Pfeil rechts

S
Hallo,

vor zwei Wochen wurde bei meiner Mutter (68 Jahre) Blasenkrebs diagnostiziert. Der Tumor ist teilweise entfernt worden, die Blase muss aber entfernt werden. Das wird im Januar gemacht. Jetzt ist sie erst einmal zu Hause, um sich etwas zu erholen, sie ist völlig kraftlos. Das heißt, im Januar entscheidet sich, ob sie überhaupt operiert wegen kann (Herzprobleme) oder ob eine Chemotherapie gemacht wird.

Es war ein Schock für uns alle. Ich bemühe mich nach besten Kräften, meiner Mutter, die vorher eh schon immer krank war (Trigeminusneuralgie, Herzklappenschaden, Migräne u.v.m.) zu helfen, ihr Zuversicht zu geben und dass sie wieder etwas zu Kräften kommt. Gleichzeitig versuche ich aber, sie nicht allzu sehr zu bemuttern. Aber ich sorge mich sehr.

Ist hier vielleicht jemand, der auch einen krebskranken Angehörigen hat? Wie geht ihr damit um?

Ich selbst bin 47 Jahre, geschieden, ganztags berufstätig. Fühle mich im Moment ziemlich alleine, bin sehr müde. Für meine Eltern (mein Vater ist vor acht Jahren gestorben) fühle ich mich schon lange verantwortlich.

Danke und viele Grüße

16.12.2007 10:46 • 01.06.2008 #1


6 Antworten ↓


L
Liebe/r spatz,

ich habe einen ähnlichem Fall in der Familie.

Warum versuchst Du, Deine Mutter nicht allzu sehr zu bemuttern? Was für Prognosen habe die Ärzte denn gestellt? Wie lebt Deine Mutter?

Liebe Grüße

16.12.2007 14:19 • #2


A


Meine Mutter hat Krebs

x 3


C
Hi Spatz,

mein Vater hatte Blasenkrebs (neben vielen anderen schwerwiegenden Erkrankungen) - ich sollte Dir eigentlich keinen Rat geben, weil dieser Blasenkrebs und die damit verbundenen Behandlungen (BCG Chemo in der Urologenpraxis) und die jeweils sehr kurzen Krankenhausaufenthalte (zum Ausschaben der Blase) im Vergleich zu all den anderen Behandlungen und Operationen...was soll ich sagen, ich will Dir auch auf keinen Fall sagen Ach das ist nicht so schlimm, mach Dir mal keine Sorgen ....Meinem Dad konnte man die Blase auch nicht entfernen (weil sein Herz und der einzigst verbliebene Lungenflügel die Vollnarkose nicht überstanden hätte, lange Liegezeiten oder krankenhausauftenthalte in Allgemeinkliniken sollten auch vermieden werden etc)...eine Epiduralanaestesie (wie sie auch gebärene Frauen bekommen) machte es möglich, dass die Blase ausgeschabt werden konnte und mein Dad schon ein paar Stunden später wieder gehen konnte - was für ihn persönlich und für sein Herz-Kreislaufsystem und für seine Knochen und Muskulatur sehr sehr wichtig war...ich setz gehen in Anführungszeichen, weil bis Heute keiner versteht, wo der Mann überhaupt noch die Kraft und Energie hernahm um aufzustehen - und mein Vater hat den immer einen Vogel gezeigt, wenn sie ihn laut seiner Pflegestufe 3 Tagelang ins Bett stecken wollten lol

....die darauffolgende Chemo hat der Urologe in seiner Praxis gemacht (so dass Vater nicht jeden Monat in die Klinik mußte)...das darf und kann aber nicht jeder Urologe machen und mußte genauestens mit der KK abgesprochen werden....und war auch nur möglich weil der Krebs nicht in andere Organe streute...so dass diese Chemo nicht ins Blut sondern direkt in die Blase eingeführt und mit dem nächsten Toilettengang ganz natürlich wieder ausgespült werden konnte. 3 Operationen, und fast 4 Jahre monatliche Chemo...mein Vater ist nicht an diesem Krebs verstorben, hat auch bezüglich der Chemo keinerlei Nebenwirkungen gehabt und hat bis zum letzten Tag seine Blase behalten können. Dafür bin ich seinem Urologen und den Krankenhausärzten auf alle Ewigkeiten dankbar...der Mann hat alles und noch viel mehr ohne murren und Jammern über sich ergehen lassen und ausgehalten, die Blasengeschichte war im Vergleich - für meinen Vater - ein Spaziergang. Das soll nicht heißen, dass Deine Mama das ebensogut verkraftet und wegsteckt...als ich klein war, hatte mein Vater einen kleinen Hirntumor...und ist nach 3 Wochen noch mit Kopfverband wieder zur Arbeit getrabt...diesen Mann als Patienten mit irgendeinem anderen zu vergleichen wäre fatal und verrückt.

Ich erzähl Dir das bloß, weil es gerade jetzt ganz ganz wichtig ist, dass Du Deine Mutter auch weiterhin ernst nimmst und sie ihrem Charakter und ihrer Möglichkeiten entsprechend behandelst und förderst. Ich war von morgens bis abends bei meinem Vater in diversen Krankenhäusern, weil die dort ganz simpel nicht über das Personal verfügen um solche agilen Patienten zu betreuen...das fing schon mal damit an, dass er überhaupt nicht verstand, warum er - solange er noch alleine kriechen konnte - ne Bettpfanne, ne Ente oder gar ne Windel bekam...das ging gar nicht...für ihn nicht...und damit für mich auch nicht...seine Entscheidung basta..während das für viele andere Patienten ne ganz normale Geschichte war...die kamen an, haben sich ins Bett gelegt und sind freiwillig nicht mehr aufgestanden bis sie entlassen wurden. Ob das auf der urologischen, der pneumologischen, Kardio oder neurologischen war...

...nicht mehr alleine auf die Toilette gehen zu können oder einen Urinbeutel rumtragen zu müssen...das ist ein Gedanke, der jeden in Angst und Schrenken versetzt...und ich kann mir vorstellen, dass Deine Mama ganz starr vor Angst und Entsetzen ist....die Angst kannst Du ihr nicht nehmen...aber Du kannst die Arztberichte und Onkologischen Befunde einsehen bzw erfragen und Dich im Internet schlau machen...es gibt so viele verschiedene Arten von Blasenkrebs und Tumoren und bei vielen ist eine Blasenentfernung Gott sei Dank nicht notwendig...ist halt oft nur die effektivste Prävention um eine Streuung zu vermeiden.

Das wird mit Sicherheit kein Spaziergang und Garantien gibt es leider auch nicht...aber die Chancen stehen in ganz vielen Fällen von Blasenkrebs wirklich gut, dass der Patient das Organ behalten kann ...ich kenne Deine Mama nicht, Du mußt entscheiden, ob und wieviel Infos sie überhaupt hören will...aber wenn sie es will und physisch in der Lage ist, dann fördere jede Form von Bewegung ...kleine Spaziergänge, frische Luft, etc...alles damit ihr Herz - Kreislaufsystem und die Muskeln und Knochen in Bewegung bleiben...meine Mutter ist leider eine von den Damen, die sich - wenn sie sich nicht fühlen - in den Sessel setzen, Kette Rauchen und futtern... und jede Bewegung meiden...was in ihrem alter einfach immer dazu führt, dass sich ihr Allgemeinzustand rapide verschlechtert...das denk ich mir ja nicht aus, weil ich fies bin...ich merk das doch bei mir selbst schon...vor 20 Jahren hab ich mich mit ner Grippe 3 Tage ins Bett gelegt, geschwitzt und geschlafen und gut war...schwitzen und schlafen kann ich immer noch...aber das mit dem hinlegen unterlass ich Heute lieber...weil ich dann nämlich 3 Wochen brauche um meinen Kreislauf wieder in Schwung zu kriegen...

Spricht ja nichts dagegen, Deine Mama ein bißchen zu vertüteln...ich meine immerhin wurde ihr gerade in der Harnröhre und Blase rumgefummelt...da läßt sich nicht vermeiden, dass es tröpfelt...was ihr ganz bestimmt auch sehr unangenehm und peinlich ist...um so normaler und offensiver DU mit derlei Problemen umgehst und sie auch ansprichst, desto weniger tabu muß es für sie sein...den besten Rat, den ich Dir geben kann: immer fragen und nicht bestimmen oder spekulieren, was sie wohl möchte...sie hat´s ja an der Blase und nicht am Kopf..weißte was ich meine?


Alles alles Liebe für Euch Beide...

17.12.2007 20:16 • #3


S
Hier melde ich mich wieder.

Meine Mutter hat es nicht geschafft. Sie ist am 19. März gestorben.

Die Zeit vorher war ein einziges Auf und Ab. Immer wieder Hoffnung, immer wieder Rückschläge. Sie konnte aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes nicht operiert werden. Sie war insgesamt 4 x im Krankenhaus, dazwischen immer nur ein paar Tage zu Hause. Zuletzt kamen noch schwere Probleme mit der Lunge dazu. Sie wurde in ein künstliches Koma versetzt, künstliche Beatmung. Die Ärzte hofften, ihr damit helfen zu können. Während des Komas musste ich zweimal die Entscheidung treffen, nicht mehr einzugreifen - im Sinne meiner Mutter, ich weiß, wie sie darüber gedacht hat. Sie ist nicht mehr aufgewacht, hat nicht mehr mitbekommen, dass schwere Durchblutungsstörungen ihre rechte Hand haben absterben lassen.

Ich war seit dem ersten Krankenhausenthalt bis zum Schluss jeden Tag bei ihr, ob zu Hause oder im KH. Ich habe versucht, alles zu tun, was ich kann. Ich war immer sofort da, wenn ich merkte, dass sie mich braucht. Ich hoffe, ich habe genug getan.

Es war und ist eine schwere Zeit.

Es kamen dann die Beerdigungsangelegenheiten, die ich regeln musste. Dann stand mir die Wohnungsauflösung bevor. Das war eine Unmenge Arbeit. Heute vor einer Woche haben wir die letzten Sachen aus der Wohnung geholt. Jetzt habe ich viele Sachen von ihr hier, die noch unausgepackt sind und ich weiß noch nicht recht, wo ich alles verstauen soll. Im November bin ich selbst erst umgezogen. Jetzt sieht es hier wieder aus, als wäre ich grade umgezogen.

Die Zeit nach ihrem Tod war so angefüllt mit Arbeit und Anspannung, dass ich überhaupt noch nicht zum Trauern gekommen bin.

01.06.2008 10:01 • #4


T
Liebe Spatz,

es tut mir sehr leid, dass Deine Mama gestorben ist.

Und ich bin sicher, dass Du alles getan hast, was in Deiner Macht stand, um für sie da zu sein, sie zu tragen und ihr den Weg zu erleichtern.
Sie hat das mit Sicherheit gespürt.

Nimm das als einen wichtigen Moment in Deinem Leben mit. Und ich wünsche Dir, dass Du das als einen Trost in Deiner Trauer empfindest.

Und ich wünsche Dir, dass Du Dir Zeit zum Trauern nimmst. Dass Du Menschen um Dich herum hast, die Dich in Deiner Trauer tragen.

Fühl Dich herzlich umarmt.
teichmaus

01.06.2008 12:31 • #5


S
Hinter der Wolkenwand
blühen die Sterne,
ewig in unsagbarer Pracht.

Hinter der Wolkenwand
ist goldenes Licht,
auch in dunkelster Nacht.

Hinter der Wolkenwand
ist die Ewigkeit,
in der alles Leid erlischt.

Hinter der Wolkenwand
wohnt der Frieden,
doch wir sehen ihn nicht.



Mit lieben Grüsse, Lisa

01.06.2008 17:09 • #6


S
@teichmaus: Ich hoffe auch, dass sie es gespürt hat. Auch, als sie schon im Koma lag. Leider bin ich, als es zu Ende ging, fünf Minuten zu spät gekommen. Mir wäre wohler, wenn ich in dem Moment auch bei ihr gewesen wäre. Ich weiß, dass sie Angst hatte. Allerdings war ihr die genommen durch das künstliche Koma. Und sie sah bereits drei Tage bevor sie starb sehr friedlich aus.

Ich danke dir sehr für deine lieben Worte!

@sommersonne: Das Gedicht ist wunderschön. Mir kamen die Tränen, als ich es gelesen habe. Vielen lieben Dank dafür!

01.06.2008 17:41 • #7





Auch interessant

Hits

Antworten

Letzter Beitrag