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@randUser Das mit der 25 scheint wirklich so eine Art magische Grenze zu sein, die einem die Gesellschaft (oder whoever) aufdiktiert. Sie ist Ausdruck einer Kultivierung der Jugend, wohingegen das Altern als wirklich minderwertig erscheint, weil dann prozessweise alles scheinbar verfällt, man keine Zeit mehr für sich und andere habe, verbittert sei von den Misserfolgen des Lebens und einen zusätzlich auch noch die ganzen Narben unverarbeiteter psychischer Störungen einzuholen scheinen. Leider kann ich mich von diesem stereotypischen Denken nicht ganz ausnehmen und hänge ja selber dem Bedürfnis an, Jugendlichkeit zu erfahren; damit meine ich das bewusste Erleben vom geistigen Erwachsenwerden, das in der Formung einer eigenen Persönlichkeit mündet und von Rebellion und Skepsis gegenüber den teilweise verkrusteten Erwartungen der Eltern begleitet wird. Ich habe auch nicht wenig Angst vor dem Älterwerden, aber das nicht, weil ich Altsein per se missachte sondern weil ich einen aufbauenden geistigen Entwicklungsprozess dahin gehen will. Noch ist es so, dass ich - weil ich schon früh in der Schule eher ein Streber war, der sich lieber distinguiert als umgänglich ausdrückte - das Gefühl habe, den dritten Schritt im Leben vor dem zweiten gemacht zu haben.
Auf der anderen Seite wird das Erwachsensein meiner Meinung nach dann übertrieben verübelt. In Filmen, Büchern oder auch Hörspielen (zumindest solchen deutscher Herkunft) findet man ganz häufig den Tenor von burnoutnahen Mittvierzigern, die mit sich und ihrer Umwelt nicht klarkommen und einfach nur wieder dreißig Jahre jünger sein möchten. Leider sind das nur allzu oft flache Idealtypen, die aus dramaturgischen Problemen problematisiert werden müssen. Mit der ungünstigen Nebenwirkung, dass dadurch ein Echokammereffekt der Altersabwertung entsteht.
Es deckt sich jedenfalls nicht mit den empirischen Erfahrungen meines (kleinen) Bekanntenkreises im entsprechenden Alter. Natürlich gibt es dort auch verbitterte, aber das sind ganz wenige. Die meisten haben schon noch irgendwie Spaß am Leben und das ist auch mein Ziel. Dafür muss ich mein Erwachsenwerden, dass in einer Paradoxonfalle zwischen hoher Bildung und schlimmer Uneigenständigkeit bzw. fehlender Lebenserfahrung gemessen am Altersniveau steckt, in eine ausgeglichenere Position bringen.

20.10.2022 01:16 • #41


W
Zitat von Germanist:
@Williams-Christ Witzig , dass du diesen indischstämmigen Arzt aus Texas (wtf?) auch kennst. Freut mich, dass du was aus dem Video entnehmen konntest. Die Welt ist wirklich klein.

Den indischstämmigen Arzt habe ich tatsächlich vor etwa einer Woche zufällig auf YT entdeckt, weil mein Algorithmus mich nach etlichen Suchanfragen dieses Jahr mit Self-Improvement- und Einsamkeitstherapie-Vorschlägen zuballert. Leider ist das Meiste davon ziemlicher Schrott, weil viel zu generalisierend oder es werden die falschen Methoden für Menschen mit ungelösten psychischen Problemen angeboten, aber Dr. K find ich richtig stark:)

20.10.2022 01:20 • #42


A


Finden einer Freundesgruppe auch nach der Schule?

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@Williams-Christ

Ich schreibe das Folgende mal bewusst provokant, fasse das bitte nicht als persönlichen Angriff auf.

Zitat von Williams-Christ:
Das mit der 25 scheint wirklich so eine Art magische Grenze zu sein, die einem die Gesellschaft (oder whoever) aufdiktiert.

Und weil das so ist, nehmen wir das als Naturgesetz hin, was für immer und auf alle Zeiten unwiderruflich gelten wird?

Zitat von Williams-Christ:
damit meine ich das bewusste Erleben vom geistigen Erwachsenwerden, das in der Formung einer eigenen Persönlichkeit mündet und von Rebellion und Skepsis gegenüber den teilweise verkrusteten Erwartungen der Eltern begleitet wird.

Dein oben genanntes Verhalten stellt also Rebellion dar? Du willst verkrustete Erwartungen überwinden und kannst dich noch nicht mal von dieser nahezu absurd geradlinigen Vorstellung des Lebens trennen?

Zitat von Williams-Christ:
Ich habe auch nicht wenig Angst vor dem Älterwerden, aber das nicht, weil ich Altsein per se missachte sondern weil ich einen aufbauenden geistigen Entwicklungsprozess dahin gehen will.

Was hältst du denn davon einfach erstmal ein bisschen zu leben, anstatt dir so hochtrabende Ziele zu setzen? Die geistige Entwicklung entsteht vor allem durch PRAKTISCHE Lebenserfahrung und das ganz oft einfach nebenbei.

Zitat von Williams-Christ:
Dafür muss ich mein Erwachsenwerden, dass in einer Paradoxonfalle zwischen hoher Bildung und schlimmer Uneigenständigkeit bzw. fehlender Lebenserfahrung gemessen am Altersniveau steckt, in eine ausgeglichenere Position bringen.

Lies diesen Satz bzw. den gesamten Beitrag bitte nochmal mit den Augen eines von dir anvisierten 0815-Jugendlichen. Der ach so gebildete Herr findet also keine Freunde? Höchst verwunderlich.

Du willst das Leben eines typischen Jugendlichen (was auch immer das sein soll) bzw. jungen Erwachsenen führen, schaffst es aber nicht dich anzupassen. Andererseits bist du aber auch nicht in der Lage deine eloquente Art (die ja prinzipiell nichts schlechtes ist) selbstbewusst nach außen zu vertreten.

Solange du dich selbst als anders wahrnimmst, BIST du anders und wirst dementsprechend auch von außen so wahrgenommen. Integration heißt Teil einer Gruppe werden, nicht Anhängsel. Am Ende ist es der Mittelweg zwischen Anpassung und Beibehalten deiner Eigenheiten. In welchem Verhältnis genau du dein Gleichgewicht findest, kannst du nur selbst ausprobieren.
Ich persönlich verstehe aber immer noch nicht, warum du so vehement einer konstruierten Vorstellung von Jugendlichkeit hinterherrennst, die weder zu dir noch zum Selbstverständnis der von dir anvisierten Zielgruppe passt. Bisher lese ich hier vor allem auswendig gelerntes Lehrbuchwissen, aber die Frage ist doch: Was willst DU? Angenommen ich würde mich später mal für deine Lebensgeschichte interessieren, lohnt es sich dann dein persönliches Tagebuch zur Hand zu nehmen, oder brauche ich bloß eine soziologische Analyse der Gesellschaft zu lesen? Was macht dein Leben zu DEINEM Leben?

20.10.2022 12:57 • #43


W
@randUser

das geht schon in Ordnung, für mich ist eine ehrliche Kritik meiner Beiträge definitiv hilfreicher als inhaltsleere Bestätigung:)

Zitat:
Und weil das so ist, nehmen wir das als Naturgesetz hin, was für immer und auf alle Zeiten unwiderruflich gelten wird?


Dass es sich um eine gesellschaftliche Erwartungshaltung handelt, die damit relativierbar wird, habe ich in meinem vorigen Beitrag ja schon thematisiert. Ich möchte diesen Lebensentwurf aber allerhöchstens geringfügig relativieren, womit wir schon beim nächsten scheinbaren Widerspruch wären...


Zitat:
Dein oben genanntes Verhalten stellt also Rebellion dar? Du willst verkrustete Erwartungen überwinden und kannst dich noch nicht mal von dieser nahezu absurd geradlinigen Vorstellung des Lebens trennen?


der dadurch aufzulösen ist, indem ich gar nicht den Anspruch erhebe, Rebellion hier damit gleichzusetzen, ein avantgardistisches und altersgemäß untypisches Leben zu führen - das wäre ja schon eher eine Revolution. Eigentlich meinte ich nur, mich dagegen zu wehren, dass Reaktionäre mir vorschreiben, was der Common Sense aller Moral ist.

Natürlich kann man so wie du argumentieren, dass dieses Element von 68er-Kultur selbst zu einem Teil des Common Sense geworden ist. Und es stimmt auch. Allerdings ist es der sinnvollste für mich vorstellbare Weg, wie ich zu einer eigenen Persönlichkeit mit eigenen Standpunkten werde. Der Unterschied liegt meines Erachtens nämlich darin, dass es sich beim Reaktionismus um äußerliche Zwänge handelt, die einen letztlich an der eigenen Entfaltung hindern (wie ich es bspw. bei meiner Mutter miterlebe) während das, was ich umgänglich als jugendliche Rebellionskultur bezeichnet habe - in Maßen vollführt - zu sehr viel Lebenszufriedenheit führen kann (wie ich bspw. an ehemaligen Mitschülern und Kommilitonen bemerke).

Dass letzteres dabei selbst zu einer Erwartungshaltung mit unangenehmen Folgen werden kann, ist mittlerweile übrigens auch wissenschaftlich belegt. Wenn es dich interessiert, würde ich dir das Buch Die Gesellschaft der Singularitäten von Andreas Reckwitz empfehlen. Darin wird analysiert, dass Spaß- und Selbsterfüllung zur Norm werden, die schon etwa ein Drittel der deutschen Gesellschaft betrifft und zur Erschöpfung führen können - wegen eines Übermaßes an Geltungsbedürfnis. Ich weiß nicht, ob du das von mir dachtest oder es in meinen Beiträgen so rüberkam, aber ich bin mir schon sehr bewusst, dass ich diese Vorstellung vom Leben geradlinig ist.


Zitat:
Solange du dich selbst als anders wahrnimmst, BIST du anders und wirst dementsprechend auch von außen so wahrgenommen. Integration heißt Teil einer Gruppe werden, nicht Anhängsel. Am Ende ist es der Mittelweg zwischen Anpassung und Beibehalten deiner Eigenheiten. In welchem Verhältnis genau du dein Gleichgewicht findest, kannst du nur selbst ausprobieren.


Und ich weil mir darüber bewusst bin, sehe ich mich durchaus auf dem Weg dahin, diesen Mittelweg auch anzusteuern. Die Grenze liegt für mich klar dort, wo die Glücksjagd zu einer Sucht wird und allerhand sinnlosen Aktionismus nach sich zieht. Das ist zu viel! Aber die grundsätzliche Idee finde ich attraktiv.


Zitat:
Du willst das Leben eines typischen Jugendlichen (was auch immer das sein soll) bzw. jungen Erwachsenen führen, schaffst es aber nicht dich anzupassen. Andererseits bist du aber auch nicht in der Lage deine eloquente Art (die ja prinzipiell nichts schlechtes ist) selbstbewusst nach außen zu vertreten.


Im Detail ist das ja die Ausführung des Mittelwegs. Hier probiere ich mich gerade aus. Bspw. versuche ich, das Schamgefühl für mein Bildungsinteresse, dass mir schon oft die unterschwellige oder auch direkte Verurteilung einbrachte, ich würde in einem Elfenbeinturm leben, in anderen Bereichen auszugleichen. So traue ich mich etwa, immer mehr offensive Kommentare anderen Menschen - auch Autoritäten gegenüber zu geben eben. Auch auf die Gefahr hin, dass das mal in den falschen Hals gerät und eine peinliche Situation entsteht. Ich bringe auch mittlerweile Witze auf meine Kosten, antworte z.B., wenn mich Leute fragen, was man mit meiner abenteuerlichen Studienkombination mal werden will, so etwas wie Taxifahrer oder Wieso werden? Bin ich jetzt etwa noch nichts für dich?, weil mir die unterschwellige Skepsis und die Verurteilung, die in solchen Fragen mitschwingt, auch den Sack geht.

Übrigens hast du mich mit deiner Gegenüberstellung auf eine Idee gebracht. Ich werde mir als nächstes Ziel setzen, meine Eloquenz in Form von Fachwissen und Fachausdrücken auch mal bewusst zu bringen, um Menschen ein bisschen zu schocken. Aber nicht auf eine arrogante, sondern eine selbstironische Weise. Vielleicht schaffe ich es so, dass sogar völlig abzubauen. Und wo wir gerade davon sprechen:

Zitat:
Dafür muss ich mein Erwachsenwerden, dass in einer Paradoxonfalle zwischen hoher Bildung und schlimmer Uneigenständigkeit bzw. fehlender Lebenserfahrung gemessen am Altersniveau steckt, in eine ausgeglichenere Position bringen


Dieses zugegebenermaßen unerträglich gestelzte Zeug entsteht bei mir nur, wenn ich in einen akuten Anfall von Schreibwut verfalle. Ich finde definitiv nicht deswegen zu wenig Freunde, weil ich mich in der Alltagswelt so ausdrücken würde und mittlerweile hat sich meine Ausdrucksweise im Vergleich zu früher sogar mehr meinem Altersniveau angepasst. Natürlich spreche ich noch gerne über Fachthemen und fange dann auch an, zu klugsch.n, aber ich kann auch BS-Talk auf absolutem Teenage-Fäkal-Niveau und es macht verdammt noch mal Spaß!

Zitat:
Bisher lese ich hier vor allem auswendig gelerntes Lehrbuchwissen, aber die Frage ist doch: Was willst DU?


Abschließend: Ja, ich argumentiere viel mit Lehrbuchwissen, aber ich stehe auch dazu. Anleitungen empfinde als unabdingbar, um die Logik zu ermitteln, nach der ich - wie oben beschrieben - meine Lösungswege finde. Dahinter steht folgendes: Ich könnte alles durch bloßes Probieren herausfinden, aber ich würde ewig brauchen, um die Defizite an Social Skills damit bis auf ein erträgliches Maß einzudampfen oder ich frage dort nach, wo die Strategien dafür liegen und nehme einen viel schnelleren Weg. Es ist immer so, wenn man etwas lernt. Für Gitarrenskills, die du durch Learning by Doing in fünf Jahren erlernst, brauchst du mit einem fähigen Gitarrenlehrer vielleicht ein bis zwei.

Insofern kann ich dir nicht sagen: Das will ich jetzt, weil ich erst mal die Logik verstehe, um dieses Puzzle zu bearbeiten, dass mir dann eine Antwort gibt, sodass ich wieder feinjustieren kann. Ich lege nicht mehr einfach blind drauf los und mache irgendwas, nur um es ausprobiert zu haben. Aber ich tue auch nicht nichts.

21.10.2022 01:52 • #44


E
@Williams-Christ

meine Konfrontation war in sich natürlich auch einseitig, aber ich wollte einfach mal sehen, wie du auf diesen Blickwinkel reagierst. Und ich habe so den Eindruck, du hast eigentlich eine ganz gute Vorstellung davon, was du willst und was nicht.

Zitat von Williams-Christ:
Die Grenze liegt für mich klar dort, wo die Glücksjagd zu einer Sucht wird und allerhand sinnlosen Aktionismus nach sich zieht. Das ist zu viel!

Dito. Genauso stimme ich zu, dass man aufpassen muss nicht zu weit in die allzeit positive Selbstverwirklichungsrichtung zu pendeln. Das war ja mein Hauptkritikpunkt an den Kommentaren von @Germanist, dass man die negativen Aspekte eben nicht einfach beiseite schieben kann.

Zitat von Williams-Christ:
[...] antworte z.B., wenn mich Leute fragen, was man mit meiner abenteuerlichen Studienkombination mal werden will, so etwas wie Taxifahrer

Genau mein Humor, ich wünsche allzeit gute Fahrt und freundliche Fahrgäste

Zitat von Williams-Christ:
Ich werde mir als nächstes Ziel setzen, meine Eloquenz in Form von Fachwissen und Fachausdrücken auch mal bewusst zu bringen, um Menschen ein bisschen zu schocken. Aber nicht auf eine arrogante, sondern eine selbstironische Weise.

Das habe ich in der Schulzeit manchmal gerne getan und es hat richtig Spaß gemacht. Heute mache ich es nicht mehr so bewusst, aber es passiert mir sicher auch noch (obwohl ich es manchmal gar nicht mehr mitkriege). Mir hat es auf jeden Fall geholfen es als Teil von mir zu akzeptieren und es auch nach außen so zu vertreten.

Es gibt einen Punkt, in dem ich noch etwas ergänzen möchte:
Zitat von Williams-Christ:
Für Gitarrenskills, die du durch Learning by Doing in fünf Jahren erlernst, brauchst du mit einem fähigen Gitarrenlehrer vielleicht ein bis zwei.

Du hast natürlich recht, dass man nicht alles selbst ausprobieren muss, sondern sich auch schon viel bei anderen abschauen kann. Ich lese ja auch regelmäßig solche Analysen usw. und hinterfrage damit auch immer wieder meinen aktuellen Standpunkt. Jetzt zurück zu deinem Beispiel: Wenn du wirklich Gitarre lernen willst, musst du ab einem gewissen Punkt eine Leidenschaft in dir dafür entdecken und dich dann mehr und mehr von den Vorgaben deines Lehrers lösen, um deinen eigenen Stil zu finden. Der Lehrer ist also eher der Anfang der Kette, auch wenn er dich sicher eine Weile begleiten wird.

Eine für mich entscheidende Sache, die ich mittlerweile zu einem großen Teil abgelegt habe, ist die Vorstellung, dass in meinem Leben ein Ereignis logisch auf das andere folgen muss. Vielleicht sind wir in diesem Punkt aber einfach verschieden, denn du sagtest ja auch, dass du von dem linearen Lebensverlauf nicht so weit abweichen willst. Für mich wird immer unwichtiger welche Ereignisse nun konkret eintreten. Entscheidend ist, dass ich dabei ein gutes Gefühl habe bzw. den Eindruck, dass diese Geschehnisse und die Menschen, mit denen ich meine Zeit verbringe, mein Leben bereichern. Damit versuche ich mich nicht zu sehr von angelernten Vorstellungen lenken zu lassen, denn für den einzelnen Moment spielen sie keine Rolle.
Um mal ein Beispiel zu geben, was ich damit meine: Gerade beschäftige ich mich damit mein schwarz-weiß-Denken in Sachen zwischenmenschliche Beziehungen aufzulösen. Ich versuche nicht mehr in den gewohnten Kategorien Bekanntschaft, Freundschaft, Beziehung zu denken, sondern einfach nur den jeweiligen Menschen zu sehen. Manche Leute wollen ja schon nicht wahr haben, dass auch Männer und Frauen einfach nur einen freundschaftlichen Umgang miteinander pflegen können. Wenn die Moralpolizei dann noch der Meinung ist, dass spätestens diese eine Umarmung gerade einfach ein bisschen zu lang und zu eng für eine reine Freundschaft war, kann mir das vollkommen egal sein. Ich treffe diese Einordnung ja gar nicht mehr und solange wir uns beide wohl dabei fühlen, ist demnach alles in bester Ordnung.
Je mehr ich mich mit dieser Herangehensweise beschäftige, desto mehr stelle ich fest wie durchsetzt unser Leben eigentlich von solchen impliziten Vorgaben ist. Das ist sicherlich auch eine Frage der Kultur und es sind auch bei weitem nicht alle dieser Regeln schlecht. Aber auch hier sind wir wieder bei dem schon oft angesprochenen Gleichgewicht, dass es zu finden gilt.

21.10.2022 12:15 • #45


Doug-Heffernan
@Germanist
Vielen Dank für das Video. Mir war das noch nicht bekannt und einige Stellen sind wirklich hilfreich.

Zitat von Germanist:
Daher kann ich euch nur sagen, dass diese hier teilweise durchkommende apokalyptische Stimmung was die zukünftige Charakter- und Lebensentwicklung von euch angeht vollkommen blödsinnig ist. Ihr dürft euch eure Situation nicht schlimmer ausmalen als sie eigentlich ist!


Damit hast du völlig recht. Es bringt einfach nichts, sich die Zukunft auszumalen, falls sich an der aktuellen Situation nichts ändert. Oder sich die Zukunft auszumalen, wenn man es schafft etwas an der eigenen Situation zu ändern. Genauso wenig bringt es, die eigene Vergangenheit immer wieder und wieder zu analysieren. Es mag sein (wie auch im Video erwähnt), dass es wichtig ist zu verstehen, was passiert ist um an den heutigen Punkt zu kommen. Und sich keine Schuld zu geben, da man vieles einfach nicht beeinflussen konnte.
So plump es von diesem Texaner klingt, so faszinierend finde ich es: Man muss die eigene Vergangenheit bzgl. Sozialverhalten verstehen, man muss sie ohne sich die Schuld zu geben akzeptieren und anschließend abhaken.

Mit diesem What can you do today?-Kapitel habe ich noch etwas meine Probleme. Es klingt sehr vielversprechend, mir fällt jedoch nur wenig ein. Vielleicht wäre es hilfreich, ein bisschen Brainstorming zu machen. Jeder hat andere Ideen und bereits das ein oder andere ausprobiert.
Ich werde auf alle Fälle zwei alte Kontakte wieder anschreiben. Ich habe zwar noch mehr alte Kontakte, aber bei diesen beiden kann ich mir vorstellen, dass wir uns immer noch gut verstehen. Was dabei raus kommt ist schwer vorherzusagen, dieser Schritt fällt mir aber ziemlich leicht.
Außerdem mache ich ein bisschen Sport und ernähre mich gesünder. Auch wenn das eigentlich nichts damit zu tun hat, fühle ich mich besser und gehe etwas zufriedener/selbstbewusster durchs Leben. Ich kann mir vorstellen, dass solche Kleinigkeiten auch ihren Teil beitragen. Selbst wenn es ein sehr, sehr kleiner Teil ist.

24.10.2022 09:29 • #46


G
@Doug-Heffernan
Zitat von Doug-Heffernan:
Mit diesem What can you do today?-Kapitel habe ich noch etwas meine Probleme.

Da hast du weniger Problem als ich. Ich kenne eigentlich keine alten Bekannten. Und zudem würde es mir selbst schwer fallen wirklich eine neue freundschaftliche Beziehung aufzubauen und ich fürchte mich ehrlich gesagt davor. Aber bei dir scheint das ja noch nicht all zu lange her zu sein, als du richtige Freunde hattest. Das hatte ich eigentlich noch nie.

26.10.2022 14:27 • #47


Doug-Heffernan
@Germanist
So richtig eng befreundet waren wir auch nicht. Aber das sind die vielversprechendsten Kontakte die ich noch im Handy habe.
Das mit alten Kontakten ist auch nur eine Sache, man kann bestimmt 1000 andere Dinge versuchen. Wirklich viel ist mir aber nicht eingefallen. Vielleicht schaffen wir es ja, einige Ideen zu sammeln und somit Schritt für Schritt unser Problem hinter uns zu lassen.

Das mit der Angst kenne ich nur zu gut. Ich will auf der einen Seite neue Leute kennenlernen und raus aus der Einsamkeit, auf der anderen Seite will ich es nicht, habe Angst davor und jeder kleine Schritt kostet mich Überwindung. Für Außenstehende würde das sicher paradox klingen.
Darum fand ich dieses What can you do today so spannend. In sehr vielen kleinen Schritten auch die eigene Angst und alles, was einen selbst daran hindert Menschen kennenzulernen, überwinden.

26.10.2022 17:40 • #48


G
Zitat:
Darum fand ich dieses What can you do today so spannend

@Doug-Heffernan Sorry, da ist mir jetzt konkret nicht viel eingefallen. Das Problem wird da sein, dass jeder irgendwo in einer anderen Situation ist.

Bei mir ist der nächste kleine bzw. für mich eigentlich große Schritt mein Umzug/Auszug aus dem elterlichen Bereich (mit 30 Jahren ).. Und erst dort werde ich dann mehr oder anders über freundschaftliche Kontakte nachdenken, denke ich zumindest...

Aber gleichzeitig denke ich, dieser Schritt räumlich und finanziell von den Eltern losgelöst zu sein, wird ein häufig als Thema auftauchen bei den 25 year old loner.

In meiner Wahrnehmung lernen viele Leute ihre guten Freunde bzw. langfristigen Kontakte nicht bewusst kennen, sondern während man mit der gleichen oder ähnlichen Aufgaben beschäftigt ist (also Schule, Uni, Ausbildung, Arbeit).

Das wäre mein kurzes Brainstorming zu der Sache

27.10.2022 10:55 • #49


E
@Germanist

Das ist jetzt wahrscheinlich Off Topic und vielleicht sollte ich es gar nicht schreiben, aber ich kann mich leider gerade nicht zurückhalten. Nimm es mir bitte nicht übel, aber:
Zitat von Germanist:
Bei mir ist der nächste kleine bzw. für mich eigentlich große Schritt mein Umzug/Auszug aus dem elterlichen Bereich (mit 30 Jahren )..

und
Zitat von Germanist:
Aber gleichzeitig denke ich, dieser Schritt räumlich und finanziell von den Eltern losgelöst zu sein, wird ein häufig als Thema auftauchen bei den 25 year old loner.

in Kombination mit:
Zitat von Germanist:
Ihr dürft euch eure Situation nicht schlimmer ausmalen als sie eigentlich ist!

triggert mich gerade irgendwie.

Vielleicht wäre ein Ansatz mal, dass man sich seine eigene Situation auch nicht schöner ausmalen darf, als sie eigentlich ist. Vielleicht wäre es eine gute Idee endlich seinen Allerwertesten hochzukriegen und sich die reale Welt anzuschauen, anstatt sich in YouTube-Videos oder Büchern zu verlieren. Wenn schon über kleine Dinge nachgedacht wird, die man gleich machen kann, warum kommt dann hier niemand auf die Idee mal die eigenen vier Wände zu verlassen? Wie wäre es denn heute Abend mal mit einem kleinen Spaziergang? Das kann jeder, auch alleine. Oder am Wochenende mal zu einem Konzert, einer Lesung, einer Messe, in ein Museum, in die Kirche oder was weiß ich was man noch alles unternehmen kann? Einfach mal raus kommen aus der selbst geschaffenen Illusion.
Menschen mit Träumen sind faszinierend. Träumer, die in ihrer kleinen Welt festhängen und im Leben nie etwas anderes gesehen haben nicht.

So, das waren jetzt meine fünf Minuten für heute. Am Ende kann niemand sagen was im Leben richtig oder falsch ist. Wenn man aber mit der eigenen Situation unzufrieden ist und über Jahre hinweg nichts daran verändert, braucht man sich über seine missliche Lage nicht wundern.

27.10.2022 12:10 • #50


G
Zitat von randUser:
Menschen mit Träumen sind faszinierend. Träumer, die in ihrer kleinen Welt festhängen und im Leben nie etwas anderes gesehen haben nicht.


Sorry, dass ich so spät antworte, aber auf folgendes möchte ich noch antworten:

Das man darf sich seine Situation nicht schlimmer ausmalen als sie ist galt halt für die unnützen negativen Gedanken und Affirmationen, welche man sich vermutlich schon seit dem Jugendalter eingeredet hat oder einfach so mitbekommen hat.

Bei meiner Reflexion über mein bisheriges Leben wäre das Beste gewesen, möglichst schnell aus dieser Negativität herauskommen (wie du im nächsten Zitat ja korrekt schreibst).

Es ist bei mir halt einfach nicht so gelaufen, wie es bei euch, die iht noch etwas jünger seid noch (vielleicht hoffentlich auch recht schnell) laufen kann. Vielleicht hast du das daher etwas verwirrend/triggern empfunden. Das ist nun mal meine Situation und mein Blick mit Anfang 30. Und damit muss ich irgendwie mit mir selbst zurechtkommen.

Zitat von randUser:
Einfach mal raus kommen aus der selbst geschaffenen Illusion.

Das ist bei mir vermutlich dringen nötig. Guter Einwand. Eigentlich weiß ich das selbst. Aber letztendlich sind viele der damals an mir nagenden Gedanken, als ich im euren Alter war, nur deswegen geblieben, weil ich genau das halt nicht gemacht habe. Daher kam auch dieser Spruch „man darf sich seine Situation nicht schlimmer ausmalen als sie ist – das galt, wie oben beschrieben, nicht für alle Gedanken, nur für die unnützen. Das bewusst zu unterschieden war mir damals aucht nicht möglich.

Abschließend liegt es an beidem: aktivem, nützlichem Handeln und sich selbst im Kopf nicht selbst das Leben unnötig schwer machen. Aber das ist natürlich leichter gesagt als getan und daher habe ich es damals auch nicht gemacht.

07.11.2022 22:57 • #51


E
@Germanist

Zitat von Germanist:
Abschließend liegt es an beidem: aktivem, nützlichem Handeln und sich selbst im Kopf nicht selbst das Leben unnötig schwer machen.

Da gebe ich dir recht. Ich weiß ja selbst auch, wie das ist, wenn man in dieser Abwärtsspirale festhängt. Durch das fehlende Selbstbewusstsein zieht man sich oft zurück und der Rückzug bewirkt, dass das Selbstbewusstsein mit der Isolation noch weiter abnimmt. Man verliert gewissermaßen mehr und mehr die Verbindung zur Realität.

Mir ist der Ausbruch letztlich nur durchs Handeln und nicht durchs Nachdenken gelungen, obwohl letzteres zur Aufarbeitung auch nötig war. Wenn man sich in der Realität bewegt, besteht immer auch die Chance auf einen glücklichen Zufall oder eine unerwartete positive Erfahrung. Vor allem passieren sie öfter, als man denkt. Insbesondere, wenn man so viele negative Erfahrungen gemacht hat, ist der eigene Blick dahingehend verzerrt. Es braucht nur eine solche Gelegenheit und die gesamte Spirale kann in die Gegenrichtung kippen. Ein Ereignis, was einem ein Stück Selbstbewusstsein zurückgibt, reicht schon. Man ist motivierter, hat eine positivere offenere Einstellung und versucht es bald darauf nochmal.
Mitunter dauert es lange, bis man es schafft das erste mal über seinen eigenen Schatten zu springen. Dieser Sprung muss noch nicht mal besonders groß sein, er muss nur für einen selbst ein Schritt in die richtige Richtung sein. Und welche Richtung das ist, kann man nur ausprobieren.

08.11.2022 23:05 • #52


G
@randUser
Das ist super, dass es bei dir besser funktioniert hat als bei mir . Find ich wirklich toll, da ich ja selbst sehr gut weiß, wie es ist da nicht herauszukommen.

Darf ich fragen, welche positive Ereignisse dich ungefähr aus dieser Negativspirale herausgebracht haben. Nur so ungefähr, Umschreibungen oder so. Natürlich nur, wenn dir das genehm ist.

09.11.2022 13:39 • #53


E
@Germanist Gute Frage, das waren einige. Viele viele kleine Dinge, aber auch ein paar größere Meilensteine, auf die ich mich im wesentlichen beschränken werde:

Die Grundvoraussetzung war für mich nach dem Abi von zuhause auszuziehen. Das war gewissermaßen der Startschuss und erstmal das wichtige Signal: Jetzt bist du für dich selbst verantwortlich und kannst dir dein Leben nach deinen Vorstellungen gestalten. Stunde null sozusagen.
Dann ist alles anders gekommen, als ich es mir vorgestellt habe, überwiegend durch die Pandemie bedingt. Ich habe mein Studium abgebrochen und bin ins Fernstudium gewechselt. Die Lektion hierbei war für mich vor allem auf mein Gefühl zu hören, an meinen Prinzipien festzuhalten und mich der Situation nicht tatenlos auszuliefern, sondern auf die veränderten Umstände zu reagieren.
Danach ging es mir eine Weile nicht besonders gut. Ich hatte mich wissentlich komplett isoliert und war ehrlich gesagt überfordert damit, dass mein Leben plötzlich vollkommen anders war, als alles, was ich mir mal vorgestellt hatte. Ich hatte irgendwie jegliche Orientierung verloren.
Ein extrem glücklicher Zufall, der vieles verändert hat, war, als ich es zum ersten mal geschafft habe eine mir unbekannte aber auf den ersten Blick sympathische Studentin in der Stadt anzusprechen. Als ich sie zum ersten mal gesehen habe, habe ich mich nicht getraut, aber wir sind uns eine Woche später zufällig nochmal an der selben Stelle begegnet. Das ganze verlief zunächst etwas stockend bis sie mich unerwartet gefragt hat, ob wir uns nicht irgendwo hinsetzen und uns in Ruhe unterhalten wollen. Aus dieser Unterhaltung ist eine mittlerweile sehr enge Freundschaft über Ländergrenzen hinweg geworden. Es stellte sich nämlich heraus, dass sie bloß für ein paar Monate als Austauschstudentin hier war.
Dann kam erstmal wieder eine neue Talfahrt. Es war Winter, der nächste Lockdown. Wieder ein Tiefpunkt, aber immerhin hatte ich jetzt eine Freundin mit der ich regelmäßig schreiben konnte und das hat viel ausgemacht.
Dann habe ich mich hier im Forum angemeldet und wieder durch Zufall die erste Person kennengelernt, die praktisch genauso ist, wie ich. Auch wir sind heute gut befreundet und schreiben regelmäßig. Und es ist jedes mal wieder ein verrücktes Gefühl von einem anderen Menschen, den man noch nie persönlich gesehen hat, so gut verstanden zu werden.
Irgendwann wollte ich dann aber nicht bloß immer schreiben, sondern mich auch mal mit jemandem treffen. Beim rumsuchen bin ich zufällig auf eine Seite gestoßen, über die man sich mit anderen Leuten aus der Stadt verabreden konnte und habe darüber tatsächlich jemanden gefunden, mit der ich mich jetzt gelegentlich auf einen Spaziergang treffe, oder mal zu einem Konzert gehe etc.

Das sind denke ich die für mich wichtigsten Ereignisse gewesen. Auch wenn es vielleicht so scheint, darf man sich das nicht so vorstellen, als wäre das alles ganz locker hintereinander weg passiert. Dazwischen lagen auch viele Tage Grübelei und andere unschöne Dinge. Am Ende habe ich aber immer wieder eins gelernt: Man weiß nie was wirklich passieren wird, bevor man es nicht ausprobiert. Nichts von all dem habe ich mir vorher so vorgestellt. Es ist auch nichts, was man planen oder worauf man bewusst hinarbeiten kann. Auch bei diesen Dingen darf man den berühmten Zinseszinseffekt nicht unterschätzen. Mit jedem Schritt wird es einfacher, auch wenn es lange so scheint, als würde sich nicht viel tun.

10.11.2022 00:26 • x 1 #54


G
@randUser Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag. Vielleicht werde ich später noch was dazu antworten, wenn ich Zeit habe und falls mir etwas Nützliches einfällt .

10.11.2022 15:15 • #55


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