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Schorsch
Über einige Umwege und nach längerem Suchen bin ich hier aufgeschlagen. Inzwischen bin ich 64, also nicht mehr ganz so frisch. Mein Leben war gezeichnet durch zwei maßgebliche Umstände.
Ich kam mit einer Spastik meiner linken Körperhälfte zur Welt, und lernte so um mein drittes Lebensjahr schließlich das Laufen. Als Sechsjähriger erlitt ich kurz nach meiner Einschulung einen schweren Unfall, der zu einer schweren Kopfverletzung führte. Ich hatte Einblutungen ins Hirn und infolge dieses Unfalls über längere Zeit Hirnkrämpfe.
Mein Kopf blähte sich ballonartig auf, weil die Liquor nicht abfließen konnte. Die Ärzte prognostizierten mir eine nur kurze Lebensdauer.
Ein emsiger Hausarzt besorgte aus Amerika ein Mittel, das zu einer wesentlichen Veränderung führte.
Der Hirn-Innendruck ließ - wie die Krämpfe - spürbar nach, mein Wasserkopf bildete sich deutlich zurück, so dass ich im Alter von acht Jahren erneut eingeschult wurde.
Es war dem entschiedenen Widerstand meiner Eltern zu verdanken, dass ich nicht, wie es ihnen empfohlen worden war, in ein Krüppelheim geschickt, sondern in eine normale Volksschule eingeschult wurde. Ich durchlief die ersten vier Jahre ohne Probleme und erhielt als einer von vier Mitschülern die Qualifikation zum Besuch des Gymnasiums.
Dort wiederholte ich zwar einmal in der Unterstufe und auch noch einmal in der Oberstufe eine Klasse, erreichte aber die Allgemeine Hochschulreife. Zunächst hatte ich die Absicht, Pfarrer zu werden und belegte deshalb im Hauptfach Evangelische Theologie. Im Laufe des Studiums kamen mir Zweifel, ob ich mich mit meiner Studienwahl nicht zu sehr in allen Belangen meiner Kirche ausliefere. Deshalb belegte ich als Nebenfächer zusätzlich Deutsch und Geschichte und trat in den Schuldienst ein.
Viele Jahre unterrichtete ich Evangelische Religion an meiner Schule, deren Kollegium ich fast 34 Jahre angehörte.
Hier füge ich ein, dass ich neben meiner körperlichen Behinderung seit ziemlich genau meinem 17. Lebensjahr an teilweise schweren Depressionen mit deutlich suizidaler Tendenz litt. Meine Ärzte jedoch sahen die Ursache dieser Erkrankung eher in meinem Reflex auf mein körperliches Handicap.
So blieb die Depression lange unbehandelt. Ich lernte eine junge Frau kennen, verliebte mich in sie und im Alter von 25 Jahren heirateten wir. Ich hielt meine Depression für überwunden, zumal ich mit 27 zum ersten Mal Vater wurde. Ich, der Krüppel war Vater eines gesunden Kindes geworden. Nur 18 Monate später wurde ich Vater eines Sohnes.
Auch er war gesund.
Mir war zu spät aufgefallen, dass ich nicht so sehr die Kandidat der jungen Frau war, die ich geheiratet hatte, sondern ihrer Eltern, die mich wie einen Sohn aufnahmen und die offensichtlich davon überzeugt waren, ihrer Tochter könne nichts Besseres passieren als mich zu heiraten. Und sie förderten unser Ehe sehr.
Mein Schwiegervater, der mir ein väterlicher Freund wurde, starb kurz vor der Geburt unserer ersten Tochter. Nur anderthalb Jahre später kam unser erster Sohn zur Welt. Auch er trug nicht den körperlichen Makel seines Vaters.
Als sich unser drittes Kind ankündigte, kauften wir ein Haus. Meine verwitwete Schwiegermutter lernte noch ihr Enkelkind kennen und starb kurz danach. Mit ihrem Tod verbinde ich bis heute den Aufbruch meiner Ex-Frau. Plötzlich verkündete sie, sie könne nicht nur Mutter und Frau sein, sondern müsse etwas für sich tun.
Sie holte ihr Abi nach, was konkret für mich bedeutete, dass ich aus meiner Schule nach Hause kam, im fliegenden Wechsel die Kinder übernahm, während die Mutter zu ihrer Abendschule fuhr.
In der Tat machte sie ihr Abi, verkündete dann, sie wolle studieren. So verbrachte sie etliche Semester an der Uni, ohne jedoch einen Abschluss zu machen. Ich war 38, unsere älteste Tochter war ein verantwortungsbewusstes junges Mädchen und sie stand mir zur Seite, wenn ihre Mutter nachmittags zur Uni fuhr.
Langsam sah ich Land, als meine Frau mir mitteilte, dass sie nochmals schwanger sei. Dies, so hörte ich zu meiner Überraschung sei noch mal ein Kind für sie, nur zum Knuddeln.
Sie knuddelte nicht lange, sondern machte eine weitere Ausbildung, übernahm eine Stelle in einem mittelständischen Unternehmen, gehörte zur Führungsetage. Ich war Vater und Mutter in einem.
Unser Jüngster hatte seinen achten Geburtstag gefeiert. Kurz danach versammelte die Mutter uns im Wohnzimmer, um mir und den Kindern mitzuteilen, dass sie ausziehe und davon ausgehe, dass die Kinder bei mir blieben.
Schließlich verlangte sie den Verkauf des Hauses. Meine beiden Ältesten hatten inzwischen ihre eigene Wohnung bezogen und ich zog mit den beiden Jüngsten in eine Mietwohnung.
Unterhalt sah ich nie. Im Alter von 9 Jahren zog der Jüngste zu seiner Mutter, und sie stellte Unterhaltsansprüche für den Sohn.
Inzwischen meldeten sich meine Depressionen wieder. Ich war höchst suizidal und landete in der Psychiatrie.
Seit vier Jahren bin ich stabil, lebe in einem schönen 38qm Apartment mitten in der Innenstadt.
Eine Wahl habe ich nicht, ein Rückblick bringt mich in Gefahr. Ich kann nur nach vorne blicken und wünsche mir noch ein paar schöne Jahre. Mein Vater starb mit 81, meine Mutter ist 88 und macht noch die Gegend unsicher.
Wenn Ihr Fragen habt, fragt nur.

Danke fürs Lesen.

Schorsch

20.10.2014 12:02 • 23.10.2014 #1


19 Antworten ↓


Heller_Wahnsinn
Herzlich willkommen in unseren Forum, Schorsch.

Du blickst auf eine bewegte und bewegende Lebensgeschichte zurück und es scheint, Du hast nicht immer den einfachsten Weg gewählt - was ich gut finde.
Ich freue mich jedenfalls zu hören, dass Du Dich immer wieder aufgerappelt hast, trotz widrigster Umstände.

Deine Frau scheint vielleicht auch ihren Eltern zuliebe eure Ehe aufrechterhalten zu haben, kaum waren ihre Eltern nicht mehr, hat sie angefangen, ihr eigentliches
Leben zu beginnen. Auch wenn es für Dich eine Katastrophe ist, ich finde es in Ordnung, dass sie ihr Leben so lebt wie sie möchte, dass sie sich weitergebildet hat
und ins Berufsleben eingestiegen ist. Was ich sehr schwierig finde ist die Situation für die Kinder. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Dass Du momentan nicht zurückblicken magst, weil es Dich sonst in den Abgrund zieht, kann ich gut verstehen, und das musst Du auch nicht. Ich finde es gut,
dass Du nach vorne schaust, dass Du Dich wieder aufgerappelt hast nach dem Zusammenbruch.

Bist Du gläubig? Ich bin es nicht (mehr), aber wenn Du gläubig bist, wirst Du auch einigen Trost im Glauben finden können im Vertrauen auf Gott.

20.10.2014 14:29 • x 1 #2


A


Einblutungen ins Gehirn nach Unfall / Hirnkrämpfe

x 3


Ikarus 2014
Herzlich Willkommen,Schorsch.Du hast ja trotz deiner Einschränkungen dein Leben lange Zeit hervorragend und wohl auch glücklich gemeistert,
auf jeden fall hört es sich für mich so an.Ich glaube aber,daß,nachdem ihre Eltern gestorben waren,deine Frau einfach Panik bekam,nichts weiter
im Leben zu erreichen,und deshalb ihr Abi und anschließend noch ihr Studium gemacht hat.Kompliment,daß war für sie bestimmt auch nicht leicht.
Hast du sie in ihren Zielen unterstützt oder wolltest du sie lieber zu Hause haben?Das sie euch dann verlassen hat,ist ein anderes Thema,ich kann sehr gut verstehen,daß daraufhin ein psychischer Zusammenbruch mit Depressionen und Suizidgedanken folgte.Kompliment aber,daß du gleich Gegenmaßnahmen ergriffen hast,und jetzt seit Jahren wieder stabil bist.Du scheinst ein wirklicher Kämpfer zu sein,der sich von seinem Schicksal nicht unterkriegen läßt und nach vorne schaut,
wer weiß,was noch positives auf dich wartet? Liebe Grüße

20.10.2014 15:11 • #3


Schorsch
Zitat von Heller_Wahnsinn:
Herzlich willkommen in unseren Forum, Schorsch.

Du blickst auf eine bewegte und bewegende Lebensgeschichte zurück und es scheint, Du hast nicht immer den einfachsten Weg gewählt - was ich gut finde.
Ich freue mich jedenfalls zu hören, dass Du Dich immer wieder aufgerappelt hast, trotz widrigster Umstände.

Deine Frau scheint vielleicht auch ihren Eltern zuliebe eure Ehe aufrechterhalten zu haben, kaum waren ihre Eltern nicht mehr, hat sie angefangen, ihr eigentliches
Leben zu beginnen. Auch wenn es für Dich eine Katastrophe ist, ich finde es in Ordnung, dass sie ihr Leben so lebt wie sie möchte, dass sie sich weitergebildet hat
und ins Berufsleben eingestiegen ist. Was ich sehr schwierig finde ist die Situation für die Kinder. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Dass Du momentan nicht zurückblicken magst, weil es Dich sonst in den Abgrund zieht, kann ich gut verstehen, und das musst Du auch nicht. Ich finde es gut,
dass Du nach vorne schaust, dass Du Dich wieder aufgerappelt hast nach dem Zusammenbruch.

Bist Du gläubig? Ich bin es nicht (mehr), aber wenn Du gläubig bist, wirst Du auch einigen Trost im Glauben finden können im Vertrauen auf Gott.


Heller_Wahnsinn,

übrigens Du hast einen mutigen Namen.

Ja, ich glaube an Gott. Ohne diesen Glauben wäre ich nicht mehr hier, hat er mich in einigen sehr kritischen Momenten meines Lebens davor bewahrt, mich selbst umzubringen.
Dabei möchte ich unterstreichen, dass nicht die Angst vor einer Bestrafung das verhindert hat, sondern auch eine theologisch begründete Überzeugung, dass Gott will, dass wir leben.

Vielleicht war es eine besondere Eingebung des damals schon betagten Pfarrers, der mir vor über 50 Jahren diesen Konfirmationsspruch widmete: Ich will mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen, noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt.

Für mich war diese Zusage wiederholt der letzte Anker.

Nochmals Dank für deine Rückfrage.

Schorsch

21.10.2014 14:50 • #4


Schorsch
Zitat von Ikarus 2014:
Herzlich Willkommen,Schorsch.Du hast ja trotz deiner Einschränkungen dein Leben lange Zeit hervorragend und wohl auch glücklich gemeistert,
auf jeden fall hört es sich für mich so an.Ich glaube aber,daß,nachdem ihre Eltern gestorben waren,deine Frau einfach Panik bekam,nichts weiter
im Leben zu erreichen,und deshalb ihr Abi und anschließend noch ihr Studium gemacht hat.Kompliment,daß war für sie bestimmt auch nicht leicht.
Hast du sie in ihren Zielen unterstützt oder wolltest du sie lieber zu Hause haben?Das sie euch dann verlassen hat,ist ein anderes Thema,ich kann sehr gut verstehen,daß daraufhin ein psychischer Zusammenbruch mit Depressionen und Suizidgedanken folgte.Kompliment aber,daß du gleich Gegenmaßnahmen ergriffen hast,und jetzt seit Jahren wieder stabil bist.Du scheinst ein wirklicher Kämpfer zu sein,der sich von seinem Schicksal nicht unterkriegen läßt und nach vorne schaut,
wer weiß,was noch positives auf dich wartet? Liebe Grüße


Hallo Ikarus,

das klingt jetzt sehr nach Eigenlob, aber ich habe sie immer gestützt, gerade auch in diesen Vorhaben. Wobei ich sagen muss, dass ihr Weg eben nicht klar war, verkündete sie doch am Anfang unserer Ehe fast gebetsmühlenartig, sie wolle Mutter sein und Ehefrau.
Das lag sicher nicht zuletzt daran, dass sie in Wahrheit keine Vorstellung von ihrem Leben hatte.

Als wir uns kennenlernten (ich war noch Student), war ich in meiner Heimatgemeinde als Jung-Politiker unterwegs, gehörte zum heimischen Führungszirkel meiner Partei. Für die anstehende Kommunalwahl war ich als stellvertretender Bürgermeister oder als stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Gespräch.

Diese Aufgaben bedeuteten mir viel. Meine junge Frau jedoch verkündete energisch, sie wolle einen Mann für sich und einen Vater für unsere Kinder und mich nicht mit der Politik teilen.
Zudem gab sie deutlich zu Protokoll, dass sie mir nicht in die Provinz folge.

Ich wusste eigentlich sehr früh, damit ein verhängnisvolles Signal gesetzt zu haben, denn in gewisser Weise hatte ich damit den Hansel gegeben. Und sie rückte ja auch sehr früh von ihrer so propagierten Mutterrolle ab, als sie dann aufbrach, ihr Abi nachzuholen, während zu Hause zwei Kleinkinder waren, von denen das eine gerade Laufen lernte und das zweite noch in der Wiege lag.

Dieses Verhalten zog sich durch bis zum Schluss. Ich hatte noch kurze Zeit vermutet, dass sie es sich und mir danach beweisen würde, aber nichts davon.

Gruß

Schorsch

21.10.2014 15:07 • #5


Heller_Wahnsinn
Zitat:
Heller_Wahnsinn,

übrigens Du hast einen mutigen Namen.


Ja, ich weiß das.

Zitat:
Ja, ich glaube an Gott. Ohne diesen Glauben wäre ich nicht mehr hier, hat er mich in einigen sehr kritischen Momenten meines Lebens davor bewahrt, mich selbst umzubringen.
Dabei möchte ich unterstreichen, dass nicht die Angst vor einer Bestrafung das verhindert hat, sondern auch eine theologisch begründete Überzeugung, dass Gott will, dass wir leben.

Vielleicht war es eine besondere Eingebung des damals schon betagten Pfarrers, der mir vor über 50 Jahren diesen Konfirmationsspruch widmete: Ich will mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen, noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt.


Es ist gut, wenn es Dir geholfen hat, Ja zum Leben zu sagen, aller widrigen Umstände zum Trotz.

Ich selbst bin theologisch, sagen wir ruhig mal: nicht allzu schlecht, aufgestellt, dennoch habe ich trotz Exegese eines Tages die Augen nicht mehr davor verschließen können, dass ich nicht Christ sein kann, wenn ich einerseits das Doppelgebot der Liebe aufrechterhalten will und gleichermaßen das Leid Unschuldiger ansehen muss, das an Gott vorbei mußte und vorbei kam. Das Leid dieser Welt (anderer Menschen) kann man nach meinem momentanen Erkenntnisstand nur ertragen, wenn man entweder ein enges Gottesbild hat (Stichwort Prüfung, Stichwort Strafe, Stichwort selbst schuld, Mensch, Stichwort wird schon seinen Sinn haben etc pp) oder wenn man sich zu fremden Leid weit genug distanzieren kann, was allerdings dem Gebot der Nächstenliebe widerspricht.

Aber darum geht es hier ja nicht. Wenn ein Mensch Trost und Schutz im Glauben findet und er niemandem damit schadet, dann soll es so sein.

Du und Deine Ex-Frau, ihr scheint Opfer einer sehr konservativen Elterngeneration geworden zu sein, denn:
Zitat:
verkündete sie doch am Anfang unserer Ehe fast gebetsmühlenartig, sie wolle Mutter sein und Ehefrau.
Das lag sicher nicht zuletzt daran, dass sie in Wahrheit keine Vorstellung von ihrem Leben hatte.
das war sicherlich nicht ihr eigener Wunsch sondern der ihrer Eltern, den sie zu erfüllen gedachte. Woher sollte sie auch Ahnung vom Leben haben, es war ihr ja eine Zeitlang vorherbestimmt.

Ich finde es jedenfalls gut, dass sie nicht das Leben nach den Vorstellungen anderer gelebt hat sondern, sobald es irgend ging, ihr Leben nach ihren Wünschen gestaltet hat.

Zitat:
Und sie rückte ja auch sehr früh von ihrer so propagierten Mutterrolle ab, als sie dann aufbrach, ihr Abi nachzuholen, während zu Hause zwei Kleinkinder waren, von denen das eine gerade Laufen lernte und das zweite noch in der Wiege lag.


Warum sollte man auch als Mutter nicht ein Bildungsziel nachholen können? Ich finde, Bildung ist etwas Wichtiges, und auch mit Kind(ern) muß man nicht darauf verzichten. Wenn sich beide Eltern einig sind, können sie den Mutterschutz teilen oder anderweitig Wege finde, dass eine Frau nicht nur vorm Kochtopf stehen muß sondern sich auch entwickeln und selbständig werden kann.

Du gehst nun Deine eigenen Wege, genauso wie sie. Es ist Dein Recht und es ist ihr Recht. Ich weiß nicht, ob Du das auch so sehen kannst, aber Mann und Frau sollten dieselben Chancen haben, sowohl in der Erziehung der Kinder als auch im Berufsleben. Wichtig ist einfach nur, dass sie sich einig sind.

21.10.2014 16:54 • x 1 #6


Schorsch
Heller_Wahnsinn,

Du schreibst:
Du gehst nun Deine eigenen Wege, genauso wie sie. Es ist Dein Recht und es ist ihr Recht. Ich weiß nicht, ob Du das auch so sehen kannst, aber Mann und Frau sollten dieselben Chancen haben, sowohl in der Erziehung der Kinder als auch im Berufsleben. Wichtig ist einfach nur, dass sie sich einig sind.

Darf ich es kurz sagen: Ich hatte ein Ziel, sie nicht.

Und zu lange definierte sie sich über mich, vor allem über meinen Status. Als ihr das bewusst wurde, war es zu spät. Hinzu kommt, dass mich meine Schwiegereltern im Sturm eroberten, wie ich sie auch.
Heute weiß ich, dass sie ihrer Tochter damit eine Zukunft sichern wollten, deren Verwirklichung aus eigenen Kräften sie ihr nicht zutrauten. Mir war schon früh bewusst, dass sie auf mich mit wesentlich größerem Stolz sahen als auf ihre Tochter.
Das aber kann ich mir selbst nicht zu meinem Nachteil anrechnen. Nicht zuletzt um meinetwillen.

Gruß

Schorsch

21.10.2014 17:45 • #7


P
Hallo Schorsch,

das, was du schreibst, klingt sehr sympathisch. Schade, dass du so eine Frau hattest, die dir nicht wirklich gut tat. So eine Enttäuschung verfolgt einen das ganze Leben.
Aber du hast vier Kinder und darauf kannst du doch sehr stolz sein. Hast du Kontakt mit ihnen?
Ich finde es toll, was du trotz deiner Behinderung aus deinem Leben gemacht hast. Nun solltest du auch dein restliches Leben versuchen, zu genießen und das Beste daraus machen. Vielleicht bekommst du ja bald mal Enkel. Oder hast du schon welche?
Was ist denn aus deiner Ex-Frau letztlich geworden, wenn man fragen darf?

21.10.2014 17:58 • #8


Schorsch
Pumuckl,

nur soviel: Konkret habe ich Kontakt zu meiner zweiten Tochter.
Zu meinen Enkeln, zwei davon leben in Übersee, habe ich keinen Kontakt. Die Kinder meiner Ältesten wohnen fast in Sichtweite. Die Älteste der beiden ist 16. Ich weiß, dass sie mir immer wieder mal begegnet, aber ich erkenne sie nicht.

Bei unserem letzten Kontakt lag die kleine noch im Kinderwagen. Ich traf mich damals gelegentlich mit ihrem Vater, meinem verhinderten Schwiegersohn, wenn er seine Tochter besuchte und mir ihr spazieren ging.

Das missfiel meiner Ältesten und sie erschwerte danach nicht nur den Umgang ihrer Tochter mit dem Vater, sondern auch mit mir.
Der Vater gab irgendwann zermürbt auf. Ich meinerseits hoffe, dass die junge Dame irgendwann den Mut und einen Weg findet, Kontakt zu mir aufzunehmen.

Mehr bleibt mir nicht.

Gruß

Schorsch

21.10.2014 18:38 • #9


Heller_Wahnsinn
Zitat:
Darf ich es kurz sagen: Ich hatte ein Ziel, sie nicht.

Und zu lange definierte sie sich über mich, vor allem über meinen Status. Als ihr das bewusst wurde, war es zu spät. Hinzu kommt, dass mich meine Schwiegereltern im Sturm eroberten, wie ich sie auch.
Heute weiß ich, dass sie ihrer Tochter damit eine Zukunft sichern wollten, deren Verwirklichung aus eigenen Kräften sie ihr nicht zutrauten. Mir war schon früh bewusst, dass sie auf mich mit wesentlich größerem Stolz sahen als auf ihre Tochter.


Wie gesagt, sie war das Opfer ihrer eigenen Kindheit und Erziehung. Sie sollte Mutter und Ehefrau sein, und das sollte genügen. Mehr hat man ihr nicht zugetraut, wahrscheinlich aufgrund überholter Rollenklischées, wo eine Frau im Schatten ihres Mannes zu verharren hat und ihm bestensfalls dne Rücken freihalten darf, mehr aber bitte auch nicht.

Eigentlich kann einem die Frau nur leidtun, und nach wie vor finde ich es gut, dass sie aus dem Schatten hervorgetreten ist und ihren eigenen Weg gesucht hat. Leider war das für Dich nicht absehbar, weil sie es selbst nicht einmal wissen konnte, dass sie nicht ihr eigenes Leben lebt sondern das ihrer Eltern.

Leider scheint es um den Kontakt zu Deinen Kindern und Enkeln nicht gutbestellt zu sein, obwohl Du schreibst, dass Du eine Zeitlang Mutter und Vater in einem für sie warst. Normalerweise vergessen das Kinder nicht, aber vermutlich ist noch vieles in der Zwischenzeit passiert, so dass der Kontakt nicht mehr so ist, wie man sich das eigentlich vorstellen würde.

Ich weiß nicht, was Du für Deine Zukunft planst, aber ich glaube, ich würde versuchen, zumindest mit meinen Kindern ins Reine zu kommen.

21.10.2014 19:19 • #10


P
Es ist halt auch vieles erblich bedingt und in einer Familie, in der mehrere Kinder sind, kommt es oft zu Konflikten. Z.B. könnten einige der Kinder der Mutter charakterlich nachgeschlagen sein. Da steckt man nicht drin.
Immerhin besteht Kontakt zu einem Kind. Dafür kann man Gott nur danken. Das Leben ist oftmals sehr ungerecht. Und man sieht keinen Sinn darin, was einem widerfahren ist.
Ich kenne viele Frauen, die irgendwann um die 40 aus einem Familienleben ausgebrochen sind. In der Tat waren in den meisten Fällen die Männer die Leidtragenden.
Wer mich hier schon länger kennt, weiß, dass ich lange für Rechtsanwälte gearbeitet habe und ich habe in meinem Leben schon hunderte Scheidungsanträge geschrieben und Scheidungsakten bearbeitet.
Alles in allem kann ich resümieren, dass die Frauen letztlich nicht froh mit ihrer Entscheidung waren. Gar bereut haben es die meisten.

Ich wünsche Schorsch auf jeden Fall, dass sein restliches Leben entspannter verläuft und das noch die ein oder andere positive Wendung auf ihn wartet. Vielleicht sogar in Form eines späten Glücks.

21.10.2014 19:39 • #11


Heller_Wahnsinn
Ich glaub nicht, dass man das so verallgemeinern kann. Ich z.B. kenne keine Frau, die eine eingereichte Scheidung bereut hätte. Es gibt eben immer solche und solche, daher würde ich nicht verallgemeinern wollen. Ich denke auch nicht, dass familiäre Probleme erblich bedingt sind sondern größtenteils durch Kindheit und soziale Prägung entstehen.

21.10.2014 21:34 • #12


Schorsch
Heller_Wahnsinn,

Du schreibst: Ich weiß nicht, was Du für Deine Zukunft planst, aber ich glaube, ich würde versuchen, zumindest mit meinen Kindern ins Reine zu kommen.

Danke. Das liegt im Grunde immer in meinem Fokus, wobei das so einfach nicht ist, möchte ich sie nicht bedrängen.
Dass ich da bin, habe ich mehr als einmal signalisiert. Zwingen kann ich sie nicht.

Und dann gibt es diesen anderen Aspekt: Ich muss auch meinen Kopf freihalten, vor allem darf ich meine Psyche nicht ständig mit Fragen belasten, die ich alleine nicht lösen kann.

Dann begebe ich mich nämlich in einen Zustand der Ohnmacht.

Liebe Grüße

Schorsch

22.10.2014 12:55 • #13


Heller_Wahnsinn
Zitat:
Danke. Das liegt im Grunde immer in meinem Fokus, wobei das so einfach nicht ist, möchte ich sie nicht bedrängen.
Dass ich da bin, habe ich mehr als einmal signalisiert. Zwingen kann ich sie nicht.


Es ist sehr gut, dass Du sie nicht bedrängen willst. Bereitschaft sollte immer signalisiert werden, wenn man offen für einen Kontakt ist,
wobei das immer so eine Sache ist, was man unter Bereitschaft signalisieren versteht. Gerade, wenn man nicht im Guten auseinandergegangen
ist, muß dieses Signal, glaube ich, sehr deutlich und unmißverständlich sein.

Darf ich fragen, warum der Kontakt überhaupt abgebrochen ist?

Zitat:
Und dann gibt es diesen anderen Aspekt: Ich muss auch meinen Kopf freihalten, vor allem darf ich meine Psyche nicht ständig mit Fragen belasten, die ich alleine nicht lösen kann.


Das kann ich gut verstehen, an bestimmten Punkten ist es manchmal hilfreich, nicht nach einer Antwort zu bohren, sie aber auch nicht aus den Augen zu verlieren.
Ich hatte mitunter Fragen, die ich jahrelang mit mir getragen, aber auch immer bewegt, habe. Irgendwann hatte ich dann Antworten. Bestimmte Fragen
würden zu kräfteraubend sein, wenn man sich in sie verbeißt, aber man kann und sollte sie ruhig lutschen wie ein Bonbon.

22.10.2014 13:39 • #14


Schorsch
Heller_Wahnsinn, Du fragst:

Darf ich fragen, warum der Kontakt überhaupt abgebrochen ist?

Als ich damals - in der Spitze - mit allen vier Kindern zusammenlebte, zahlte die Mutter keinen Unterhalt. Meine Kids forderten sie auch nicht, gaben sich damit zufrieden, dass die Mutter sich in den Zustand mangelnder Leistungsfähigkeit begab.
Mein studierender Sohn hielt sich an mich.

Bei meinem zweiten Sohn wiederholte sich dies einige Jahre später, wobei er sich noch selbst in ein juristisches Dilemma begab, hatte er nämlich der BAföG - Behörde verschwiegen, dass ich Unterhalt zahlte. Ich wusste nicht, dass er BAföG bekam.

Dafür kassierte er beim Familiengericht eine schallende juristische Ohrfeige.

Das klingt jetzt nach einem juristischen Gefecht, dahinter aber steckte mehr. Die Kids hatten sich schnell damit abgefunden, dass sie von ihrer Mutter nichts erwarten konnten, und sie hielten sich an mich.

Am Ende war ich nicht nur psychisch ein Wrack, sondern auch wirtschaftlich ruiniert. Um meiner selbst willen habe ich mich dann geschützt, so gut es ging.

Schorsch

22.10.2014 13:57 • #15


Heller_Wahnsinn
Was bedeuten Dir Deine Kinder? Welchen Platz haben sie in Deinem Herzen, und welchen Platz haben sie in Deinem Leben?

22.10.2014 14:39 • #16


Schorsch
Heller_Wahnsinn,

vorab: Deine Frage berührt mein Innerstes, zielt auf den wundesten Punkt meines Lebens. Ich wollte Vater sein, und ich habe mich über jedes Kind gefreut. Ich habe nicht nur jedes von ihnen gewickelt und gefüttert, ich bin stundenlang mit ihnen spazieren gegangen.
Es war wohl nicht von ungefähr und beinah ein Symbol, dass ich es war, der im Abstand von einigen Jahren allein mit ihnen war, als meine Töchter ihre Tage bekamen und ergo ich in die Apotheke wackelte und die krampflösenden Mittelchen und die dazugehörigen Hygiene-Artikel besorgten.
Es gab viele Tage, an denen ich mit meinen Großen die Mahlzeiten zubereitete. Kam ich später in eine ihrer Schulen, in denen ich eben nicht als Kollege auftrat, sondern als Vater, dann wurde ich gleich ins Rektorzimmer geleitet, wusste man doch, dass ich als Vater für meine Kinder stritt. Als die Mutter an einem schönen Sommertag plötzlich mit ein paar gepackten Koffern im Wohnzimmer stand, um zu verkündeten, dass sie ausziehe, merkte sie noch an, sie gehe davon aus, dass unsere Kinder bei mir blieben.
Ich geriet in die Situation, nun auch noch die Mutter zu geben. Die merkte einmal an: Es sei ihr nichts mehr geblieben, habe ich doch alle Plätze besetzt.
Diese Konstellation mag ursächlich sein dafür, dass meine Kinder ihrerseits früh beschlossen hatten, sich an mich zu halten.
Ich war damit irgendwann überfordert, zumal ich als Lehrer an einer Ganztagsschule ja auch zeitlich sehr beansprucht war.
Die Mutter fand einen Weg sich freizustellen.
Ein Beispiel dazu: In der Zeit, in der mein Jüngster bei seiner Mutter lebte, beklagte er sich wiederholt, nicht satt zu werden.
An einem Tag tauchte er bei mir auf und berichtete mir, er habe Hunger. Ich schwang mich mit ihm in die Küche und wir kochten gemeinsam. Er aß fast gierig. Den Rest packte er sich ein und wollte ihn essen, wenn er abends von seinem Training kam.
Da hatte er jedoch die Rechnung ohne seine Mutter gemacht, die, als sie nach Hause kam, das Restmahl des Sohnemannes in die Mikrowelle gepackt hatte und selbst gegessen.
Meine Kinder bedeuten mir alles. Und ich verstehe bis heute nicht, warum sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten.
Lasse ich das alles an mich heran, zieht es mich nieder.
Davor muss ich mich schützen, wenn Du das verstehst.

Schorsch

22.10.2014 15:05 • #17

Sponsor-Mitgliedschaft

Heller_Wahnsinn
Schorsch, ich mag nicht in Deinem Leben rumstochern, und ich will auch keinem wehtun. Du musst mir auch nicht antworten, wenn es zu viel ist.

Ich stelle mir gerade vor, wie das gewesen sein könnte, wieder fange ich bei Deiner Frau an, die Frau, die erst nach dem Tod ihrer Eltern das Leben begonnen hat, von dem sie vorher nichts wusste. Die als Mutter und Ehefrau gedacht war. Die von den eigenen Eltern weniger geschätzt wurde als der Schwiegersohn. Schwer muß das gewesen sein, was für eine Demütigung, was für eine Kränkung. Ein Grund für Neid und Eifersucht, das ist menschlich. Kann eine Frau, die aus einem solchem Elternhaus stammt, glückliche Mutter sein? Kann sie etwas weitergeben, was sie selbst nie erfahren hat? Ich weiß es nicht. Sie hat gemerkt, dass Du die Bezugsperson für die Kinder warst, das muß sie geschmerzt haben, denn sie hat sie 9 Monate im Bauch getragen und zur Welt gebracht. Es wird Gründe gegeben haben, warum die Kinder zu Dir kamen, Kinder halten sich an denjenigen, von dem sie mehr Liebe und Zuwendung bekommen, Kinder, die (psychologisch gesprochen, so heißt es) von der Mutter frustriert sind, wenden sich dem Vater zu. Ich würde gerne wissen, was vorgefallen ist, normalerweise vergessen Kinder nicht das Gute, sie sind eher bereit, das Schlechte zu vergessen.

Wenn Dir die Kraft fehlt, einen Schritt auf Deine Kinder zuzugehen, einen deutlichen, mutigen Schritt, mit dem Bekenntnis, dass Du sie gerne wieder an Deiner Seite wissen möchtest, dann wird Dir nichts anderes übrigbleiben als zu warten. Zu warten darauf, dass irgendwann, wenn sie älter sind und die Sturm- und Drangzeit sich gelegt hat, die Sehnsucht wieder spürbar ist, die Suche nach den Wurzeln, nach dem, was echt ist und das, was im Herzen bleibt.

Es tut mir aufrichtig leid, aber ich denke, es müssen viele Dinge vorgefallen sein, dass es so gekommen ist, wie es jetzt ist. Ich wünsche Dir auch von Herzen, dass sich ein Weg finden lässt, dass man wieder miteinander sprechen kann.

22.10.2014 15:25 • x 1 #18


novemberrain
Lieber Schorsch,

Deine Geschichte hat mich sehr berührt....
Was Du alles im Leben geleistet hast und welchen hohen Preis Du zahlen musstest... Das sind die Momente, wo ich mich frage, ist DAS gerecht im Leben? Sicher nicht...

Ich muss gestehen, plötzlich fühlen sich meine Probleme fast lächerlich an.
Angst, die ich selbst erzeuge- gegen das Leid, was Du schon im Kinderalter durchgemacht hast.
Fast schäme ich mich...

Was mich aber sehr wütend macht, ist Deine Ex-Frau.
Ich würde es gern so sehen wie Heller Wahnsinn, diese schreibt, Deine Frau war selbst das Opfer ihrer Erziehung. Mag sein.
ABER: Es ist eine Sache, den Mann zu verlassen. Aber die eigenen Kinder?
Welche Frau macht das?
Für mich UNVORSTELLBAR !
Für mich heißt Mutterliebe, zur Not auch für das eigene Kind zu sterben.
Davon war sie wohl meilenweit entfernt.
Sorry, aber da könnte ich

Und auch typisch für solche Furchen:
Für sich selbst schön Unterhalt einfordern, aber wehe, die Kids leben beim Vater. Da kennen sie das Wort Unterhalt plötzlich nicht mehr. Und kommen damit auch noch durch.

Lieber Schorsch,
zeig Deinen Kindern, dass Du für sie da bist.
Ich hoffe, sie wachen eines Tages auf und erkennen Deinen Wert.

Alles Liebe für Dich

23.10.2014 08:08 • #19


Schorsch
Hallo Novemberrain,

ich werde hier nicht auf die frühe Biografie meiner Ex eingehen. Das verbietet sich für mich.
Aber natürlich ließen sich da Gründe nennen und auch finden.
Das habe ich für mich schon lange geklärt.

´Was unsere Kinder angeht, so weiß ich allerdings schon lange, dass sie auch dafür herhalten mussten, dass eine Frau keine eigenen Ziele hatte. Deshalb waren die Schwangerschaften und nachfolgende Zeit auch immer so etwas wie eine stille Rechtfertigung, um nicht tun zu müssen, was sie hätte tun können.

Nach unserer Trennung vermutete ich noch kurz, dass sie jetzt durchstarten werde, aber weit gefehlt. Ein Klinikaufenthalt jagte den anderen. Das Ergebnis: Frühverrentung. Und damit war sie gefeit gegen alle Unterhaltsansprüche unserer Vier.
Mit meiner Pensionierung nahm sie sich dann noch rd. 600 €uro Versorgungsausgleich mit.

Aus dem Verkauf des in gemeinsamen Besitz befindlichen Hauses blieben mir schlussendlich gerade 10.000 Euro, weil mir Leistungen meiner lange verstorbenen Schwiegereltern gegengerechnet wurden. Da spielte es auch keine Rolle, dass die Hypothek jahrelang aus meinem Gehalt bedient wurde.

Gruß

Schorsch

23.10.2014 08:51 • #20


A


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