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Hallo liebe Community,

meine Mutter (65 J.) lebt ca. 600 km entfernt von mir und wir haben telefonischen Kontakt.
Seit einigen Monaten beobachten mein Bruder und ich eine Persönlichkeitsveränderung bei ihr und vermuten eine Form der Manie.

Meine Mutter war immer ein sehr introvertierter Typ und ist nur wenig auf Menschen zugegangen und hat eher zurückgezogen gelebt. Einen Mann gibt es nicht in ihrem Leben.

Seit einiger Zeit zeigt sie sich extrem offen, selbstbewusst. Hier nur ein paar Beispiele:
Sie quatscht im Bus oder auf der Straße fremde Leute an und berichtet darüber, dass sie auf 40 geschätzt wird (Selbstüberschätzung). Sie gibt unkontrolliert Geld aus und leiht sich von Nachbarn Geld für unnötige Dinge. Sie lebt von Bürgergeld und leiht sich Geld, das sie höchstwahrscheinlich nicht in voller Höhe zurückzahlen kann.
Sie zeigt auch aggressives Verhalten, indem sie meinen Bruder permanent schlecht redet. Wenn ich mit ihr telefoniere, fallen Sätze wie: ,,Dein bekloppter Bruder. Mein Bruder und meine Mutter hatten immer ein gutes Verhältnis, daher ist dieses Verhalten auf jeden Fall verdächtig. Zwischen den beiden ist auch nichts vorgefallen, was ihr Verhalten begründen könnte.
Sie zeigt einen hohen Drang nach Aktivitäten, sie ist fast täglich von morgens bis abends in der Innenstadt und steht dafür teilweise um 5 Uhr auf. Das heißt, ihr Schlafverhalten ist auch ein anderes als früher. Wenn wir telefonieren, berichtet sie mir davon, dass sie nicht viel Schlaf benötigen würde.

Gleichzeitig zeigt sich auch eine Art Psychose: Sie berichtet mir regelmäßig davon, dass unsere Gespräche aufgezeichnet werden (Verfolgungswahn) und benutzt beim Sprechen Platzhalter wie bla bla bla. Sie macht Andeutungen, spricht Sätze aber nicht zuende, weil sie der Ansicht ist, dass unsere Gespräche von Dritten mitgehört werden.

Das bisher besorgniserregendste Ereignis war folgendes:

Sie hatte beim Shoppen ihre Handtasche in einem Kaufhaus auf der Kundentoilette liegen gelassen. Der Kaufhausdetektiv hat ihr die Tasche zurückgegeben. Später erzählte sie immer wieder, dass die Mutter meiner Schwägerin ihre Tasche gestohlen hätte, ein anderes Mal sei es eine ukrainische Frau im Bus gewesen. Ihre Erzählungen waren ein reines Durcheinander und man konnte ihr kaum folgen. Sie ist in den Folgetagen mehrfach bei der Polizei aufgetaucht, um die Mutter meiner Schwägerin wegen angeblichen Diebstahls anzuzeigen. Die Polizei hat mich daraufhin kontaktiert, weil sie den Erzählungen meiner Mutter nicht folgen konnte und hat sie als verwirrt bezeichnet.

Irgendwann hat meine Schwägerin es geschafft meine Mutter zwangseinweisen zu lassen. In der Klinik wurde sie am nächsten Tag aber ohne Behandlung entlassen, weil es keinen richterlichen Beschluss gab und sie freiwillig nicht bleiben wollte.

Wir haben Vieles versucht, uns unter anderem auch an den sozialpsychiatrischen Dienst gewendet. Überall hört man natürlich das Gleiche: Solange keine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt, lässt sich nichts machen.

Ich bin die einzige Person aus ihrem Umfeld, die noch einen Zugang zu ihr hat. Meine Mutter reagiert nicht auf Anrufe meines Bruders oder meiner Schwägerin, weil sie ein rotes Tuch für sie sind. Ich bin quasi die letzte Verbleibende, mit der sie sprechen möchte. Sie hat zwar Kontakt zu den Nachbarn, die finden ihr Verhalten aber normal.

Ich habe vor ca. zwei Monaten einen Termin beim Neurologen ausgemacht, der auch auf psychische Leiden spezialisiert ist. Ich wollte meiner Mutter den Besuch beim Arzt schmackhaft machen, in dem ihr sie unter einem anderen Vorwand hinschicke. Dass sie sich bitte untersuchen lassen soll, weil mir ihre Sprachaussetzer Sorgen machen. Darauf hat sie sich zunächst eingelassen. Mit der Wahrheit, dass wir eine psychische Störung vermuten, wird sie sich vermutlich auch von mir distanzieren. Letztendlich hat sie den Termin bei dem Neurologen platzen lassen mit der Begründung, dass sie nur zu deutschen Ärzten geht und nicht zu einem polnischen oder russischen. Tatsächlich war diese Praxis aber die einzige, in der ich relativ zeitnah einen Termin vereinbaren konnte. Andere Praxen nehmen keine Neupatienten auf oder sind nicht auf psychische Leiden spezialisiert.

Mein ursprünglicher Plan war eigentlich, meine Mutter vor die Wahl zu stellen: Entweder du nimmst den Termin wahr oder ich breche den Kontakt ab. Von mehreren Seiten wurde mir diese Herangehensweise empfohlen. Damit meine Mutter von selbst merkt, dass sie sonst auch noch ihre Tochter und ihren Enkel verliert (habe einen kleinen Sohn).

Mittlerweile fühle ich mich aber unwohl dabei, weil ich Angst habe, dass sich ihre Symptome verschlechtern, wenn sich ihre geliebte Tochter von ihr abwendet. Außerdem möchte ich gerne den Überblick behalten, ob sie regelmäßig isst und trinkt und wie es um ihre Geldausgaben steht.

Welches ist hier der beste Rat? Kann jemand seine Erfahrungen mit mir teilen?

Soll ich den Kontakt zu meiner Mutter aufrechterhalten und am Telefon mitspielen, wenn sie mir merkwürdige Geschichten präsentiert oder immer wieder darauf drängen, sich in Behandlung zu begeben? In Behandlung begeben heißt ja eigentlich in Psychiatrie. Weil sie auf die Schnelle keinen (deutschen) Neurologen finden wird, von dem sie bereit ist sich untersuchen zu lassen. Oftmals komme ich bei. Telefonat aber auch nicht zu Wort. Das sind die Momente, in denen ich den Eindruck habe, dass die mögliche Manie besonders aktiv ist.

Meine Schwägerin, die in der gleichen Stadt lebt, hat sogar Kontakt zu der Hausärztin meiner Mutter aufgenommen und sie um Unterstützung gebeten. Die Ärztin will von all dem aber nichts wissen und hat meiner Schwägerin nicht einmal zugehört.

Ich wäre wirklich sehr dankbar, in diesem Forum den ein oder anderen wertvollen Tipp zu erhalten, wie ich mich als Tochter weiterhin verhalten kann.

01.08.2023 17:15 • 01.08.2023 #1


4 Antworten ↓


Dundun
Ich habe mit meiner Mutter Ähnliches erlebt. Sie war nur einige Jahre älter als deine Mutter jetzt, immer schon sehr schwierig und zunehmend dement.

Meine Mutter wohnte aber Gott sei Dank nur ca. 2 km von mir entfernt. Sie lebte allein.

Ich habe auch vieles versucht, um ihr zu helfen. Sie hat alles blockiert.
Ihr Hausarzt meinte dann irgendwann zu mir:
Sie haben keine Chance. Irgendwann wird es eskalieren und dann regelt sich alles.

Am Ende hatte er Recht.

Einmal habe ich ihr auch meinen Schlüssel für ihre Wohnung zurückgegeben und gesagt so das war es jetzt .

Das wollte sie dann aber auch nicht ...

01.08.2023 17:38 • #2


A


Manische Episoden der Mutter - wie Kontakt aufrechterhalten?

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Dundun
Ich würde weiterhin telefonisch den Kontakt zu ihr halten und sie bitten, sich untersuchen zu lassen.

600 km ist meiner Meinung nach eine zu große Entfernung um dauerhaft ständig helfen.

01.08.2023 17:56 • #3


P
Das klingt tatsächlich nach psychischer Störung, könnte unter Umständen aber auch eine ernste gehirnorganische Sache sein. Vor allem, wenn sie schon seit Monaten so verändert ist. Manien und Psychosen dauern mWn nicht mehrere Monate.

Eine Untersuchung bei einem Neurologen wäre also sehr wichtig.

Vielleicht bekommst du darüber (Abklärung Tumor, Demenz) einen Zugang zu ihr?
Gibt es noch Vertraute, die unterstützen können?

01.08.2023 19:26 • x 1 #4


A
Vielen Dank für eure bisherigen Antworten.
Weitere Vertraute, die ich mit einbeziehen könnte, gibt es leider nicht. Es ist schwierig, sie zu bitten, sich untersuchen zu lassen, weil sie der Meinung ist, völlig gesund zu sein und dass das Problem bei den anderen liegt.

01.08.2023 19:37 • #5





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