Pfeil rechts
1

M
hallo miteinander!

ich bin neu hier und ich hoffe ich kann mir hier tipps und anregungen holen...

mein lebensgefährte (sind seit über einem jahr zusammen) leidet seit jahren unter agoraphobie. er hat auch schon alles mögliche versucht - gesprächstherapie, tabletten, esoterik usw. usw.! leider hat nichts geholfen!
ausgebrochen ist die krankheit, als er noch mit seiner ex-partnerin und gleichzeitigen geschäftspartnerin zusammen war. er hat auch in dieser zeit versucht die krankheit zu besiegen. ich denke es hat deshalb nicht geklappt, weil er sich immer noch in der situation befunden hat, in der sie ausgebrochen ist. er hat über jahre hart gearbeitet - eigene firma zusammen - 7 tage woche, kaum urlaub....
ich habe ihn so kennengelernt und liebe ihn! ich versuche alles an verständnis aufzubringen was ich habe, auch wenn es nicht immer einfach ist! ich zwinge ihn auch zu nichts - was ich als sehr wichtig empfinde.
was ich dennoch nicht weiss ist, wie ich ihm helfen kann. ob ich mich richtig verhalte. einfach wie ich mit dem allem umgehen soll.
ich bin einfach der meinung, dass er abermals einen versuch starten muss/sollte. allein um seinetwillen - um wieder ein richtiges leben führen zu können! vorallem gehts ja drum, wie wird er beruflich in zukunft weiterkommen? nach der trennung von seiner frau und vom gemeinsamen geschäft, hat er sich auch selbstständig gemacht - das hat aber leider nur 3 jahre gehalten, weil er aufgrund nichtzahlender kunden konkurs anmelden musste! somit steht er jetzt vor einem großen problem - dem ams!
er hatte vor jahren schon mal eine tolle erfahrung mit denen - sie zwangen ihn zu einem amtsarzt zu gehen, da sie seine bestätigungen von div. psychologen nicht gelten liesen. er kann zwar zum ams gehen, weil es gsd in seiner möglichen reichweite ist, jedoch nicht zum amtsarzt, weil er hier über eine brücke gehen müsste und das kann er nicht. wahnsinn wie unmenschlich man behandelt wird...

meine frage ist, wie ich mich erstens als angehörige richtig verhalten soll und ob ihr euch mit solchen problemen ausgekennt - ams und dieser krankheit? gibt es möglichkeiten über den sozialversicherungsträger eine therapie zu machen?

ich danke euch schon vorab für jeden tipp und ratschlag!

09.12.2013 14:35 • 11.12.2013 #1


7 Antworten ↓


L
Hallo mietzmietz

Erst ein mal ein riesen Lob an dich, dass du dich so mit dem Thema auseinander setzt! Klasse!

Also zum zweiten Thema kann ich dir leider nichts sagen, da kenne ich mich nicht aus. Aber mit dem ersten natürlich!

Also ich persönlich finde schon mal sehr gut, dass du versuchst Verständnis aufzubringen ABER es ist ganz wichtig (sagt auch meine Therapeutin) nie zu bemitleiden oder zu verhätscheln. Das bestätigt nämlich die Angst!
Statt dessen, zuhören und deinem Partner rational erklären wieso seine Angst (in den meisten Fällen) unbegründet ist!
Kein Druck ist auch immer so ne Sache und ein schmaler Grad. Denn auf der einen Seite brauchen wir einen gewissen Druck (der tritt in den Ar.) auf der anderen Seite sollte man keinesfalls Enttäuschung oder beleidigt sein zeigen wenn der andere es nicht schafft oder sich nicht überwinden kann!
Mein Partner macht es im großen und ganzen richtig. Er verhätschelt mich nicht, zieht mich aber mit, damit ich nicht zu viel vermeide.
Wichtig finde ich auch das über eine spezifische Angst nicht zu viel geredet werden darf, versuche ein bis zweimal klar zu machen das die Angst unbegründet ist, lass dich aber nicht darauf ein es wieder und wieder bestätigen zu müssen! Denn je mehr man immer wieder über ein und die selbe angst redet, umso mehr Raum nimmt sie im Kopf ein!

Im großen und ganzen würde ich sagen, nimm ihn mit einem festen Händedruck an die Hand und zieh ihn mit, aber verzeihe auch wenn nicht alles direkt machbar ist!

Ach, und ein Lob für eine bestandene sache hören wir immer gern.

Das ist so dass wie ich persönlich möchte das man mit mir umgeht und was mir gut tut.
Kann aber natürlich sein dass andere das völlig anders sehen.

Liebe grüße Lila

10.12.2013 00:16 • #2


A


Angehörige von Agoraphobie & Panikattacken-Patienten

x 3


M
Hallo Lila!

Vielen Dank für deine Antwort und deine Tipps!

Natürlich setzte ich mich mit dem Thema auseinander, denn ich liebe meinen Mann über alles! Und mein größter Wunsch für ihn ist, dass er endlich wieder leben kann! Er hat diese Krankheit schon über 10 Jahre!

Bemitleiden tue ich ihn direkt nicht - ich versuche Verständnis und Mitgefühl zu zeigen! Ich höre ihm zu, wenn er darüber reden möchte und stelle Fragen und gebe meine Meinung dazu ab. Das ist auch meiner Meinung nach ein sehr schmaler Grad!
Wir reden auch nicht so oft über das Thema, nur in der letzten Zeit mehr, weil es immer mehr zum Thema wird. Erstens weil er ja jobmäßig immer mehr damit konfrontiert wird - er musste seine Selbstständigkeit aufgeben und zweitens auch im Bezug auf uns! Aber nicht weil ich ihm Vorwürfe mache, sondern weil er einfach selber merkt, dass es hart für mich ist!
Viell. denke ich zuviel nach....viell. sollte ich einfach aus dem Bauchgefühl heraus handeln, aber ich möchte halt nichts falsch machen oder ihn kränken oder sonst was in der Richtung! Ist nicht so einfach!

Bist du in Therapie? Wie sieht diese aus? Kostenintensiv? Leidest du noch an der Krankheit? Bzw. was hast du genau wenn ich fragen darf?

Danke auf alle Fälle für deine Zeilen!

Wünsch euch alles Gute!
Lg mietzmietz

10.12.2013 09:22 • #3


L
Hallo mietzmietz

Sehr gerne

Erst mal kurz zu mir: Ich bin 25 Jahre jung und leide seid ungefähr 8 Jahren an Angst-und Panikattacken. Ähnlich lang wie dein Mann. Wieso genau das bei mir angefangen hat, kann man nicht so genau sagen, ich denke es kamen einfach ein paar Dinge zusammen und eine gewisse Veranlagung dafür war vorhanden.
Ich hab relativ zeitnah nach der Diagnose eine Therapie angefangen, hatte aber leider einfach das Pech nicht direkt denn für mich passenden Therapeuten zu finden. Es ist super super wichtig, dass das passt! Mittlerweile habe ich aber eine sehr gute Therapeutin mit der ich super glücklich bin. Also ich leide defintiv noch darunter, wobei man sagen muss, das es gute und schlechte Phasen gibt. In guten Phasen bekomme ich so gut wie alles hin und schaffe es mich den meisten Situationen zu stellen und fühle mich von der Angst wenig eingeschränkt. Dann gibt es aber auch Phasen, wie jetzt seid 3 Wochen, in denen ich so eine Art Rückfall habe, wo plötzlich garnichts mehr geht und alles was ich so über die Jahre antrainiert habe nicht mehr greift! Das ist leider sehr schwer. Aber gerade in diesen Phasen ist es am aller wichtigsten weiter zu machen, nur so kann man merken, dass egal wie schlecht man sich fühlt, einem nichts passiert! Das ist auch einfach das einzige was langfristig gegen Ängste hilft, die KONFRONTATION! Leider aber auch das schwierigste! Aber dass ist wirklich so der Kernpunkt! Dein Mann muss die Situationen aufsuchen vor denen er Angst hat und diese durchstehen, bis er merkt es passiert nicht das was er befürchtet! Das klappt nicht immer sofort und man muss ein und die selbe Situation immer und immer wieder meistern, dann wird es langsam besser! Das verspreche ich!
Was ich schon mal gute finde, ist, dass er ja sehr aktiv zu sein scheint, gerade was das arbeiten betrifft! Ich glaube dass es ein ganz wichtiger Punkt ist,einen geregelten Tagesablauf zu haben und eine Arbeit der man nach geht! Vielleicht ist gerade das der Punkt wegen dem es bei ihm momentan so stark wieder hoch kommt! Wie wäre es für ihn, wenn er erst mal einen anderen Job annimmt, einfach einen Nebenjob. Ich weiß, das ist nach einer Selbstständigkeit sicher nicht das was er will, aber wenn er jetzt garnicht mehr arbeitet glaube ich das es ihm immer schlechter gehen wird. Gerade wenn er immer so unheimlich viel gearbeitet hat. Der Mensch braucht Bestätigung für sein Können. Und das fehlt ihm jetzt!

Welche spezifischen Ängste hat er? Bei mir zum Beispiel, ist es die Angst vor Krankheiten, Angst in Ohnmacht zu fallen, Angst vor der Angst, Angst vor Menschenmassen (in Zügen, Kino, Supermarkt etc.).
Du sagst er hat Angst vor Brücken! Gehe mit ihm zu einer Brücke und versuche mit ihm die Angst davor zu überwinden. Wenn ers nicht schafft, geh wieder mit ihm hin! Was er gerade braucht, sind Erfolgserlebnisse! (Die hatte er ja leider in letzter Zeit garnicht)

Zum Thema Therapie und kostenintensiv: Wie ist er versichert? Privat oder gesetzlich? Im Normalfall übernimmt die Krankenkasse sämtliche Kosten für eine Therapie bei einem Psychologischen Psychotherapeuten! War er schon mal in einer Therapie? Wenn nicht, ganz ganz wichtig dass er das tut! Bei einer so langen Zeitspanne in der er das schon hat, ist es kaum mehr möglich ohne Therapie! Das Problem bei Ängsten ist, sie generalisieren sich. Sprich je länger sie unbehandelt bleiben umso intensiver werden sie und umso mehr Ängste kommen dazu!

Wenn du noch weitere spezifische Fragen hast, frag mich gerne ich versuche sie so verständlich wie möglich zu beantworten. Denn das ist echt ein riiiiesen Thema.

Aber nochmal, er muss anfangen die Ängste zu konfrontieren! Und wenn ihr da mit der Brückenangst anfangt! Er muss die Erfolgserlebnisse machen, dass nicht eintritt was er befürchtet!

Liebste Grüße Lila

10.12.2013 15:24 • x 1 #4


L
Ahhh ich sehe gerade, ihr kommt aus Österreich! Da weiß ich leider nicht wie das bei euch ist mit den Krankenkassen! Aber das müsste doch so sein wie bei uns in Deutschland oder nicht?

10.12.2013 15:31 • #5


M
Hallo Lila!

Danke für deine Antwort und deine Offenheit! Und ich gratuliere dir zu deinen Erfolgen, auch wenn du grad ein kleines Tief hast...es wird wieder aufwärts gehen. Den Glauben nie verlieren...mach weiter so!

Ich denke auch, dass es sehr sehr wichtig und ausschlaggebend ist, auf welchen Therapeuten man trifft - da muss einfach die Chemie stimmen! Ich weiss auch, dass das lange lange dauert bist man die Krankheit besiegt oder man Besserung erlangt. Deshalb finde ich es auch so wichtig, dass er schön langsam wieder anfängt. Das große Problem ist halt, dass er vor Jahren schon sooooviel versucht hat und nichts hat geholfen, dass er einfach ein wenig hoffnunglos ist. Aber das will ich nicht zulassen. Ich weiss, dass es schaffbar ist....klar ist es ein harter Weg, aber so weiter zu leben ist noch härter!

Gerade gestern haben wir wieder darüber geredet! Ich habe ihm gesagt, dass er früher oder später wieder mit einer Therapie anfangen muss und es bez. dem finanziellen Faktor immer eine Lösung gibt und was ich weiss, zahlt bei uns auch die Krankenkasse etwas dazu. Da muss man sich nur mal erkundigen. Das Problem ist halt nur, ich will ihn nicht drängen oder zwingen! Er hat gestern gemeint, dass es ihn selber schon so anzipft, er aber erst nächstes Jahr damit anfangen will, weil er heute noch die Sache mit dem Arbeitsamt regeln möchte usw.! Ich würde ihm sogar alles abnehmen - sprich sich bez. Kostenübernahme, Therapeuten usw. zu erkundigen...

Ich habe ihm auch schon mehrmals vorgeschlagen, dass wir gewisse Situationen zusammen versuchen - eben über eine Brücke gehen oder über seine normale Reichtweite hinausgehen oder mit dem Auto fahren...ich glaube er hat einfach zuviel Angst davor. Und jede Woche will ich auch nicht fragen, dann setz ich ihn viell. unter Druck und das will ich auch nicht. Aber ich finde genau wie du, dass nur eine KONFRONTATION mit seinen Ängsten die beste Methode ist! Nur wie bring ich ihn dazu, ohne ihn zu nerven oder zu drängen oder sonst was....?! Will ihm ja nur helfen...

Er hat im speziellen Angst vor Menschenansammlungen, vor Liften, kann nicht höher als 2 Stockwerke gehen, Angst über Brücken zu gehen.... Sachen wie Kino oder mit dem Zug fahren geht überhaupt nicht, weil er ja da nicht hinkommt aufgrund seiner Ängste. Er würde hier sein gewohntes Umfeld verlassen müssen! Er hat Gott sei Dank einen Supermarkt in der Nähe und auch ein Lokal wo er mal abends hingehen kann - das hat ihn auch aber anfangs Überwindung gekostet und Training. Panikattacken hatte er sei locker einem halben Jahr nicht mehr - aber auch logisch, weil er die Situationen völlig meidet wo wie ausbrechen könnten.
Die ganze Angstssache ist in den letzten Jahren bei ihm in den Hintergrund getreten, weil er sich auf seine Selbstständigkeit konzentriert hat und im letzten Jahr auf seinen Konkurs usw.! Erst jetzt schön langsam kommt das wieder mehr auf den Tisch.

Letzten Sonntag konnte ich ihn dazu animieren einen Spaziergang mit mir zu machen. Ich habe ihm die Richtung überlassen und wie weit wir gehen. Es war herrlich und es hat ihm auch gut getan, obwohl er natürlich nervös war und alles, aber grundsätzlich ging es ihm gut dabei. Und ich lobe ihn für jeden noch so kleinen Fortschritt und sei es nur, dass er ein Telefonat gemeistert hat, vor dem er sich gedrückt hat! Aber ich weiss was du meinst - er braucht Erfolgserlebnisse!

Weisst du, wenn er nur mal den ersten Schritt machen würde Richtigung Therapie, wäre ich schon glücklich - klingt hoffentlich nicht komisch! Ich will doch einfach nur, dass er wieder mehr vom Leben hat und es ihm gut geht! Ich weiss ja, dass es ihn selber schon nervt und er auch Angst hat, dass ich ihn irgendwann deswegen verlassen werde - was seine Freundinnen zuvor immer gemacht haben.

Dir auch alles Gute weiterhin und gib die Hoffnung und den Mut NIE auf!

Lg Mietzmietz

11.12.2013 11:17 • #6


A
Hey mietzmietz,

aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass Druck vom Partner (natürlich nicht zu viel) sehr sehr gut helfen kann. Natürlich sieht man, dass anfangs als Betroffener anders. Vor einem dreiviertel jahr hatte ich einen Rückfall und es ging mir schlecht. Ich habe mich so gut wie nirgends mehr hingetraut. Einerseits wollte ich, andererseits war die Angst zu groß. Mein Partner war irgendwann so verzweifelt, dass er gesagt hat, dass er das nicht für immer mitmachen wird. Entweder ich werde endlich aktiv oder er wird mich früher oder später verlassen. Das war so hart für mich. Aber das war der nötige Tritt in den Ar*** den ich brauchte. Ich habe angefangen mich den Situationen zu stellen. Zunächst mit Hilfe meines Partners, dann alleine. Mittlerweile kann ich zumindest meinen Alltag ohne riesige Ängste bewältigen.

Was ich also sagen will ist, du solltest deinem Partner klar machen, dass du willst, dass er seine Ängst überwindet und dass du ihn dabei unterstützen willst. Dass du aber auch sehen willst, dass er aktiv wird. Du willst ihn nich nerven, das kann ich nachvollziehen. Besonders weil man als Ängstler oft aggressiv und trotzig reagiert (zumindest ich) wenn man mich wohin mitnehmen möchte, wo ich Angst habe. Aber das muss man übergehen. Ich bewundere meinen Partner dafür, wie er das schafft. Es ist sicher nicht leicht für ihn. Aber er sagt dann zu mir: Du kannst das. Wir gehen da jetzt hin. Am Anfang ist es natürlich oft schwer, aber wenn man es dann gemeistert hat, ist man stolz. Also nimm deinen Mann ruhig mal und sag bestimmt: Ich habe mir überlegt wir könnten später mal über die Brücke gehen. Wir versuchen es einfach. Sprich ihm Mut zu. Aber lass nicht gelten, wenn er sagt er kann das nicht. Zumindest kann er zu der brücke hingehen, auch wenn er sie zunächst nicht ganz überqueren kann.

ich hoffe ich konnte etwas helfen.

Liebe Grüße

11.12.2013 11:33 • #7


M
Hallo Angsthäschen89!

Vielen Dank für deinen Beitrag!

Ich denke es macht die richtige Mischung aus zwischen Druck und Verständnis! Jeder reagiert anders darauf und ich schätze ihn so ein, dass er trotzig und beleidigt reagieren würde. Da muss ich sanft aber mit a bissi Druck vorgehen, weisst was ich meine?
Wenn dann müssten wir eh kleine Schritte machen...aber ich allein kann das nicht bewerkstelligen - dafür müsste er zu einem Therapeuten auch gehen - das bin ich nämlich nicht! Weisst was ich meine? Ich kann ihn nur unterstützen und ihm helfen und ihm Mut zusprechen!
Ich denke beim nächsten Spaziergange werde ich das Thema Brücke anschneiden - dann sehen wir eh... : )

Danke auf alle Fälle für deine Meinung und deine Erfahrung!

Alles Gute!
Lg

11.12.2013 12:07 • #8






Dr. Reinhard Pichler