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M
Hallo an alle hier:

Ich will einmal eine Geschichte aus meiner Kindheit erzählen, die seit Tagen sehr präsent für mich ist. Vielleicht kann mir jemand etwas helfen.

Als kleines Mädchen mit ca. 4 Jahren bekam ich von meiner Tante einen kleinen Stoffhasen geschenkt, der mein ein und alles war. Sogar zum Geburtstag bekam ich Kleidung von diesem, so dass ich diesen auch anziehen konnte wie ich wollte. Ich habe dem Hasen alle meine Sorgen und Nöte erzählt, er war immer an meiner Seite. Wenn ich zu meiner Tante fuhr oder egal wo wir unterwegs waren, der war immer dabei. Dass natürlich im Laufe der Jahre der Hasenfreund zunehmend unansehnlicher wurde ist ja klar, er mußte mal genäht werden weil eine Naht aufgegangen ist oder das Auge mal rausging ectr., sogar in der Waschmaschine war er öfters gewesen, aber das ist ja alles ganz normal.

Eines Tages kam ich von der Grundschule heim und mein Hase war nicht mehr da. Ich suchte hinter, unter dem Bett. Unter der Matratze -einfach alles wo er vielleicht hinter runterfallen konnte. Ich habe alles komplett durchsucht - in meiner größten Verzweiflung lief ich dann zu meiner Mutter und die sagte dann, dass Sie ihn weggeworfen hatte. In die Mülltonne. Ich lief sofort zur Mülltonne, öffnete den Deckel und......die Tonne war leer. Ich lief heulend zu meiner Oma und erzählte es Ihr. Sie war entsetzt und stellte meine Mutter zur Rede. Der Hase war alt und schon kaputt und außerdem soll Sie mit dem Hasen nicht mehr spielen sondern in der Schule besser aufpassen und lernen.

Ich habe tagelang über meinen Hasenfreund getrauert - kann das Jemand von euch verstehen? Wie konnte Sie dass nur machen? Und auch noch abgewartet, dass auch rechtzeitig noch die Müllmänner kamen, damit ich ihn nicht mehr rausfischen konnte - was ich auch gemacht hätte.
Vor allem hätte ich ihn auch vor meiner Mutter dann gut versteckt, dass kann ich euch echt sagen.

Für mich war das ein großer Einschnitt gewesen und deshalb habe ich auch oft so starke Verlustängste in mir, das heißt alles was ich liebe, mir dann plötzlich genommen wird.

Wie seht Ihr dass denn?

LG
Mary

29.12.2014 19:23 • 01.01.2015 #1


15 Antworten ↓


N
Hi Mary,

eigentlich ist es unhöflich nicht auf Deine Frage oder Inhalt einzugehen, aber ich möchte Dir gerne etwas gegenüberstellen und vielleicht siehst Du darin eine Möglichkeit, Dich der Zukunft zuzuwenden:

Es gab mal einen Jungen, der in einem ziemlich behüteten und geschützten Umfeld aufgewachsen ist. Er hatte alles was er sich wünschen konnte: Liebe, Aufmerksamkeit, Förderung und viel Raum sich zu entfalten. Mit 9 Jahren wurde dieser Junge von Heute auf Morgen aus diesem Umfeld herausgerissen, in ein Flugzeug gepackt und aus dem Land, was seine Heimat war und die er gliebt hat, herausgeflogen. Sein Vater blieb in dem Land, in dem ein Krieg begann, der volle 8 Jahre dauerte. Der Junge blieb hier bei Freunden und die Mutter versuchte sich zu zerteilen zwischen ihm und dem Vater. Als dieser nach 2 Jahren es endlich mal geschafft hatte aus dem Land herauszukommen um paar Wochen mit seiner Familie zu verbringen, verstarb er während diesem Urlaub bei einem Autounfall. Der Junge war dabei und sah zu, wie sein Vater an den schweren Verletzungen verstarb. Er selbst war schwer verletzt. Seine Mutter musste vieles erledigen, so dass der Junge wieder in ein Flugzeug gepackt wurde und weggeschafft. Dann folgten 6 Jahre Internat, ein neuer Freund der Mutter, der auch von Heute auf Morgen (kurz vor der Hochzeit) paar Jahre später an Herzkammerflimmern verstarb. In all diesen Jahren versuchte sowohl der Junge für seine Mutter da zu sein, als auch sein Leben auf die Reihe zu bekommen.
Die wichtigste Botschaft war immer: Sieh nach vorne! Das Leben ist hart und es kennt kein Erbarmen... Schaue hin, treffe Entscheidungen und versuche immer die obere Welle zu nehmen. Kämpfe und bilde Dich selber zu etwas heraus, was diesen Kampf gewinnen kann.

Der Verlust Deines Hasen ist mit Sicherheit nicht einfach zu verkraften (als Vierjährige), aber glaube mir eins... wenn Du komplett entwurzelt wirst, und während dieser Phase auch noch zusehen musst, wie Dein eigener Vater stirbt, Deine Mutter an der Situation schier zerbricht und Du eigentlich fast niemand hast, der Dich auffängt.... das ist wirklich hart.
Inwiefern sich das auf die Psyche des Jungen ausgewirkt hat, welchen Knacks er davongetragen hat... ist nicht zu sagen, aber eins ist gewiss: Er schaut nach Vorne und kämpft gegen die Widrigkeiten des nicht immer ganz fairen Lebens an. Und mal schlechter.. mal besser. Die meiste Zeit.. besser.

Kopf hoch.. und schau nach Vorne.

29.12.2014 19:36 • #2


A


Meinen ersten kleinen Freund als Kind verloren

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boomerine
Es sind beides traurige Geschichten, aber leider auch verschieden, wobei du NoSmile mit einem Satz recht hast. Sprich die wichtigste Botschaft die du niederschreibst. Der Junge wurde geliebt auch wenn er fortgebracht wurde, von beiden Elternteilen, sie wollten dem Jungen etwas gutes tun. Er wurde ja nicht wegeschickt weil sie ihn nicht mehr haben wollten.
    Bei Mary ist es anders, ob sie von den Eltern geliebt wurde ist offen, es geht um den kleine Freund. Ich nehme an, wenn da Liebe und Verständnis gewesen wäre, hätten die Eltern das anders lösen können.

29.12.2014 20:13 • #3


Celestine
Liebe Mary,

ich kann die Verzweiflung der 4-jährigen sehr stark nachempfinden! Eine Welt bricht zusammen...Verlust-wen man ihn in der Kindheit so erleben muss, plötzlich und unerwartet, ist das dramatisch. und da spielt es in dem Moment keine Rolle, ob es sich um ein Elternteil handelt ( habe mit 9 Jahren unter dramatischen Umständen meine Mutter verloren) oder ein geliebtes Stofftier! Fühl' dich herzlich umarmt!

29.12.2014 21:26 • x 1 #4


Schlaflose
Zitat von Mary45:
Für mich war das ein großer Einschnitt gewesen und deshalb habe ich auch oft so starke Verlustängste in mir, das heißt alles was ich liebe, mir dann plötzlich genommen wird.


Das ist schon durchaus möglich, dass es daher stammt, aber allein die Tatsache, dass ein Kind so eine enge Bindung zu einem Stofftier entwickelt, mit ihm redet und ihn als einen Freund ansieht, zeigt, dass da psychisch schon einiges im Argen lag. Normalweise hat man in diesem Alter menschliche Kuscheltiere d.h. Eltern, Großeltern u.ä., die mit einem kuscheln und schmusen, denen man seine Sorgen erzählt und getröstet wird.

30.12.2014 09:05 • #5


E
Ich kann das mit dem Hasen sehr gut nachvollziehen-bei mir im Elternhaus gab es die gleiche Geschichte mit einem Teddy, der für mich Kuschelersatz war, weil meine Mutter mich einfach nicht zuließ.

Vor allen Dingen kann man nicht sagen, diese oder jene Sache war jetzt härter oder schlimmer, als so ein verlorener Hase, jeder Mensch hat eine bestimmte Vulnerabilität, also andere Grenzen der Verletzlichkeit-zur Zeit leide ich gerade fürchterlich, weil mein Hund gestorben ist.

Da gab es auch einige, die sagten: ist doch nur ein Hund, schau mal jetzt was in Syrien los ist....ja mag sein, trotzdem ist mein Schmerz da und geht erst mal nicht, weil dieser Sterbefall eben meine Grenze der Verletzlichkeit weit überschritten hat.

LG

30.12.2014 09:41 • #6


Wolfsherz
Ich kann dich sehr gut verstehen Mary, denn ich hatte als Kind auch eine sehr enge Bindung zu meinen Kuscheltieren, allerdings waren es bei mir 3. Eins davon ist im Urlaub verloren gegangen und ich war unendlich traurig, habe geweint und meine Eltern konnten mich anfangs gar nicht mehr beruhigen. Sie sind dann los um in der Stadt nach dem Tier zu suchen, haben es aber leider nicht mehr gefunden. Also haben sie mir das gleiche Kuscheltier nochmal gekauft, was ich natürlich am neuen Aussehen bemerkt habe. Ich habe mich zwar irgendwann beruhigt, aber das neue Kuscheltier konnte mir trotzdem nicht mein altes ersetzen.

30.12.2014 11:38 • x 1 #7


boomerine
So wie es Wolfsherz beschrieben hat, so hätte man damit umgehen können, als Elternteil, und das ist für mich Vater / Mutterliebe.
    Einen Ersatz gibt es für nichts und niemanden.
In die Lage mit meinen Vierbeiner werde ich auch irgendwann kommen darum kann ich das auch gut nachvollziehen. Da ist egal was auf der Welt oder in der Familie los ist. Mit den Kommentaren lebe ich jetzt schon. Diese Menschen sind für mich tabu. Diesen Schmerz kann dir keiner nehmen und dasselbe gilt für auch für das liebe Kuscheltier. Das Kuscheltier sowie der Vierbeiner das ist mit Liebe verbunden die man von einzelnen Personen erwartet aber nicht bekommt, daher kommt die Verbundenheit zu unseren Lieblingen.

30.12.2014 18:58 • x 1 #8


M
Danke für Eure Beiträge und Antworten.

Jetzt denke ich ist auch nachvollziehbar, woher meine Verlustängste kommen. Kein Wunder also.

31.12.2014 16:56 • #9


E
Hallo Mary,

es ist ja dann sicher nicht nur der Verlust eines Spielzeuges gewesen, sondern ich denke mal, vielleicht generell eine kalte Haltung im Elternhaus, die solche Ängste fördert. Meine Eltern haben sich z.B. ständig gezankt wie die Kesselflicker und ich hatte ständig Angst, dass sie sich scheiden lassen, weil die sprachen dann tagelang nicht zusammen, meine Mutter kochte nicht mal mehr was für mich zum Essen und ich musste dann rüber zu der Nachbarin, die mir Brote schmierte...

31.12.2014 17:08 • #10


M
Ja Eweresz,

diese Streitigkeiten kenne ich auch nur allzugut, die dann meist auch in Handgreiflichkeiten geendet haben. Was da alles passiert ist, wäre zuviel hier zu schreiben. Einfach war es nicht und Heute verstehe ich auch, warum ich Probleme in und mit Partnerschaften habe - weil ich so ein Ehe-Desaster vorgelebt bekommen habe und aus diesem Teufelskreis auszubrechen, verdammt schwer ist.

Alles was tief im Unterbewußtsein vergraben liegt, ist sehr schwer umzuwandeln.

Meine Mutter kochte schon, aber wenn es etwas gegeben hatte, was ich partout nicht mochte. Dann mußte ich solange am Tisch sitzen bis ich es aufgegessen hatte und wenn es 2 Stunden waren.
Wenn ich Heute den Geruch von Lauchsuppe in der Nase habe, dann kotze ich sofort.

Ich gratuliere wirklich jeden, der eine schöne Kindheit und ein liebevolles Elternhaus hatte, denn das ist das Höchste Glück was man sich als Kind wirklich wünschen kann.

31.12.2014 17:31 • #11


N
Zitat von Mary45:

Ich gratuliere wirklich jeden, der eine schöne Kindheit und ein liebevolles Elternhaus hatte, denn das ist das Höchste Glück was man sich als Kind wirklich wünschen kann.


Nun.... wie Du es gelesen hast, ist das auch kein Garant für ein weiteres glückliches Leben. Was hilft die Behütung, wenn es gewaltsam entrissen wird?
Aber das mit dem sitzen bleiben bis aufgegessen ist kenne ich noch von meinen Großeltern.... ich habe mir lieber den Hintern verhauen lassen, als dass ich hocken geblieben bin. Meistens hat meiner Oma dann eher die Hand weh getan..

31.12.2014 17:42 • #12


E
Was ich auch immer sehr schlimm fand, ist: ich wurde noch so als Verbündete gesucht-meine Mutter hielt nichts von mir, aber wenn sie ihre Seelennot hatte, musste ich mir praktisch ihren Liebeskummer anhören-ich war da sicher noch nicht mal acht Jahre alt oder so und hab aber weitere 30 gebraucht, um zu erkennen, was für ein perfides Spiel sowas ist...

31.12.2014 18:12 • #13


boomerine
muss leider NoSmile mit seinen ersten beiden Sätzen recht geben, denn da ist etwas wahres dran. Leider.

31.12.2014 18:16 • #14


Celestine
Zitat von No_Smile:
Nun.... wie Du es gelesen hast, ist das auch kein Garant für ein weiteres glückliches Leben. Was hilft die Behütung, wenn es gewaltsam entrissen wird?


Ja, das ist wohl wahr! Ich überlege gerade, was schlimmer ist. Wenn die Kindheit von Anfang an besch...ist und man kennt es gar nicht anders. Oder wenn man einige Jahre eine glückliche Kindheit hat, die dann abrupt aufhört!

31.12.2014 19:31 • #15


boomerine
Hallo Celestine, deine Worte sind wahr und weise. boomerine

01.01.2015 18:21 • #16


A


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