@Daishō du sprichst mir aus der Seele
Zitat von Leseratte52:Und 'zurechtfinden'? In meinen Genen steckt verflixt viel 'Münsterländer Bauernschädel'. Und dem hat selbst ein Baden Württemberger wenig entgegen zu setzen...
Ich hab in den 70ern eine Zeitlang in der Nähe von Stuttgart in einer Kleinstadt gearbeitet, in einem Kleinbetrieb mit ca. 25 Mitarbeitern, absolut international aufgestellt.
Unsere 8 Hilfsarbeiterinnen - ups - ungelernte Fachkräfte, sprachen ausschließlich ihr ortsübliches Schwäbisch - kein Hochdeutsch - kein einziges Wort.
Unsere Tippsen - ups - Bürofachkräfte, sprachen ebenso ortsübliches Schwäbisch, gemischt mit dem Stuttgarter Großstadtschwäbisch und zusätzlich, bei bestimmten Anlässen, ein bemühtes aber gebrochenes Hochdeutsch.
Dito unser Betriebsleiter und mein Abteilungsleiter.
Ein Arbeitskollege aus Bad Cannstatt sprach gepflegtes Stuttgarter Großstadtschwäbisch und verständliches Hochdeutsch,
ein Lehrling - ups - Auszubildender, kam aus Coburg - ich sag jetzt lieber nix ,
ein anderer aus der tiefsten, näh - muss wohl heißen - höchsten schwäbischen Alp - war selbst für die ortsansässigen kaum zu verstehen - dazu kam, er war ( ist er hoffentlich immer noch ) knapp 2m groß, Figur wie Schwarzenegger Junior - ich hab ihm niiiiie widersprochen,
ein griechischer Hilfsarbeiter - ups - ungelernte Fachkraft, sprach ein interessantes Gemisch aus griechischschwäbischhochdeutschenglischitaliänisch.
Unser ältester Mitarbeiter kam aus Berlin.
Ein weiterer Kollege, der, seit dieser Zeit, einer meiner allerbesten Freunde ist, ist ein Mischling, ein *beep*. Seine Mutter war Schwäbin, sein Vater Schwiizer und sein Stiefvater Österreicher. Brrrrrrrh.
Unser Chef war gebürtiger Sachse, sprach aber fast akzentfreies Hochdeutsch.
Und dann kam - ich -, aus dem hohen Norden, zumindest für die Schwaben. Münsterland, ist das nicht an der Nordsee, ist das schon Ostfriesland - oder Holland ? .
@Daishō, ich hoffe du stimmst mir zu, wenn ich behaupte, wir Münsterländer sprechen das reinste Hochdeutsch in diesem Land, wenn wir wollen. Aber in bestimmten Situationen, wenn meine Emotionen mit mir durchgingen, konnte ich nur Plattdeutsch reden ( schimpfen, fluchen ).
Bis auf den Chef und unseren Berliner, waren wir zw. 17 und 25 Jahre jung, auch unser Betriebsleiter. Die gesamte Damenmannschaft war schon uralt, alle mindestens 30 J. alt.
Also, die Völkerverständigung war anfangs sehr schwierig. Wir in der Männertruppe haben an den Wochenenden viel gemeinsam unternommen, vor allem - Alk. Getränke testen. Die Verständigung , die eh schon nicht einfach war, wurde mit zunehmendem Alk. noch schwieriger, da jeder in seinen ganz persönlichen eigenen Dialekt verfiel und zu später Stunde glaubte ich oft, hier findet der Turmbau zu Babel statt. Aber je mehr schwäbischgriechischitaliänischfränkischversuchshochdeutschplattdeutsch gelallt wurde, um so besser verstanden wir uns.
Der erste wirkliche Kulturschock war nicht die Sprachbarriere, sondern mein erster Besuch einer schwäbischen Gaststätte. Es gab keine Theke, nur Tische - in der ganzen Stadt keine Kneipe mit Theke und Thekenhocker. Für einen münsterländer Kneipengänger ein Schock - ein Unding.
Ich sollte mich an einen TISCH setzen um ein B. zu trinken? Wie ungemütlich.
Aber - es war mit die beste und spaßigste Zeit meines Lebens. Ich hab viele neue, liebe Freunde gefunden und durfte mit ganz tollen, humorvollen Arbeitskollegen und Kolleginnen zusammenarbeiten.
Tja, da sieht man mal wieder, Multikulti in Deutschland gab´s schon bevor das Wort überhaupt erfunden wurde.
Den sturen und dickköpfigen Münsterländer durften die Arbeitskollegen und auch mein Chef so manches Mal kennenlernen. Arbeitsanweisungen, die mir unsinnig vorkamen, habe ich meistens stillschweigend ignoriert, was meinen Abteilungsleiter und auch den Chef schon mal auf die Palme brachte.
Als der Chef wieder einmal meinen Abteilungsleiter, zwei Mitarbeiter und mich wegen einer Lappalie ( meine Meinung ) im seinem Büro zusammenschiß und die anderen Kollegen versuchten, sich demutsvoll zu rechtfertigen, bin ich irgendwann aufgestanden und zur Tür gegangen. 5 Sekunden Totenstille, dann das Gebrüll vom Chef: `Wo wollen Sie hin? ` Ich: `Schaffe - net schwätze` Wieder Totenstille. Als ich schon die Bürotür erreicht hatte, hab ich mich nochmal zum Chef gewandt: `Frage - Sind Sie mit meiner Arbeit zufrieden? ´ Antwort: `Ja, aber...` Frage:´ War die Unterhaltung jetzt bezahlte Arbeitszeit oder..`-------`Rauuus `
Tja, so konnte ich wertvolle Arbeitszeit retten und nicht durch unnütze Gespräche verplempern.