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29

C
Zitat von WayOut:
Ich habe ein paar Menschen mit PTBS in meinem Umkreis, und bei denen ist es wirklich bei allen so, Sie können über die Geschehnisse nicht reden, ohne Flashbacks zu bekommen und massiv getriggert zu werden.

Da gibt es auch noch ein paar technische Details, die aber wichtig sind, Die Diagnose des komplexen Traumas ist relativ neu und ein wenig umstritten. Es wurde früher zwischen Trauma, das eine kurze, einmalige und psychisch absolut überwältigende Situation darstellt, die nicht integriert werden kann und chronischer Aggression, wie jahrelanger Gewalt, Demütigung, Entwertung usw. unterschieden. Heute wird beides komplexes Trauma genannt, bzw. und richtiger, es wird der Traumaaspekt wiederholter Aggression stärker bewertet, als der chronischer Aggression, die - das ist der wesentliche Punkt - psychisch anders verarbeitet wird.

Die Symptomatik und auch der therapeutische Ansatz ist ein anderer und in dem Kontext kann es durchaus sein, dass Du keine Flashbacks hast, die typisch für ein kurzes, einmaliges Trauma sind, aber nicht für chronische Aggression.

13.02.2024 20:24 • x 2 #21


WayOut
@Cbrastreifen das erklärt es tatsächlich nochmal besser, danke weil Flashbacks hab ich null, bin aber mit „chronischem Druck, funktionieren zu müssen“ aufgewachsen.
Vielleicht fällt das auch unter diese „chronische Aggression“?!
Hast du eventuell Literatur, die das ein wenig beleuchtet zum besseren Verständnis?

13.02.2024 20:28 • #22


A


Eigene Diagnose nicht annehmen können

x 3


C
Zitat von WayOut:
das erklärt es tatsächlich nochmal besser, danke

Hab's noch mal korrigiert, hoffe es nicht zu sehr zu verkomplizieren.

Zitat von WayOut:
Flashbacks hab ich null, bin aber mit „chronischem Druck, funktionieren zu müssen“ aufgewachsen.
Vielleicht fällt das auch unter diese „chronische Aggression“?!

Definitiv. Du, Deine Gefühle, Deine Befindlichkeit hat einfach keine Rolle gespielt und das ist es dann, was man verinnerlicht. Man fühlt nichts, weil es unwichtig ist, weil man als unwichtig behandelt wird. Das ist eine Form der Entwertung.
Das kann seine erklärbaren Gründe haben und ist vordergründig nicht zwingend aggressiv gemeint, man bekommt nur ständig gespiegelt, dass eigene Probleme, Ansprüche oder Wünsche egal sind.

Da musst Du dann erst mal lernen, Deine eignene Bedürfnisse überhaupt wieder wahrzunehmen, sie Dir zu erlauben und Dich selbst ernst und wichtig zu nehmen, was ein Prozess von Jahren, nicht von Wochen ist.

Zitat von WayOut:
Hast du eventuell Literatur, die das ein wenig beleuchtet zum besseren Verständnis?

Wenn Du den Unterschied meinst, bzw, chronische Aggressionen und die Folgen, ist m.E. immer noch Otto Kernberg der Gold-Standard. Der ist nicht unbedingt leicht zu verstehen, ich weiß nicht, ob Du Vorwissen hast. Ich habe mich aber auch durch seine Bücher da reingefrimelt, das geht also auch.
Es gibt eine sehr gute DVD, Psychoanalyse für Nicht-Psychoanalytiker, das ist eine sehr umfassende Einführung in den Bereich, um den es bei Dir höchstwahrscheinlich geht. Du findest einiges von ihm auch bei YouTube, da kannst Du schon mal reinschnuppern.

Hier kannst Du mal reinhören:
https://shop.auditorium-netzwerk.de/ref...analytiker
Das geht dann so über 13 Stunden.

13.02.2024 20:42 • x 1 #23


Flame
Zitat von Cbrastreifen:
Definitiv. Du, Deine Gefühle, Deine Befindlichkeit hat einfach keine Rolle gespielt und das ist es dann, was man verinnerlicht. Man fühlt nichts, weil es unwichtig ist, weil man als unwichtig behandelt wird. Das ist eine Form der Entwertung.
Das kann seine erklärbaren Gründe haben und ist vordergründig nicht zwingend aggressiv gemeint, man bekommt nur ständig gespiegelt, dass eigene Probleme, Ansprüche oder Wünsche egal sind.

Ja,ich glaube,das ist es,genau das.

Bis man gar nichts anderes mehr kennt.

13.02.2024 20:57 • x 2 #24


WayOut
@Cbrastreifen Das ist echt wichtig zu wissen, weil die „Standard Google Ergebnisse“ zu kptbs spucken einem eben immer dieses „Flashback verhalten“ aus, weswegen es mir schwer fiel, die Diagnose anzunehmen. Ja, die Erklärung passt halt ganz gut, weil in meiner Erziehung das funktionieren immer über den Gefühlen und „persönlichen Befindlichkeiten“ stand.
Zb eben:
Egal wie es dir ging, hattest du nicht „den Kopf unterm Arm“ wurde arbeiten gegangen. Du hast Fieber aber kannst noch laufen? Arbeiten. Du hast letzte Nacht über der Schüssel gehangen aber seit 2 stunden nicht mehr? Arbeiten.
So, dass mir das Thema Arbeit mittlerweile nen absoluter Graus ist, egal welcher Job, sogar damals zur Schule schon. Kaum war Sonntagnachmittag, ging es mir dreckig, weil ich nicht Alltag haben wollte. Das hab ich bis heute. Hat auch nichts mit dem Job zu tun den ich mache, hab den zig mal gewechselt, same sh*t, different Position.
Das einzige was mir da hilft, so durch die Woche zu kommen ist, dass ich mir immer wieder sage „du musst gar nichts! Wenn’s net geht, krank melden und wenn’s ganz wild wird musst du auch gar nicht mehr arbeiten! Du musst gar nichts!“
Das trägt mich seit Jahren so durch den Alltag. Aber auch da lerne ich noch „der vernünftige Erwachsene“ in mir zu sein, der sich da selbst raus ziehen kann.
Es ist halt mittlerweile so, dass jede Form von „müssen“ eine starke Abwehrhaltung bei mir hervorruft weil das eben so das Kind in mir im negativen Sinn triggert. Und arbeiten zählt halt einfach zu den Dingen, die man „normalerweise muss“, also muss ich einen Weg finden, damit umzugehen. Und da hilft mir halt zu verstehen: Nö, eigentlich MUSS man noch nicht einmal arbeiten. Du möchtest arbeiten, weil es dir vieles im Leben ermöglicht, aber MÜSSEN tust du gar nichts und wenn’s gar nicht mehr geht, kannst du’s jederzeit lassen!“
Aber Arbeit ist halt da nur die Spitze des Eisbergs, alles im Alltag wo ein „Muss“ auf mich zu kommt (und wenns auch nur falsch formuliert ist a la „wir müssen noch einkaufen“, „so langsam muss ich aber los“, „ich muss noch duschen“……), muss ich erstmal mit diesem inneren Widerstand dealen.

@Flame Ja genau das. Man kennt nichts anderes mehr. Und es war echt schon nen jahrelanges Ding, dass ich zb überhaupt erstmal erkenne: woran liegt es, dass ich sonntagsnachmittags dauernd heule wie ein Kleinkind und den Montag und die ganze Woche nicht will“ oder „warum prokastiniere ich wie die Ausgeburt der Hölle, wenn wir irgendwo hin müssen“…allein das erkennen, dass dieses „müssen“ ein Riesen Ding bei mir ist, war ein jahrelanger Prozess.
Alles wo es um „funktionieren“ oder „müssen“ geht, fällt bei mir ne Klappe. Weil ich eben nichts anderes kannte und überall „durch geprügelt“ (wenn auch zu 95% verbal) zu werden.

15.02.2024 06:30 • x 2 #25


C
Zitat von WayOut:
Es ist halt mittlerweile so, dass jede Form von „müssen“ eine starke Abwehrhaltung bei mir hervorruft weil das eben so das Kind in mir im negativen Sinn triggert. Und arbeiten zählt halt einfach zu den Dingen, die man „normalerweise muss“, also muss ich einen Weg finden, damit umzugehen. Und da hilft mir halt zu verstehen: Nö, eigentlich MUSS man noch nicht einmal arbeiten. Du möchtest arbeiten, weil es dir vieles im Leben ermöglicht, aber MÜSSEN tust du gar nichts und wenn’s gar nicht mehr geht, kannst du’s jederzeit lassen!“

Und auf das schauen, was Du wirklich gerne machst. Beruf und Berufung verschmelzen lassen, das ist vielleicht etwas idealistisch gedacht, aber prinzipiell geht das, Arbeit kann und darf auch Spaß machen, als sinnvoll empfunden werden, dann ist sie auch keine Belastung.

Bei mir ist das so ein Viereck aus Spaß/Ideal, Freizeit, Geld und Kollegen. Wenn eines abfällt, muss es in den anderen Bereichen kompensiert werden. Kannst Du ja erst mal innerlich durchspielen.

Zitat von WayOut:
Aber Arbeit ist halt da nur die Spitze des Eisbergs, alles im Alltag wo ein „Muss“ auf mich zu kommt (und wenns auch nur falsch formuliert ist a la „wir müssen noch einkaufen“, „so langsam muss ich aber los“, „ich muss noch duschen“……), muss ich erstmal mit diesem inneren Widerstand dealen.

Ja, aber damit kannst Du Dich auch selbst blockieren. 'Ich muss noch kochen' kannst Du ja auch in 'ich darf mir was zu essen machen' umformulieren und Spaß macht es dann, wenn es schmeckt, Du kreativ sein kannst (Zeit und Lust vorausgesetzt) und es vielleicht noch gesund ist, das Kima schont, je nach dem, wie man gestrickt ist.

Aber unterm Strich, ist es schon richtig, dass Du das Gefühl entwickeln solltest, dass Du über Dein eigenes Leben bestimmst. Das geht es gutes Stück weit und an der Interpretation der eigenen Lebensgeschiche schreibt man ein großes Stück mit, was bedeutender ist, als es klingt.

15.02.2024 16:34 • x 1 #26


B
Ich kenne das gut. Als mir meine Therapeutin gesagt hat ich hätte eine PTBS in Folge eines Entwicklungstrauma, habe ich mir gedacht dass kann doch nicht sein. Es hat bei mir fast 2 Jahre gedauert bis ich das verstanden habe und glaube konnte. Denn auch ich hatte wirklich kaum Flashbacks. Ich hatte nur schon 15 Jahre psychosomatische Beschwerden ohne das ich je geglaubt hätte das diese von der Psyche kommen. Ich war in hohen Grad leistungsfähig und hatte nie gespürt dass ich unter Dauerdruck und Daueranspannung (als auch körperlich stehe). Ich war das alles so gewöhnt. Es musst bei mir der sehr lange Totalzusammenbruch kommen um endlich zu beginnen zu hinterfragen. Entwicklungstrauma sind einfach schwer fassbar und lang nicht so offensichtlich wie Schocktrauma. Deswegen dachte ich mir lange .... naja andere haben ja viel schrecklicheres erlebt.... ich habe doch kein Recht jetzt eine PTBS zu haben. Ich wollte es akzeptieren, aber es ist mir über 2 Jahre nicht gelungen. Aber nach und nach (mit viel Therapie) kam ich zu der Erkenntnis dass meine Kindheit alles andere als normal war, dass ich unter Dauerdruck und Stress stand (Gewalt zwischen meinen Eltern und zu uns Kindern, eingesperrrt sein - also keine Freunde treffen dürfen, viele Drohungen (mit Scheidung oder Suizid) extrem hoher Leistungsdruck, etc.). Ich hab das immer mit einem sexuellen Missbrauch verglichen und mir gesagt dass das ja viel schlimmer ist. Und in der Tat ist es das auch. Trotzdem hab ich dann irgendwann verstanden dass der Körper grundsätzlich natürlich Stress und Druck für kurze Zeit gut aushält aber wenn mann über 17 Jahre hinweg fast permanente in diesem Zustand ist und immer Angst haben muss dann ist das einfach auch sehr, sehr schlimm und alles andere als normal. So habe ich Stückweise begonnen zu akzeptieren dass ich eine PTBS in Folge eines Entwicklungstrauma habe auch wenn ich keine Flashbacks habe. Ist aber eben bei Entwicklungstrauma selten der Fall dass man so typische Flashbacks hat. Aber ich habe halt typische Hyperarousalzustände und ich habe sowas wie Gefühlsflashbacks z.B. erschrecke ich wenn ich am Sofa liege (also gerade faul bin) und der Schlüssel von außen in die Tür gesteckt wird.... Ein kurzer Schockmoment dass ich jetzt beim faul sein erwischt werde.
Vielleicht hilft es dir dich etwas über Entwicklungstrauma schlau zu machen. Mir hat das langsam zu einer Akzeptanz verholfen

22.02.2024 13:34 • #27


Elisabeth71
@way Out : Mir ging es früher ähnlich.
Ich komme aus einem sehr gewalttätigen Elternhaus. Ich wusste von Außenstehenden ( u.a. Großmutter ) , dass es bei uns zu Hause nicht normal lief. Als ich zu arbeiten anfing , hatte ich große Probleme. Ich machte dann 1 Jahr lang eine Gesprächstherapie. Ich hatte damals auch gar kein Gefühl beim Erzählen der schlimmen Ereignisse.Vielleicht nahmen mich auch aktuelle Probleme zu sehr in Anspruch. Meine Neffen und Nichten wurden geboren. Das Schöne verbaute den emotionalen Zugang zu den Erinnerungen. Die Jahre vergingen und als im Alter die äußeren Probleme ( Arbeit ) wegfielen und auch Kontakte zerbrachen oder starben , tauchten die die Erinnerungen meiner Kindheit in qualvoller Weise auf.
Jetzt habe ich fast unerträgliche Emotionen beim Erinnern .
Warum das so läuft , weiß ich nicht.

24.02.2024 22:02 • #28


WayOut
@Elisabeth71 das ist natürlich echt unschön und da sind die Gefühle dann auch definitiv zu erklären. Ich hoffe, es geht dir bald besser damit.
Aber ich hab kein Gewalttätiges Elternhaus oder Ähnliches gehabt und ich hab eben überhaupt keine Emotionen, auch wenn ich in meiner Vergangenheit viel erlebt hab. Ich kann das alles erzählen als wäre es nen Film gewesen. Das ist natürlich was komplett anderes als bei dir

24.02.2024 23:48 • #29


Carmaax
@WayOut hey habe es grade mal gelesen und erkenne mich in deinem Beitrag teils wieder … ich verdränge den Tod . Als. Meine Oma :Opa verstorben sind hab ich es nicht realisiert tue ich immer noch nicht (hatten nie eine stark Bindung vielleicht 1woche im Jahr gesehen da sie im Ausland gelebt haben )
Ich weis die sind nicht mehr da aber verspüre irgendwie keine Emotionen ist jetzt knapp 10 Jahre her .. als vom einer Freundin von mir vor knapp 8 Jahren ca die Mutter verstorben ist mit der ich mich gut verstanden habe etc. hab ich es angenommen aber das war’s . Ich glaube mein Unterbewusstsein stellt das trauen in Menschen die sterben einfach aus

Gerade eben • #30


A


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