@Kara-velle
Das sehe ich etwas anders und zwar so.
Für mich ist der rationale (wissenschaftlich-technische und irgendwie auch wirtschaftliche) Ansatz eine bestimmte Methode um die Welt zu erfassen. Das generieren von Daten, Messwerten und dergleichen gehört für mich dazu. D.h. die Welt wird, wie man manchmal liest, als 'gut geölte Maschine' gesehen, in der alles aus sich selbst heraus entstanden ist, vom Urknall (dem Materie/Energie-Komplex) über das Leben bis zum Bewusstsein, auch in der Reihenfolge.
Darin ist bereits ein Bias, eine Vorselektion, wenngleich der Schritt die Entstehung aller Dinge aus der Natur selbst zu erzählen durchaus kühn und couragiert ist, vor allem war er sehr erfolgreich. Er emanzipierte die Lesart von etwas wie (Gottes) Willen, zugunsten eines Selbstzwecks, bestimmter niediriger energetischer Zustände, es braucht keinen Sinn, nur eine Art Ausgleich der Kräfte, das uns oft quälende 'Warum?' wird durch ein 'Wie?' ersetzt. Und dass etwas statistisch möglich ist, reicht, auch wenn es selten ist. Manchmal ist das eine Erklärung. Stehen gebliebene Uhren und Todesfälle, beide kommen täglich vor, manchmal fallen sie zusammen, das fällt in emotional geladenen Situationen besonders auf.
Allein, auch hier ist die Selektion nicht so klar, wie man denkt, Manches muss es über die (im Grunde willkürliche) Signifikanzschwelle (der Statistik) schaffen, bei anderem hingegegen gibt man sich damit zufrieden, dass es statistisch möglich ist um dies und nur dies als (Nicht)Erklärung durchzuwinken, das ist mit einer gewissen Willkür versehen.
Vor allem aber ist dies gegen all das, was wir empfinden und irgendwie auch sind. Interessant ist, dass 'die Wissenschaft' (je präziser, desto ärger, könnte man fast sagen) mit kaum etwas, was uns ausmacht so richtig etwas anfangen kann: Da wäre Bewusstsein zu nennen, Sinn, Moral, Liebe, Wert/Qualität, Spiritualität, ob man da gelegentliche Wunder oder außergewöhnliche Bewusstseinszustände noch mit hinzu nimmt, ist fast schon Nebensache, weil die Unfähigkeit des Naturalismus (der rational-wissenschaftlich-technischen Sicht) mit Bewusstsein, Sinn und der erstgenannten Begriffen umzugehen bereits wegweisend ist.
Der Punkt, warum man den etwa 250 Jahre währenden Siegeszug antrat war die bessere Erklärung, mit der man meinte, all diese soften Begriffen kassieren zu können, inzwischen hat man die Strategie geändert und aus der Unfähigkeit eine Erklärung zu finden eine Tugend machen wollen (etwas, was Erwachsene eben aushalten können) die allerdings (bis zu Dennetts misslungenen Qualia Ausführungen) nicht so richtig überzeugen können.
Die Religion oder breiter, das mythische Weltbild ist im Grunde die einzige andere Art der Weltbetrachtung, die wir noch kennen und für uns (im Westen) ablehnen. Vor allem in den letzten Jahrzehten sah man es als Weltbild derer, die noch nicht so weit waren, tolerierte es allenfalls als historisches Relikt, wenn man es nicht als Abart einer Störung oder eines Intelligenzdefizits sah.
Da hat der Wind doch gedreht, wenn man Ausführungen von Philosophen wie Jürgen Habermas, Charles Taylor aber auch Psychologen wie Otto Kernberg liest, selbst in der Kosmologie gilt (nach Josef Gaßner) die Gotteshypothese als eine von drei Möglichkeiten und es gibt weitere gläubige Kosmologen (ich meine Ellis).
Es geht mir hier aber gar nicht um eine Synthese, sondern darum, klar zu machen, dass auch eine mythische Betrachtung ein Weltbild ist, was Daten generiert (durch bestimmte Prämissen, Vorannahmen, Sichtweisen) und wiederum andere Betrachtungsweisen ausschließt. Wenn die Natur durch einen Schöpfer entstanden ist, kann sie nicht zugleich völlig aus sich selbst entstanden sein.
Der eigentliche Punkt ist, dass wir aber im Grunde nicht mehr kennen, als genau diese beiden Weltbilder, das eine, irgendwie richtige - auich wenn einige inzwischen meinen, stark selbstwidersprüchliche - wissenschaftlich-technische und ein anderes, irgendwie antiquiertes, mythisches.
Was bei dieser Auswahl und dem vermeintlichen Zwang sich entscheiden zu müssen unter den Tisch fällt, sind weitere Weltbilder, die ganz anders ansetzen. Man könnte das chinesische Denken nennen, was Juliien ausgeführt hat, man könnte den Konstruktivismus nennen, man könnte Aspekte der Quantenmechanik nennen, die Jakob uns erläutern könnte, man könnte philosophische Ansätze von Robert Brandom oder Bernardo Kastrup oder vielleicht Markus Gabriel nennen, die Erfahrungen von Mystikern, sowie Aspekte der Kunst, die schon mal aus unserem unerkannten Nützlichkeitsfetisch aussteigen. Es gibt Theorien über Geld, bzw. seine vielleicht sehr(!) viel später als gedachte Entstehung, die uns, wenn wie sie dann irgendwann verstehen, vor Augen führen, wie sehr wir in unserem Eurozentrismus der Gegenwart verhaftet sind und von hier aus erst mal alles in oder auf die Vergangenheit projizieren, mit der Vorstellung, man habe immer schon Wert gegen Wert getauscht, was problematisch war, wenn man Schweine gegen 500 kg Tomaten tauschte und so war das Geld eine willkomene Erleichterung, Grundfalsch, meint Eske Bockelmann und anhand der Zeit, die es braucht, um seine Gedanken zu verstehen, sieht man, wie sehr man in unserem Denken verhaftet ist.
Das geht weiter, wenn man die bürgerliche Kleinfamilie und den Kapitalismus betrachtet, es wären noch Systemtheorien zu nennen und manches mehr, will sagen, diese plumpe Zweiheit von guter Wissenschaft hier und irgendwie zurückgebliebener Religion dort, ist in ihrer Beschränktheit selbst reif für die Mottenkiste,
Man siehst es selbst bei der Abstimmung mit den Füßen. Was man nicht integriert bekommt, spaltet sich regressiv ab. Es gibt Risse durch viele Schichten der Gesellschaft, dass man Elemente, die die Menschen immer interessierte nicht einbinden konnte, sie pathologisierte oder verächtlich machte, fliegt uns nun um die Ohren. Wir sollten froh sein, wenn diejenigen noch an 'Wunder' glauben, leider sind viele von ihnen, die sich darüber erhaben fühlen, um eine Bemerkung aufzunehmen, alle wahlberechtigt. Das andere Kreuz mit dem Kreuz.