Zum Thema Diagnosestellung:
Viele Borderliner haben das Gefühl, man hätte ihnen die Diagnose aus Wut oder Ärger heraus gegeben.
Nach mehreren Jahren auf einer spezialisierten Station für dieses Krankheitsbild kann ich sagen, dass diese Aussage tatsächlich mehr mit einem Symptom der Borderline-Erkrankung zu tun hat als mit der Realität.
Es gehört mit zu der Diagnose, dass Menschen mit dieser Störung auch neutrale Handlungen von Mitmenschen als feindselig interpretieren.
Dazu wurden diverse Studien durchgeführt.
So eine Diagnose wird gerade auf Station immer im Team gestellt, um solche Effekte zu verhindern, und Therapeuten auf diesen Stationen sind speziell geschult, sich nicht so leicht provozieren zu lassen, und sind viel in Supervision.
Und eine Diagnose ist keine Strafe oder Rache, so eine Haltung haben Psychotherapeuten nicht zu Diagnosen.
Eine Diagnose beschreibt die Symptomatik des Patienten und gibt Auskunft darüber, wie der Patient am besten behandelt werden kann.
Eine Diagnose ist eine Art Behandlungsplan und keine Strafe oder Rache am Patienten.
Mal ein kleiner Blick hinter die Kulissen: Auf Stationen für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen gibt jeden Tag jede Menge Konflikte zwischen Patienten und Therapeuten. Da passieren noch viel heftigere Dinge als diese E-Mail - Geschichte der TE. Es ist also für Therapeuten auf diesen Stationen ganz normal, täglich in irgendwelche Konflikte verwickelt zu sein.
Eine Diagnosestellung ist keine Reaktion auf einen Konflikt, eine Diagnose ist keine Strafe oder Rache am Patienten.
Und zum Thema KI bzw. der Frage, warum KI sagt, dass das passiert:
Alle KIs beziehen ihre Daten aus dem, was Menschen im Internet zu dem Thema geschrieben haben.
Und es ist nunmal nicht ungewöhnlich, dass Menschen mit Borderline sich über die Diagnose ärgern und sich dann im Netz darüber beschweren, weil es eben keine sonderlich „beliebte“ Diagnose ist.
Und natürlich kann es sein, dass ein anderer Psychotherapeut zu einer anderen Diagnose kommt.
Abweichende Meinungen sind bei Diagnosen völlig normal.
Eine Diagnose fasst ja verschiedene Symptome in einem Symptombild zusammen, und dabei kommt es immer wieder zu Abweichungen und anderen Meinungen.
Aber nur, weil ein anderer Therapeut z.B. nicht der Meinung ist, dass die TE Borderline hat, bedeutet das nicht, dass dieser andere Therapeut die TE jetzt „lieber mag“ oder „nicht böse auf die TE ist“. Es bedeutet nur, dass er die Symptome anders zusammenfasst, gruppiert und priorisiert.
Und nur, weil Therapeuten teilweise „streng“ mit Borderline-Patienten umgehen, bedeutet das auch nicht, dass sie „sauer“ auf den Patienten sind.
Das, was manche Borderline-Patienten als „gemein“ oder „im Stich lassen“ empfinden, ist oft eine therapeutische Intervention, um den Patienten zur Eigenverantwortung zu bringen und dysfunktionales Verhalten nicht zu unterstützen.
Das mag manchmal von außen hart wirken, hat aber einen Sinn.
Der ist nur oft von außen nicht direkt erkennbar und zielt auch oft darauf ab, ein Verhalten langfristig zu verändern und nicht nur kurzfristig eine Krise zu „deckeln“.
Darum ist es bei Borderline-Patienten auch so besonders wichtig, dass sie von sehr erfahrenen Therapeuten therapiert werden, die die Erkrankung gut kennen.
Und darum reagieren erfahrene Therapeuten bei Borderlinern manchmal anders als bei Patienten ohne diese Störung.
Ich habe auch jahrelang Probleme damit gehabt (wie gesagt, ich habe ja selber eine schwere Form von Borderline) und mich missverstanden und „gemein“ behandelt gefühlt. Welcher Sinn hinter manchen Interventionen steckt, habe ich erst mit den Jahren verstanden.
Nicht jeder Therapeut mag so arbeiten, darum finden viele Borderliner auch so schwer ambulante Therapeuten.
Ich sage ja auch gar nicht, dass nie Fehler passieren.
Ich möchte nur sagen, dass manches Verhalten von Therapeuten nur dann zu verstehen ist, wenn man ein tiefergehende Verständnis für diese Störung entwickelt hat.
Es gibt Therapeuten, die es sogar richtig super finden, mit Borderlinern zu arbeiten, weil immer viel Dynamik in der Therapie ist („Es wird nie langweilig“),
für andere Therapeuten ist dieses Störungsbild eher nichts.
Man muss halt hinter jeder einzelnen Handlung immer viele Motiv-Ebenen des Patienten erkennen, analysieren und dementsprechend handeln, das kann auf Dauer sehr anstrengend werden.
Aber Therapeuten diagnostizieren nicht als Strafe oder Rache.