Ja, Elin ich bin eigentlich auch Angsterprobt.
Ängste und Depression waren bei mir schon immer ein Thema, welche ich meistens auch gut im Griff hatte, weil ich die Auslöser kenne und gut auf mich achte. Aber momentan ist mir sämtliche Kontrolle entglitten und die Ängste sind so heftig wie seit frühster Jugend nicht mehr.
So richtig fing es vor zwei Monaten an, mir wurde die Schilddrüse vollständig entfernt wegen starker Vergrößerung und Morbus Basedow. Die Op verlief gut, die Ärzte und das Krankenhaus waren ein Traum, ehrlich. Von der Reinigungskraft bis zum Oberarzt waren dort alle wahnsinnig nett, aufmerksam und rücksichtsvoll, so was habe ich noch nie erlebt.
Doch am Tag nach der Op bekam ich Abends aus heiterem Himmel eine Panikattacke in einer noch nie dagewesenen Intensität - ich dachte echt, das wars gewesen. Und seit dem ist nichts mehr so wie es vorher war - mein Leben fühlt sich zur Zeit an wie ein einziges, gewaltiges mist aus dem ich nicht heraus komme. Dabei ging es mir die zwei Jahre vorher wirklich gut. Ich konnte durch einen Umzug meine Lebensumstände unendlich verbessern, ich habe liebe Menschen um mich und war sogar auf dem Weg dahin endlich wieder arbeiten zu können. Und jetzt? Seit der OP gab es keinem Tag an dem ich wirklich entspannt war. Meine Gedanken kreisen 24/7 um diffuse Ängste, Angst vor Krankheiten, fast schon zwanghafter Beobachtung der eigenen Körpers, Angst vor der Angst, das Ganze gekrönt von immer wieder anflutenden Panikattacken. Mein Körperbild hat sich total verschoben, in einem Moment fühle ich mich wohl, wenige Stunden später stehe ich vor den Spiegel und glaube eine utopische Zahl Kilos zugenommen zu haben (was ich nicht habe). Dann wiege ich mich zig mal am Tag und glaube, es wäre eine ganz tolle Idee mich von 300 Kcal täglich zu ernähren - was dann nach ein paar Tagen in einem großen Essanfall endet. Dazu kommen noch die ganzen somatischen Beschwerden. Durch die ständige Angst ist meine Rückenmuskulatur so derartig verspannt, das ich permanente Schmerzen und teilweise Atemprobleme habe. Ich falle Abends um 19 Uhr völlig erschöpft ins Bett - klar, wer permanent unter Strom steht ist auch schnell müde. Meine Lebensqualität liegt sowas von am Boden. Sachen, die vorher kein Problem waren (Einkaufen gehen, Haushalt) sind inzwischen fast unlösbare Herausforderungen. Aus Angst traue ich mich vieles nicht mehr, dass ich immer gern gemacht habe und das mir gut tut, wie z.B. Baden/Schwimmen gehen, Yoga, Sport allgemein, Ausflüge machen etc.
Und dabei müsste ich es eigentlich besser wissen. Ich bin erfahren und gut informiert. Ich war (und bin) immer schon in der Lage gewesen klar und reflektiert Ursache und Wirkung zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Ich weiß, was Panikattacken sind und wie sie funktionieren. Ich weiß, dass die Erfahrung des völligen Kotrollverlustes der Op nicht die Ursache meiner jetzigen Probleme ist, sondern nur der Trigger war, der das Faß zum überlaufen gebracht hat. Was gerade ist, ist das Ergebnis der letzten 6 - 9 Monate.
Es ist normal, dass im Leben eines Menschen viele Ereignisse und Faktoren außerhalb des eigenen Einflussbereiches liegen. Normalerweise kann ich das gut aushalten. Nur zur Zeit ist in meinem Leben vieles nicht so, wie ich es gern hätte und auch bräuchte, um mein Bedürfniss nach Sicherheit zu stillen. Um das zu kompensieren, meint mein irrer Kopf dann sich gegen sich selbst und den eigenen Körper zu richten. So nach dem Motto, wenn ich sonst in meinem Leben gerade keine Kontrolle habe, dann doch wenigstens über den eigenen Körper. Was natürlich Blödsinn ist...
Ich bin jemand, dem es sehr, sehr wichtig ist seine Schäflein im Trockenen zu haben. Es gibt mir große Sicherheit, wenn mein Leben strukturiert und geordnet ist, wenn ich Ziele vor Augen habe und weiß, was in den nächsten Monaten grob Phase ist. Wenn das gegeben ist, kann ich ein gewisses Maß an Chaos gut aushalten und bin in der Lage ohne größere Einbrüche meine Ängste zu managen (wobei sie dann auch nur sehr klein sind). Wenn aber plötzlich und unerwartet viele Baustellen gleichzeitig aufgehen, ich mit Dingen konfrontiert werde, auf die ich kaum Einfluss nehmen kann UND mein Leben Ziel- und richtungslos vor sich hin dümpelt... ja dann kippt das bei mir ganz schnell. Und wo ich die erste Panikattacke im Krankenhaus hatte, da ist es eben umgekippt.
Das Problem ist, dass ich es gerade kaum schaffe diesen fatalen Kreislauf zu durchbrechen, obwohl ich weiß wie wichtig das gerade jetzt wäre. Es macht mich auch selbst wahnsinnig, den ganzen Tag um mich selbst zu kreisen und diese irren Gedanken nicht abstellen zu können. Ich existiere momentan in einer Art toxischen Blase aus Angst. Am aller meisten ärgere ich mich über mich selbst. Darüber, dass ich ganz offenbar Warnsignale übersehen habe, dass ich nicht gut genug auf mich geachtet habe - mit dem Ergebnis, dass ich so massive Rückschritte gemacht habe. Und das ausgerechnet dann, wo ein halbwegs normales Leben schon fast greifbar gewesen wäre. Ich will nicht wieder von vorne anfangen, ich will aber auch kein von Angst bestimmtes Leben führen.
Momentan nehme ich wieder Velafaxin, was auch schon viel hilft und ich vertrage das überwiegend auch gut. Nur ein paar Nebenwirkungen machen mir ziemlich zu schaffen. Vor allem die Hibbeligkeit und die Verstopfung. Da hatte ich vor zwei Tagen auch einen interessanten Unfall mit Rizinusölkapseln... *hust* Ich kannte das nicht und dachte, joah ist ja pflanzlich und getreu dem Motto viel hilft viel ich so: Immer rein mit dem guten Zeug. Habe dann die halbe Nacht auf dem WC verbracht...
@ Mella - Danke und mach das Loch bitte schön groß, damit wir es auch gemütlich haben.
@ Florian - auch dir Danke.
Wegen dem Frühstück... ich bekomme nach dem aufstehen beim besten Willen keine feste Nahrung runter. Ich prüttel immer erst so 2 - 3 Stunden vor mich hin, trinke Kaffee, mache Haushalt und dann habe ich erst Hunger. Aber vielleicht versuche ich es mal mit einem Glas Milch vorm einkaufen, evtl. reicht das schon.
06.06.2016 13:54 •
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