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19

J
Hallo Leute,

es geht um ein Mädchen aus meinem Ausbildungsbetrieb.
Dieses Mädchen ist 19 Jahre alt und eigentlich voll O.K., sie ist besonders hilfsbereit und mega klug. Sie merkt sich, auf der einen Seite, Sachen besonderes schnell, hat im Allgemeinen eine sehr sehr gute Aufnahmefähigkeit und schreibt fast immer top Noten in der Schule. Auf der anderen Seite ist sie aber sehr verunsichert, schüchtern und kindlich im Kopf, redet total schnell und ist ziemlich nah am Wasser gebaut.

Am Anfang war alles gut, bis sie angefangen hat uns zu kontrollieren, indem sie z. B. geschaut hat, ob wir im System richtig eingestellt sind (also wenn wir auf Schulungen sind, nimmt man den Modus Schulung, bei Mittagspause Pause usw.) oder sie steht plötzlich hinter einem am Schreibtisch und macht einen einfach so auf Fehler aufmerksam und das in einem etwas forscheren, besserwisserischen Ton. Dabei schaut sie von oben herab, mit hängenden Lidern und fühlt sich einfach gut dabei. Damals habe ich mich noch dafür bedankt, dass sie mich auf solche Dinge aufmerksam gemacht hat. Später kam ich mir dann aber richtig blöd vor, weil sie jede Kleinigkeit (auch private Dinge, die ich auf meinem Handy schrieb) mir mitteilen musste, die ich sie ihrer Meinung nach nicht richtig machte.

Irgendwann fragte ich die anderen Mädchen, ob sie das bei ihnen auch so mache. Ab dem Moment fing das große Lästern an. Allen ging es auf die Nerven, da es so rüberkam, als ob sie sich dadurch einfach besser und klüger fühlen wollte. Sonst beteiligte sie sich kaum an Gesprächen und kann mit Menschen im Allgemeinen kaum umgehen. Jeden Tag kam sie mit einem Gesicht wie 10 Tage Regenwetter ins Büro und vergaß sogar manchmal das guten Morgen, was ich sehr unfreundlich finde, wenn man sich jeden Tag sieht. Es ging dann so weit, dass ich das Gespräch mit ihr zu zweit suchte, um ihr von meiner Seite aus zu sagen, dass es mich stört und ich nicht bei jeder Kleinigkeit ihren Rat/Verbesserungsvorschlag brauchte. Ich komme gut allein klar und fühlte mich dadurch einfach dumm. Daraufhin weinte sie und gab mir keine richtig Antwort, als ich sie z. B. fragte, ob sie das verstehen könne. Ich gab ihr ein Tempo und tröstete sie.

Danach dachte ich wird alles besser aber ich hörte von anderen, dass sie sie weiterhin korrigierte und sich zum Teil ohne Aufforderung hinter die anderen setzte, um ihnen zu zeigen wie der Vorgang richtig geht. Nach dieser gewissen Zeit suchten ich und eine Kollegin wieder das Gespräch mit ihr und sie weinte wieder und antwortete kaum. Sie meinte, dass sie schon immer ein Einzelgänger war und nicht richtig weiß wie sie mit Menschen umzugehen hat. Bei ihr zu Hause korrigiert sie wohl ihre eigene Schwester immer. Ich wollte ihr erklären, dass es doch dann gerade gut ist, dass wir es bei ihr direkt ansprechen, damit sie evtl. lernt mit anderen netter umzugehen. Für sie war ich aber einfach nur gemein, obwohl ich wirklich Mitleid mit ihr hatte und ihr damit auch nur helfen wollte.

Sie besserte sich nicht. Es ging weiter, dass die eine Kollegin die andere etwas fragte und sie, wie aus der Pistole geschossen, die Antwort einfach rausposaunt. Genauso, wenn jemand einen anderen nach einem Tempo fragt, hat SIE es dir schon zugeschmissen.

Zudem hat sie schon seid den 6 Monaten wo ich sie kenne, eine Hautkrankheit an beiden Händen und Füßen. Bei Schulungen beißt sie nicht nur an Findern, sonders auch an Handballen und Arm rum. Zupft sich die Haut weg und steckt sie sich in den Mund. Das geht so weit bis es blutet. Es ist verdammt eklig und lenkt einen einfach nur ab.

Inzwischen wird sie von jedem, so weit wie möglich, ausgeschlossen. Gemobbt wird sie aber nicht. Wir versuchen uns alle zusammenzureißen und kollegial zu bleiben. Es gibt aber noch viel mehr Dinge die aufregen und alle werden ohne sie in der Mädelsgruppe angesprochen.

Mich persönlich laugt es total aus, da ich nicht aufhören kann, mich darüber aufzuregen wie unfreundlich sie zu einem ist. Auf der anderen Seite tut sie mir leid, da sie meinte, dass sie auch keine Freunde habe. Wie soll ich ihr aber helfen, wenn ich sie nicht leiden kann?
Mit unserer Ausbilderin haben wir bereits geredet, diese kann aber auch nicht viel machen, da sie ja sonst wüsste, dass wir mit ihr hinter ihrem Rücken gesprochen haben.

Wie soll ich jetzt mit so einem Menschen umgehen? Jedes Mal, wenn ich direkt z. B. sage: Ja, das wusste ich doch oder dass seh ich doch, kommt eine ewig lange Rechtfertigung, warum sie so dachte, wie sie dachte (ergibt das Sinn?) und das nervt noch mehr, weil ich gar nicht so viel wissen wollte. Dann wünschte ich mir, ich hätte es einfach heruntergeschluckt und kurz genickt.

Wie kann man Ihr also helfen? Das mit ihren Händen grenzt meiner Meinung nach schon fast an Selbstverletzung. Zudem immer dieser depressive, desinteressierte Gesichtsausdruck. Ist sie evtl. Depressiv? Muss man mit ihren Eltern reden? Sehen die das denn nicht? Was soll ich tun?

28.01.2020 21:59 • 29.01.2020 #1


7 Antworten ↓


Gaulin
Hallo Jenni,
es ist schwer aus der Entfernung und unbekannterweise ein Urteil zu fällen. Aber darum geht es auch gar nicht.
Erstmal finde ich deine Vorgehensweise richtig und toll. Du besitzt Emphatie und dennoch versuchst du deine Grenzen durchzusetzen bzw sprichst sie direkt darauf an. Alles andere liegt leider nicht in deiner Macht.
Offensichtlich benötigt sie Hilfe, weil sie ihr Handeln mit Weinen bedauert, es aber nicht ändern kann.
Damit umzugehen ist sicher nicht einfach. Vielleicht könntest du versuchen, auf der einen Art nicht auf ihre Unangemessenheiten einzugehen/ zu reagieren, aber auf der anderen Seite immer im Hinterkopf zu behalten, dass sie aus irgendeinem Grund so ist wie sie ist und es tatsächlich noch nicht geschafft hat es zu erkennen bzw es zu ändern. Wobei ich schon denke, dass sie ihr Problem kennt, sonst hätte sie nicht geweint. Aber ändern kannst du sie leider nicht. Das muss sie selbst wollen und ändern. Ihr Verhalten erzeugt Konsequenzen (ausschließen), dadurch könnte sie es merken, aber sicher ist das auch nicht.
Ich wünsche dir/euch viel Kraft und alles Gute.
Liebe Grüße
Gaulin

28.01.2020 22:56 • x 3 #2


A


Kollegin wird ausgeschlossen - wie kann ich ihr helfen?

x 3


Donnervogel
@ Jenni ich finde es schön das du helfen möchtest.
Gibt es denn eine Anlaufstelle in eurem Betrieb ? Was meinen denn die andere ?

Zitat:
Mit unserer Ausbilderin haben wir bereits geredet, diese kann aber auch nicht viel machen, da sie ja sonst wüsste, dass wir mit ihr hinter ihrem Rücken gesprochen haben.


Ich könnt ja das Mädchen von dem hier die rede ist miteinbeziehen und Ihr Hilfe anbieten ?
Man darf auch die Eltern mal zu einem Gespräch einladen, ist sicher nicht falsch.

Wünsche euch auch alles Gute.

28.01.2020 23:17 • x 2 #3


A
Ich glaube auch dass es im Prinzip Hilflosigkeit ist und sie versucht auf ihre Art Kontakt zu finden?
Es ist sehr nett,dass du versuchst ihr zu helfen und sie zu verstehen das ist nicht selbstverständlich.
Vielleicht besteht die Möglichkeit nocheinmal mit ihr zu reden und sie etwas konkreter auf gewisse Dinge anzusprechen. Liebe Grüße

28.01.2020 23:35 • x 1 #4


Safira
Das Problem ist ja dass das Mädchen nicht reden tut. Sie antwortet ja nicht, sondern weint dann nur.
Wie will man denn da etwas konstruktiv klären?

Ich finde auch, dass da die Ausbilderin gefragt ist. Sie ist pädagogisch geschult, oder sollte es zumindest sein. Aber die zuckt ja nur mit den Schultern wenn ich das richtig verstanden habe.

28.01.2020 23:38 • x 2 #5


A
Ja da hast du vollkommen recht,dass müsste Sache der Ausbilderin sein. Liebe Grüße

28.01.2020 23:43 • x 1 #6


Insorge
Hallo Jenni,
das ist ja mal eine wirklich sehr differenzierte Beschreibung von einer Person. Ein Lob an deine Fähigkeit einen Menschen mit seinen verschiedenen Facetten zu sehen und beschreiben zu können.
Zitat von jenni1997:
Auf der anderen Seite ist sie aber sehr verunsichert, schüchtern und kindlich im Kopf, redet total schnell und ist ziemlich nah am Wasser gebaut

Zitat von jenni1997:
macht einen einfach so auf Fehler aufmerksam und das in einem etwas forscheren, besserwisserischen Ton. Dabei schaut sie von oben herab, mit hängenden Lidern und fühlt sich einfach gut dabei.

Das scheint sich erstmal ein wenig zu widersprechen (Schüchtern und unsicher, aber gleichzeitig arrogant), aber ist ja oft gar kein wirklicher Widerspruch, wenn versucht wird zu kompensieren. Ein Teil der Beschreibung lässt mich an Asperger Autismus ( klug, schnelle Auffassungsgabe, Probleme mit Sozialkontakten, Fehler nicht ertragen und sie zwanghaft benennen müssen) denken, aber dazu passt das Selbstmitleid nicht so ganz. Alle Asperger die ich bisher kennengelernt habe sind völlig schmerzfrei bei Kritik gewesen, weil sie diese nicht persönlich nehmen (können).

Insgesamt ist die Azubine zwar sehr fähig, aber ihre mangelnden sozialen Kompetenzen erschweren die Zusammenarbeit. Mangelnde soziale Kompetenzen können verschiedenste Ursachen haben (Persönlichkeitsstörungen, ADHS, PTBS und einiges mehr), aber letztendlich hilft es auch nicht, wenn man die Ursache spekuliert.

Das was du beschreibst hinsichtlich deines Umgangs finde ich gut. Grenzen setzen, offene persönliche Gespräche usw. Letztendlich ist schon viel Wichtiges in dem drin was Gaulin schrieb. Also ich würde dann auch immer bei der Situation stupide wiederholen du korrigierst gerade wieder. ( eventuell dazu: Ich möchte das selber machen und wünsche keine Hilfestellung), lass das bitte. Man kann natürlich nochmal versuchen gezielt mit gewaltfreier Kommunikation (nach Rosenberg) das Gespräch mit ihr zu suchen und mal erfragen, warum es ihr so wichtig ist zu korrigieren (also was sie dazu treibt). Ansonsten muss die Ausbilderin einen Supervisor hinzuziehen, wenn sie der Sache selbst nicht gewachsen ist.

29.01.2020 00:25 • x 5 #7


Luna70
Ich denke, es könnte tatsächlich ADHS sein, wobei solche Ferndiagnose natürlich immer schwierig sind. Sie hat offenbar Schwierigkeiten, den Impuls zu unterdrücken, euch zu korrigieren, obwohl sie ja weiß dass es negative Folgen hat. Auch das Knabbern an den Fingern geht so in die Richtung. Menschen mit ADHS haben häufig andere psychische Krankheiten als Folge, das nennt man Komorbiditäten, z.B. Depressionen. Du schreibst ja, dass sie auch oft bedrückt wirkt. Das ist ja kein Wunder, sie bekommt durch ihr Verhalten viel Gegenwind und Ablehnung.

Ihr als Kolleginnen seid natürlich nicht dafür zuständig sie zu therapieren oder eine Diagnose zu stellen. Ich würde an deiner Stelle auch nicht mit den anderen Kolleginnen darüber sprechen, dass eventuell eine psychische Erkrankung vorliegt. Das würde nur dazu führen, dass sie von einigen als Psycho tituliert wird und das wäre kontraproduktiv. Aber sollte es ADHS sein, dann wäre ein gutes Verhalten, dass ihr sie für gute Sachen lobt und ihr Anerkennung gebt. Danach hungern ADHS-Betroffene förmlich, auch weil sie so gut wie immer nur Kritik und Abwehr bekommen.

Mit Druck und direkter Konfrontation erreicht man nichts, besser sind freundliche, konsequente Hinweise, wenn sie wieder mal übers Ziel hinausschießt. ADHS-Betroffene sind schon fähig, ihr eigenes Verhalten zu überprüfen und zu korrigieren, nur sind sie oft nicht in der Lage, ihre Impulse zu kontrollieren.

Auf jeden Fall hat sie Glück, eine so empathische und kluge Kollegin wie dich zu haben.

29.01.2020 10:02 • x 5 #8





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