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Hallo,

mein Name ist Narima und ich bin neu hier.
Kurz ein paar Eckdaten: weiblich, 31, wohne alleine und leide unter schweren Depressionen und generalisierter Angststörung.

Heute sollte ein guter Tag werden, denn ich hatte endlich einen Termin für die probatorischen Sitzungen bei einem Psychotherapeuten. Dazu muss ich sagen, ich bin therapieerfahren und meine Ängste bestehen seit meiner Kindheit. Ich leide unter durchgehenden Schuldgefühlen, bin extrem mitfühlend (nicht mehr schön) und kann meine Ängste nicht kontrollieren. Weil das nicht ausreicht, bekomme ich immer mal wieder schwere Depressionen, jetzt gerade seit Weihnachten bin ich wieder in einer schwarzen Phase. Das kurz als Background.

Ich war vor dem Termin extrem nervös, obwohl ich mir vorher extra alles zurecht gelegt hatte, was ich ansprechen will. Der Anfang war eigentlich ganz okay, den Therapeuten finde ich sehr sympathisch, kannte ihn ja schon vom Erstgespräch. Ein Jungspund, schätzungsweise relativ frisch aus dem Studium (was das Alter angeht). Am Anfang war es ein belangloses Blabla, doch irgendwann kam dann die Frage, was ich mir als Therapieziel vorstelle bzw. wann ich merken würde, dass die Therapie erfolgreich ist. Als erstes kam mir da in den Kopf, mich selber wahrzunehmen. Denn ich bin meistens nur ein Spielball von Meinungen der Anderen oder meiner eigenen Ängste. Wieder vermehrt angstfrei Sachen unternehmen zu können. Gleichzeitig die Angst davor, das gleiche Schema zu fahren wie in meinen alten Therapien. Alltagsproblemchen zu Problemen zu machen um von der eigenen Angst abzulenken. Arbeitsfähig werden um jeden Preis, egal ob es mir damit gut geht. Nein, das möchte ich diesmal nicht.
Dazu muss ich sagen, Arbeit ist in meiner Familie übertrieben wichtig und ich habe schon als Kind mitbekommen, dass wer nichts tut einfach Abschaum ist. Ich persönlich sehe die Gesundheit als wichtiger an, bin aber so in den Mustern gefangen, dass ich denke, arbeiten gehen ist viel wichtiger als gesund zu werden.
Dann kam leider der Spruch, der bei mir sofort einen Error ausgelöst hat: Ja, vielleicht ist Arbeit aber hilfreich und Sie wollen das selber. Mein Kopf versteht nur Arbeit und hilfreich und war sofort im Schema drin Wenn selbst ein Mensch mit Fachwissen das sagt, wirst du wohl nicht so krank sein sondern gesund genug um sofort in Arbeit zu gehen. Habe ihm dann sofort erzählt, dass mein Kopf jetzt total im schlechten Kreislauf drin steckt, aber daraufhin hat er nichts mehr erwidert. Er meinte dann, meine Therapieziele wären also, Sachen zu machen, die ich mich nicht traue. Das stimmt so nicht, denn mein Therapieziel ist Sachen so angstfrei wie möglich erleben zu können, die Schuldgefühle los zu werden und mehr auf meine eigene Stimme zu hören. Das ist er dann völlig übergangen und fing immer wieder mit den Sachen trauen an. Irgendwann habe ich dem dann zugestimmt und dann war die Sitzung auch vorüber.

Jetzt fühle ich mich total schlecht, völlig falsch verstanden und überhaupt nicht gut aufgehoben. Ich habe vor, das alles noch mal durchzugehen und für das nächste Mal die Therapieziele aufgeschrieben mitzubringen, damit er mich besser versteht. Ich habe ewig auf diese Therapie gewartet und es ist der einzige Therapeut im Umkreis, der überhaupt eine Warteliste geführt hatte, das heißt er oder keiner. Stationär ist für mich aus verschiedenen Gründen keine Option, daher geht es nur ambulant. Ich werde ihm natürlich Zeit geben, aber es ist ein ungutes Gefühl, gleich beim ersten Treffen keinen guten Eindruck zu haben.

Ging es vllt. wem ähnlich, dessen Therapie sich trotzdem zum Guten gewandt hat? Und darf ich das beim nächsten Mal einfach so ansprechen? Ich wurde leider auch schon bei Therapeuten abgelehnt, da die Schwere meiner Erkrankung nicht so einfach zu behandeln ist, daher habe ich immer Angst, Anmerkungen anzubringen.

Liebe Grüße Narima

03.02.2023 18:35 • 03.02.2023 #1


7 Antworten ↓


K
Das ist doch gar nicht schlecht gelaufen.

Er interessiert sich und er hat wirklich wichtige Themen gleich an den Anfang gesetzt: Therapieziele erfragt, hat Aufmerksamkeit dafür, dass Therapien schlecht laufen können oder in die falsche Richtung gehen könnten. Und er hat Dir ein Angebot gemacht, hat Dir aber genug Freiraum gelassen.

Dass er nicht sofort alles so aufgenommen hat, wie Du es wolltest, ist jetzt kein Beinbruch. Im nächsten Gespräch kannst Du mit ihm in der Sache weiterreden. Da gehst Du einfach nochmal auf das Thema ein und sagst freundlich zu ihm: Letztes Mal haben wir über meine Therapieziele geredet und an ihren Antworten daraufhin habe ich gemerkt, dass da ein Missverständnis drin steckt. Ich möchte mit der Therapie NICHT.... erreichen. Sondern ich möchte... erreichen. Das ist mir sehr wichtig, dass wir das nochmal ganz klar so festpinnen!.

Und dann geht's weiter. Dann hat er eine Chance, genauer drauf einzugehen.

Wie Du sagtest:

Keine Alternative vor Ort. Er gibt Dir eine Chance. Nachdem, was hier steht, macht er seine Sache bisher gut.

Dann lass' ihm jetzt ein bisschen Zeit, Dich besser kennenzulernen.

Mein Therapeut ist auch ein sehr junger. Aber auch er ist sehr gut und hat auch genug Erfahrung. Ich hatte auch anfangs Zweifel, ob er nicht zu jung für mich ist. Ich habe dann mit einem sehr guten Therapeuten Rücksprache gehalten und er hat auch gemeint: Keine Angst vor jungen Therapeuten. Die sind viel mehr motiviert als die alten. Sie sind am nächsten am Forschungsstand.

Es spricht viel gegen junge Therapeuten. Und es gibt viele Leute, die zu erfahrenen Therapeuten raten. Aber die Wahrheit liegt dazwischen. Für manche Menschen ist ein junger Therapeut genau das Richtige.

Wenn er Dir doch sympathisch ist, dann würde ich sagen GO! Lass' ihm und Dir die Zeit. Und das, wo es klemmt, das sagst Du ihm einfach so lange, bis er es kapiert hat.

Diese jungen Therapeuten haben viel drauf. Die lernen z.T. extra Therapieverfahren, mit denen sie Patienten aus dem Loch holen, die schon viele Jahre chronisch krank waren, wo alle Therapieversuche bisher gescheitert sind. Die wissen in aller Regel, was sie tun und wie sie es tun müssen. Das ist wie alte und neue Technik. Von wann ist Dein Handy? Warum hast Du keins, was 15 Jahre alt ist? DARUM! Diese jungen Therapeuten haben eine viel bessere Ausbildung bekommen als die, die heute 50 oder 60 oder noch älter sind.

Alles Gute!

03.02.2023 19:33 • #2


A


Unguter Therapiebeginn mit GAS/Persönlichkeitsstörung

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Ich habe auch überhaupt keine Angst vor seinem Alter.
Die Therapeutin, die ich davor hatte war schon über 60 und hat dann die Aussage gemacht, dass sie nicht einsieht, auf meine Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, denn ihre Therapieart wäre nun mal so und die wird sie nicht ändern.
Deswegen bin ich auch froh, dass er eben so jung ist aus den gleichen Gründen, wie du es sagst.

Allerdings merke ich halt, wie ich jetzt schon dicht machen will, weil dieses Arbeitsthema wirklich extrem schwierig ist für mich.
Ich war immer der absolute Workaholic, habe über 200 Stunden im Monat gearbeitet. Habe auch immer von Therapeuten gesagt bekommen, ja, super, weiter so. Habe mir damals aus der Tagesklinik raus ein Probearbeiten organisiert und das während der Therapiezeit wahrgenommen. Da hieß es nicht: Wollen Sie sich nicht erstmal auf die Therapie konzentrieren? sondern auch da hieß es nur Klasse, unterstützen wir. Das ich 2 Monate später wieder arbeitslos war und wieder ein Fall für die Klinik war, wurde ignoriert.
Deswegen ist das für mich eine riesige Red Flag, an der ich nicht so leicht vorbeikomme. Denn genau diesmal wollte ich es ja anders machen. Aber ich merke jetzt schon den Druck, den das in mir auslöst.
Auf die Aussage hin, dass ich das jetzt ungern weiter zum Thema machen würde kam halt sofort: Ja, vllt. müssen Sie anders arbeiten oder weniger. Ich will aber das Thema gar nicht zur Sprache bringen, denn das ist momentan überhaupt kein Faktor für mich, denn mir geht es so miserabel wie seit Jahren nicht. Und jetzt komme ich gleich in der 2ten Stunde an mit einem Missverständnis. Noch hat er ja die Möglichkeit, abzulehnen, sind ja noch die probatorischen Sitzungen.

03.02.2023 19:44 • #3


K
Ich kann Deine Bedenken gut verstehen.

Aber ich sag's mal so:

Der Ton macht die Musik!

Ich würde ihm das genauso erzählen, wie Du es hier erklärt hast. Und ich bin sicher, wenn er mehr darüber weiß, dann sieht es es von selbst, dass Du bei dem Thema sehr schnell den alten Druck und den Zusammenbruch wieder auf dem Bildschirm hast.

Rede mit ihm in Ruhe. Lass' Dir ein bisschen Zeit, wähle Deine Worte und sei freundlich, nicht vorwurfsvoll, nicht wütend und sage ihm, dass Dir das Panik macht und Du Angst hast, dass es wieder zu schnell in die Leistungsschiene geht.

Wenn Du ein bisschen traurig dabei guckst, dann ist das für ihn auch ein Signal, dass er sieht, dass es Dir null gut damit geht.

Du musst jetzt schauen, wie du miit ihm klarkommst. Und das geht nur, wenn Du hingehst und ihm reinen Wein einschenkst. Aber formuliere es als Bitte.

Du musst auch bedenken, dass das auch nur Menschen sind. Und alle 50 Minuten sitzt da ein andere Mensch, der wieder was ganz Anderes von ihm erwartet. Das ist nicht so einfach, wie es aussieht.

Und wenn er längere Zeit Deine Erwartungen nicht erfüllen kann, dann müsst ihr auch darüber sprechen und Euch gegebenenfalls wieder trennen. Aber ich würde auf keinen Fall nach einem Gespräch jetzt aufhören, wo es doch insgesamt kein schlechter Therapeut ist. Ich würde ihn weiter kennenlernen wollen. Nach dem 1. Gespräch fühlen sich Therapeuten meistens nicht gut an, weil sie einem noch zu fremd sind.

Denk' mal in Ruhe drüber nach? ?

03.02.2023 19:54 • x 1 #4


K
Zitat von Narima:
Ich habe auch überhaupt keine Angst vor seinem Alter. Die Therapeutin, die ich davor hatte war schon über 60 und hat dann die Aussage gemacht, dass sie nicht einsieht, auf meine Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, denn ihre Therapieart wäre nun mal so und die wird sie nicht ändern. Deswegen bin ich auch froh, dass ...

Zu dem, was Deine frühere Therapeutin gesagt hat und wie sie reagiert hat:

GANZ TYPISCH!

Solche Leute sollte man direkt abservieren. Gleich aufstehen und gehen! FERTIG!

Ich weiß, dass man die noch immer überall in der Therapieszene finden kann und die mit einem Selbstverständnis unterwegs sind, dass es einem die Spucke wegbleibt. Aber so ist es nun mal. Wegbleiben. Bei den Bewertungsportalen eine Bewertung einstellen. Das muss nicht daneben sein, nicht abwertend, sonst werden die nur gelöscht oder nicht veröffentlicht. Einfach nur so ein Satz: Ich war mit der Therapie dort überhaupt nicht zufrieden. Es ging mir schlecht davon. Ich habe dort die Therapie abgebrochen, weil sie mir nicht geholfen hat. . Damit verfängt man sich nicht in rechtliche Probleme, aber so warnt man andere Patienten vor solchen Fehlbesetzungen.


Tut mir leid, dass Dir das passiert ist. Anderen passiert es leider auch und gar nicht so selten.
Aber der junge Therapeut ist doch sehr sympathisch, das hast du selbst geschrieben. Ich würde jetzt die nächste Stunde dazu nutzen, mich mit ihm auszutauschen damit er nochmal genau hören kann, was Du Dir in der Therapie von ihm erwartest und was Du erreichen willst.

Mach' Dir wirklich einen Zettel als Gedächtnisstütze. Dann sieht er, dass Du Dich ernsthaft bemühst. Das wird ihn freuen.

Wenn Du mit ihm gut umgehst und er mit Dir, dann hast Du echt eine gute Chance, aus Deiner Erkrankung teilweise oder ganz raus zu kommen.

03.02.2023 20:11 • x 1 #5


N
Zitat von Kosmos:
Wenn Du ein bisschen traurig dabei guckst, dann ist das für ihn auch ein Signal, dass er sieht, dass es Dir null gut damit geht.

Das ist tatsächlich auch ein Riesenproblem. Ich bin leider die Schauspielerin vor dem Herrn. Ich habe das in all den Jahren so gelernt, dass ich das nicht ablegen kann. Gerade am Anfang nicht. Da muss der Therapeut mich schon sehr gut lesen können.

Aber klar, aufgeben werde ich das so schnell natürlich nicht. Aber getriggert hat es mich trotzdem. Klar, er kennt die Geschichte ja nur angerissen, mal gucken, wann ich dazu komme ihm das zu erklären.

Mir ging es bisher nach dem ersten Therapiegespräch immer gut, dieses Mal ist es das erste Mal, dass ich mich schlecht fühle. Aber naja, vermutlich soll es einem bei einer Therapie auch nicht gut gehen, man trinkt ja auch keinen Kaffee miteinander

03.02.2023 21:55 • #6


K
@Narima

Grundsätzlich sollte es einem nach den Therapiegesprächen schon besser gehen. Aber es kann auch anders sein. So Erstgespräche sind immer anstrengend und nervenaufreibend. Geh' hin und versuche dieses Mal Deine Themen rüberzubringen. Du kannst doch zu ihm sagen: Ich glaube, letztes Mal ist nicht ganz klar rübergekommen, was ich wirklich in der Therapie angehen möchte. .

Und ja, wenn Du nur cool und kontrolliert da sitzt und alles nur verstandesmäßig abarbeitest, dann sieht er nicht, wo es klemmt. Also ein bisschen mal traurig gucken und mal sagen, dass das grade ein ganz schlimmes Thema für Dich ist, wo viel Altes hochkommt, was Du Dich grade sehr anfasst, das kannst Du auf alle Fälle mal zu ihm sagen.

Gib' ihm wenigstens ein bisschen Signale, damit er anfängt, mehr auf Dich zu schauen. Und wenn dann noch nichts kommt, dann sag' ihm, dass Du gerade von ihm Support/Unterstützung brauchst, zumindest ein Feedback, weil Ihr gerade alte Wunden aufgerissen habt.

Überlege Dir mal zu Hause Formulierungen, die für Dich so sind, dass Du es ihm gegenüber aussprechen kannst, dass Du grade von ihm Halt brauchst oder eine Ansage oder Vorschläge oder eine Marschroute.

Da er sozusagen die nahezu einzige Alternative ist, die es jetzt dort gibt, würde ich sehr versuchen, ihn für mich zu gewinnen und versuchen, eine gute Beziehung zu ihm aufzubauen.

Wenn Du es schaffst, dass er Dich gut findet, dann wird er eine Bereitschaft aufbauen, Dir zu helfen. So ein Therapeut sitzt in der ersten Stunde da nicht drin und überlegt, wie er Dir helfen kann. Sondern der überlegt, ob er diesen Fall übernehmen will. Das is so ein bisschen wie in einem Bewerbungsgespräch. Man kann tatsächlich da auch einfach durchfallen.

Also, lass' ihm mal ein bisschen Zeit, Dich kennenzulernen, die Geschichte kennenlernen und bau' ihm Brücken in der Hoffnung, dass er dann auch an diesen Brücken interessiert ist und mitbaut.

Ambulante Therapeuten erleben auch viele Leute, die echt doof sind. Wenn sie sich so jemanden reinholen, haben sie danach viel Ärger damit. Dh sind die zum Teil sehr kritisch und wenig anlehnungsbedürftig in den ersten Gesprächen. Die lassen sich oft nicht gleich auf eine Patientin ein und warten eher zu, wie sich das Ganze entwickelt.

Ich denke, mit diesen Hinweisen kannst Du was anfangen. Du bist jetzt schon so weit gekommen, jetzt versuche, diesen Therapieplatz zu kriegen.

Alles Gute!

03.02.2023 23:00 • x 1 #7


K


Da Du selbst noch sehr jung ist, ist ein junger Therapeut für Dich vielleicht goldrichtig. Je größer der Altersunterschied, desto weniger Erfolgschance hat eine Therapie.

Vielleicht findet ihr noch zueinander und es wird irgendwann wie Kaffeetrinken.

Mein Therapeut und ich trinken jede Stunde gemeinsam Tee oder was Anderes. Wenn ich komme, fragt er, was ich möchte, dann verschwindet er in die Küche und danach bewirtet er mich. Es ist überall anders.

Schau' mal, ob Du mit ihm eine gute Basis aufbauen kannst. Das wäre toll. Und wenn ihr nicht miteinander könnt, dann kommt sicher irgendwann auch eine neue Chance.

03.02.2023 23:11 • x 1 #8





Mira Weyer