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Falsche Ängste

“... Da wir alle Mensch sind, neigen wir dazu, uns falsche Probleme zu schaffen. Das Problem besteht darin, dass wir nicht anders können, als aus unserer besonderen und eigenartigen geistigen Verfassung heraus zu leben. Unsere Art zu denken gleicht nicht der einer Katze, der eines Pferdes oder eines Delphins Da wir unsere geistigen Fähigkeiten mißbrauchen, verwechseln wir zwei Arten von Angst. Die eine Art, die Furcht, ist etwas ganz Gewöhnliches. Wenn wir physisch bedroht sind, reagieren wir - wir laufen weg, wir kämpfen oder rufen nach der Polizei. Doch ein großer Teil unseres angsterfüllten Lebens basiert nicht auf Furcht, sondern auf falscher Angst.

Die falsche Angst gibt es nur, weil wir unseren Verstand mißbrauchen. Da wir unser Selbst oder Ich als etwas Losgelöstes sehen, schaffen wir die vielfältigsten Vorstellungen, bei denen das Ich das Subjekt ist. Diese Vorstellungen drehen sich darum, was diesem Ich geschehen ist oder geschehen könnte, wie man diese Geschehnisse analysieren oder kontrollieren könnte, und diese beinahe unaufhörliche gedankliche Aktivität führt zu einer dauernden ängstlichen (Fehl-)Einschätzung unserer selbst und der anderen.

Die Angst, die aus diesem falschen Bild entspringt, hindert uns daran, intelligent zu handeln; aus dieser Angst heraus versuchen wir, zu manipulieren. Sobald wir eine Situation oder einen Menschen eingeschätzt haben, handeln wir vielleicht, doch dieses Handeln basiert sehr oft auf einem Irrtum - dem irrtümlichen Denken, dass es ein Ich gäbe, das von der Handlung getrennt sei.

Aus diesem Ich-Denken erwächst ein bestimmtes Wertsystem. Wir neigen dazu, nur Menschen oder Ereignisse zu schätzen, von denen wir hoffen können, dass sie ein sicheres geschütztes Leben dieses Ichs erhalten oder ermöglichen. Wir schätzen uns selbst ein und entwickeln verschiedene Strategien, um dieses Ich zu erhalten. Im Jargon der südkalifonischen populären Psychologie denken wir vielleicht: Ich muss mich selbst lieben. Doch wer liebt wen? Wie um alles in der Welt kann es einem Ich gelingen, ein Mich-Selbst zu lieben? Wir glauben, ich muss mich selbst lieben, ich muss gut zu mir sein, ich muss gut zu dir sein. All diesen Vorstellungen liegt eine überwältigende Angst zugrunde, eine Angst, die nichts Produktives hervorbringt. Wir haben ein tiefes Ich, das wir zu lieben und zu schützen versuchen. Den größten Teil unseres Lebens verbringen wir damit , dieses sinnlose Spiel zu spielen.”

“ZEN IM ALLTAG”
© 1989 Charlotte Joko Beck
© 1990 Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

21.03.2010 00:46 • 20.03.2010 #1




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