe wieder gemerkt, dass das Leben richtig schön sein kann. Mehr und mehr hab ich das gemacht, was ich wollte, und nicht das, was meine Angst wollte. Beispielsweise hätte ich mir damals nie träumen lassen, dass ich für zehn Monate ins Ausland gehe und dass ich danach anfange Sonderpädagogik zu studieren. Doch ich habe es getan und geschafft und bin zeimlich froh darüber. Natürlich ist die Angst heute nicht ganz weg, manchmal schaffe ich es immer noch nicht, in größeren Menschengruppen zu sagen, was ich wirklich will, und auch Vorträge sind nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber ich merke, dass es mit Übung immer besser funktioniert, dass ich mich sicherer fühle. Einmal hat mir ein Vortrag sogar Spaß gemacht, ziemlich verrückt eigentlich

Nun frage ich mich, ob das mit dem Lehramtsstudium wirklich so eine schlaue Entscheidung war. Die Arbeit mit Menschen mit und ohne Behinderung gefällt und liegt mir eigentlich schon, ich bin dort auch ehrenamtlich tätig. Und die Inhalte im Studium find ich total interessant. Es ist eigentlich schon genau das, was ich machen möchte. Aber ich habe Angst, dass ich das vielleicht doch nicht schaffe und dass die Angst wieder stärker wird.
Diese Angst habe ich aus aktuellem Anlass: Wir hatten ein Blockseminar zum Thema Kommunikation mit Stimmübungen usw. Zum Abschluss sollte jeder eine kleine Unterrichtssequenz vorbereiten und durchführen, um dazu ein ausführliches Feedback zu bekommen. Am ersten Tag ging das alles recht gut, aber nach dem zweiten Tag hatte ich das Gefühl, die ganze alte Angst sei wiedergekommen. Ich fand mich viel schlechter als die anderen, mein Hals hat sich angefühlt wie zugeschnürt, ich hatte Angst was zu sagen, meine Stimme war zittrig, zu Hause hatte ich Weinkrämpfe und wenn ich nur an die Vorbereitung der Unterrichtssequenz dachte, wurde mir schwindlig. Diese hätte aber am nächsten Tag gehalten werden müssen, weshalb ich aus Verzweiflung einfach das Seminar abgebrochen habe.

Ich weiß überhaupt nicht, was das war. Die ganze Zeit überlege ich, ob ich übertrieben habe, und es nicht gut war, mich einfach abzumelden. Auf der anderen Seite hätte ich ohne vorbereitete Sequenz sowieso nicht bestanden. Ich fühl mich sehr schlecht deswegen. Ich hatte eigentlich geglaubt, mittlerweile sei ich in der Lage, so ein Seminar mitzumachen und hätte nicht gedacht, dass plötzlich alles nochmal hochkommen kann. Es hat mich alles erinnert an ein Seminar, was wir in der Schule mal machen mussten, wo ich schon Wochen vorher Angst hatte und ich mich noch schlechter gefühlt hatte. Das war zu der Zeit, als ich meine Lehrerin vor lauter Verzweiflung um Hilfe gebeten hatte.

War das sowas wie ein Rückfall? War es sehr blöd von mir, das Seminar abzubrechen? Habt ihr schon mal ähnliches erlebt? Und was meint ihr zu meiner Studienwahl?

Ich wäre sehr dankbar über eure Meinungen
Liebe Grüße

03.09.2014 16:06 • 06.09.2014 #1


3 Antworten ↓


Schlaflose
Zitat von Anma:
Und was meint ihr zu meiner Studienwahl?


Aus eigener leidvoller Erfahrung kann ich sagen, lass es sein. Ich habe auch eine soziale Phobie und eine ängstliche vermeidende Persönlickeitsstörung (wurde erst vor einigen Jahren diagnostiziert) und bin damit in den Schuldienst gegangen, allerdings am Gymnasium. Das Studium selbst war kein Problem, im Gegenteil, es lief alles super, aber sobald ich in den Beruf kam, war es die Hölle. Ich hatte vom ersten Tag an massivste Schlafstörungen. Ich habe mich 20 Jahre so durchgequält, die letzten mit mehreren längeren Krankschreibungen, einem 8-wöchigen psychosmatischen Rehaufenthalt und meheren Psychotherapien, bis gar nichts mehr ging. Ich war dann fast ein Jahr krank geschrieben und habe schließlich den Schuldienst aufgegeben. Ich bin seit drei Jahren im Ministerium und es läuft alles sehr viel besser.

03.09.2014 16:20 • #2


A


Rückfall im Lehramtsstudium?

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J
Ich sehe es nicht so negativ wie „Schlaflose“. Erstens sind Schüchternheit und Redeangst in der Jugend, die sich schon deutlich gebessert haben, nicht unbedingt dasselbe wie eine diagnostizierte Sozialphobie und ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung. Zweitens stehen mehreren großen Erfolgen in letzter Zeit (Auslandsaufenthalt, Studium, gute Vorträge, die sogar Spaß gemacht haben) nur ein „Misserfolg“ (abgebrochenes Seminar) entgegen. Und von Letzerem weißt du nicht mal, ob es wirklich ein Misserfolg war: ob du an diesem zweiten Tag wirklich schlechter als die anderen warst oder nur in deiner Selbstwahrnehmung, und du weißt auch nicht, wie es an den folgenden Tagen weitergegangen wäre. Sicher, dass du aus Angst abgebrochen hast und so starke Symptome hattest, muss man schon ernst nehmen. Aber deswegen gleich alles in Frage stellen? Wo es doch dein Traumberuf ist und die Vergangenheit gezeigt hat, dass bei dir mit Üben Vieles besser wird und aus Angst sogar Spaß werden kann?
Wie weit bist du denn schon im Studium? Gerade erst angefangen oder schon weiter?
Gibt es an deiner Uni eine psychologische Beratung für Studenten? Da könntest du dich hinwenden. Die sind mit Problemen und Zweifeln wie deinen vertraut und können besser einschätzen als wir, ob Lehramt das Richtige für dich ist.

05.09.2014 22:40 • #3


Schlaflose
Zitat von juwi:
Ich sehe es nicht so negativ wie „Schlaflose“. Erstens sind Schüchternheit und Redeangst in der Jugend, die sich schon deutlich gebessert haben, nicht unbedingt dasselbe wie eine diagnostizierte Sozialphobie und ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung. Zweitens stehen mehreren großen Erfolgen in letzter Zeit (Auslandsaufenthalt, Studium, gute Vorträge, die sogar Spaß gemacht haben) nur ein „Misserfolg“ (abgebrochenes Seminar) entgegen.


Meine soziale Phobie und die ängstliche vermeidende Persönlichkeitsstörung basiert auch in erster Linie auf der Angst, vor Leuten zu reden und mich zu blamieren. Das wurde in der Reha vor 5 Jahren ausdrücklich so erklärt, nachdem ich mich über diese Diagnose beschwert habe. Ich dachte vorher, soziale Phobie bedeutet nur, dass man sich nicht unter Leute traut, Angst hat alleine irgendwo hinzugehen, wo man niemanden kennt u.ä.
Ich habe auch im Studium ohne Probleme Referate gehalten, habe zwei Auslandsaufenthalte zu je 6 Monaten gemacht, dort Referate in Englisch bzw. Französisch vor einheimischen Studenten gehalten usw. Aber das waren nur einzelne Gelegenheiten und man wusste, man muss sich einmal zusammenreißen und dann ist es vorbei, und man hat danach wieder einige Monate Ruhe davor. Im Unterricht in meiner Schulzeit und auch im Studium habe ich gar keine Probleme gehabt, mitzuarbeiten. Ich habe auch immer gerne vor vesammelter Mannschaft vorgelesen. Ich wusste, dass ich gut war und wollte mich vor den anderen und vor dem Unterrichtenden profilieren.
Und dennoch habe ich dann in der Rolle des Lehrers, der jeden Tag vor den Schülern stehen und reden, bei Elternabenden vor den Eltern reden und sich gegen sie verteidigen, bei Konferenzen vor den Kollegen reden muss usw., immense Probleme gehabt. Und je länger ich das gemacht habe, umso schlimmer wurde es.

Anscheinend interessiert Anma aber gar nicht, was man ihr sagt, denn sie hat auf die Rückmeldung seit Tagen nicht reagiert.

06.09.2014 08:39 • #4





Dr. Reinhard Pichler