m_eiche
Wolke, Freisein, Major Tom, und alle andern,
ich beneide euch ein wenig, weil ihr ( und auch viele andere hier im Forum ) so tolle Dialoge führen könnt und vor allem, weil ihr relativ schnell auf andere User antworten könnt.
Mir fällt es oft schwer, die richtigen Worte zu Papier zu bringen und brauch deshalb meistens viel Zeit um zu antworten. Reden könnt ich dafür um so länger.
Tja, mein Kampf mit meinem Burnout.
An manchen Tagen lässt er mich einigermaßen in Ruhe, an anderen klopft er dann wieder um so heftiger an die Tür. Am letzten Donnerstag war es wieder sehr heftig.
Ich bin jetzt 38 Jahre selbstständig, davon habe ich die meiste Zeit allein gearbeitet. Nach meinem Zusammenbruch 2013 konnte ich einige Monate gar nicht mehr arbeiten. Ohne die finanzielle Unterstützung meiner Geschwister und eines sehr guten Freundes wäre ich sofort in die Insolvenz gerutscht.
Krankfeiern ging nicht, da die Beiträge zur PKV und zur Krankentagegeldversicherung schon lange nicht mehr bezahlt wurden.
Nach einigen Monaten bin ich dann langsam wieder angefangen zu arbeiten. Das ging aber nur stundenweise, da mir immer schon nach kurzer Zeit, in meiner Werkstatt, die Decke auf den Kopf viel.
Um wieder etwas Struktur in meinen Alltag zu bekommen, hatte ich mir zusätzlich einen 450 Euro Job gesucht. Eine einfache Arbeit in der Warenkommissionierung. Selbstständiges Zusammenstellen der Ware, keine Fließbandarbeit. Jetzt hatte ich zumindest an 4 Tagen, immer abends ab 17:00 ein paar fest einzuhaltende Stunden am Tag und vorgegebene Arbeiten, nur mit der Verantwortung für die mir gerade zugeteilte Arbeit und nicht für einen, wenn auch sehr kleinen, eigenen Betrieb.
Am meisten Sorgen machten mir die Fragen: Kannst du überhaupt noch mit anderen Menschen zusammenarbeiten und kannst du dich da überhaupt in ein Team eingliedern und evtl. auch unterordnen?
Aber das klappte sehr gut, tat mir richtig gut, ein paar Menschen um mich zu haben, hier und da ein paar Worte wechseln, mal mit Arbeitskollegen rumflachsen. Ich hatte freundliche und hilfsbereite Menschen um mich, zwar einen besch..... Chef, aber einen erstklassigen und verständnisvollen Betriebsleiter, der selber lange selbstständig gewesen war, aber auch durch einen Burnout in die Insolvenz geraten war.
Ich bekam wieder etwas mehr Halt und kann auch wieder etwas besser in meiner Werkstatt arbeiten, in meinem Beruf, von dem ich nach wie vor leben muss.
Nach einem Jahr wechselte ich dann in einen anderen Betrieb, weiterhin in der Kommissionierung. In dem Betrieb arbeite ich immer noch, auf Teilzeit, 3 Tage i. d. Woche, morgens von 4:45 bis ca . 13 - 14:00. Meistens ist es eine ziemliche Knochenarbeit.
Nach Feierabend bin ich i. d. R. ziemlich platt, mach dann ca. 2 Std Pause und fahr dann in meine Werkstatt, für nochmal ca. 2 -3 Std., lauf dann 1Std. mit den Hunden, anschl. Abendessen - Feierabend.
An den restlichen Tagen in der Woche, versuche ich in meiner Werkstatt zu arbeiten, was nicht immer so gut läuft.
In meiner Teilzeitbeschäftigung kann ich meistens hochkonzentriert und schnell arbeiten, in meiner Werkstatt kann ich meinem einmal so geliebten Beruf nur mit Mühe nachgehen. Bin vergesslich, fahrig, schlecht gelaunt, unkonzentriert, langsam - viel zu langsam, bekomm oft Herzrasen, Schweißausbrüche, fang an zu grübeln und muss dann da weg.
An manchen Tagen geht es gut, an anderen ist es ein Katastrophe.
Wenn ich es dann aus eigenem Antrieb nicht schaffe, noch mit den Hunden zu laufen oder anstehende Arbeiten im Haushalt zu erledigen, kommt meistens mein Sohn: Sag mal, warst du schon mit den Hunden raus, wolltest du nicht Wäsche waschen , Rasen mähen., einen Kumpel anrufen .......
Er versucht dann, mich zu motivieren, mich zu beschäftigen, mich abzulenken.
Das klappt fast immer.
Am letzten Donnerstag klopfte mein Burnout wieder an die Tür. 10 1/2 Std. auf meiner Teilzeitarbeit, 1 1/2 Std. Pause, 2 1/2 Std. in der Werkstatt, 1 Std. mit den Hunden laufen, Abendessen kochen, ab auf die Couch. Alles gut
Und dann, nach ca. 30 Minuten ging`s los.
Grübeln, grübeln, grübeln - meine Arbeit in der Werkstatt - es bleibt so viel liegen - unzufriedene Kunden ( nur 2 ) meine Schulden - ich darf nicht krank werden, auf keinen Fall, dann ist Schluss, ich schaff das nicht - ich schaff das alles nicht..........
Hab´s dann, aus eigenem Antrieb, geschafft, meinen Hintern hoch zu kriegen, nochmal mit den Hunden raus- 20 Minuten - und dann ab ins Bad - Wasser in die Wanne, mit Badesalz und Schaumbad - 5 Teelichter angezündet - ein Glas Rotwein ( es wurden dann zwei ) eingeschenkt, Entspannungsmusik von You Tube und dann ab ins heiße Wasser, so heiß wie`s eben ging - fast 2 Stunden.
Danach hab ich geschlafen wie ein Dachs.
Am Freitagmorgen hab ich ausgeschlafen, gefrühstückt, gut gelaunt meinen Mittelfinger der rechten Hand hochgereckt und laut gerufen: Burnout, du kannst mich mal !
Dann bin ich zur Werkstatt gefahren, konnte immerhin 5 Std. arbeiten, hab mir ein paar Sachen mit nach Hause genommen, die ich auch dort erledigen konnte. Der Tag war gut.
Am Samstag hab ich zu Hause weiter gearbeitet, mein Sohn hat den Haushalt gemacht und gekocht. Hab mir ein paar längst überfällige neue Wanderschuhe gekauft, bin dann noch 2 Std. mit den Hunden gelaufen und anschließend noch 3 Std. ohne meine stressigen Vierbeiner durch die Wälder gewandert, bis es dunkel wurde.
Gestern war ich sehr früh wach. Bin 1 Std. mit Hunden den gelaufen, hab gefrühstückt und anschl. 2 Std. zu Hause gearbeitet. Nachmittags hab ich 2 Std. geschlafen, bin dann nach Holland gefahren ( 20 Min. ) und bin im Gelderland noch bis zum dunkelwerden gewandert, hatte mich mit dem Wetter verrechnet, bin durchnass geworden, aber ich war glücklich und zufrieden, konnte gut abschalten. Hab dann zu abendgegessen und bin dann noch mal mit den Hunden raus.
Das Wochenende war gut, weitestgehend entspannt.
Ich hatte das Wochenende über mein Telefon ausgeschaltet. Das werde ich jetzt öfter machen.
Heute morgen hatte ich 8 Kundenanrufe auf dem Handy, wurde schon wieder total rappelig. Krieg 2 Aufträge nicht termingerecht fertig.
Hab schon wieder nur Werkstatt - Werkstatt - Werkstatt im Kopf. Dazu muss ich Di, Mi, Do zur Arbeitsstelle, diese Woche jeden Tag mind. 10 Std. Weiß jetzt schon nicht mehr, wie ich alles fertig bekommen soll.
Werde gleich mit den Hunden in den Wald fahren und bis zum dunkel werden laufen. Ich muss heute noch irgendwie runter kommen, vielleicht nachher nochmal wieder in die Badewanne, aber ohne Rotwein, muss um 3:20 wieder aufstehen.
Die Woche wird dann schon irgendwie laufen, bin dann abends eh kaputt und müde.
Ich werde ganz sicher nicht über jede Burnoutattacke schreiben, wollte nur mal beschreiben, wie der Burnout manchmal bei mir vor der Tür steht und wie ich dann doch meistens mit ihm fertig werde.
Arbeitstechnisch werde ich das auf Dauer so nicht aushalten können. In meinem Beruf, mit dem ich eigentlich genug Geld verdienen könnte, um gut über die Runden zu kommen, kann ich auf Dauer nicht mehr voll arbeiten, es geht einfach nicht mehr.
Die Teilzeitstelle bringt mir zwar wieder mehr Struktur, aber sie verlangt mir körperlich sehr viel ab und bringt auch nicht das nötige Geld.
Mal sehen. Es gibt noch eine Option. Es wäre allerdings ein kompletter Neuanfang, mein Leben würde sich radikal ändern.
Ich wünsche allen Lesern noch einen entspannten Abend - und - lasst euch nicht unterkriegen - zeigt manchmal einfach mal den Mittelfinger.
03.10.2016 17:57 • x 1 #21