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M
Ich bin 22, studiere im dritten Semester an einer Uni in einer kleinen (ziemlichen deprimierenden) Stadt im Osten, die einen ziemlich guten Ruf hat, daher der Leistungsdruck aber auch unglaublich hoch ist (ca 1/3 schafft es bis zum Abschluss- wenn überhaupt).
Mir fiel das Lernen in der Schule eigentlich immer leicht und ich hatte nie Angst, irgendwo durchzufallen oder es nicht zu schaffen. Ganz anders jetzt hier an der Uni: bei jeder Klausur fallen ca 50% (oder mehr) durch, es ist also nur noch eine Frage der Zeit bis ich auch dazugehöre. Bis jetzt habe ich noch alle Klausuren bestanden, habe aber trotzdem Angst vor den anstehenden Klausuren. Ich weiß einfach nicht, ob ich das Studium schaffe, ob es überhaupt das ist, was ich will, was ich aber sonst machen könnte oder möchte, weiß ich auch nicht. Irgendwie fehlt mir der Ausgleich, mein Alltag besteht aus an-die-Uni-gehen und was-für-die-Uni-machen. Ich freu mich auf den Tag, an dem ich irgendwann einmal abends von der Arbeit nachhause kommen werde, die Beine hochlegen kann und nicht noch stundenlang lernen muss und einfach entspannen kann ohne das Wissen, was man noch bis Tag X alles gemacht haben muss. Ein Tag, den ich bestimme und nicht ein Tag, an dem ich von der Uni bestimmt werde.
Ich habe zwar einen netten Freundeskreis, jedoch besteht er bis auf mich nur aus Pärchen, das heißt, zu eng sind die Freundschaften auch nicht. Unternehmungen zu zweit sind fast grundsätzlich ausgeschlossen. Da die Uni ziemlich klein ist, die Stadt ziemlich unlustig, habe ich auch eigentlich kaum eine Möglichkeit, mir einen neuen/anderen Freundeskreis zu suchen oder Kontakt zu anderen herzustellen. Ich fühl mich oft alleine, teilweise unverstanden. Ich glaube, nach außen bekommt man oft den Eindruck, dass stark bin und eigentlich gar niemanden brauche, alles alleine kann und ich glaube, ohne es zu wollen, bin ich manchmal auch eher abweisend, als dass ich jemanden an mich heranlasse. Meine Familie ist zwar ziemlich groß (5 Geschwister), aber zu keinem habe ich ein enges Verhältnis, am wenigsten zu meinen Eltern. Meine letzte Beziehung ist ca 2 Jahre her. Ich hab mich eigentlich nie schlecht gefühlt, alleine zu sein, „Einzelkämpfer“ und unabhängig zu sein, vieles alleine durchzuziehen (bin 1 Jahr alleine durch Australien gereist, im Sommer 2 Monate in Guatemala). Inzwischen hätte ich gerne wieder einen Freund. Aber wie kommt man an einen Freund, wenn im Freundeskreis alle vergeben, an der Uni sonst nur Vollpfosten oder vergebene Leute herumspazieren und man vorher eh alle vergrault, indem man das Gefühl vermittelt, keinen zu brauchen?
Ich bin (war bis jetzt?) ein ziemlich lustiger, lebensfroher Mensch und habe total gerne neue Leute kennen gelernt. Inzwischen kann ich mich kaum noch aufraffen, etwas zu unternehmen. Die Stadt ohne Möglichkeiten und ohne Freizeitangebot tut ihr Übriges.
Irgendwie wird mir einfach alles zu viel. Der Druck an der Uni, niemanden, der einen „auffängt“, dem ich mein Herz ausschütten kann oder der einfach mal einen Abend mit mir verbringt und etwas mit mir unternimmt (und zwar ohne Partner)…
Um es mal wirtschaftlich auszudrücken: „mittelfristig gesehen“ habe ich nur noch ein Semester an der Uni hier, dann eins in Chile (ich habe einen von zwei Plätzen bekommen- sollte ich da nicht stolz sein? Aber irgendwie bekomme ich jetzt, obwohl ich es so sehr wollte, nur Angst, wenn ich daran denke, in einer anderen Sprache studieren zu müssen…), und dann das letzte Semester noch mal an der Uni hier bis zum Bachelor. „Kurzfristig gesehen“ weiß ich überhaupt nicht, warum ich noch aufstehe, wenn es eh keinem auffällt, ob ich an der Uni bin oder nicht, wozu ich mir Unmassen von sinnlosem Wissen anhäufe und irgendwie versuche mich durchzuschlagen. Und dann nicht einmal davon überzeugt bin, dass es sich überhaupt lohnt und irgendwann einmal auszahlen wird.
Seit ca einem Jahr versuche ich soweit wie möglich regelmäßig Sport zu treiben, um ein wenig Ausgleich zu haben und hin und wieder etwas unabhängig von der Uni zu machen, (wenn ich Stress habe, sagt mir das mein Rücken laut und deutlich) aber so wirklich viel hilft das auch alles nicht…

Ich weiß einfach nicht, wie ich das alles noch mal eineinhalb Jahre durchstehen soll ohne nebenher durchzudrehen...

21.01.2008 15:00 • 25.01.2008 #1


1 Antwort ↓

B
Hallo melina,

erst einmal willkommen hier im Forum.

Du schreibst zwar in einem Selbsthilfeforum für Ängste, aber aus dem, was Du und wie Du es schreibst, schließe ich eher, dass Du in einer gewissen Lebenskrise steckst und darauf mit depressiven Gedanken und Stimmungen reagierst. Natürlich kommen immer dann auch (Zukunfts-)Ängste dazu, wenn einem alles zu viel ist.

Ich denke, Du bist jemand, der bisher immer gut funktioniert hat, für den Probleme zu bewältigen waren und der noch nie mit einer Situation wie der jetzigen konfrontiert war. Ich höre bei Dir so ein Stück burnout heraus.

Typischerweise hat man dann schnell eine graue Brille auf, durch die man die schwierigen und negativen Seiten des Alltags betont sieht und den anderen positiven Anteil in einem selbst nicht wahrnimmt oder nicht ausreichend berücksichtigt. Das merkt man sehr deutlich an dem, was Du hier geschrieben hast.

Ich selbst bin überzeugt, dass dies bei Dir nur eine vorübergehende Phase ist, bis Du Deinen Weg wieder positiver gehen kannst. Deine jetzige Situation ist durch Leistungsdruck und andere widrige äußere Umstände tatsächlich belastend. Du wirst das durchstehen. Aber Du betonst diese Seite im Augenblick zu sehr und gibst ihr zu viel Macht über Dich und Dein Leben.

Deshalb ein paar Tipps, die Dir vielleicht weiterhelfen könnten:

1. Schau Dir das, was Du geschrieben hast, noch einmal kritisch an und streiche Dir alle Formulierungen an, die Du als übertrieben erkennst. Formuliere sie realistisch um - setze also die graue Brille für kurze Zeit ab ! - (z.B. warum solltest ausgerechnet Du zu den 50% zählen, die durchfallen; das ist eine völlig willkürliche Annahme von Dir !)
2. Versuche soviel entspannende Aktivitäten zu machen wie möglich (Sport, Sportverein, kreative Kurse o.ä.) - baue solche Aktivitäten systematisch in Deinen Alltag ein, auch wenn im Moment die Zeit knapp ist und die Uni vorgeht (in einem Semester beginnt etwas Neues ! das ist durchzustehen!)
3. Kläre noch einmal für Dich, welche Ziele Du hast bzw. welche Du mit Deinem Studium einmal verbunden hast. Denn vieles ist durchzustehen, wenn das Ziel es wert ist.
4. Schreibe Dir noch einmal alle Deine bisherigen Stärken auf und hänge Sie Dir an den Spiegel - lese Sie jeden Tag mindestens einmal.
5. Versuche nicht krampfhaft, neue Freunde zu finden. Lass es auf Dich zukommen - verstärke lieber Deine Freizeitaktivitäten, weil sie Dir Spaß machen. Übrigens auch bei Päarchen kann man mal darum bitten, mit nur einem oder einer davon etwas zu unternehmen.

Empfehlen würde ich Dir gerne zusätzlich: Wolf/Merkle - Gefühle verstehen, Probleme bewältigen aus dem PAL Verlag.

Wenn Du so nicht weiterkommst, hole Dir Hilfe ( Psychologische Beratungsstelle an der Uni?, Beratungsstelle für Lebensfragen in der Stadt, Psychotherapeut/in). Sehe dies als Unterstützung in einer schwierigen Phase für Dich, die Dich aber auch weiterbringen kann, an deren Bewältigung Du Deine eigne Persönlichkeit stärken kannst.

Ich wünsche Dir hierfür viel Erfolg und bald wieder das Vertrauen in Dich selbst, dass Du einmal hattest und das im Moment nur etwas eingesperrt ist.

Herzlichen Gruß

Bernd Remelius

25.01.2008 09:19 • #2





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