Hallo Polly,
das ist schon alles richtig, was Du sagst. Vielleicht können wir das Ganze ja etwas ordnen.
Die Ursache von Ängsten wird je nach Erklärungstheorie anders definiert. In der Tiefenpsychologie werden die Ängste eher als Symptome von unbewussten Konflikten gesehen. Da ist Angst nicht gleich Ursache.
In systemischen Theorien werden die Ängste eher als Zeichen für Beziehungsmuster innerhalb zwischenmenschlicher Kommunikation definiert.
In der Verhaltenstherapie werden Ängste als gelernte Reaktionen gesehen, die durch innere Prozesse (Einstellungen und Gedanken) und durch Flucht- und Vermeidungsverhalten aufrecht erhalten werden. Die eigentliche Ursache (zurückliegende Situationen) können schon längst vorüber sein. Das gelernte Angstmuster bleibt aber bestehen und muss deshalb direkt angegangen werden.
Entsprechend sind die therapeutischen Herangehensweisen unterschiedlich. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die verhaltenstherapeutische Erklärung am stärksten belegt ist. Hier ist also der Abbau von Vermeidung und die Konfrontation mit den eigenen Ängsten und das Üben zentral.
Sollten die Angstreaktionen allerdings eine Rolle innerhalb der Regulation von Beziehungen spielen, so muss dies auch einbezogen werden (z.B. was würde ich verlieren, wenn ich die Ängste nicht mehr hätte? was würde ich mit der Zeit anfangen, wenn ich keine Ängste hätte? wie würde sich Angstfreiheit auf meine Beziehungen auswirken?)
Zu Deinen Erfahrungen mit dem Üben: wenn ich es richtig verstanden habe, dann schaffst Du es noch nicht richtig, Dich der Angst ausreichend lange zu stellen, bis sie abnimmt, ohne davon zu laufen. Das wäre der Grund, warum Deine Ängste stagnieren und immer wieder kommen. Möglicherweise brauchst Du hier Hilfe, das Dein Therapeut mit Dir in die Situation hinein geht und Dir dabei hilft, stand zu halten und nicht zu fliehen. Das wäre ganz zentral für Dich. Zusätzlich musst Du an den Gedanken arbeiten, mit denen Du Flucht auslöst. Schaue Dir noch einmal das Buch von Fr.Dr.Wolf an: Ängste verstehen und bewältigen aus dem PAL Verlag, um hier noch einige Tipps zu bekommen.
Schaue Dich auch mal in der Dornier-Stiftung um, die sehr gute Erfolge mit Angstkonfrontation in vivo haben. Hier kannst Du vielleicht eine bessere Behandlung finden oder Adressen von Therapeuten in Deiner Nähe bekommen, die ähnlich arbeiten:
http://www.christoph-dornier-stiftung.de/index.php?id=25
Ich hoffe, Du kommst mit diesen Ratschlägen etwas weiter. Bleib dran und gib nicht auf - Du kannst es schaffen ! Ich wünsche Dir dabei viel Erfolg.
Herzliche Grüsse
Bernd Remelius